Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
ner Liebe träncken: Wer ihn kennet, begehret ihn tausend mahl, und
kan nie genug bey ihm seyn. Was diß Knäblein thut und verspricht
auf Erden, das giltet ewig im Himmel; Wer flattirt nicht einem
künfftigen Cron-Erben, und sucht bey ihm wohl angeschrieben zu
seyn? O seelige Kinder! O höchst-seelige Jugend! die bey Zeiten
sich zu JEsu halten, und gleichsam mit ihme aufwachsen an Gnad
und Weißheit bey GOtt und Menschen; Aus einigen seiner näch-
sten Vetteren hats Apostel gegeben.

§. 4. Mich dunckt aber ich höre einen alten Mann und eine altean die Al-
ten,

Frau tieff seuffzen: O hätte ich vor 40. oder 50. Jahren gewüßt,
was ich jetzt weiß!

Antw. Du der du einen Fuß im Grab hast, und an den Gräntzen
der Ewigkeit stehest, schiebs keine Stund mehr auf, es zu machen wie
Simeon und Hanna; Eylet, JEsum zu sehen, und zu umhalsen, ehe
der Tod euch die Augen zuthut, und ehe euere Arme erschwachen a;
Nichts kan das Sterben so lieblich und angenehm machen als das An-
schauen und Umarmung JEsu.

§. 5. Einwendung. Förchte, es sey zu spat, ich hab so lang ge-wie sie das
Versaum-
te wieder
einbringen
sollen.

harret, und mich versaumt; Dieser Trost ist für solche, die sich zum
Reich GOttes bereitet haben wie Simeon und Hanna.

Antw. Erkenne, was du ihm zu leyd gethan, nimm mit allem
Danck und Ehrerbietung gegen dem Heiligen Geist an den Schmer-
tzen so dir dein Gewissen darüber erweckt b, mit Anbettung der ge-
rechten und gantz heiligen Erbarmung GOttes über dich c, und stelle
dich demnach vor die Stall-Thür als ein arm unvernünfftig Thier d,
das alle Prätensionen oder Ansprach an dem Kindlein überall verloh-
ren, und nur so heimlich laustert, ob es etwan ein Händlein als ein
Gnaden-Zeichen von dem Kindlein erblicken möchte; Warte da, biß
die Hirten kommen, und schleiche ihnen hintennach hinein, und stehe
etwan in einem Winckel, als unwürdig daß dich das edle GOtt-
Kind ansehe e, wegen der übel verbrachten Zeit und gräulichen
Schmach, so du ihme angethan. Doch mercke wohl darauf, ob es
nicht etwan sein Häuptlein aufhebe, und dich anlächle; Geschicht
dieses, so ist gute Hoffnung für dich, mache dich ungesäumt herbey

mit
a Joh. VIII. 51.
b Jerem. XXXI. 18-20.
c Ps. LI. 6. & LXXXIV. 11.
d Marc. VII. 28.
e Luc. XVIII. 13.

Weyhnachts-Gedancken.
ner Liebe traͤncken: Wer ihn kennet, begehret ihn tauſend mahl, und
kan nie genug bey ihm ſeyn. Was diß Knaͤblein thut und verſpricht
auf Erden, das giltet ewig im Himmel; Wer flattirt nicht einem
kuͤnfftigen Cron-Erben, und ſucht bey ihm wohl angeſchrieben zu
ſeyn? O ſeelige Kinder! O hoͤchſt-ſeelige Jugend! die bey Zeiten
ſich zu JEſu halten, und gleichſam mit ihme aufwachſen an Gnad
und Weißheit bey GOtt und Menſchen; Aus einigen ſeiner naͤch-
ſten Vetteren hats Apoſtel gegeben.

§. 4. Mich dunckt aber ich hoͤre einen alten Mann und eine altean die Al-
ten,

Frau tieff ſeuffzen: O haͤtte ich vor 40. oder 50. Jahren gewuͤßt,
was ich jetzt weiß!

Antw. Du der du einen Fuß im Grab haſt, und an den Graͤntzen
der Ewigkeit ſteheſt, ſchiebs keine Stund mehr auf, es zu machen wie
Simeon und Hanna; Eylet, JEſum zu ſehen, und zu umhalſen, ehe
der Tod euch die Augen zuthut, und ehe euere Arme erſchwachen a;
Nichts kan das Sterben ſo lieblich und angenehm machen als das An-
ſchauen und Umarmung JEſu.

§. 5. Einwendung. Foͤrchte, es ſey zu ſpat, ich hab ſo lang ge-wie ſie das
Verſaum-
te wieder
einbringen
ſollen.

harret, und mich verſaumt; Dieſer Troſt iſt fuͤr ſolche, die ſich zum
Reich GOttes bereitet haben wie Simeon und Hanna.

Antw. Erkenne, was du ihm zu leyd gethan, nimm mit allem
Danck und Ehrerbietung gegen dem Heiligen Geiſt an den Schmer-
tzen ſo dir dein Gewiſſen daruͤber erweckt b, mit Anbettung der ge-
rechten und gantz heiligen Erbarmung GOttes uͤber dich c, und ſtelle
dich demnach vor die Stall-Thuͤr als ein arm unvernuͤnfftig Thier d,
das alle Praͤtenſionen oder Anſprach an dem Kindlein uͤberall verloh-
ren, und nur ſo heimlich lauſtert, ob es etwan ein Haͤndlein als ein
Gnaden-Zeichen von dem Kindlein erblicken moͤchte; Warte da, biß
die Hirten kommen, und ſchleiche ihnen hintennach hinein, und ſtehe
etwan in einem Winckel, als unwuͤrdig daß dich das edle GOtt-
Kind anſehe e, wegen der uͤbel verbrachten Zeit und graͤulichen
Schmach, ſo du ihme angethan. Doch mercke wohl darauf, ob es
nicht etwan ſein Haͤuptlein aufhebe, und dich anlaͤchle; Geſchicht
dieſes, ſo iſt gute Hoffnung fuͤr dich, mache dich ungeſaͤumt herbey

mit
a Joh. VIII. 51.
b Jerem. XXXI. 18-20.
c Pſ. LI. 6. & LXXXIV. 11.
d Marc. VII. 28.
e Luc. XVIII. 13.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0735" n="639"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
ner Liebe tra&#x0364;ncken: Wer ihn kennet, begehret ihn tau&#x017F;end mahl, und<lb/>
kan nie genug bey ihm &#x017F;eyn. Was diß Kna&#x0364;blein thut und ver&#x017F;pricht<lb/>
auf Erden, das giltet ewig im Himmel; Wer flattirt nicht einem<lb/>
ku&#x0364;nfftigen Cron-Erben, und &#x017F;ucht bey ihm wohl ange&#x017F;chrieben zu<lb/>
&#x017F;eyn? O &#x017F;eelige Kinder! O ho&#x0364;ch&#x017F;t-&#x017F;eelige Jugend! die bey Zeiten<lb/>
&#x017F;ich zu JE&#x017F;u halten, und gleich&#x017F;am mit ihme aufwach&#x017F;en an Gnad<lb/>
und Weißheit bey GOtt und Men&#x017F;chen; Aus einigen &#x017F;einer na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Vetteren hats Apo&#x017F;tel gegeben.</p><lb/>
          <p>§. 4. Mich dunckt aber ich ho&#x0364;re einen alten Mann und eine alte<note place="right">an die Al-<lb/>
ten,</note><lb/>
Frau tieff &#x017F;euffzen: O ha&#x0364;tte ich vor 40. oder 50. Jahren gewu&#x0364;ßt,<lb/>
was ich jetzt weiß!</p><lb/>
          <p>Antw. Du der du einen Fuß im Grab ha&#x017F;t, und an den Gra&#x0364;ntzen<lb/>
der Ewigkeit &#x017F;tehe&#x017F;t, &#x017F;chiebs keine Stund mehr auf, es zu machen wie<lb/>
Simeon und Hanna; Eylet, JE&#x017F;um zu &#x017F;ehen, und zu umhal&#x017F;en, ehe<lb/>
der Tod euch die Augen zuthut, und ehe euere Arme er&#x017F;chwachen <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Joh. VIII.</hi> 51.</note>;<lb/>
Nichts kan das Sterben &#x017F;o lieblich und angenehm machen als das An-<lb/>
&#x017F;chauen und Umarmung JE&#x017F;u.</p><lb/>
          <p>§. 5. Einwendung. Fo&#x0364;rchte, es &#x017F;ey zu &#x017F;pat, ich hab &#x017F;o lang ge-<note place="right">wie &#x017F;ie das<lb/>
Ver&#x017F;aum-<lb/>
te wieder<lb/>
einbringen<lb/>
&#x017F;ollen.</note><lb/>
harret, und mich ver&#x017F;aumt; Die&#x017F;er Tro&#x017F;t i&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;olche, die &#x017F;ich zum<lb/>
Reich GOttes bereitet haben wie Simeon und Hanna.</p><lb/>
          <p>Antw. Erkenne, was du ihm zu leyd gethan, nimm mit allem<lb/>
Danck und Ehrerbietung gegen dem Heiligen Gei&#x017F;t an den Schmer-<lb/>
tzen &#x017F;o dir dein Gewi&#x017F;&#x017F;en daru&#x0364;ber erweckt <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Jerem. XXXI.</hi> 18-20.</note>, mit Anbettung der ge-<lb/>
rechten und gantz heiligen Erbarmung GOttes u&#x0364;ber dich <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. LI. 6. &amp; LXXXIV.</hi> 11.</note>, und &#x017F;telle<lb/>
dich demnach vor die Stall-Thu&#x0364;r als ein arm unvernu&#x0364;nfftig Thier <note place="foot" n="d"><hi rendition="#aq">Marc. VII.</hi> 28.</note>,<lb/>
das alle Pra&#x0364;ten&#x017F;ionen oder An&#x017F;prach an dem Kindlein u&#x0364;berall verloh-<lb/>
ren, und nur &#x017F;o heimlich lau&#x017F;tert, ob es etwan ein Ha&#x0364;ndlein als ein<lb/>
Gnaden-Zeichen von dem Kindlein erblicken mo&#x0364;chte; Warte da, biß<lb/>
die Hirten kommen, und &#x017F;chleiche ihnen hintennach hinein, und &#x017F;tehe<lb/>
etwan in einem Winckel, als unwu&#x0364;rdig daß dich das edle GOtt-<lb/>
Kind an&#x017F;ehe <note place="foot" n="e"><hi rendition="#aq">Luc. XVIII.</hi> 13.</note>, wegen der u&#x0364;bel verbrachten Zeit und gra&#x0364;ulichen<lb/>
Schmach, &#x017F;o du ihme angethan. Doch mercke wohl darauf, ob es<lb/>
nicht etwan &#x017F;ein Ha&#x0364;uptlein aufhebe, und dich anla&#x0364;chle; Ge&#x017F;chicht<lb/>
die&#x017F;es, &#x017F;o i&#x017F;t gute Hoffnung fu&#x0364;r dich, mache dich unge&#x017F;a&#x0364;umt herbey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[639/0735] Weyhnachts-Gedancken. ner Liebe traͤncken: Wer ihn kennet, begehret ihn tauſend mahl, und kan nie genug bey ihm ſeyn. Was diß Knaͤblein thut und verſpricht auf Erden, das giltet ewig im Himmel; Wer flattirt nicht einem kuͤnfftigen Cron-Erben, und ſucht bey ihm wohl angeſchrieben zu ſeyn? O ſeelige Kinder! O hoͤchſt-ſeelige Jugend! die bey Zeiten ſich zu JEſu halten, und gleichſam mit ihme aufwachſen an Gnad und Weißheit bey GOtt und Menſchen; Aus einigen ſeiner naͤch- ſten Vetteren hats Apoſtel gegeben. §. 4. Mich dunckt aber ich hoͤre einen alten Mann und eine alte Frau tieff ſeuffzen: O haͤtte ich vor 40. oder 50. Jahren gewuͤßt, was ich jetzt weiß! an die Al- ten, Antw. Du der du einen Fuß im Grab haſt, und an den Graͤntzen der Ewigkeit ſteheſt, ſchiebs keine Stund mehr auf, es zu machen wie Simeon und Hanna; Eylet, JEſum zu ſehen, und zu umhalſen, ehe der Tod euch die Augen zuthut, und ehe euere Arme erſchwachen a; Nichts kan das Sterben ſo lieblich und angenehm machen als das An- ſchauen und Umarmung JEſu. §. 5. Einwendung. Foͤrchte, es ſey zu ſpat, ich hab ſo lang ge- harret, und mich verſaumt; Dieſer Troſt iſt fuͤr ſolche, die ſich zum Reich GOttes bereitet haben wie Simeon und Hanna. wie ſie das Verſaum- te wieder einbringen ſollen. Antw. Erkenne, was du ihm zu leyd gethan, nimm mit allem Danck und Ehrerbietung gegen dem Heiligen Geiſt an den Schmer- tzen ſo dir dein Gewiſſen daruͤber erweckt b, mit Anbettung der ge- rechten und gantz heiligen Erbarmung GOttes uͤber dich c, und ſtelle dich demnach vor die Stall-Thuͤr als ein arm unvernuͤnfftig Thier d, das alle Praͤtenſionen oder Anſprach an dem Kindlein uͤberall verloh- ren, und nur ſo heimlich lauſtert, ob es etwan ein Haͤndlein als ein Gnaden-Zeichen von dem Kindlein erblicken moͤchte; Warte da, biß die Hirten kommen, und ſchleiche ihnen hintennach hinein, und ſtehe etwan in einem Winckel, als unwuͤrdig daß dich das edle GOtt- Kind anſehe e, wegen der uͤbel verbrachten Zeit und graͤulichen Schmach, ſo du ihme angethan. Doch mercke wohl darauf, ob es nicht etwan ſein Haͤuptlein aufhebe, und dich anlaͤchle; Geſchicht dieſes, ſo iſt gute Hoffnung fuͤr dich, mache dich ungeſaͤumt herbey mit a Joh. VIII. 51. b Jerem. XXXI. 18-20. c Pſ. LI. 6. & LXXXIV. 11. d Marc. VII. 28. e Luc. XVIII. 13.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/735
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/735>, abgerufen am 21.11.2024.