Affterreden der Säu-Hirten um mich her, da es sie verdreußt, in- dem sie deine Gunst gegen mir mercken, daß du mich zu dir einladest, und da schreyt einer hier, sehet, der will zum König, und hat die Schuh nicht gebunden; der andere schreyet dort, der will zum Kö- nig, und hat seinen Hut lassen in Koth fallen! O JEsu! gib daß ich doch alle Demüthigungen von innen und aussen mir dahin gedeyen las- se, daß ich von allen Befleckungen des Fleisches und des Geistes rein und frey, und von dir mit dem H. Geist und mit Feuer getaufft Eng- lisch, ja Göttlich schön vor deinen Augen erscheinen möge, in erbar- mender zerschmeltzender Liebe gegen alle meine Hässer und Lästerer, daß mein Geist durchaus glatt und neu sey aus deiner Freuden-seelig- ster Jugend-Quell, und gar keine Runtzlen des Neids oder einiger Empfindlichkeit, nichts eingeschrumpfftes von irrdischen Begierden, kein Laubflecklein der Unsauberkeit mehr habe; wasche, bade, salbe und bilde mich also lang, biß ich dein ausgemachtes Portrait und al- lerdings schön sey in Heiligkeit. Amen.
Um neue Erweckung zum Ernst.
ODu Wächter Jsraels! wie manchmahl sincke ich in Trägheit, und vergesse so bald, was ich dir etwann zu der und der Zeit habe angelobet, wie bin ich doch so gar geneigt zum niedersitzen in ei- telen Uberlegungen, wie vermeyne ich nicht offt Zeit übrig zu haben zum Lauff und Eindringen in dein Himmelreich: Erblicke ich ein we- nig als von weitem die Seeligkeit derer mit dir vereinigten Seelen, so vermeyne ich im Sprung dahin zu gelangen, werde aber so gleich müd, und komme so gar von aller Geistes-Krafft und Brunst abe, daß ich nur nicht mehr an meinen ehmahligen so steiff-gemachten Vor- satz gedencke, so vieles gibt mir die Eigen-Liebe noch zu schaffen, und verruckt mir immer das Ziel. Ach du liebstes Mutter-Hertz, wie ge- nug und wie lang must du dich mit uns unghandsamen Kinderen schlep- pen, und bleiben doch immer wieder zuruck, und wollen uns bey je- dem schattichten Baum oder süssen Quell oder Rösgen vest setzen, vergessen des Fortwandrens, und machen bald aus jedem Gast-Hofe ein Bleib-Stätte, wo es uns wohl ist in Leiblichen und Geistlichen da sind wir kaum, oder gar ungern wegzubringen, ohngeachtet wir so vielmahl erfahren, wie deine Weißheit allen Anmuth von diesem und jenem Zustand so geschwind wegnehmen kan; Ach! so gieb, daß
wir
Der geiſtliche Fruͤhling.
Affterreden der Saͤu-Hirten um mich her, da es ſie verdreußt, in- dem ſie deine Gunſt gegen mir mercken, daß du mich zu dir einladeſt, und da ſchreyt einer hier, ſehet, der will zum Koͤnig, und hat die Schuh nicht gebunden; der andere ſchreyet dort, der will zum Koͤ- nig, und hat ſeinen Hut laſſen in Koth fallen! O JEſu! gib daß ich doch alle Demuͤthigungen von innen und auſſen mir dahin gedeyen laſ- ſe, daß ich von allen Befleckungen des Fleiſches und des Geiſtes rein und frey, und von dir mit dem H. Geiſt und mit Feuer getaufft Eng- liſch, ja Goͤttlich ſchoͤn vor deinen Augen erſcheinen moͤge, in erbar- mender zerſchmeltzender Liebe gegen alle meine Haͤſſer und Laͤſterer, daß mein Geiſt durchaus glatt und neu ſey aus deiner Freuden-ſeelig- ſter Jugend-Quell, und gar keine Runtzlen des Neids oder einiger Empfindlichkeit, nichts eingeſchrumpfftes von irrdiſchen Begierden, kein Laubflecklein der Unſauberkeit mehr habe; waſche, bade, ſalbe und bilde mich alſo lang, biß ich dein ausgemachtes Portrait und al- lerdings ſchoͤn ſey in Heiligkeit. Amen.
Um neue Erweckung zum Ernſt.
ODu Waͤchter Jſraels! wie manchmahl ſincke ich in Traͤgheit, und vergeſſe ſo bald, was ich dir etwann zu der und der Zeit habe angelobet, wie bin ich doch ſo gar geneigt zum niederſitzen in ei- telen Uberlegungen, wie vermeyne ich nicht offt Zeit uͤbrig zu haben zum Lauff und Eindringen in dein Himmelreich: Erblicke ich ein we- nig als von weitem die Seeligkeit derer mit dir vereinigten Seelen, ſo vermeyne ich im Sprung dahin zu gelangen, werde aber ſo gleich muͤd, und komme ſo gar von aller Geiſtes-Krafft und Brunſt abe, daß ich nur nicht mehr an meinen ehmahligen ſo ſteiff-gemachten Vor- ſatz gedencke, ſo vieles gibt mir die Eigen-Liebe noch zu ſchaffen, und verruckt mir immer das Ziel. Ach du liebſtes Mutter-Hertz, wie ge- nug und wie lang muſt du dich mit uns unghandſamen Kinderen ſchlep- pen, und bleiben doch immer wieder zuruck, und wollen uns bey je- dem ſchattichten Baum oder ſuͤſſen Quell oder Roͤsgen veſt ſetzen, vergeſſen des Fortwandrens, und machen bald aus jedem Gaſt-Hofe ein Bleib-Staͤtte, wo es uns wohl iſt in Leiblichen und Geiſtlichen da ſind wir kaum, oder gar ungern wegzubringen, ohngeachtet wir ſo vielmahl erfahren, wie deine Weißheit allen Anmuth von dieſem und jenem Zuſtand ſo geſchwind wegnehmen kan; Ach! ſo gieb, daß
wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0479"n="383"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der geiſtliche Fruͤhling.</hi></fw><lb/>
Affterreden der Saͤu-Hirten um mich her, da es ſie verdreußt, in-<lb/>
dem ſie deine Gunſt gegen mir mercken, daß du mich zu dir einladeſt,<lb/>
und da ſchreyt einer hier, ſehet, der will zum Koͤnig, und hat die<lb/>
Schuh nicht gebunden; der andere ſchreyet dort, der will zum Koͤ-<lb/>
nig, und hat ſeinen Hut laſſen in Koth fallen! O JEſu! gib daß ich<lb/>
doch alle Demuͤthigungen von innen und auſſen mir dahin gedeyen laſ-<lb/>ſe, daß ich von allen Befleckungen des Fleiſches und des Geiſtes rein<lb/>
und frey, und von dir mit dem H. Geiſt und mit Feuer getaufft Eng-<lb/>
liſch, ja Goͤttlich ſchoͤn vor deinen Augen erſcheinen moͤge, in erbar-<lb/>
mender zerſchmeltzender Liebe gegen alle meine Haͤſſer und Laͤſterer,<lb/>
daß mein Geiſt durchaus glatt und neu ſey aus deiner Freuden-ſeelig-<lb/>ſter Jugend-Quell, und gar keine Runtzlen des Neids oder einiger<lb/>
Empfindlichkeit, nichts eingeſchrumpfftes von irrdiſchen Begierden,<lb/>
kein Laubflecklein der Unſauberkeit mehr habe; waſche, bade, ſalbe<lb/>
und bilde mich alſo lang, biß ich dein ausgemachtes Portrait und al-<lb/>
lerdings ſchoͤn ſey in Heiligkeit. Amen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Um neue Erweckung zum Ernſt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">O</hi>Du Waͤchter Jſraels! wie manchmahl ſincke ich in Traͤgheit,<lb/>
und vergeſſe ſo bald, was ich dir etwann zu der und der Zeit<lb/>
habe angelobet, wie bin ich doch ſo gar geneigt zum niederſitzen in ei-<lb/>
telen Uberlegungen, wie vermeyne ich nicht offt Zeit uͤbrig zu haben<lb/>
zum Lauff und Eindringen in dein Himmelreich: Erblicke ich ein we-<lb/>
nig als von weitem die Seeligkeit derer mit dir vereinigten Seelen,<lb/>ſo vermeyne ich im Sprung dahin zu gelangen, werde aber ſo gleich<lb/>
muͤd, und komme ſo gar von aller Geiſtes-Krafft und Brunſt abe,<lb/>
daß ich nur nicht mehr an meinen ehmahligen ſo ſteiff-gemachten Vor-<lb/>ſatz gedencke, ſo vieles gibt mir die Eigen-Liebe noch zu ſchaffen, und<lb/>
verruckt mir immer das Ziel. Ach du liebſtes Mutter-Hertz, wie ge-<lb/>
nug und wie lang muſt du dich mit uns unghandſamen Kinderen ſchlep-<lb/>
pen, und bleiben doch immer wieder zuruck, und wollen uns bey je-<lb/>
dem ſchattichten Baum oder ſuͤſſen Quell oder Roͤsgen veſt ſetzen,<lb/>
vergeſſen des Fortwandrens, und machen bald aus jedem Gaſt-Hofe<lb/>
ein Bleib-Staͤtte, wo es uns wohl iſt in Leiblichen und Geiſtlichen<lb/>
da ſind wir kaum, oder gar ungern wegzubringen, ohngeachtet wir<lb/>ſo vielmahl erfahren, wie deine Weißheit allen Anmuth von dieſem<lb/>
und jenem Zuſtand ſo geſchwind wegnehmen kan; Ach! ſo gieb, daß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wir</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[383/0479]
Der geiſtliche Fruͤhling.
Affterreden der Saͤu-Hirten um mich her, da es ſie verdreußt, in-
dem ſie deine Gunſt gegen mir mercken, daß du mich zu dir einladeſt,
und da ſchreyt einer hier, ſehet, der will zum Koͤnig, und hat die
Schuh nicht gebunden; der andere ſchreyet dort, der will zum Koͤ-
nig, und hat ſeinen Hut laſſen in Koth fallen! O JEſu! gib daß ich
doch alle Demuͤthigungen von innen und auſſen mir dahin gedeyen laſ-
ſe, daß ich von allen Befleckungen des Fleiſches und des Geiſtes rein
und frey, und von dir mit dem H. Geiſt und mit Feuer getaufft Eng-
liſch, ja Goͤttlich ſchoͤn vor deinen Augen erſcheinen moͤge, in erbar-
mender zerſchmeltzender Liebe gegen alle meine Haͤſſer und Laͤſterer,
daß mein Geiſt durchaus glatt und neu ſey aus deiner Freuden-ſeelig-
ſter Jugend-Quell, und gar keine Runtzlen des Neids oder einiger
Empfindlichkeit, nichts eingeſchrumpfftes von irrdiſchen Begierden,
kein Laubflecklein der Unſauberkeit mehr habe; waſche, bade, ſalbe
und bilde mich alſo lang, biß ich dein ausgemachtes Portrait und al-
lerdings ſchoͤn ſey in Heiligkeit. Amen.
Um neue Erweckung zum Ernſt.
ODu Waͤchter Jſraels! wie manchmahl ſincke ich in Traͤgheit,
und vergeſſe ſo bald, was ich dir etwann zu der und der Zeit
habe angelobet, wie bin ich doch ſo gar geneigt zum niederſitzen in ei-
telen Uberlegungen, wie vermeyne ich nicht offt Zeit uͤbrig zu haben
zum Lauff und Eindringen in dein Himmelreich: Erblicke ich ein we-
nig als von weitem die Seeligkeit derer mit dir vereinigten Seelen,
ſo vermeyne ich im Sprung dahin zu gelangen, werde aber ſo gleich
muͤd, und komme ſo gar von aller Geiſtes-Krafft und Brunſt abe,
daß ich nur nicht mehr an meinen ehmahligen ſo ſteiff-gemachten Vor-
ſatz gedencke, ſo vieles gibt mir die Eigen-Liebe noch zu ſchaffen, und
verruckt mir immer das Ziel. Ach du liebſtes Mutter-Hertz, wie ge-
nug und wie lang muſt du dich mit uns unghandſamen Kinderen ſchlep-
pen, und bleiben doch immer wieder zuruck, und wollen uns bey je-
dem ſchattichten Baum oder ſuͤſſen Quell oder Roͤsgen veſt ſetzen,
vergeſſen des Fortwandrens, und machen bald aus jedem Gaſt-Hofe
ein Bleib-Staͤtte, wo es uns wohl iſt in Leiblichen und Geiſtlichen
da ſind wir kaum, oder gar ungern wegzubringen, ohngeachtet wir
ſo vielmahl erfahren, wie deine Weißheit allen Anmuth von dieſem
und jenem Zuſtand ſo geſchwind wegnehmen kan; Ach! ſo gieb, daß
wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/479>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.