aber mit seinem Leiden und Tod: Ja ehe er uns von einigem guten Werck redt, so will er, wir sollen vor allen Dingen zu ihm kommen, und das allein solle der Grund und Anfang seyn, aller unser Gottsee- ligkeit. Ein unerfahrner Prediger und heilloser Gesetz-Lehrer treibt Jahr aus Jahr ein, an seinem Volck fromm zu seyn, und wird nie- mahl nichts daraus: Christus aber hat eine leichte Bürde, er greifst in das Hertz hinein, welches ihm glaubet und trauet, er rottet die Sünd aus, und säet ewig Leben darein. Der Glaube macht es kurtz und gut, bringt überschwengliche Frömmigkeit; Er kennet und schmeckt gleich alle gute Lehre, so aus der Salbung kommt, und issets, wie ein fromm Schaaf, das gern gute Weide einnimmt. Darum las- set uns hüten vor Sünden, aber vielmehr vor solchen Schein-guten Wercken, die nicht fliessen aus dem Glauben an den HErren JE- sum a; dann es steht dabey gefährlich, wir müssen nicht wollen GOtt meisteren, der kurtzum von keinem anderen Mittel wissen will, dar- durch ein Sünder gerecht, heilig und seelig, und eine Distel zur Lilien werden mag, als dem theuren Glauben an seine steifse Zusag in Christo.
§. 5. Deßwegen will ich diese gantze Schrifft nicht anderst verstan-Derohal- ben hat diese gan- tze Schrift eine ernste Ubung des Glau- bens an JEsum zum Zweck. den haben; als daß es seyn solle eine ernste Ubung des Glaubens an JEsum, das Gnaden-Meer; dem must du zu allen Zeiten ankleben im Glauben, ihm must du alle dein Elend anbefehlen, dich auch kei- nen Fall noch täglich Strauchlen von seiner Gnad abtreiben lassen; sein mütterlich Hertz hat Gedult mit dir, biß du gehen kanst. Sic homo fit sanctus, non vi, sed saepe cadendo. Dann es erlanget das Klei- nod der Reinigkeit des Hertzens von allen unruhigen Bewegungen nur einer, nemlich Christus in uns b; in diesem wirst du immer wieder zu recht kommen und dich in folgenden Stucken mit Frucht üben. Ach höre mein lieber Pilgrim nach dem Land der Verheissung! Kommest du auf deiner von GOtt befohlenen Reise zu einem trüben Strom, da es brauset, und die Winde stürmende Wellen aufwerffen, so ver- nehme den Rath eines Mit-Reisenden; wann du je nicht mit Fleiß willt, daß die Schlange weiters komme als in die Ferse, so lasse alle Affecten in deinem sündigem Fleisch und Blut wüten, lasse den Teu- fel mit seinen höllischen Winden von allerhand wunderlichen, ängstli-
chen,
aRom. IX. X. XI.
bColos. I. 27.
X x x x 3
hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
aber mit ſeinem Leiden und Tod: Ja ehe er uns von einigem guten Werck redt, ſo will er, wir ſollen vor allen Dingen zu ihm kommen, und das allein ſolle der Grund und Anfang ſeyn, aller unſer Gottſee- ligkeit. Ein unerfahrner Prediger und heilloſer Geſetz-Lehrer treibt Jahr aus Jahr ein, an ſeinem Volck fromm zu ſeyn, und wird nie- mahl nichts daraus: Chriſtus aber hat eine leichte Buͤrde, er greifſt in das Hertz hinein, welches ihm glaubet und trauet, er rottet die Suͤnd aus, und ſaͤet ewig Leben darein. Der Glaube macht es kurtz und gut, bringt uͤberſchwengliche Froͤmmigkeit; Er kennet und ſchmeckt gleich alle gute Lehre, ſo aus der Salbung kommt, und iſſets, wie ein fromm Schaaf, das gern gute Weide einnimmt. Darum laſ- ſet uns huͤten vor Suͤnden, aber vielmehr vor ſolchen Schein-guten Wercken, die nicht flieſſen aus dem Glauben an den HErren JE- ſum a; dann es ſteht dabey gefaͤhrlich, wir muͤſſen nicht wollen GOtt meiſteren, der kurtzum von keinem anderen Mittel wiſſen will, dar- durch ein Suͤnder gerecht, heilig und ſeelig, und eine Diſtel zur Lilien werden mag, als dem theuren Glauben an ſeine ſteifſe Zuſag in Chriſto.
§. 5. Deßwegen will ich dieſe gantze Schrifft nicht anderſt verſtan-Derohal- ben hat dieſe gan- tze Schꝛift eine ernſte Ubung des Glau- bens an JEſum zum Zweck. den haben; als daß es ſeyn ſolle eine ernſte Ubung des Glaubens an JEſum, das Gnaden-Meer; dem muſt du zu allen Zeiten ankleben im Glauben, ihm muſt du alle dein Elend anbefehlen, dich auch kei- nen Fall noch taͤglich Strauchlen von ſeiner Gnad abtreiben laſſen; ſein muͤtterlich Hertz hat Gedult mit dir, biß du gehen kanſt. Sic homo fit ſanctus, non vi, ſed ſæpe cadendo. Dann es erlanget das Klei- nod der Reinigkeit des Hertzens von allen unruhigen Bewegungen nur einer, nemlich Chriſtus in uns b; in dieſem wirſt du immer wieder zu recht kommen und dich in folgenden Stucken mit Frucht uͤben. Ach hoͤre mein lieber Pilgrim nach dem Land der Verheiſſung! Kommeſt du auf deiner von GOtt befohlenen Reiſe zu einem truͤben Strom, da es brauſet, und die Winde ſtuͤrmende Wellen aufwerffen, ſo ver- nehme den Rath eines Mit-Reiſenden; wann du je nicht mit Fleiß willt, daß die Schlange weiters komme als in die Ferſe, ſo laſſe alle Affecten in deinem ſuͤndigem Fleiſch und Blut wuͤten, laſſe den Teu- fel mit ſeinen hoͤlliſchen Winden von allerhand wunderlichen, aͤngſtli-
chen,
aRom. IX. X. XI.
bColoſ. I. 27.
X x x x 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0813"n="717"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">hervor bluͤhende Lilien-Zweig.</hi></fw><lb/>
aber mit ſeinem Leiden und Tod: Ja ehe er uns von einigem guten<lb/>
Werck redt, ſo will er, wir ſollen vor allen Dingen zu ihm kommen,<lb/>
und das allein ſolle der Grund und Anfang ſeyn, aller unſer Gottſee-<lb/>
ligkeit. Ein unerfahrner Prediger und heilloſer Geſetz-Lehrer treibt<lb/>
Jahr aus Jahr ein, an ſeinem Volck fromm zu ſeyn, und wird nie-<lb/>
mahl nichts daraus: Chriſtus aber hat eine leichte Buͤrde, er greifſt<lb/>
in das Hertz hinein, welches ihm glaubet und trauet, er rottet die<lb/>
Suͤnd aus, und ſaͤet ewig Leben darein. Der Glaube macht es kurtz<lb/>
und gut, bringt uͤberſchwengliche Froͤmmigkeit; Er kennet und ſchmeckt<lb/>
gleich alle gute Lehre, ſo aus der Salbung kommt, und iſſets, wie<lb/>
ein fromm Schaaf, das gern gute Weide einnimmt. Darum laſ-<lb/>ſet uns huͤten vor Suͤnden, aber vielmehr vor ſolchen Schein-guten<lb/>
Wercken, die nicht flieſſen aus dem Glauben an den HErren JE-<lb/>ſum <noteplace="foot"n="a"><hirendition="#aq">Rom. IX. X. XI.</hi></note>; dann es ſteht dabey gefaͤhrlich, wir muͤſſen nicht wollen GOtt<lb/>
meiſteren, der kurtzum von keinem anderen Mittel wiſſen will, dar-<lb/>
durch ein Suͤnder gerecht, heilig und ſeelig, und eine Diſtel zur<lb/>
Lilien werden mag, als dem theuren Glauben an ſeine ſteifſe Zuſag<lb/>
in Chriſto.</p><lb/><p><hirendition="#i">§.</hi> 5. Deßwegen will ich dieſe gantze Schrifft nicht anderſt verſtan-<noteplace="right">Derohal-<lb/>
ben hat<lb/>
dieſe gan-<lb/>
tze Schꝛift<lb/>
eine ernſte<lb/>
Ubung<lb/>
des Glau-<lb/>
bens an<lb/>
JEſum<lb/>
zum<lb/>
Zweck.</note><lb/>
den haben; als daß es ſeyn ſolle eine ernſte Ubung des Glaubens an<lb/>
JEſum, das Gnaden-Meer; dem muſt du zu allen Zeiten ankleben<lb/>
im Glauben, ihm muſt du alle dein Elend anbefehlen, dich auch kei-<lb/>
nen Fall noch taͤglich Strauchlen von ſeiner Gnad abtreiben laſſen; ſein<lb/>
muͤtterlich Hertz hat Gedult mit dir, biß du gehen kanſt. <hirendition="#aq">Sic homo<lb/>
fit ſanctus, non vi, ſed ſæpe cadendo.</hi> Dann es erlanget das Klei-<lb/>
nod der Reinigkeit des Hertzens von allen unruhigen Bewegungen nur<lb/>
einer, nemlich Chriſtus in uns <noteplace="foot"n="b"><hirendition="#aq">Coloſ. I.</hi> 27.</note>; in dieſem wirſt du immer wieder zu<lb/>
recht kommen und dich in folgenden Stucken mit Frucht uͤben. Ach<lb/>
hoͤre mein lieber Pilgrim nach dem Land der Verheiſſung! Kommeſt<lb/>
du auf deiner von GOtt befohlenen Reiſe zu einem truͤben Strom,<lb/>
da es brauſet, und die Winde ſtuͤrmende Wellen aufwerffen, ſo ver-<lb/>
nehme den Rath eines Mit-Reiſenden; wann du je nicht mit Fleiß<lb/>
willt, daß die Schlange weiters komme als in die Ferſe, ſo laſſe alle<lb/>
Affecten in deinem ſuͤndigem Fleiſch und Blut wuͤten, laſſe den Teu-<lb/>
fel mit ſeinen hoͤlliſchen Winden von allerhand wunderlichen, aͤngſtli-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X x x x 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">chen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[717/0813]
hervor bluͤhende Lilien-Zweig.
aber mit ſeinem Leiden und Tod: Ja ehe er uns von einigem guten
Werck redt, ſo will er, wir ſollen vor allen Dingen zu ihm kommen,
und das allein ſolle der Grund und Anfang ſeyn, aller unſer Gottſee-
ligkeit. Ein unerfahrner Prediger und heilloſer Geſetz-Lehrer treibt
Jahr aus Jahr ein, an ſeinem Volck fromm zu ſeyn, und wird nie-
mahl nichts daraus: Chriſtus aber hat eine leichte Buͤrde, er greifſt
in das Hertz hinein, welches ihm glaubet und trauet, er rottet die
Suͤnd aus, und ſaͤet ewig Leben darein. Der Glaube macht es kurtz
und gut, bringt uͤberſchwengliche Froͤmmigkeit; Er kennet und ſchmeckt
gleich alle gute Lehre, ſo aus der Salbung kommt, und iſſets, wie
ein fromm Schaaf, das gern gute Weide einnimmt. Darum laſ-
ſet uns huͤten vor Suͤnden, aber vielmehr vor ſolchen Schein-guten
Wercken, die nicht flieſſen aus dem Glauben an den HErren JE-
ſum a; dann es ſteht dabey gefaͤhrlich, wir muͤſſen nicht wollen GOtt
meiſteren, der kurtzum von keinem anderen Mittel wiſſen will, dar-
durch ein Suͤnder gerecht, heilig und ſeelig, und eine Diſtel zur
Lilien werden mag, als dem theuren Glauben an ſeine ſteifſe Zuſag
in Chriſto.
§. 5. Deßwegen will ich dieſe gantze Schrifft nicht anderſt verſtan-
den haben; als daß es ſeyn ſolle eine ernſte Ubung des Glaubens an
JEſum, das Gnaden-Meer; dem muſt du zu allen Zeiten ankleben
im Glauben, ihm muſt du alle dein Elend anbefehlen, dich auch kei-
nen Fall noch taͤglich Strauchlen von ſeiner Gnad abtreiben laſſen; ſein
muͤtterlich Hertz hat Gedult mit dir, biß du gehen kanſt. Sic homo
fit ſanctus, non vi, ſed ſæpe cadendo. Dann es erlanget das Klei-
nod der Reinigkeit des Hertzens von allen unruhigen Bewegungen nur
einer, nemlich Chriſtus in uns b; in dieſem wirſt du immer wieder zu
recht kommen und dich in folgenden Stucken mit Frucht uͤben. Ach
hoͤre mein lieber Pilgrim nach dem Land der Verheiſſung! Kommeſt
du auf deiner von GOtt befohlenen Reiſe zu einem truͤben Strom,
da es brauſet, und die Winde ſtuͤrmende Wellen aufwerffen, ſo ver-
nehme den Rath eines Mit-Reiſenden; wann du je nicht mit Fleiß
willt, daß die Schlange weiters komme als in die Ferſe, ſo laſſe alle
Affecten in deinem ſuͤndigem Fleiſch und Blut wuͤten, laſſe den Teu-
fel mit ſeinen hoͤlliſchen Winden von allerhand wunderlichen, aͤngſtli-
chen,
Derohal-
ben hat
dieſe gan-
tze Schꝛift
eine ernſte
Ubung
des Glau-
bens an
JEſum
zum
Zweck.
a Rom. IX. X. XI.
b Coloſ. I. 27.
X x x x 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/813>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.