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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.
Verheissungen steiff zu fassen, und daran aus unseren finsteren Schlan-
gen-Gruben hinaus zu kletteren ans Licht. Dieses ist eine zwar we-
nigen bekannte, aber gar erbärmliche Unseeligkeit der Schein-From-
men, darinn sie Jahr und Tag hinleben entfremdet von Jsraels und
aller wahren Kämpffer im Glauben ihrer Burgerschafft a, ohne ge-
naue Verbindung und Bekanntschafft mit dem Höchsten, ohne eini-
ges Wort und Zusag des heiligen Geistes von der Wiedereinsetzung
unserer Seel in die ehmalige Herrlichkeit: wie dann kein rechtschaf-
fener Heiliger ist b, der nicht viele dergleichen aufmunterende Gött-
liche Zusprüch, und ihme ins besonders gethane Verheissungen zu
erzehlen wisse, in mancherley betrübten Umständen, und wer hier-
von nichts erfahren, ist gar zu sehr blind und arm. Kurtz zu sagen,
was mag elenders seyn, als hinzugehen seine Pilgrim-Strasse ohne
Hoffnung, die Privilegien, Vorrechte und Seligkeiten der ewigen
Gottheit aufs bäldiste, und zwar bey Leibes Leben auf Erden noch
zu geniessen? Das lasse mir eine unglaubliche Noth und Trübsahl
seyn, vor einen durch die eitele Dinge der Welt ausgezehrten und
nach Ruhe, Fried und Vergnügung sehnenden Geist.

§. 2. Nun führet der über den damahligen gräulichen Verfall derChristen
sollen Esa-
ja die
Glau-
bens-
Wort un-
sers Tex-
tes ab-
lernen.

Kirchen unter dem heuchlerischen König Achas hochbekümmerte Pro-
phet auf den heutigen Tag die süsse Glaubens-Stimm: Ein Kind
ist uns gebohren, ein Sohn ist uns gegeben. Seine gerechte Seel
wird abgemattet von allem was er in Jerusalem sehen und hören
muß c, darum schlagt ers ein wenig aus dem Sinn, tröstet sich mit
dem rechten Reformierer, sincket in die Schoß des heiligen Geistes,
der ihm einen Becher von dem auf die Hochzeit des Meßias oder
Gesalbeten im Paradies verwahreten Freuden-Wein einschencket ü-
ber dem Jmanuel d. Und weilen eben dieser uns Heiden zum Licht ge-
setzet ist, daß er das Heyl seye bis ans Ende der Erden e, so stehets
uns eben gar wohl an, dem alten Volck GOttes diese Glaubens-
volle Sprach abzulernen, diese Traube Canaans uns von GOTT
aus dem Himmel zu unserer Freud gesandt, anzugreiffen als unser.

§. 3. Dann sobald wir diesen mit begierigem Bitten und FlehenDadurch
erlanget
man das
Recht

in unsere Hertzen hineingebracht mit Ausstossung der Welt und Ei-

gen-
a Eph. II. 12.
b Ps. LXXXV. 9.
c Ezech. IX. 4.
d Es. LXVI. 13.
e Act. XIII. 47. Jerem. VI. 16.
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Weyhnachts-Gedancken.
Verheiſſungen ſteiff zu faſſen, und daran aus unſeren finſteren Schlan-
gen-Gruben hinaus zu kletteren ans Licht. Dieſes iſt eine zwar we-
nigen bekannte, aber gar erbaͤrmliche Unſeeligkeit der Schein-From-
men, darinn ſie Jahr und Tag hinleben entfremdet von Jſraels und
aller wahren Kaͤmpffer im Glauben ihrer Burgerſchafft a, ohne ge-
naue Verbindung und Bekanntſchafft mit dem Hoͤchſten, ohne eini-
ges Wort und Zuſag des heiligen Geiſtes von der Wiedereinſetzung
unſerer Seel in die ehmalige Herrlichkeit: wie dann kein rechtſchaf-
fener Heiliger iſt b, der nicht viele dergleichen aufmunterende Goͤtt-
liche Zuſpruͤch, und ihme ins beſonders gethane Verheiſſungen zu
erzehlen wiſſe, in mancherley betruͤbten Umſtaͤnden, und wer hier-
von nichts erfahren, iſt gar zu ſehr blind und arm. Kurtz zu ſagen,
was mag elenders ſeyn, als hinzugehen ſeine Pilgrim-Straſſe ohne
Hoffnung, die Privilegien, Vorrechte und Seligkeiten der ewigen
Gottheit aufs baͤldiſte, und zwar bey Leibes Leben auf Erden noch
zu genieſſen? Das laſſe mir eine unglaubliche Noth und Truͤbſahl
ſeyn, vor einen durch die eitele Dinge der Welt ausgezehrten und
nach Ruhe, Fried und Vergnuͤgung ſehnenden Geiſt.

§. 2. Nun fuͤhret der uͤber den damahligen graͤulichen Verfall derChriſten
ſollen Eſa-
ja die
Glau-
bens-
Wort un-
ſers Tex-
tes ab-
lernen.

Kirchen unter dem heuchleriſchen Koͤnig Achas hochbekuͤmmerte Pro-
phet auf den heutigen Tag die ſuͤſſe Glaubens-Stimm: Ein Kind
iſt uns gebohren, ein Sohn iſt uns gegeben. Seine gerechte Seel
wird abgemattet von allem was er in Jeruſalem ſehen und hoͤren
muß c, darum ſchlagt ers ein wenig aus dem Sinn, troͤſtet ſich mit
dem rechten Reformierer, ſincket in die Schoß des heiligen Geiſtes,
der ihm einen Becher von dem auf die Hochzeit des Meßias oder
Geſalbeten im Paradies verwahreten Freuden-Wein einſchencket uͤ-
ber dem Jmanuel d. Und weilen eben dieſer uns Heiden zum Licht ge-
ſetzet iſt, daß er das Heyl ſeye bis ans Ende der Erden e, ſo ſtehets
uns eben gar wohl an, dem alten Volck GOttes dieſe Glaubens-
volle Sprach abzulernen, dieſe Traube Canaans uns von GOTT
aus dem Himmel zu unſerer Freud geſandt, anzugreiffen als unſer.

§. 3. Dann ſobald wir dieſen mit begierigem Bitten und FlehenDadurch
erlanget
man das
Recht

in unſere Hertzen hineingebracht mit Ausſtoſſung der Welt und Ei-

gen-
a Eph. II. 12.
b Pſ. LXXXV. 9.
c Ezech. IX. 4.
d Eſ. LXVI. 13.
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[585/0681] Weyhnachts-Gedancken. Verheiſſungen ſteiff zu faſſen, und daran aus unſeren finſteren Schlan- gen-Gruben hinaus zu kletteren ans Licht. Dieſes iſt eine zwar we- nigen bekannte, aber gar erbaͤrmliche Unſeeligkeit der Schein-From- men, darinn ſie Jahr und Tag hinleben entfremdet von Jſraels und aller wahren Kaͤmpffer im Glauben ihrer Burgerſchafft a, ohne ge- naue Verbindung und Bekanntſchafft mit dem Hoͤchſten, ohne eini- ges Wort und Zuſag des heiligen Geiſtes von der Wiedereinſetzung unſerer Seel in die ehmalige Herrlichkeit: wie dann kein rechtſchaf- fener Heiliger iſt b, der nicht viele dergleichen aufmunterende Goͤtt- liche Zuſpruͤch, und ihme ins beſonders gethane Verheiſſungen zu erzehlen wiſſe, in mancherley betruͤbten Umſtaͤnden, und wer hier- von nichts erfahren, iſt gar zu ſehr blind und arm. Kurtz zu ſagen, was mag elenders ſeyn, als hinzugehen ſeine Pilgrim-Straſſe ohne Hoffnung, die Privilegien, Vorrechte und Seligkeiten der ewigen Gottheit aufs baͤldiſte, und zwar bey Leibes Leben auf Erden noch zu genieſſen? Das laſſe mir eine unglaubliche Noth und Truͤbſahl ſeyn, vor einen durch die eitele Dinge der Welt ausgezehrten und nach Ruhe, Fried und Vergnuͤgung ſehnenden Geiſt. §. 2. Nun fuͤhret der uͤber den damahligen graͤulichen Verfall der Kirchen unter dem heuchleriſchen Koͤnig Achas hochbekuͤmmerte Pro- phet auf den heutigen Tag die ſuͤſſe Glaubens-Stimm: Ein Kind iſt uns gebohren, ein Sohn iſt uns gegeben. Seine gerechte Seel wird abgemattet von allem was er in Jeruſalem ſehen und hoͤren muß c, darum ſchlagt ers ein wenig aus dem Sinn, troͤſtet ſich mit dem rechten Reformierer, ſincket in die Schoß des heiligen Geiſtes, der ihm einen Becher von dem auf die Hochzeit des Meßias oder Geſalbeten im Paradies verwahreten Freuden-Wein einſchencket uͤ- ber dem Jmanuel d. Und weilen eben dieſer uns Heiden zum Licht ge- ſetzet iſt, daß er das Heyl ſeye bis ans Ende der Erden e, ſo ſtehets uns eben gar wohl an, dem alten Volck GOttes dieſe Glaubens- volle Sprach abzulernen, dieſe Traube Canaans uns von GOTT aus dem Himmel zu unſerer Freud geſandt, anzugreiffen als unſer. Chriſten ſollen Eſa- ja die Glau- bens- Wort un- ſers Tex- tes ab- lernen. §. 3. Dann ſobald wir dieſen mit begierigem Bitten und Flehen in unſere Hertzen hineingebracht mit Ausſtoſſung der Welt und Ei- gen- Dadurch erlanget man das Recht a Eph. II. 12. b Pſ. LXXXV. 9. c Ezech. IX. 4. d Eſ. LXVI. 13. e Act. XIII. 47. Jerem. VI. 16. E e e e

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/681>, abgerufen am 18.12.2024.