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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der unter den Stech-Disteln
und die
Liebe zum
Nechsten
ihnen ein-
pflantzen.
sagte: Ach arme Kinder, ihr solltet gedultig, liebreich, sanfftmü-
thig, schonend, barmhertzig seyn: Jetzt aber seyd ihr voll Haß, Lists,
Gifftigkeit, Ohren-Bläser, Verläumder, Affterreder, unversöhn-
lich, treuloß, störrig, hart, empfindlich, unverträglich, gäh-zor-
nig a. Wie seyd ihr doch in diß grosse Ubel gerathen? auf die Wei-
se, mit diesen Unarten, kan ich euch gar nicht zum Genuß meiner
Herrlichkeit einlassen b.

Darum aus hertzlichem Verlangen euch bey mir zu haben, erinne-
re ich euch nicht nur, was euch am Fortgang in meine Gemeinschafft
hindert und unseelig macht; sondern mache alle Anstalten dazu in Sen-
dung meines Sohns und heiligen Geistes, dadurch ihr von diesem
Teufels-Unflat loß, und wiederum meine seelige, gesegnete Liebes-
Geburten werden könnet, aus stößigen Böcken Lämmer c, aus beis-
sigen, neidischen Hunden Hirschen, aus unbarmhertzigen Raub-Vö-
geln Tauben, aus häßigen, zänckischen Stech-Distlen Lilien, aus
unleidigen, truckenden, trängenden, dem Nächsten das Leben ver-
bitterenden Dorn-Sträuchen Weinstöcke d; und also in einer durch-
aus neuen, zu meinem Himmelreich sich schickenden Gestalt vor mir
erscheinen. Ach lasset euch dann helffen von der alten Geburt, und
gehet in mein Liebes-Paradieß wider ein; kehret um in euer altes Hei-
mat, da euch so wohl ware e.

§. 4. Einwurff. Ja sagst du, wie soll ichs anfahen? Wie gern
Man muß
aber die
Sach der-
gestalt an-
greiffen.
möcht ich ein Zion seyn meinem JEsu, ein heiterer, stiller Himmel,
ein schönes Firmament, da alle Gedancken von lauter Liebe JESU
und des Nächsten zwitzeren, und wie Sternen in sanffter Ordnung
des Heil. Geistes lauffen ohne Unruh! O wie gern wäre ich meinem
GOTT ein Königlicher Lust-Garten, da meine Begierden als Bäu-
me und Blumen in süssem Frieden beysammen stehen ohne Neid, oh-
ne Streit, und nur den süssen Einflüssen des Himmels abwarten!
Ach wie ein böser Gast ist doch der Zorn, er tödtet mich halb, der
Haß naget mir das Hertz ab, Neid und Rachgier zerzehren mich, und
sind als ein unauslöschlich Feuer; ob ich schon meyne selbiges ein we-
nig abzukühlen durch etwann ein feindseelig Stücklein an meinem
Nechsten, so brennet es hinten nach nur desto helliger und dörret mei-
ne arme Seele aus! Ach wie mögen doch jemahlen diese greuliche

Sa-
a Rom. I. 29-31.
b Ps. V. 5-7.
c Jes. XXXV. 5-10.
d Hos. XIV.
4-9.
e Jer. II. III.

Der unter den Stech-Diſteln
und die
Liebe zum
Nechſten
ihnen ein-
pflantzen.
ſagte: Ach arme Kinder, ihr ſolltet gedultig, liebreich, ſanfftmuͤ-
thig, ſchonend, barmhertzig ſeyn: Jetzt aber ſeyd ihr voll Haß, Liſts,
Gifftigkeit, Ohren-Blaͤſer, Verlaͤumder, Affterreder, unverſoͤhn-
lich, treuloß, ſtoͤrrig, hart, empfindlich, unvertraͤglich, gaͤh-zor-
nig a. Wie ſeyd ihr doch in diß groſſe Ubel gerathen? auf die Wei-
ſe, mit dieſen Unarten, kan ich euch gar nicht zum Genuß meiner
Herrlichkeit einlaſſen b.

Darum aus hertzlichem Verlangen euch bey mir zu haben, erinne-
re ich euch nicht nur, was euch am Fortgang in meine Gemeinſchafft
hindert und unſeelig macht; ſondern mache alle Anſtalten dazu in Sen-
dung meines Sohns und heiligen Geiſtes, dadurch ihr von dieſem
Teufels-Unflat loß, und wiederum meine ſeelige, geſegnete Liebes-
Geburten werden koͤnnet, aus ſtoͤßigen Boͤcken Laͤmmer c, aus beiſ-
ſigen, neidiſchen Hunden Hirſchen, aus unbarmhertzigen Raub-Voͤ-
geln Tauben, aus haͤßigen, zaͤnckiſchen Stech-Diſtlen Lilien, aus
unleidigen, truckenden, traͤngenden, dem Naͤchſten das Leben ver-
bitterenden Dorn-Straͤuchen Weinſtoͤcke d; und alſo in einer durch-
aus neuen, zu meinem Himmelreich ſich ſchickenden Geſtalt vor mir
erſcheinen. Ach laſſet euch dann helffen von der alten Geburt, und
gehet in mein Liebes-Paradieß wider ein; kehret um in euer altes Hei-
mat, da euch ſo wohl ware e.

§. 4. Einwurff. Ja ſagſt du, wie ſoll ichs anfahen? Wie gern
Man muß
aber die
Sach der-
geſtalt an-
greiffen.
moͤcht ich ein Zion ſeyn meinem JEſu, ein heiterer, ſtiller Himmel,
ein ſchoͤnes Firmament, da alle Gedancken von lauter Liebe JESU
und des Naͤchſten zwitzeren, und wie Sternen in ſanffter Ordnung
des Heil. Geiſtes lauffen ohne Unruh! O wie gern waͤre ich meinem
GOTT ein Koͤniglicher Luſt-Garten, da meine Begierden als Baͤu-
me und Blumen in ſuͤſſem Frieden beyſammen ſtehen ohne Neid, oh-
ne Streit, und nur den ſuͤſſen Einfluͤſſen des Himmels abwarten!
Ach wie ein boͤſer Gaſt iſt doch der Zorn, er toͤdtet mich halb, der
Haß naget mir das Hertz ab, Neid und Rachgier zerzehren mich, und
ſind als ein unausloͤſchlich Feuer; ob ich ſchon meyne ſelbiges ein we-
nig abzukuͤhlen durch etwann ein feindſeelig Stuͤcklein an meinem
Nechſten, ſo brennet es hinten nach nur deſto helliger und doͤrret mei-
ne arme Seele aus! Ach wie moͤgen doch jemahlen dieſe greuliche

Sa-
a Rom. I. 29-31.
b Pſ. V. 5-7.
c Jeſ. XXXV. 5-10.
d Hoſ. XIV.
4-9.
e Jer. II. III.
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[686/0782] Der unter den Stech-Diſteln ſagte: Ach arme Kinder, ihr ſolltet gedultig, liebreich, ſanfftmuͤ- thig, ſchonend, barmhertzig ſeyn: Jetzt aber ſeyd ihr voll Haß, Liſts, Gifftigkeit, Ohren-Blaͤſer, Verlaͤumder, Affterreder, unverſoͤhn- lich, treuloß, ſtoͤrrig, hart, empfindlich, unvertraͤglich, gaͤh-zor- nig a. Wie ſeyd ihr doch in diß groſſe Ubel gerathen? auf die Wei- ſe, mit dieſen Unarten, kan ich euch gar nicht zum Genuß meiner Herrlichkeit einlaſſen b. und die Liebe zum Nechſten ihnen ein- pflantzen. Darum aus hertzlichem Verlangen euch bey mir zu haben, erinne- re ich euch nicht nur, was euch am Fortgang in meine Gemeinſchafft hindert und unſeelig macht; ſondern mache alle Anſtalten dazu in Sen- dung meines Sohns und heiligen Geiſtes, dadurch ihr von dieſem Teufels-Unflat loß, und wiederum meine ſeelige, geſegnete Liebes- Geburten werden koͤnnet, aus ſtoͤßigen Boͤcken Laͤmmer c, aus beiſ- ſigen, neidiſchen Hunden Hirſchen, aus unbarmhertzigen Raub-Voͤ- geln Tauben, aus haͤßigen, zaͤnckiſchen Stech-Diſtlen Lilien, aus unleidigen, truckenden, traͤngenden, dem Naͤchſten das Leben ver- bitterenden Dorn-Straͤuchen Weinſtoͤcke d; und alſo in einer durch- aus neuen, zu meinem Himmelreich ſich ſchickenden Geſtalt vor mir erſcheinen. Ach laſſet euch dann helffen von der alten Geburt, und gehet in mein Liebes-Paradieß wider ein; kehret um in euer altes Hei- mat, da euch ſo wohl ware e. §. 4. Einwurff. Ja ſagſt du, wie ſoll ichs anfahen? Wie gern moͤcht ich ein Zion ſeyn meinem JEſu, ein heiterer, ſtiller Himmel, ein ſchoͤnes Firmament, da alle Gedancken von lauter Liebe JESU und des Naͤchſten zwitzeren, und wie Sternen in ſanffter Ordnung des Heil. Geiſtes lauffen ohne Unruh! O wie gern waͤre ich meinem GOTT ein Koͤniglicher Luſt-Garten, da meine Begierden als Baͤu- me und Blumen in ſuͤſſem Frieden beyſammen ſtehen ohne Neid, oh- ne Streit, und nur den ſuͤſſen Einfluͤſſen des Himmels abwarten! Ach wie ein boͤſer Gaſt iſt doch der Zorn, er toͤdtet mich halb, der Haß naget mir das Hertz ab, Neid und Rachgier zerzehren mich, und ſind als ein unausloͤſchlich Feuer; ob ich ſchon meyne ſelbiges ein we- nig abzukuͤhlen durch etwann ein feindſeelig Stuͤcklein an meinem Nechſten, ſo brennet es hinten nach nur deſto helliger und doͤrret mei- ne arme Seele aus! Ach wie moͤgen doch jemahlen dieſe greuliche Sa- Man muß aber die Sach der- geſtalt an- greiffen. a Rom. I. 29-31. b Pſ. V. 5-7. c Jeſ. XXXV. 5-10. d Hoſ. XIV. 4-9. e Jer. II. III.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/782>, abgerufen am 21.11.2024.