gotzung der Sünden haben; dieser siehet Abgründe der Herrlichkeit in Christi Creutz; diesem schmeckt ein Bissen trocken Brodt bey ei- nem frischen Brunnen besser als alle Niedlichkeiten des Königlichen Hofs; dieser schlägt alle hohe Verrichtungen aus dem Sinn, wor- zu ihn GOTT noch einmahl brauchen möchte, und ist ungeachtet seiner ungemeinen Gaben und Erleuchtung hertzlich wohl zu frieden, der Welt unbekannt zu bleiben, und sein Leben bey den tummen Schaafen zu beschliessen als ihr verächtlicher Hirt, er hat genug an GOTT in seiner Einsamkeit, und wird ihm keine Weile lang; Dieser ists, der für den Riß stehet, und durch dessen demüthige und verborgene Vorbitt grossen Gemeinden Gutes widerfahret; dieser ists, der aus tieffester Begierd an Leib, Seel und Geist gantz und gar geheiliget zu werden, sich ins Feur und ins dunckele zu GOTT hinein waget; dieser ists, der GOTT keine Ruh lasset, biß er ihm seine Herrlichkeit zeige, ja biß Jerusalem gefertiget werde zum Lob auf Erden; dieser hat mehrmahlen erfahren, daß im Gebett müd werden, Hände sincken lassen, Schaden bringe im Kampf mit Ama- leck; endlich hat auch dieser einfältig aussehende Toggenburger man- che Angst-Fluth müssen über sich hinrauschen lassen.
Hiob.
§. 17. Wie gesegnet und herrlich wären euere Gebirge, Hügel und Thäler, wann daselbst etwa ein Job wohnete, der in Lieb und Leyd, in Noth und Tod, in Kranckheit und Gesundheit, in Reichthum und Armuth GOTT gleich lebete, und ihne lobete zu aller Zeit, eben weilen GOtt das unwandelbare Gut ist einmahl wie das andere gleich unendlich, heilig, herrlich, selig, wohlmeynend, und also immerdar gleich Lieb-Lob- und Anbettens-würdig. Jn ihm müssen wir uns er- lustigen und hoch erfreuen, daß er so schön, so gut und so wohlthä- tig ist; ohne daß wir darinnen einige Absicht haben auf uns selbst, auf unser Vergnügen, Erhöhung und Wohlseyn, uns daran erqui- ckende, daß GOTT ist was er ist, daß ein so höchst-vollkommenes Wesen ist, daß er hat was er hat, und daß er thut, was er thut, also daß wir nicht das geringste wollten darzu oder darvon thun, an allem dem, was GOTT mit jedem seiner Geschöpfen vornimmt in Zeit und Ewigkeit, und was er alle Augenblick geschehen lässet, ob er es auch in unsere Willkühr setzte, etwas daran zu ändern. Wer also geartet ist, wird die Sünd aufs äusserste hassen und verab- scheuen, wie der heilige göttliche Mann Job mitten im Schmeltz-
Tigel
Zuſchrifft.
gotzung der Suͤnden haben; dieſer ſiehet Abgruͤnde der Herrlichkeit in Chriſti Creutz; dieſem ſchmeckt ein Biſſen trocken Brodt bey ei- nem friſchen Brunnen beſſer als alle Niedlichkeiten des Koͤniglichen Hofs; dieſer ſchlaͤgt alle hohe Verrichtungen aus dem Sinn, wor- zu ihn GOTT noch einmahl brauchen moͤchte, und iſt ungeachtet ſeiner ungemeinen Gaben und Erleuchtung hertzlich wohl zu frieden, der Welt unbekannt zu bleiben, und ſein Leben bey den tummen Schaafen zu beſchlieſſen als ihr veraͤchtlicher Hirt, er hat genug an GOTT in ſeiner Einſamkeit, und wird ihm keine Weile lang; Dieſer iſts, der fuͤr den Riß ſtehet, und durch deſſen demuͤthige und verborgene Vorbitt groſſen Gemeinden Gutes widerfahret; dieſer iſts, der aus tieffeſter Begierd an Leib, Seel und Geiſt gantz und gar geheiliget zu werden, ſich ins Feur und ins dunckele zu GOTT hinein waget; dieſer iſts, der GOTT keine Ruh laſſet, biß er ihm ſeine Herrlichkeit zeige, ja biß Jeruſalem gefertiget werde zum Lob auf Erden; dieſer hat mehrmahlen erfahren, daß im Gebett muͤd werden, Haͤnde ſincken laſſen, Schaden bringe im Kampf mit Ama- leck; endlich hat auch dieſer einfaͤltig ausſehende Toggenburger man- che Angſt-Fluth muͤſſen uͤber ſich hinrauſchen laſſen.
Hiob.
§. 17. Wie geſegnet und herrlich waͤren euere Gebirge, Huͤgel und Thaͤler, wann daſelbſt etwa ein Job wohnete, der in Lieb und Leyd, in Noth und Tod, in Kranckheit und Geſundheit, in Reichthum und Armuth GOTT gleich lebete, und ihne lobete zu aller Zeit, eben weilen GOtt das unwandelbare Gut iſt einmahl wie das andere gleich unendlich, heilig, herrlich, ſelig, wohlmeynend, und alſo immerdar gleich Lieb-Lob- und Anbettens-wuͤrdig. Jn ihm muͤſſen wir uns er- luſtigen und hoch erfreuen, daß er ſo ſchoͤn, ſo gut und ſo wohlthaͤ- tig iſt; ohne daß wir darinnen einige Abſicht haben auf uns ſelbſt, auf unſer Vergnuͤgen, Erhoͤhung und Wohlſeyn, uns daran erqui- ckende, daß GOTT iſt was er iſt, daß ein ſo hoͤchſt-vollkommenes Weſen iſt, daß er hat was er hat, und daß er thut, was er thut, alſo daß wir nicht das geringſte wollten darzu oder darvon thun, an allem dem, was GOTT mit jedem ſeiner Geſchoͤpfen vornimmt in Zeit und Ewigkeit, und was er alle Augenblick geſchehen laͤſſet, ob er es auch in unſere Willkuͤhr ſetzte, etwas daran zu aͤndern. Wer alſo geartet iſt, wird die Suͤnd aufs aͤuſſerſte haſſen und verab- ſcheuen, wie der heilige goͤttliche Mann Job mitten im Schmeltz-
Tigel
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Zuſchrifft.
gotzung der Suͤnden haben; dieſer ſiehet Abgruͤnde der Herrlichkeit in
Chriſti Creutz; dieſem ſchmeckt ein Biſſen trocken Brodt bey ei-
nem friſchen Brunnen beſſer als alle Niedlichkeiten des Koͤniglichen
Hofs; dieſer ſchlaͤgt alle hohe Verrichtungen aus dem Sinn, wor-
zu ihn GOTT noch einmahl brauchen moͤchte, und iſt ungeachtet
ſeiner ungemeinen Gaben und Erleuchtung hertzlich wohl zu frieden,
der Welt unbekannt zu bleiben, und ſein Leben bey den tummen
Schaafen zu beſchlieſſen als ihr veraͤchtlicher Hirt, er hat genug an
GOTT in ſeiner Einſamkeit, und wird ihm keine Weile lang;
Dieſer iſts, der fuͤr den Riß ſtehet, und durch deſſen demuͤthige und
verborgene Vorbitt groſſen Gemeinden Gutes widerfahret; dieſer
iſts, der aus tieffeſter Begierd an Leib, Seel und Geiſt gantz und
gar geheiliget zu werden, ſich ins Feur und ins dunckele zu GOTT
hinein waget; dieſer iſts, der GOTT keine Ruh laſſet, biß er ihm
ſeine Herrlichkeit zeige, ja biß Jeruſalem gefertiget werde zum Lob
auf Erden; dieſer hat mehrmahlen erfahren, daß im Gebett muͤd
werden, Haͤnde ſincken laſſen, Schaden bringe im Kampf mit Ama-
leck; endlich hat auch dieſer einfaͤltig ausſehende Toggenburger man-
che Angſt-Fluth muͤſſen uͤber ſich hinrauſchen laſſen.
§. 17. Wie geſegnet und herrlich waͤren euere Gebirge, Huͤgel und
Thaͤler, wann daſelbſt etwa ein Job wohnete, der in Lieb und Leyd,
in Noth und Tod, in Kranckheit und Geſundheit, in Reichthum
und Armuth GOTT gleich lebete, und ihne lobete zu aller Zeit, eben
weilen GOtt das unwandelbare Gut iſt einmahl wie das andere gleich
unendlich, heilig, herrlich, ſelig, wohlmeynend, und alſo immerdar
gleich Lieb-Lob- und Anbettens-wuͤrdig. Jn ihm muͤſſen wir uns er-
luſtigen und hoch erfreuen, daß er ſo ſchoͤn, ſo gut und ſo wohlthaͤ-
tig iſt; ohne daß wir darinnen einige Abſicht haben auf uns ſelbſt,
auf unſer Vergnuͤgen, Erhoͤhung und Wohlſeyn, uns daran erqui-
ckende, daß GOTT iſt was er iſt, daß ein ſo hoͤchſt-vollkommenes
Weſen iſt, daß er hat was er hat, und daß er thut, was er thut,
alſo daß wir nicht das geringſte wollten darzu oder darvon thun, an
allem dem, was GOTT mit jedem ſeiner Geſchoͤpfen vornimmt in
Zeit und Ewigkeit, und was er alle Augenblick geſchehen laͤſſet, ob
er es auch in unſere Willkuͤhr ſetzte, etwas daran zu aͤndern. Wer
alſo geartet iſt, wird die Suͤnd aufs aͤuſſerſte haſſen und verab-
ſcheuen, wie der heilige goͤttliche Mann Job mitten im Schmeltz-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/636>, abgerufen am 22.11.2024.
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