denen ersten süssen Geschmäcken der Kindlein, in Vergebung der Sünden a; wie dann die meiste geistliche Lieder nur aus diesem An- fänglichen Genuß unsers Heylands geflossen sind. Noch wenigere erfahren ihn als Christum, daß sie durch ihn zu lebendigen Heilig- thümmeren GOttes eingeweyhet, und von ihm als dem einigen Hir- ten geweidet und zu denen himmlischen Wasser-Brünnen geleitet werden b. O wie übel gehet es noch so vielen Frommen! die zwar grosses Vergnügen an JEsu haben, aber noch offt mit so vielen unnützen Bilderen in der Phantasie geplaget werden, daß wann sie gantze Wägen voll Paradiesischer Früchten vor sich haben, sie doch nur Herd in ihre irrdische Sinnen hinein schlucken müssen c; und es ist ihnen eben als wie einem Schaaf das ab einer kothigen, stau- bigen Straß durch ein dornichtes Gehäg eine köstliche Weid siehet und lang hin und wider lauffen muß, ehe es nur ein Bißlein dar- von bringet d. Das mag ja noch nicht heissen unter der stäten Auf- sicht und Weide des Gesalbeten leben: Und wie kan einer geden- cken, daß er den Seeligmacher kenne als einen Propheten, der fast nichts von heiliger Schrifft verstehet; Als Hohenpriester, der noch nicht einmahl weiß was es seye, der Hut des HErren warten; Als König, den noch allerley Geister hin und her zerren können?
Aber die allerwenigsten kommen da hinan, JEsum zu erkennen als GOttes Sohn, als den, der von Anfang ist, der Erste und der Letzte e, in der Klarheit die er hatte bey dem Vatter ehe die Welt war f. Der seelige Arndt erblickte etwas darvon in seinem Sterb-Bett; Die Apostel, sonderbahr Paulus und Johannes, waren auf Erden wie verzuckte und erstaunete Menschen, weil ihnen gegeben worden die- sen im Fleisch geoffenbahreten GOtt mit aufgedecktem Angesicht an- zuschauen g: jetzund aber geniessen, die den grösten Ernst brauchen, unterweilen ein Blicklein in dieses ewige und unvergängliche We- sen, das doch wieder wie ein Stern hinder die fahrende Wolcken sich verbirget. Und gleichwohl ist und bleibet dieser Sohn GOttes Geschenck, wormit er uns arme Sünder erfreuen will.
Wie man dazu kom- men kön- ne.
§. 16. Frag. Wie kommen wir dann darzu?
Antwort.
a 1 Joh. II. 12.
bApoc. III. 12. VII. 17.
cLuc. XV. 17.
dEsai. LIII. 6.
eApoc. I. 8. 17.
fJoh. I. 14.
g 1 Joh. I. 1. 2. & 2 Cor. III. 13. V. 16.
F f f f
Weyhnachts-Gedancken.
denen erſten ſuͤſſen Geſchmaͤcken der Kindlein, in Vergebung der Suͤnden a; wie dann die meiſte geiſtliche Lieder nur aus dieſem An- faͤnglichen Genuß unſers Heylands gefloſſen ſind. Noch wenigere erfahren ihn als Chriſtum, daß ſie durch ihn zu lebendigen Heilig- thuͤmmeren GOttes eingeweyhet, und von ihm als dem einigen Hir- ten geweidet und zu denen himmliſchen Waſſer-Bruͤnnen geleitet werden b. O wie uͤbel gehet es noch ſo vielen Frommen! die zwar groſſes Vergnuͤgen an JEſu haben, aber noch offt mit ſo vielen unnuͤtzen Bilderen in der Phantaſie geplaget werden, daß wann ſie gantze Waͤgen voll Paradieſiſcher Fruͤchten vor ſich haben, ſie doch nur Herd in ihre irrdiſche Sinnen hinein ſchlucken muͤſſen c; und es iſt ihnen eben als wie einem Schaaf das ab einer kothigen, ſtau- bigen Straß durch ein dornichtes Gehaͤg eine koͤſtliche Weid ſiehet und lang hin und wider lauffen muß, ehe es nur ein Bißlein dar- von bringet d. Das mag ja noch nicht heiſſen unter der ſtaͤten Auf- ſicht und Weide des Geſalbeten leben: Und wie kan einer geden- cken, daß er den Seeligmacher kenne als einen Propheten, der faſt nichts von heiliger Schrifft verſtehet; Als Hohenprieſter, der noch nicht einmahl weiß was es ſeye, der Hut des HErren warten; Als Koͤnig, den noch allerley Geiſter hin und her zerren koͤnnen?
Aber die allerwenigſten kommen da hinan, JEſum zu erkennen als GOttes Sohn, als den, der von Anfang iſt, der Erſte und der Letzte e, in der Klarheit die er hatte bey dem Vatter ehe die Welt war f. Der ſeelige Arndt erblickte etwas darvon in ſeinem Sterb-Bett; Die Apoſtel, ſonderbahr Paulus und Johannes, waren auf Erden wie verzuckte und erſtaunete Menſchen, weil ihnen gegeben worden die- ſen im Fleiſch geoffenbahreten GOtt mit aufgedecktem Angeſicht an- zuſchauen g: jetzund aber genieſſen, die den groͤſten Ernſt brauchen, unterweilen ein Blicklein in dieſes ewige und unvergaͤngliche We- ſen, das doch wieder wie ein Stern hinder die fahrende Wolcken ſich verbirget. Und gleichwohl iſt und bleibet dieſer Sohn GOttes Geſchenck, wormit er uns arme Suͤnder erfreuen will.
Wie man dazu kom- men koͤn- ne.
§. 16. Frag. Wie kommen wir dann darzu?
Antwort.
a 1 Joh. II. 12.
bApoc. III. 12. VII. 17.
cLuc. XV. 17.
dEſai. LIII. 6.
eApoc. I. 8. 17.
fJoh. I. 14.
g 1 Joh. I. 1. 2. & 2 Cor. III. 13. V. 16.
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Weyhnachts-Gedancken.
denen erſten ſuͤſſen Geſchmaͤcken der Kindlein, in Vergebung der
Suͤnden a; wie dann die meiſte geiſtliche Lieder nur aus dieſem An-
faͤnglichen Genuß unſers Heylands gefloſſen ſind. Noch wenigere
erfahren ihn als Chriſtum, daß ſie durch ihn zu lebendigen Heilig-
thuͤmmeren GOttes eingeweyhet, und von ihm als dem einigen Hir-
ten geweidet und zu denen himmliſchen Waſſer-Bruͤnnen geleitet
werden b. O wie uͤbel gehet es noch ſo vielen Frommen! die zwar
groſſes Vergnuͤgen an JEſu haben, aber noch offt mit ſo vielen
unnuͤtzen Bilderen in der Phantaſie geplaget werden, daß wann ſie
gantze Waͤgen voll Paradieſiſcher Fruͤchten vor ſich haben, ſie doch
nur Herd in ihre irrdiſche Sinnen hinein ſchlucken muͤſſen c; und
es iſt ihnen eben als wie einem Schaaf das ab einer kothigen, ſtau-
bigen Straß durch ein dornichtes Gehaͤg eine koͤſtliche Weid ſiehet
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nicht einmahl weiß was es ſeye, der Hut des HErren warten; Als
Koͤnig, den noch allerley Geiſter hin und her zerren koͤnnen?
Aber die allerwenigſten kommen da hinan, JEſum zu erkennen als
GOttes Sohn, als den, der von Anfang iſt, der Erſte und der Letzte e,
in der Klarheit die er hatte bey dem Vatter ehe die Welt war f.
Der ſeelige Arndt erblickte etwas darvon in ſeinem Sterb-Bett; Die
Apoſtel, ſonderbahr Paulus und Johannes, waren auf Erden wie
verzuckte und erſtaunete Menſchen, weil ihnen gegeben worden die-
ſen im Fleiſch geoffenbahreten GOtt mit aufgedecktem Angeſicht an-
zuſchauen g: jetzund aber genieſſen, die den groͤſten Ernſt brauchen,
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ſich verbirget. Und gleichwohl iſt und bleibet dieſer Sohn GOttes
Geſchenck, wormit er uns arme Suͤnder erfreuen will.
§. 16. Frag. Wie kommen wir dann darzu?
Antwort.
a 1 Joh. II. 12.
b Apoc. III. 12. VII. 17.
c Luc. XV. 17.
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III. 13. V. 16.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/689>, abgerufen am 22.11.2024.
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