Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der unter den Stech-Disteln
verderbliche, sächt-schleichende Schlange, wider die man sich im
Glauben an des heiligen Geistes Beystand wehren müsse, sie nicht
lange ansehen; dann wann sie die Seel ein mahl bezaubert, so über-
wältige sie dieselbe leichtlich, und werde dem Menschen je länger je
schwehrer ihr zu widerstehen.

Ein besse-
res Mittel
wird dar-
zu an die
Hand ge-
geben.

§. 2. Du wirst ihm sagen, es sey nichts sicherers als den Willen
und Gedancken eilends davon abkehren, und zwar ehe das behende
Gifft in die Einbildungs-Krafft steige und das Blut entzünde; er
solle das Gebett und eine nutzliche Arbeit unverzüglich zur Hand
nehmen, sonderlich aber mit dem Hertzen JESUM den Ge-
creutzigten anrühren; es seye nichts süssers, als die wüste Begierd
also zerknirschen, und alle böse Gedancken wie kleine Würmlein an
den Felsen der Seeligkeit in starckem Glauben zerreiben, ehe sie zu
Drachen werden. Die Welt seye voller Stricke a; darum müsse
der Christ wachen und betten, und seine Augen stäts zu GOtt auf-
heben, damit er ihm seinen Fuß aus dem Netze ziehe; wo man
den Reitzungen nachgebe, so weiche die Gnad immer weiter von uns,
Sünd und Teufel werden stärcker, hingegen die also gewohnte Na-
tur je länger je schwächer zum Widerstand, und werde der Wille
mit Gewalt in des anderen Todes Gefängnuß hingezogen, und
nehme einen üblen Ausgang.

Kein-
nützige
Ausrede
beantwor-
tet.

§. 3. Es wäre je eine schlechte Ausrede vor einen Soldaten,
wann er sagen wollte; ja der Feind ist schuld daran, er hat mich
mit anmuthigen Dingen an sich gelocket, und zum Verräther go-
macht; oder er hat mich gar zu streng angegriffen, und ich konnte
mich seiner Wuth nicht besser entledigen, als daß ich mir einen
Strick über den anderen anwerffen und mich fortschleppen liesse,
ferne genug von meinem Heerführer hinweg.

Wie schmählich ists, wann ein Soldat
Dem Feind den Rucken kehret;
Wie schandtlich, wann er seine Stadt
Verlaßt und sich nicht wehret;
Wie spöttlich, wann er noch mit Fleiß
Aus Zagheit wird dem Feind zum Preiß.
Gewiß,
a Ps. XXV. 15.

Der unter den Stech-Diſteln
verderbliche, ſaͤcht-ſchleichende Schlange, wider die man ſich im
Glauben an des heiligen Geiſtes Beyſtand wehren muͤſſe, ſie nicht
lange anſehen; dann wann ſie die Seel ein mahl bezaubert, ſo uͤber-
waͤltige ſie dieſelbe leichtlich, und werde dem Menſchen je laͤnger je
ſchwehrer ihr zu widerſtehen.

Ein beſſe-
res Mittel
wird dar-
zu an die
Hand ge-
geben.

§. 2. Du wirſt ihm ſagen, es ſey nichts ſicherers als den Willen
und Gedancken eilends davon abkehren, und zwar ehe das behende
Gifft in die Einbildungs-Krafft ſteige und das Blut entzuͤnde; er
ſolle das Gebett und eine nutzliche Arbeit unverzuͤglich zur Hand
nehmen, ſonderlich aber mit dem Hertzen JESUM den Ge-
creutzigten anruͤhren; es ſeye nichts ſuͤſſers, als die wuͤſte Begierd
alſo zerknirſchen, und alle boͤſe Gedancken wie kleine Wuͤrmlein an
den Felſen der Seeligkeit in ſtarckem Glauben zerreiben, ehe ſie zu
Drachen werden. Die Welt ſeye voller Stricke a; darum muͤſſe
der Chriſt wachen und betten, und ſeine Augen ſtaͤts zu GOtt auf-
heben, damit er ihm ſeinen Fuß aus dem Netze ziehe; wo man
den Reitzungen nachgebe, ſo weiche die Gnad immer weiter von uns,
Suͤnd und Teufel werden ſtaͤrcker, hingegen die alſo gewohnte Na-
tur je laͤnger je ſchwaͤcher zum Widerſtand, und werde der Wille
mit Gewalt in des anderen Todes Gefaͤngnuß hingezogen, und
nehme einen uͤblen Ausgang.

Kein-
nuͤtzige
Ausrede
beantwor-
tet.

§. 3. Es waͤre je eine ſchlechte Ausrede vor einen Soldaten,
wann er ſagen wollte; ja der Feind iſt ſchuld daran, er hat mich
mit anmuthigen Dingen an ſich gelocket, und zum Verraͤther go-
macht; oder er hat mich gar zu ſtreng angegriffen, und ich konnte
mich ſeiner Wuth nicht beſſer entledigen, als daß ich mir einen
Strick uͤber den anderen anwerffen und mich fortſchleppen lieſſe,
ferne genug von meinem Heerfuͤhrer hinweg.

Wie ſchmaͤhlich iſts, wann ein Soldat
Dem Feind den Rucken kehret;
Wie ſchandtlich, wann er ſeine Stadt
Verlaßt und ſich nicht wehret;
Wie ſpoͤttlich, wann er noch mit Fleiß
Aus Zagheit wird dem Feind zum Preiß.
Gewiß,
a Pſ. XXV. 15.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0822" n="726"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der unter den Stech-Di&#x017F;teln</hi></fw><lb/>
verderbliche, &#x017F;a&#x0364;cht-&#x017F;chleichende Schlange, wider die man &#x017F;ich im<lb/>
Glauben an des heiligen Gei&#x017F;tes Bey&#x017F;tand wehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ie nicht<lb/>
lange an&#x017F;ehen; dann wann &#x017F;ie die Seel ein mahl bezaubert, &#x017F;o u&#x0364;ber-<lb/>
wa&#x0364;ltige &#x017F;ie die&#x017F;elbe leichtlich, und werde dem Men&#x017F;chen je la&#x0364;nger je<lb/>
&#x017F;chwehrer ihr zu wider&#x017F;tehen.</p><lb/>
          <note place="left">Ein be&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
res Mittel<lb/>
wird dar-<lb/>
zu an die<lb/>
Hand ge-<lb/>
geben.</note>
          <p>§. 2. Du wir&#x017F;t ihm &#x017F;agen, es &#x017F;ey nichts &#x017F;icherers als den Willen<lb/>
und Gedancken eilends davon abkehren, und zwar ehe das behende<lb/>
Gifft in die Einbildungs-Krafft &#x017F;teige und das Blut entzu&#x0364;nde; er<lb/>
&#x017F;olle das Gebett und eine nutzliche Arbeit unverzu&#x0364;glich zur Hand<lb/>
nehmen, &#x017F;onderlich aber mit dem Hertzen JESUM den Ge-<lb/>
creutzigten anru&#x0364;hren; es &#x017F;eye nichts &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;ers, als die wu&#x0364;&#x017F;te Begierd<lb/>
al&#x017F;o zerknir&#x017F;chen, und alle bo&#x0364;&#x017F;e Gedancken wie kleine Wu&#x0364;rmlein an<lb/>
den Fel&#x017F;en der Seeligkeit in &#x017F;tarckem Glauben zerreiben, ehe &#x017F;ie zu<lb/>
Drachen werden. Die Welt &#x017F;eye voller Stricke <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. XXV.</hi> 15.</note>; darum mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Chri&#x017F;t wachen und betten, und &#x017F;eine Augen &#x017F;ta&#x0364;ts zu GOtt auf-<lb/>
heben, damit er ihm &#x017F;einen Fuß aus dem Netze ziehe; wo man<lb/>
den Reitzungen nachgebe, &#x017F;o weiche die Gnad immer weiter von uns,<lb/>
Su&#x0364;nd und Teufel werden &#x017F;ta&#x0364;rcker, hingegen die al&#x017F;o gewohnte Na-<lb/>
tur je la&#x0364;nger je &#x017F;chwa&#x0364;cher zum Wider&#x017F;tand, und werde der Wille<lb/>
mit Gewalt in des anderen Todes Gefa&#x0364;ngnuß hingezogen, und<lb/>
nehme einen u&#x0364;blen Ausgang.</p><lb/>
          <note place="left">Kein-<lb/>
nu&#x0364;tzige<lb/>
Ausrede<lb/>
beantwor-<lb/>
tet.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 3. Es wa&#x0364;re je eine &#x017F;chlechte Ausrede vor einen Soldaten,<lb/>
wann er &#x017F;agen wollte; ja der Feind i&#x017F;t &#x017F;chuld daran, er hat mich<lb/>
mit anmuthigen Dingen an &#x017F;ich gelocket, und zum Verra&#x0364;ther go-<lb/>
macht; oder er hat mich gar zu &#x017F;treng angegriffen, und ich konnte<lb/>
mich &#x017F;einer Wuth nicht be&#x017F;&#x017F;er entledigen, als daß ich mir einen<lb/>
Strick u&#x0364;ber den anderen anwerffen und mich fort&#x017F;chleppen lie&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
ferne genug von meinem Heerfu&#x0364;hrer hinweg.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wie &#x017F;chma&#x0364;hlich i&#x017F;ts, wann ein Soldat</l><lb/>
            <l>Dem Feind den Rucken kehret;</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;chandtlich, wann er &#x017F;eine Stadt</l><lb/>
            <l>Verlaßt und &#x017F;ich nicht wehret;</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;po&#x0364;ttlich, wann er noch mit Fleiß</l><lb/>
            <l>Aus Zagheit wird dem Feind zum Preiß.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Gewiß,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[726/0822] Der unter den Stech-Diſteln verderbliche, ſaͤcht-ſchleichende Schlange, wider die man ſich im Glauben an des heiligen Geiſtes Beyſtand wehren muͤſſe, ſie nicht lange anſehen; dann wann ſie die Seel ein mahl bezaubert, ſo uͤber- waͤltige ſie dieſelbe leichtlich, und werde dem Menſchen je laͤnger je ſchwehrer ihr zu widerſtehen. §. 2. Du wirſt ihm ſagen, es ſey nichts ſicherers als den Willen und Gedancken eilends davon abkehren, und zwar ehe das behende Gifft in die Einbildungs-Krafft ſteige und das Blut entzuͤnde; er ſolle das Gebett und eine nutzliche Arbeit unverzuͤglich zur Hand nehmen, ſonderlich aber mit dem Hertzen JESUM den Ge- creutzigten anruͤhren; es ſeye nichts ſuͤſſers, als die wuͤſte Begierd alſo zerknirſchen, und alle boͤſe Gedancken wie kleine Wuͤrmlein an den Felſen der Seeligkeit in ſtarckem Glauben zerreiben, ehe ſie zu Drachen werden. Die Welt ſeye voller Stricke a; darum muͤſſe der Chriſt wachen und betten, und ſeine Augen ſtaͤts zu GOtt auf- heben, damit er ihm ſeinen Fuß aus dem Netze ziehe; wo man den Reitzungen nachgebe, ſo weiche die Gnad immer weiter von uns, Suͤnd und Teufel werden ſtaͤrcker, hingegen die alſo gewohnte Na- tur je laͤnger je ſchwaͤcher zum Widerſtand, und werde der Wille mit Gewalt in des anderen Todes Gefaͤngnuß hingezogen, und nehme einen uͤblen Ausgang. §. 3. Es waͤre je eine ſchlechte Ausrede vor einen Soldaten, wann er ſagen wollte; ja der Feind iſt ſchuld daran, er hat mich mit anmuthigen Dingen an ſich gelocket, und zum Verraͤther go- macht; oder er hat mich gar zu ſtreng angegriffen, und ich konnte mich ſeiner Wuth nicht beſſer entledigen, als daß ich mir einen Strick uͤber den anderen anwerffen und mich fortſchleppen lieſſe, ferne genug von meinem Heerfuͤhrer hinweg. Wie ſchmaͤhlich iſts, wann ein Soldat Dem Feind den Rucken kehret; Wie ſchandtlich, wann er ſeine Stadt Verlaßt und ſich nicht wehret; Wie ſpoͤttlich, wann er noch mit Fleiß Aus Zagheit wird dem Feind zum Preiß. Gewiß, a Pſ. XXV. 15.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/822
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/822>, abgerufen am 21.11.2024.