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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.
hast: Dann du hättest müssen daheim bleiben in der Herrlichkeit, wann
du nicht wolltest, daß sich die Sünder über die massen hertzlich an dir
erfreueten, und deinetwegen alle Nacht ein Jubel-Fest hielten auf ih-
ren Lagern. Das Vornehmste aber, was mir am meisten angelegen,
und ich dißmahl ängstiglich von dir begehre, ist, daß du mir Weißheit
und Krafft gebest, dich zu behalten, daß mich nichts mehr scheide von
dem Genuß deiner heiligen Liebe. Dann die leidige Erfahrung über-
zeuget mich meiner Schwachheit, wie so leicht meine Natur aufgerei-
tzet werden kan, daß ich so bald abkomme von deiner allein lieblichen Ge-
mein schafft. Dein sanfftes, demüthiges, gedultiges Hertz ergiesse sich
als ein alles Bittere versüssender Heyl-Brunn in mich, und trucke mir
ein deine holde Liebes-Gestalt, biß daß ich gantz und gar in dein Bild
verwandelt werde. Alsdann werde ich meiner Seeligkeit kein End se-
hen, und wird mich die Welt wohl müssen meinen Weg fortgehen las-
sen; sintemahl deine allmächtige Krafft mein Schildt, und das Liecht
deines Angesichts meine Sonne seyn wird, zu freudigem Aufhupfen
des Glaubens in dir, und ich der Welt nicht mehr achten werde, als sie
in seegnender Liebe zu fassen, und mit mir ins Meer deiner alles verän-
derenden unterhöheten Liebe einzutrucken. Glaube mir, du göttlicher
Heyland! du bist mir im Hertzen lieb, und wie solltest du es nicht wissen
und glauben, nachdem ich deine allerheiligste Mensch heit in der Krip-
pen angerührt, und du wohl gefühlt, daß eine Krafft von dir ausgan-
gen? Jch mag sie nun heimlich gestohlen haben wie jenes Weib, oder
freymüthig von dir erbettelt; wann ich nur etwas bringen kan von dir,
so jauchtzet mein Hertz im Verborgenen, und gedenckt es seye ihme aber-
mahl eins gelungen.

Guter JEsu! deine Gnade, Warheit und Treu würcke den kindli-
chen lautern Sinn, die Abgescheidenheit und den Gehorsam, der in dir
ware, auch in mir, so werde ich recht friedenreich und selig seyn: Wann
mich auch deine allein getreue und aushaltende Liebe prüffen wollte mit
Armuth, Schmach und Trübsal. Alles Leyden wird mir eben darum wohl
schmecken, weil es von so lieber Hand kommt; von einem JEsu, der du
zu lieben und zu loben bist in Ewigkeit, der du mir so gar liebreich ent-
gegen kamest, mir aus allen Sünden heraus zu helffen, und mich auf
ewig mit dir zu verbinden.

Mein alleiniger wahrer GOtt! ich kan dir das Gute und die unver-
drossene Treu, die du an mir bewiesen, du weist was ich meyne, in alle

Ewigkeit
O o o o

Weyhnachts-Gedancken.
haſt: Dann du haͤtteſt muͤſſen daheim bleiben in der Herrlichkeit, wann
du nicht wollteſt, daß ſich die Suͤnder uͤber die maſſen hertzlich an dir
erfreueten, und deinetwegen alle Nacht ein Jubel-Feſt hielten auf ih-
ren Lagern. Das Vornehmſte aber, was mir am meiſten angelegen,
und ich dißmahl aͤngſtiglich von dir begehre, iſt, daß du mir Weißheit
und Krafft gebeſt, dich zu behalten, daß mich nichts mehr ſcheide von
dem Genuß deiner heiligen Liebe. Dann die leidige Erfahrung uͤber-
zeuget mich meiner Schwachheit, wie ſo leicht meine Natur aufgerei-
tzet werden kan, daß ich ſo bald abkomme von deiner allein lieblichen Ge-
mein ſchafft. Dein ſanfftes, demuͤthiges, gedultiges Hertz ergieſſe ſich
als ein alles Bittere verſuͤſſender Heyl-Brunn in mich, und trucke mir
ein deine holde Liebes-Geſtalt, biß daß ich gantz und gar in dein Bild
verwandelt werde. Alsdann werde ich meiner Seeligkeit kein End ſe-
hen, und wird mich die Welt wohl muͤſſen meinen Weg fortgehen laſ-
ſen; ſintemahl deine allmaͤchtige Krafft mein Schildt, und das Liecht
deines Angeſichts meine Sonne ſeyn wird, zu freudigem Aufhupfen
des Glaubens in dir, und ich der Welt nicht mehr achten werde, als ſie
in ſeegnender Liebe zu faſſen, und mit mir ins Meer deiner alles veraͤn-
derenden unterhoͤheten Liebe einzutrucken. Glaube mir, du goͤttlicher
Heyland! du biſt mir im Hertzen lieb, und wie ſollteſt du es nicht wiſſen
und glauben, nachdem ich deine allerheiligſte Menſch heit in der Krip-
pen angeruͤhrt, und du wohl gefuͤhlt, daß eine Krafft von dir ausgan-
gen? Jch mag ſie nun heimlich geſtohlen haben wie jenes Weib, oder
freymuͤthig von dir erbettelt; wann ich nur etwas bringen kan von dir,
ſo jauchtzet mein Hertz im Verborgenen, und gedenckt es ſeye ihme aber-
mahl eins gelungen.

Guter JEſu! deine Gnade, Warheit und Treu wuͤrcke den kindli-
chen lautern Sinn, die Abgeſcheidenheit und den Gehorſam, der in dir
ware, auch in mir, ſo werde ich recht friedenreich und ſelig ſeyn: Wann
mich auch deine allein getreue und aushaltende Liebe pruͤffen wollte mit
Armuth, Schmach und Truͤbſal. Alles Leyden wird mir eben darum wohl
ſchmecken, weil es von ſo lieber Hand kommt; von einem JEſu, der du
zu lieben und zu loben biſt in Ewigkeit, der du mir ſo gar liebreich ent-
gegen kameſt, mir aus allen Suͤnden heraus zu helffen, und mich auf
ewig mit dir zu verbinden.

Mein alleiniger wahrer GOtt! ich kan dir das Gute und die unver-
droſſene Treu, die du an mir bewieſen, du weiſt was ich meyne, in alle

Ewigkeit
O o o o
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[657/0753] Weyhnachts-Gedancken. haſt: Dann du haͤtteſt muͤſſen daheim bleiben in der Herrlichkeit, wann du nicht wollteſt, daß ſich die Suͤnder uͤber die maſſen hertzlich an dir erfreueten, und deinetwegen alle Nacht ein Jubel-Feſt hielten auf ih- ren Lagern. Das Vornehmſte aber, was mir am meiſten angelegen, und ich dißmahl aͤngſtiglich von dir begehre, iſt, daß du mir Weißheit und Krafft gebeſt, dich zu behalten, daß mich nichts mehr ſcheide von dem Genuß deiner heiligen Liebe. Dann die leidige Erfahrung uͤber- zeuget mich meiner Schwachheit, wie ſo leicht meine Natur aufgerei- tzet werden kan, daß ich ſo bald abkomme von deiner allein lieblichen Ge- mein ſchafft. Dein ſanfftes, demuͤthiges, gedultiges Hertz ergieſſe ſich als ein alles Bittere verſuͤſſender Heyl-Brunn in mich, und trucke mir ein deine holde Liebes-Geſtalt, biß daß ich gantz und gar in dein Bild verwandelt werde. Alsdann werde ich meiner Seeligkeit kein End ſe- hen, und wird mich die Welt wohl muͤſſen meinen Weg fortgehen laſ- ſen; ſintemahl deine allmaͤchtige Krafft mein Schildt, und das Liecht deines Angeſichts meine Sonne ſeyn wird, zu freudigem Aufhupfen des Glaubens in dir, und ich der Welt nicht mehr achten werde, als ſie in ſeegnender Liebe zu faſſen, und mit mir ins Meer deiner alles veraͤn- derenden unterhoͤheten Liebe einzutrucken. Glaube mir, du goͤttlicher Heyland! du biſt mir im Hertzen lieb, und wie ſollteſt du es nicht wiſſen und glauben, nachdem ich deine allerheiligſte Menſch heit in der Krip- pen angeruͤhrt, und du wohl gefuͤhlt, daß eine Krafft von dir ausgan- gen? Jch mag ſie nun heimlich geſtohlen haben wie jenes Weib, oder freymuͤthig von dir erbettelt; wann ich nur etwas bringen kan von dir, ſo jauchtzet mein Hertz im Verborgenen, und gedenckt es ſeye ihme aber- mahl eins gelungen. Guter JEſu! deine Gnade, Warheit und Treu wuͤrcke den kindli- chen lautern Sinn, die Abgeſcheidenheit und den Gehorſam, der in dir ware, auch in mir, ſo werde ich recht friedenreich und ſelig ſeyn: Wann mich auch deine allein getreue und aushaltende Liebe pruͤffen wollte mit Armuth, Schmach und Truͤbſal. Alles Leyden wird mir eben darum wohl ſchmecken, weil es von ſo lieber Hand kommt; von einem JEſu, der du zu lieben und zu loben biſt in Ewigkeit, der du mir ſo gar liebreich ent- gegen kameſt, mir aus allen Suͤnden heraus zu helffen, und mich auf ewig mit dir zu verbinden. Mein alleiniger wahrer GOtt! ich kan dir das Gute und die unver- droſſene Treu, die du an mir bewieſen, du weiſt was ich meyne, in alle Ewigkeit O o o o

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/753>, abgerufen am 23.11.2024.