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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Sün-
den-Last
machet ei-
nem die
Welt zu
eng.

§. 9. (1.) Wann einen die Sünden verfolgen, und die streiffende
Rotten des Allmächtigen durch die Seel paßieren, alsdann wird
einem solchen die grosse, himmel-weite Welt zu enge; auch seynd da
die Evangelische Kern-Sprüch lauter schröckende Donnerschläge und
Wetter-Strahlen; alles jaget und plaget die Seele, und schlaget
auf sie zu, wo sie sich auch immer hinwendet; Nachdeme also JE-
sus sich zum Opffer-Lamm selbst dargebotten, so liesse eine unzehliche
Schaar himmelschreyender Missethaten auf ihne zu, und rannten
daher wie heißhungerige Wölffe auf das Lamm GOttes zu; o wie
tieff fühlete da unser HErr JEsus die verdammende Krafft des Ge-
sätzes; welch eine Höllen-Angst zerquälete dieses Freuden-Meer!

Auch alle
Creaturen
zu wider.

§. 10. (2.) Wer Sünden auf seinem Gewissen hat, dem machen
alle Creaturen ein saur Gesicht; dieser Zeug wirfft den ersten Stein
auf den armen Menschen, und alles Volck der Geschöpffen im Him-
mel und auf Erden folget ihme nach, ihne mit Steinen des Fluchs,
und der Ungnad zu ängstigen; diß kan niemand glauben, und kom-
met den meisten seltsam und abendtheurlich vor; aber wer es erfah-
ren hat, weißt es und kan es glauben; wir haben zwar alle gesün-
diget, wenig aber erwachen also, daß sie es fühlen. Wann schwar-
tze Sünden-Wolcken von einer Seel aufsteigen, so wird der
Glantz der Göttlichen Huld weggenommen, und siehet alles um und
um finster aus, und alles mit einem Traur-Kleid verhüllet; Wann
aber die Sonn hervor kommt, so gläntzet alsobald alles mit einem
guldenen Schein, und lachet den Menschen an; Wem der König
günstige Blicke leuchten lasset, den muß das gantze Reich ehren, auch
die gehäßigsten Feinde, wie Haman den Mardochai; wer sich hin-
gegen der verletzten Majestät schuldig weißt, der ist nirgend sicher;
diese Unsicherheit und Bangigkeit mußte unser HErr JEsus Chri-
stus unsertwegen aufs höchst empfinden.

JESU
Seelen-
Angst, ein
Bild der
letzten
Noth ei-
nes Gott-
losen.

§. 11. (3.) Diese höllische Angst JEsu ist ein Bild, wie die ar-
me Seel, so ihr Heil verschlaffen, in ihrer letzten Noth sich von ei-
ner Seiten zur anderen kehren, und allenthalben hinwenden wird,
ob sie Schirm im Gewitter finden, und Oel des Trosts von den Klu-
gen kriegen, oder Wasser der Erquickung aus dem Angedencken der
genossenen Lüsten und Herrlichkeiten saugen könne; Aber alles um
sonst: gedenckt sie an die Gnaden-Zeit, so ist die Seeligkeit sammt
der Heiligung verabsaumt; schauet sie den Himmel an, so ist ihro

derselbe
Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Die Suͤn-
den-Laſt
machet ei-
nem die
Welt zu
eng.

§. 9. (1.) Wann einen die Suͤnden verfolgen, und die ſtreiffende
Rotten des Allmaͤchtigen durch die Seel paßieren, alsdann wird
einem ſolchen die groſſe, himmel-weite Welt zu enge; auch ſeynd da
die Evangeliſche Kern-Spruͤch lauter ſchroͤckende Donnerſchlaͤge und
Wetter-Strahlen; alles jaget und plaget die Seele, und ſchlaget
auf ſie zu, wo ſie ſich auch immer hinwendet; Nachdeme alſo JE-
ſus ſich zum Opffer-Lamm ſelbſt dargebotten, ſo lieſſe eine unzehliche
Schaar himmelſchreyender Miſſethaten auf ihne zu, und rannten
daher wie heißhungerige Woͤlffe auf das Lamm GOttes zu; o wie
tieff fuͤhlete da unſer HErr JEſus die verdammende Krafft des Ge-
ſaͤtzes; welch eine Hoͤllen-Angſt zerquaͤlete dieſes Freuden-Meer!

Auch alle
Creaturen
zu wider.

§. 10. (2.) Wer Suͤnden auf ſeinem Gewiſſen hat, dem machen
alle Creaturen ein ſaur Geſicht; dieſer Zeug wirfft den erſten Stein
auf den armen Menſchen, und alles Volck der Geſchoͤpffen im Him-
mel und auf Erden folget ihme nach, ihne mit Steinen des Fluchs,
und der Ungnad zu aͤngſtigen; diß kan niemand glauben, und kom-
met den meiſten ſeltſam und abendtheurlich vor; aber wer es erfah-
ren hat, weißt es und kan es glauben; wir haben zwar alle geſuͤn-
diget, wenig aber erwachen alſo, daß ſie es fuͤhlen. Wann ſchwar-
tze Suͤnden-Wolcken von einer Seel aufſteigen, ſo wird der
Glantz der Goͤttlichen Huld weggenommen, und ſiehet alles um und
um finſter aus, und alles mit einem Traur-Kleid verhuͤllet; Wann
aber die Sonn hervor kommt, ſo glaͤntzet alſobald alles mit einem
guldenen Schein, und lachet den Menſchen an; Wem der Koͤnig
guͤnſtige Blicke leuchten laſſet, den muß das gantze Reich ehren, auch
die gehaͤßigſten Feinde, wie Haman den Mardochai; wer ſich hin-
gegen der verletzten Majeſtaͤt ſchuldig weißt, der iſt nirgend ſicher;
dieſe Unſicherheit und Bangigkeit mußte unſer HErr JEſus Chri-
ſtus unſertwegen aufs hoͤchſt empfinden.

JESU
Seelen-
Angſt, ein
Bild der
letzten
Noth ei-
nes Gott-
loſen.

§. 11. (3.) Dieſe hoͤlliſche Angſt JEſu iſt ein Bild, wie die ar-
me Seel, ſo ihr Heil verſchlaffen, in ihrer letzten Noth ſich von ei-
ner Seiten zur anderen kehren, und allenthalben hinwenden wird,
ob ſie Schirm im Gewitter finden, und Oel des Troſts von den Klu-
gen kriegen, oder Waſſer der Erquickung aus dem Angedencken der
genoſſenen Luͤſten und Herrlichkeiten ſaugen koͤnne; Aber alles um
ſonſt: gedenckt ſie an die Gnaden-Zeit, ſo iſt die Seeligkeit ſammt
der Heiligung verabſaumt; ſchauet ſie den Himmel an, ſo iſt ihro

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[418/0514] Die unter der Kelter des Zorns GOttes §. 9. (1.) Wann einen die Suͤnden verfolgen, und die ſtreiffende Rotten des Allmaͤchtigen durch die Seel paßieren, alsdann wird einem ſolchen die groſſe, himmel-weite Welt zu enge; auch ſeynd da die Evangeliſche Kern-Spruͤch lauter ſchroͤckende Donnerſchlaͤge und Wetter-Strahlen; alles jaget und plaget die Seele, und ſchlaget auf ſie zu, wo ſie ſich auch immer hinwendet; Nachdeme alſo JE- ſus ſich zum Opffer-Lamm ſelbſt dargebotten, ſo lieſſe eine unzehliche Schaar himmelſchreyender Miſſethaten auf ihne zu, und rannten daher wie heißhungerige Woͤlffe auf das Lamm GOttes zu; o wie tieff fuͤhlete da unſer HErr JEſus die verdammende Krafft des Ge- ſaͤtzes; welch eine Hoͤllen-Angſt zerquaͤlete dieſes Freuden-Meer! §. 10. (2.) Wer Suͤnden auf ſeinem Gewiſſen hat, dem machen alle Creaturen ein ſaur Geſicht; dieſer Zeug wirfft den erſten Stein auf den armen Menſchen, und alles Volck der Geſchoͤpffen im Him- mel und auf Erden folget ihme nach, ihne mit Steinen des Fluchs, und der Ungnad zu aͤngſtigen; diß kan niemand glauben, und kom- met den meiſten ſeltſam und abendtheurlich vor; aber wer es erfah- ren hat, weißt es und kan es glauben; wir haben zwar alle geſuͤn- diget, wenig aber erwachen alſo, daß ſie es fuͤhlen. Wann ſchwar- tze Suͤnden-Wolcken von einer Seel aufſteigen, ſo wird der Glantz der Goͤttlichen Huld weggenommen, und ſiehet alles um und um finſter aus, und alles mit einem Traur-Kleid verhuͤllet; Wann aber die Sonn hervor kommt, ſo glaͤntzet alſobald alles mit einem guldenen Schein, und lachet den Menſchen an; Wem der Koͤnig guͤnſtige Blicke leuchten laſſet, den muß das gantze Reich ehren, auch die gehaͤßigſten Feinde, wie Haman den Mardochai; wer ſich hin- gegen der verletzten Majeſtaͤt ſchuldig weißt, der iſt nirgend ſicher; dieſe Unſicherheit und Bangigkeit mußte unſer HErr JEſus Chri- ſtus unſertwegen aufs hoͤchſt empfinden. §. 11. (3.) Dieſe hoͤlliſche Angſt JEſu iſt ein Bild, wie die ar- me Seel, ſo ihr Heil verſchlaffen, in ihrer letzten Noth ſich von ei- ner Seiten zur anderen kehren, und allenthalben hinwenden wird, ob ſie Schirm im Gewitter finden, und Oel des Troſts von den Klu- gen kriegen, oder Waſſer der Erquickung aus dem Angedencken der genoſſenen Luͤſten und Herrlichkeiten ſaugen koͤnne; Aber alles um ſonſt: gedenckt ſie an die Gnaden-Zeit, ſo iſt die Seeligkeit ſammt der Heiligung verabſaumt; ſchauet ſie den Himmel an, ſo iſt ihro derſelbe

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/514>, abgerufen am 22.11.2024.