Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der unter den Stech-Disteln
wollen bewegen zu deinem Besten, dich zu üben, zu reinigen und zu
demüthigen. Steigt ein anderer über dich empor, und mißbraucht
seine Gewalt dich zu unterdrucken; so dencke, GOtt hat wollen die-
sen Stämpfel aufheben, und auf mich fallen lassen, mich zu grossen
Gnaden tüchtig zu machen, weil ich sein lieber Leinwad bin. Tröck-
net die Sonnen-Hitz, und der tägliche Last, den auch etwann ver-
drießliche Menschen um dich her schwerer machen, die Gnaden-Was-
ser, womit dich GOtt (als auf den grünen Wiesen seiner Barm-
hertzigkeit und Bundes der Gnaden ausgespannet) in der stillen Ein-
kehr zu ihm beschüttet hat, bald auf; so dencke, GOtt hat reiche
Quellen, wann ich mich durch seine veste Gnad zu ihm stets wende,
so kan und wird er mich wider begiessen, alles zu gar rechter Zeit.
Und also gelange ich durch diese stäte Ubungen und Abwechslungen
zur himmlischen Unschuld und Hertzens-Reinigkeit, daß endlich alle
rauhe Sprödigkeit, Hefftigkeit und Zorn in mir verschlungen, und
ich also gelinden, sanfften Muths werde, daß man mich wohl an Ehr
und Gut antasten kan, ohne einige zornige Gegenwehre zu beförch-
ten. Rennet dich ein grober Mensch gar ungeziemt und unvernünff-
tig an; so dencke, ich bin meines theuren Heylands Tresch-Getreyd,
welches er auf seiner Tenne tröschet, er brauchte des Flegles nichts,
wann nicht noch so viel Stroh und Spreuer an mir wäre, der ab-
geschlagen werden muß. Verursachet dir dein Nächster viel Verdruß
und grossen Kummer, daß auch deine Gesundheit dardurch sehr geschwächt
wird, und deine Gaben, Gedächtniß, Verstand, Fertigkeit zur Arbeit
mercklich abnehmen; kräncket dich ein ander an deinem guten Nam,
daß man dich vor einen bösen Heuchler, und unnützen Sünder hält,
und du bey niemand nichts mehr giltest; so freue dich und dencke,
ich bin meines GOttes Rebstock, und der Mensch ist das Messer in
seiner Hand, so mir die überflüßigen Schoß und Laub abnimmt; und
seine Zung ist eine Schaufel, die den Dung herbey tragt, damit mein
HErr JEsus süsse, volle, grosse, reiffe Trauben an mir finde: Der
Dung der Lästerung und Verleumdung decket die köstlichen Gnaden-
Wurtzen fein zu, die von der Krott der Aufblähung und Menschen-
Ruhms leicht hätten können vergifft werden; böse Zungen lecken den
Eyter aus den Geschwären. Ach werde doch nicht böß auf die, so
dich allenthalben verkleineren und suchen in Schaden zu bringen, be-
weine dein verlohren Lob nicht; es ist dir tausend mahl seeliger und

vor-

Der unter den Stech-Diſteln
wollen bewegen zu deinem Beſten, dich zu uͤben, zu reinigen und zu
demuͤthigen. Steigt ein anderer uͤber dich empor, und mißbraucht
ſeine Gewalt dich zu unterdrucken; ſo dencke, GOtt hat wollen die-
ſen Staͤmpfel aufheben, und auf mich fallen laſſen, mich zu groſſen
Gnaden tuͤchtig zu machen, weil ich ſein lieber Leinwad bin. Troͤck-
net die Sonnen-Hitz, und der taͤgliche Laſt, den auch etwann ver-
drießliche Menſchen um dich her ſchwerer machen, die Gnaden-Waſ-
ſer, womit dich GOtt (als auf den gruͤnen Wieſen ſeiner Barm-
hertzigkeit und Bundes der Gnaden ausgeſpannet) in der ſtillen Ein-
kehr zu ihm beſchuͤttet hat, bald auf; ſo dencke, GOtt hat reiche
Quellen, wann ich mich durch ſeine veſte Gnad zu ihm ſtets wende,
ſo kan und wird er mich wider begieſſen, alles zu gar rechter Zeit.
Und alſo gelange ich durch dieſe ſtaͤte Ubungen und Abwechslungen
zur himmliſchen Unſchuld und Hertzens-Reinigkeit, daß endlich alle
rauhe Sproͤdigkeit, Hefftigkeit und Zorn in mir verſchlungen, und
ich alſo gelinden, ſanfften Muths werde, daß man mich wohl an Ehr
und Gut antaſten kan, ohne einige zornige Gegenwehre zu befoͤrch-
ten. Rennet dich ein grober Menſch gar ungeziemt und unvernuͤnff-
tig an; ſo dencke, ich bin meines theuren Heylands Treſch-Getreyd,
welches er auf ſeiner Tenne troͤſchet, er brauchte des Flegles nichts,
wann nicht noch ſo viel Stroh und Spreuer an mir waͤre, der ab-
geſchlagen werden muß. Verurſachet dir dein Naͤchſter viel Verdruß
und groſſen Kum̃er, daß auch deine Geſundheit dardurch ſehr geſchwaͤcht
wird, und deine Gaben, Gedaͤchtniß, Verſtand, Fertigkeit zur Arbeit
mercklich abnehmen; kraͤncket dich ein ander an deinem guten Nam,
daß man dich vor einen boͤſen Heuchler, und unnuͤtzen Suͤnder haͤlt,
und du bey niemand nichts mehr gilteſt; ſo freue dich und dencke,
ich bin meines GOttes Rebſtock, und der Menſch iſt das Meſſer in
ſeiner Hand, ſo mir die uͤberfluͤßigen Schoß und Laub abnimmt; und
ſeine Zung iſt eine Schaufel, die den Dung herbey tragt, damit mein
HErr JEſus ſuͤſſe, volle, groſſe, reiffe Trauben an mir finde: Der
Dung der Laͤſterung und Verleumdung decket die koͤſtlichen Gnaden-
Wurtzen fein zu, die von der Krott der Aufblaͤhung und Menſchen-
Ruhms leicht haͤtten koͤnnen vergifft werden; boͤſe Zungen lecken den
Eyter aus den Geſchwaͤren. Ach werde doch nicht boͤß auf die, ſo
dich allenthalben verkleineren und ſuchen in Schaden zu bringen, be-
weine dein verlohren Lob nicht; es iſt dir tauſend mahl ſeeliger und

vor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0794" n="698"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der unter den Stech-Di&#x017F;teln</hi></fw><lb/>
wollen bewegen zu deinem Be&#x017F;ten, dich zu u&#x0364;ben, zu reinigen und zu<lb/>
demu&#x0364;thigen. Steigt ein anderer u&#x0364;ber dich empor, und mißbraucht<lb/>
&#x017F;eine Gewalt dich zu unterdrucken; &#x017F;o dencke, GOtt hat wollen die-<lb/>
&#x017F;en Sta&#x0364;mpfel aufheben, und auf mich fallen la&#x017F;&#x017F;en, mich zu gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Gnaden tu&#x0364;chtig zu machen, weil ich &#x017F;ein lieber Leinwad bin. Tro&#x0364;ck-<lb/>
net die Sonnen-Hitz, und der ta&#x0364;gliche La&#x017F;t, den auch etwann ver-<lb/>
drießliche Men&#x017F;chen um dich her &#x017F;chwerer machen, die Gnaden-Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er, womit dich GOtt (als auf den gru&#x0364;nen Wie&#x017F;en &#x017F;einer Barm-<lb/>
hertzigkeit und Bundes der Gnaden ausge&#x017F;pannet) in der &#x017F;tillen Ein-<lb/>
kehr zu ihm be&#x017F;chu&#x0364;ttet hat, bald auf; &#x017F;o dencke, GOtt hat reiche<lb/>
Quellen, wann ich mich durch &#x017F;eine ve&#x017F;te Gnad zu ihm &#x017F;tets wende,<lb/>
&#x017F;o kan und wird er mich wider begie&#x017F;&#x017F;en, alles zu gar rechter Zeit.<lb/>
Und al&#x017F;o gelange ich durch die&#x017F;e &#x017F;ta&#x0364;te Ubungen und Abwechslungen<lb/>
zur himmli&#x017F;chen Un&#x017F;chuld und Hertzens-Reinigkeit, daß endlich alle<lb/>
rauhe Spro&#x0364;digkeit, Hefftigkeit und Zorn in mir ver&#x017F;chlungen, und<lb/>
ich al&#x017F;o gelinden, &#x017F;anfften Muths werde, daß man mich wohl an Ehr<lb/>
und Gut anta&#x017F;ten kan, ohne einige zornige Gegenwehre zu befo&#x0364;rch-<lb/>
ten. Rennet dich ein grober Men&#x017F;ch gar ungeziemt und unvernu&#x0364;nff-<lb/>
tig an; &#x017F;o dencke, ich bin meines theuren Heylands <hi rendition="#fr">Tre&#x017F;ch-Getreyd,</hi><lb/>
welches er auf &#x017F;einer Tenne tro&#x0364;&#x017F;chet, er brauchte des Flegles nichts,<lb/>
wann nicht noch &#x017F;o viel Stroh und Spreuer an mir wa&#x0364;re, der ab-<lb/>
ge&#x017F;chlagen werden muß. Verur&#x017F;achet dir dein Na&#x0364;ch&#x017F;ter viel Verdruß<lb/>
und gro&#x017F;&#x017F;en Kum&#x0303;er, daß auch deine Ge&#x017F;undheit dardurch &#x017F;ehr ge&#x017F;chwa&#x0364;cht<lb/>
wird, und deine Gaben, Geda&#x0364;chtniß, Ver&#x017F;tand, Fertigkeit zur Arbeit<lb/>
mercklich abnehmen; kra&#x0364;ncket dich ein ander an deinem guten Nam,<lb/>
daß man dich vor einen bo&#x0364;&#x017F;en Heuchler, und unnu&#x0364;tzen Su&#x0364;nder ha&#x0364;lt,<lb/>
und du bey niemand nichts mehr gilte&#x017F;t; &#x017F;o freue dich und dencke,<lb/>
ich bin meines GOttes <hi rendition="#fr">Reb&#x017F;tock,</hi> und der Men&#x017F;ch i&#x017F;t das Me&#x017F;&#x017F;er in<lb/>
&#x017F;einer Hand, &#x017F;o mir die u&#x0364;berflu&#x0364;ßigen Schoß und Laub abnimmt; und<lb/>
&#x017F;eine Zung i&#x017F;t eine Schaufel, die den Dung herbey tragt, damit mein<lb/>
HErr JE&#x017F;us &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, volle, gro&#x017F;&#x017F;e, reiffe Trauben an mir finde: Der<lb/>
Dung der La&#x0364;&#x017F;terung und Verleumdung decket die ko&#x0364;&#x017F;tlichen Gnaden-<lb/>
Wurtzen fein zu, die von der Krott der Aufbla&#x0364;hung und Men&#x017F;chen-<lb/>
Ruhms leicht ha&#x0364;tten ko&#x0364;nnen vergifft werden; bo&#x0364;&#x017F;e Zungen lecken den<lb/>
Eyter aus den Ge&#x017F;chwa&#x0364;ren. Ach werde doch nicht bo&#x0364;ß auf die, &#x017F;o<lb/>
dich allenthalben verkleineren und &#x017F;uchen in Schaden zu bringen, be-<lb/>
weine dein verlohren Lob nicht; es i&#x017F;t dir tau&#x017F;end mahl &#x017F;eeliger und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vor-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[698/0794] Der unter den Stech-Diſteln wollen bewegen zu deinem Beſten, dich zu uͤben, zu reinigen und zu demuͤthigen. Steigt ein anderer uͤber dich empor, und mißbraucht ſeine Gewalt dich zu unterdrucken; ſo dencke, GOtt hat wollen die- ſen Staͤmpfel aufheben, und auf mich fallen laſſen, mich zu groſſen Gnaden tuͤchtig zu machen, weil ich ſein lieber Leinwad bin. Troͤck- net die Sonnen-Hitz, und der taͤgliche Laſt, den auch etwann ver- drießliche Menſchen um dich her ſchwerer machen, die Gnaden-Waſ- ſer, womit dich GOtt (als auf den gruͤnen Wieſen ſeiner Barm- hertzigkeit und Bundes der Gnaden ausgeſpannet) in der ſtillen Ein- kehr zu ihm beſchuͤttet hat, bald auf; ſo dencke, GOtt hat reiche Quellen, wann ich mich durch ſeine veſte Gnad zu ihm ſtets wende, ſo kan und wird er mich wider begieſſen, alles zu gar rechter Zeit. Und alſo gelange ich durch dieſe ſtaͤte Ubungen und Abwechslungen zur himmliſchen Unſchuld und Hertzens-Reinigkeit, daß endlich alle rauhe Sproͤdigkeit, Hefftigkeit und Zorn in mir verſchlungen, und ich alſo gelinden, ſanfften Muths werde, daß man mich wohl an Ehr und Gut antaſten kan, ohne einige zornige Gegenwehre zu befoͤrch- ten. Rennet dich ein grober Menſch gar ungeziemt und unvernuͤnff- tig an; ſo dencke, ich bin meines theuren Heylands Treſch-Getreyd, welches er auf ſeiner Tenne troͤſchet, er brauchte des Flegles nichts, wann nicht noch ſo viel Stroh und Spreuer an mir waͤre, der ab- geſchlagen werden muß. Verurſachet dir dein Naͤchſter viel Verdruß und groſſen Kum̃er, daß auch deine Geſundheit dardurch ſehr geſchwaͤcht wird, und deine Gaben, Gedaͤchtniß, Verſtand, Fertigkeit zur Arbeit mercklich abnehmen; kraͤncket dich ein ander an deinem guten Nam, daß man dich vor einen boͤſen Heuchler, und unnuͤtzen Suͤnder haͤlt, und du bey niemand nichts mehr gilteſt; ſo freue dich und dencke, ich bin meines GOttes Rebſtock, und der Menſch iſt das Meſſer in ſeiner Hand, ſo mir die uͤberfluͤßigen Schoß und Laub abnimmt; und ſeine Zung iſt eine Schaufel, die den Dung herbey tragt, damit mein HErr JEſus ſuͤſſe, volle, groſſe, reiffe Trauben an mir finde: Der Dung der Laͤſterung und Verleumdung decket die koͤſtlichen Gnaden- Wurtzen fein zu, die von der Krott der Aufblaͤhung und Menſchen- Ruhms leicht haͤtten koͤnnen vergifft werden; boͤſe Zungen lecken den Eyter aus den Geſchwaͤren. Ach werde doch nicht boͤß auf die, ſo dich allenthalben verkleineren und ſuchen in Schaden zu bringen, be- weine dein verlohren Lob nicht; es iſt dir tauſend mahl ſeeliger und vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/794
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/794>, abgerufen am 23.11.2024.