§. 2. O wie begierig solten wir nicht alle eigene Weißheit ver-sollen die Christen lernen ih- ren Fein- den zu ver- geben, laugnen, in die Schul Christi hinüber gehen, und ihme seine Tu- genden ablernen, allezeit aufsehend auf den, der ein solches Wider- sprechen von den Sündern wider sich erduldet hat! Es ergreiffe doch einer den anderen bey der Hand, ihne zu ermunteren, als die Auserwählten GOttes, Heilige und Geliebte, mit vielem Bitten, Flehen und Kämpfen anzuziehen, hertzliches Erbarmen a, Freund- lichkeit, Demuth, Sanfftmuth, Langmuth. Zancket nicht auf dem kurtzen Weg, nach der so langen Ewigkeit: Sehet an die Heilig- keit und Unschuld selbs, wie sie euren und meinen Sünden-Last fort schleppet auf den verfluchten Galgen-Berg; Ach sehet! wie sich GOt- tes Sohn gegen uns umwendet und uns anredet; Meine Kinder! wollet ihr mir eurem GOTT und Seligmacher etwas zu Gefallen thun, O so dulde doch einer den anderen, und vergebet euch unter einanderen, so jemand Klag hat wider den anderen, wie ich euer GOTT euch vergeben habe, also thut auch ihr!
O lasset uns doch alle miteinander JESU gehorchen; wir wer- den hier viel Ruh und Fried, und dort ewige Freud und Wonne von solchem Gehorsam haben.
§. 3. Jst unser Nächster nicht gleicher Meynung mit uns, oderund dabey an ihre unleidsa- me Natur gedencken, hat sonst andere Gebrechen und Unarten; so soll uns das Mißfallen unserer eigensinnigen, unleidsamen Natur, ja nicht so sehr bewegen zu störriger Lieblosigkeit, als das Wolgefallen an Christi Exempel, uns zur Liebe treiben soll; sintenmahl wir den Nächsten nicht darum lieben sollen, weilen er uns anständig, und wir einig geistlich oder leiblich Vergnügen von ihm haben, sondern gar lauterlichen um Christi willen.
§. 4. Aus reiner, hertzlicher Begierd Christo niemahl zu mißfal-auch also- bald das geringste Zorn- Füncklein so bey ih- nen im Hertzen aufsteiget erstecken, len, sollen wir über unser Hertz wachen, und so bald Satan ein Zorn-Füncklein hineinwirfft, nicht so gleich aufbrennen, sondern darein speyen, einen Glaubens-Blick auf JEsum thun, und den Le- bens-Safft, den wir aus täglichem Genuß des Leibs und Bluts JE- SU Christi ziehen, auf das Füncklein werffen, stets bey uns den-
ckende;
aColos. III. 12. 13.
B b b b b 2
hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
§. 2. O wie begierig ſolten wir nicht alle eigene Weißheit ver-ſollen die Chriſten lernen ih- ren Fein- den zu ver- geben, laugnen, in die Schul Chriſti hinuͤber gehen, und ihme ſeine Tu- genden ablernen, allezeit aufſehend auf den, der ein ſolches Wider- ſprechen von den Suͤndern wider ſich erduldet hat! Es ergreiffe doch einer den anderen bey der Hand, ihne zu ermunteren, als die Auserwaͤhlten GOttes, Heilige und Geliebte, mit vielem Bitten, Flehen und Kaͤmpfen anzuziehen, hertzliches Erbarmen a, Freund- lichkeit, Demuth, Sanfftmuth, Langmuth. Zancket nicht auf dem kurtzen Weg, nach der ſo langen Ewigkeit: Sehet an die Heilig- keit und Unſchuld ſelbs, wie ſie euren und meinen Suͤnden-Laſt fort ſchleppet auf den verfluchten Galgen-Berg; Ach ſehet! wie ſich GOt- tes Sohn gegen uns umwendet und uns anredet; Meine Kinder! wollet ihr mir eurem GOTT und Seligmacher etwas zu Gefallen thun, O ſo dulde doch einer den anderen, und vergebet euch unter einanderen, ſo jemand Klag hat wider den anderen, wie ich euer GOTT euch vergeben habe, alſo thut auch ihr!
O laſſet uns doch alle miteinander JESU gehorchen; wir wer- den hier viel Ruh und Fried, und dort ewige Freud und Wonne von ſolchem Gehorſam haben.
§. 3. Jſt unſer Naͤchſter nicht gleicher Meynung mit uns, oderund dabey an ihre unleidſa- me Natur gedencken, hat ſonſt andere Gebrechen und Unarten; ſo ſoll uns das Mißfallen unſerer eigenſinnigen, unleidſamen Natur, ja nicht ſo ſehr bewegen zu ſtoͤrriger Liebloſigkeit, als das Wolgefallen an Chriſti Exempel, uns zur Liebe treiben ſoll; ſintenmahl wir den Naͤchſten nicht darum lieben ſollen, weilen er uns anſtaͤndig, und wir einig geiſtlich oder leiblich Vergnuͤgen von ihm haben, ſondern gar lauterlichen um Chriſti willen.
§. 4. Aus reiner, hertzlicher Begierd Chriſto niemahl zu mißfal-auch alſo- bald das geringſte Zorn- Fuͤncklein ſo bey ih- nen im Hertzen aufſteiget erſtecken, len, ſollen wir uͤber unſer Hertz wachen, und ſo bald Satan ein Zorn-Fuͤncklein hineinwirfft, nicht ſo gleich aufbrennen, ſondern darein ſpeyen, einen Glaubens-Blick auf JEſum thun, und den Le- bens-Safft, den wir aus taͤglichem Genuß des Leibs und Bluts JE- SU Chriſti ziehen, auf das Fuͤncklein werffen, ſtets bey uns den-
ckende;
aColoſ. III. 12. 13.
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hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
§. 2. O wie begierig ſolten wir nicht alle eigene Weißheit ver-
laugnen, in die Schul Chriſti hinuͤber gehen, und ihme ſeine Tu-
genden ablernen, allezeit aufſehend auf den, der ein ſolches Wider-
ſprechen von den Suͤndern wider ſich erduldet hat! Es ergreiffe
doch einer den anderen bey der Hand, ihne zu ermunteren, als die
Auserwaͤhlten GOttes, Heilige und Geliebte, mit vielem Bitten,
Flehen und Kaͤmpfen anzuziehen, hertzliches Erbarmen a, Freund-
lichkeit, Demuth, Sanfftmuth, Langmuth. Zancket nicht auf dem
kurtzen Weg, nach der ſo langen Ewigkeit: Sehet an die Heilig-
keit und Unſchuld ſelbs, wie ſie euren und meinen Suͤnden-Laſt fort
ſchleppet auf den verfluchten Galgen-Berg; Ach ſehet! wie ſich GOt-
tes Sohn gegen uns umwendet und uns anredet; Meine Kinder!
wollet ihr mir eurem GOTT und Seligmacher etwas zu Gefallen
thun, O ſo dulde doch einer den anderen, und vergebet euch unter
einanderen, ſo jemand Klag hat wider den anderen, wie ich euer
GOTT euch vergeben habe, alſo thut auch ihr!
ſollen die
Chriſten
lernen ih-
ren Fein-
den zu ver-
geben,
O laſſet uns doch alle miteinander JESU gehorchen; wir wer-
den hier viel Ruh und Fried, und dort ewige Freud und Wonne
von ſolchem Gehorſam haben.
§. 3. Jſt unſer Naͤchſter nicht gleicher Meynung mit uns, oder
hat ſonſt andere Gebrechen und Unarten; ſo ſoll uns das Mißfallen
unſerer eigenſinnigen, unleidſamen Natur, ja nicht ſo ſehr bewegen
zu ſtoͤrriger Liebloſigkeit, als das Wolgefallen an Chriſti Exempel,
uns zur Liebe treiben ſoll; ſintenmahl wir den Naͤchſten nicht darum
lieben ſollen, weilen er uns anſtaͤndig, und wir einig geiſtlich oder
leiblich Vergnuͤgen von ihm haben, ſondern gar lauterlichen um
Chriſti willen.
und dabey
an ihre
unleidſa-
me Natur
gedencken,
§. 4. Aus reiner, hertzlicher Begierd Chriſto niemahl zu mißfal-
len, ſollen wir uͤber unſer Hertz wachen, und ſo bald Satan ein
Zorn-Fuͤncklein hineinwirfft, nicht ſo gleich aufbrennen, ſondern
darein ſpeyen, einen Glaubens-Blick auf JEſum thun, und den Le-
bens-Safft, den wir aus taͤglichem Genuß des Leibs und Bluts JE-
SU Chriſti ziehen, auf das Fuͤncklein werffen, ſtets bey uns den-
ckende;
auch alſo-
bald das
geringſte
Zorn-
Fuͤncklein
ſo bey ih-
nen im
Hertzen
aufſteiget
erſtecken,
a Coloſ. III. 12. 13.
B b b b b 2
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/843>, abgerufen am 18.12.2024.
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