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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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liegende Wein-Trauben.
Menschen Hülff, Heyl und alles Gute widerfahrt; kurtz: daß wir
das Werck des HErren so gar läßig treiben; darüber allein sollen
wir allzumahl hertzlich und schmertzlich trauren. Und darzu haben wir ja
Ursach genug, weil wir uns durch unsern leichtsinnigen Ungehorsam
der Gemeinschafft des Vatters, und seines Sohns JEsu Christi,
und der daraus quillenden verherrlichten Freude so elendiger Weise
berauben; Und dieses ware auch, was die Seele JEsu so hefftig Tag
und Nacht quälte, so daß Er nicht lange mehr hätte leben können,
sondern vor Kummer und Hertzleyd gestorben wäre, wo man nicht so
sehr mit ihm an das Creutz geeilet hätte; So offt dich nun eine Be-
trübnuß anstosset, so frage dich selbst, ob eben dieses derselben Ur-
sach sey, die JEsu ein solches Trauren verursachet.

Das
Trauren
JEsu ist
ein Kenn-
zeichen sei-
ner Liebe,

§. 5. (2.) Siehe demnach hierbey, JEsu lautere, unverdiente,
auf keinen Eigennutz abzielende Liebe zu uns, daß da Er in sich selbst
ein unerschöpflich Freuden-Meer, und unendliche Ursachen der aller-
reinesten und höchsten Freude in sich hatte, indem seine Menschheit
persönlich mit der Gottheit vereiniget ware, Er sich dennoch um un-
sert willen, in ein so greulich Jammer-Meer hinein geworffen, und
sein Lebtag wenig recht fröhlich gewesen, sondern immer geweinet,
getrauret und geseuffzet, weil ihm unser Elend so tieff zu
Hertzen gienge, daß er seiner unaussprechlichen Herrlichkeit darüber
gleichsam vergasse; allweil wir, wie die Unsinnige am Rand des
Pfuhls hinrennten, in unserer eigenen Gefahr und Unglück nur lach-
ten, und auf dem breiten Verderbens-Weg uns lustig machten; se-
het da trauret JESUS als steckte er selbst darinn; O! wie heilig,
und GOtt angenehm mögen wohl die unabläßige Hertzens-Schmer-
tzen JEsu gewesen seyn!

und leitet
zur Freu-
de.

§. 6. (3.) Diese bitterste Traurigkeit bringt wohl die süssesten und
edelsten Freuden-Früchte; weilen es nunmehr der Wille GOttes ist,
daß wir allezeit frölich seyen, und uns freuen über JEsum, und er-
füllet werden mit dem Trost des H. Geistes, für eitel Freude achten,
wann wir in mancherley Versuchung fallen, und GOtt loben zu al-
ler Zeit, und dancken dem Vatter für alles; dann gleichwie JE-
sus nicht mit seiner Göttlichen Fülle aller Seeligkeiten gepranget,
sondern nur auf unsere Armut und Hertzdrucken gesehen, und sich
darüber biß in den Tod betrübet; so sollen wir ebenfalls nicht uns
selbst ansehen, noch unsere grosse Noth, noch irgend was anders

so

liegende Wein-Trauben.
Menſchen Huͤlff, Heyl und alles Gute widerfahrt; kurtz: daß wir
das Werck des HErren ſo gar laͤßig treiben; daruͤber allein ſollen
wir allzumahl hertzlich und ſchmertzlich trauren. Und darzu haben wir ja
Urſach genug, weil wir uns durch unſern leichtſinnigen Ungehorſam
der Gemeinſchafft des Vatters, und ſeines Sohns JEſu Chriſti,
und der daraus quillenden verherrlichten Freude ſo elendiger Weiſe
berauben; Und dieſes ware auch, was die Seele JEſu ſo hefftig Tag
und Nacht quaͤlte, ſo daß Er nicht lange mehr haͤtte leben koͤnnen,
ſondern vor Kummer und Hertzleyd geſtorben waͤre, wo man nicht ſo
ſehr mit ihm an das Creutz geeilet haͤtte; So offt dich nun eine Be-
truͤbnuß anſtoſſet, ſo frage dich ſelbſt, ob eben dieſes derſelben Ur-
ſach ſey, die JEſu ein ſolches Trauren verurſachet.

Das
Trauren
JEſu iſt
ein Kenn-
zeichen ſei-
ner Liebe,

§. 5. (2.) Siehe demnach hierbey, JEſu lautere, unverdiente,
auf keinen Eigennutz abzielende Liebe zu uns, daß da Er in ſich ſelbſt
ein unerſchoͤpflich Freuden-Meer, und unendliche Urſachen der aller-
reineſten und hoͤchſten Freude in ſich hatte, indem ſeine Menſchheit
perſoͤnlich mit der Gottheit vereiniget ware, Er ſich dennoch um un-
ſert willen, in ein ſo greulich Jammer-Meer hinein geworffen, und
ſein Lebtag wenig recht froͤhlich geweſen, ſondern immer geweinet,
getrauret und geſeuffzet, weil ihm unſer Elend ſo tieff zu
Hertzen gienge, daß er ſeiner unausſprechlichen Herrlichkeit daruͤber
gleichſam vergaſſe; allweil wir, wie die Unſinnige am Rand des
Pfuhls hinrennten, in unſerer eigenen Gefahr und Ungluͤck nur lach-
ten, und auf dem breiten Verderbens-Weg uns luſtig machten; ſe-
het da trauret JESUS als ſteckte er ſelbſt darinn; O! wie heilig,
und GOtt angenehm moͤgen wohl die unablaͤßige Hertzens-Schmer-
tzen JEſu geweſen ſeyn!

und leitet
zur Freu-
de.

§. 6. (3.) Dieſe bitterſte Traurigkeit bringt wohl die ſuͤſſeſten und
edelſten Freuden-Fruͤchte; weilen es nunmehr der Wille GOttes iſt,
daß wir allezeit froͤlich ſeyen, und uns freuen uͤber JEſum, und er-
fuͤllet werden mit dem Troſt des H. Geiſtes, fuͤr eitel Freude achten,
wann wir in mancherley Verſuchung fallen, und GOtt loben zu al-
ler Zeit, und dancken dem Vatter fuͤr alles; dann gleichwie JE-
ſus nicht mit ſeiner Goͤttlichen Fuͤlle aller Seeligkeiten gepranget,
ſondern nur auf unſere Armut und Hertzdrucken geſehen, und ſich
daruͤber biß in den Tod betruͤbet; ſo ſollen wir ebenfalls nicht uns
ſelbſt anſehen, noch unſere groſſe Noth, noch irgend was anders

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[416/0512] liegende Wein-Trauben. Menſchen Huͤlff, Heyl und alles Gute widerfahrt; kurtz: daß wir das Werck des HErren ſo gar laͤßig treiben; daruͤber allein ſollen wir allzumahl hertzlich und ſchmertzlich trauren. Und darzu haben wir ja Urſach genug, weil wir uns durch unſern leichtſinnigen Ungehorſam der Gemeinſchafft des Vatters, und ſeines Sohns JEſu Chriſti, und der daraus quillenden verherrlichten Freude ſo elendiger Weiſe berauben; Und dieſes ware auch, was die Seele JEſu ſo hefftig Tag und Nacht quaͤlte, ſo daß Er nicht lange mehr haͤtte leben koͤnnen, ſondern vor Kummer und Hertzleyd geſtorben waͤre, wo man nicht ſo ſehr mit ihm an das Creutz geeilet haͤtte; So offt dich nun eine Be- truͤbnuß anſtoſſet, ſo frage dich ſelbſt, ob eben dieſes derſelben Ur- ſach ſey, die JEſu ein ſolches Trauren verurſachet. §. 5. (2.) Siehe demnach hierbey, JEſu lautere, unverdiente, auf keinen Eigennutz abzielende Liebe zu uns, daß da Er in ſich ſelbſt ein unerſchoͤpflich Freuden-Meer, und unendliche Urſachen der aller- reineſten und hoͤchſten Freude in ſich hatte, indem ſeine Menſchheit perſoͤnlich mit der Gottheit vereiniget ware, Er ſich dennoch um un- ſert willen, in ein ſo greulich Jammer-Meer hinein geworffen, und ſein Lebtag wenig recht froͤhlich geweſen, ſondern immer geweinet, getrauret und geſeuffzet, weil ihm unſer Elend ſo tieff zu Hertzen gienge, daß er ſeiner unausſprechlichen Herrlichkeit daruͤber gleichſam vergaſſe; allweil wir, wie die Unſinnige am Rand des Pfuhls hinrennten, in unſerer eigenen Gefahr und Ungluͤck nur lach- ten, und auf dem breiten Verderbens-Weg uns luſtig machten; ſe- het da trauret JESUS als ſteckte er ſelbſt darinn; O! wie heilig, und GOtt angenehm moͤgen wohl die unablaͤßige Hertzens-Schmer- tzen JEſu geweſen ſeyn! §. 6. (3.) Dieſe bitterſte Traurigkeit bringt wohl die ſuͤſſeſten und edelſten Freuden-Fruͤchte; weilen es nunmehr der Wille GOttes iſt, daß wir allezeit froͤlich ſeyen, und uns freuen uͤber JEſum, und er- fuͤllet werden mit dem Troſt des H. Geiſtes, fuͤr eitel Freude achten, wann wir in mancherley Verſuchung fallen, und GOtt loben zu al- ler Zeit, und dancken dem Vatter fuͤr alles; dann gleichwie JE- ſus nicht mit ſeiner Goͤttlichen Fuͤlle aller Seeligkeiten gepranget, ſondern nur auf unſere Armut und Hertzdrucken geſehen, und ſich daruͤber biß in den Tod betruͤbet; ſo ſollen wir ebenfalls nicht uns ſelbſt anſehen, noch unſere groſſe Noth, noch irgend was anders ſo

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/512>, abgerufen am 20.05.2024.