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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
dahinden bleiben, also kan ein Mensch überzeugt seyn, schöne An-
fäng haben, daß man ein wunderheilig Leben von ihm hoffet, daß
dennoch endlich nichts draus wird als ein Heuchler; Es kan auch
eine Gemeinde oder Kirchen-Baum zierlich schön blühen, und sich
anlassen zu einer general Reformation oder allgemeinen Verbesserung,
daß gleichwohl die mancherley Versuchungen zur Lust und Forcht das
wenigste überlassen, und die meisten abfallen, wie das Blust von
Reiffen, Milthau, Nebel, Käfer, Graß-Würm etc. daß sie die
Welt lieb gewinnen, und sich abwenden, dem Satan nach. Tau-
senderley Dinge sind dem Guten aufsätzig so wohl im Gnaden-Reich,
und noch weit mehr als im Natur-Reich, so bald sich was Gutes
nur im Menschen blicken lasset, so erwecket der arge Feind ein gan-
tzes Heer von höllischem Geschmeiß, selbiges in der Blüht zu ersticken,
und auf allerley Weise zu hinderen, daß es nicht zur Krafft und we-
sentlichen Ausgeburt komme, als zu seiner Frucht, wie zu sehen aus
vieler, ja fast aller Heiligen Lebens-Lauff.

§. 14. Einsmahls fragten mich meine Lehr-Jünger: Wie kommtSatan se-
tzet den
Anfän-
gern am
stärcksten
zu.

es doch, daß die meisten von uns viel schlimmer worden sind, als al-
le andere Knaben, da sie so manche gute ernstliche Lehre hören, und
so viel deutlicher, hertzlicher Handleitungen zu einem tugendsamen,
frommen, glückseeligen und GOtt gefälligen Wandel, empfahen,
welche Anweisungen schienen anfänglich Eingang gefunden zu haben
bey ihnen, also daß auch Lust und Freud zu allem Guten sich habe
bey ihnen verspühren lassen, nunmehr aber habe das Böse so starck
in ihnen Oberhand genommen, daß sie viel mächtiger von denen Tu-
gend-Lüsten hingerissen werden, als alle andere in ihrem Alter. Jch
fragte sie hinwieder, weilen es eben Frühling ware, und ein Käfer-
Jahr; sie sollen mir sagen, ob die Käfer um die dürre Bäum her-
um brumsen oder um die grünende, und blühende; sie antworteten,
um die letztere: Gleicher weise, sagte ich, setzen die böse Geister sehr
hart an, an denenjenigen Orten und Personen, allwo sie was Gu-
tes und Göttliches vermercken, daß wohl zum ewigen Leben aufblü-
hen und dem HErrn JEsu Freud machen könnte.

§. 15. Dieses sollten auch junge Leute wohl zu Hertzen nehmen, daßErinne-
rung an
die Ju-
gend, bey
Zeiten

welcher Baum für Frühlings-Zeit nicht blühet, der hat auch im
Herbst keine Früchte, es zeigt sich bald was einer werden will; Wer
sich auf den Schächer am Creutz beruffen wollte, handelte eben so

thorecht
Q q 2

Der geiſtliche Fruͤhling.
dahinden bleiben, alſo kan ein Menſch uͤberzeugt ſeyn, ſchoͤne An-
faͤng haben, daß man ein wunderheilig Leben von ihm hoffet, daß
dennoch endlich nichts draus wird als ein Heuchler; Es kan auch
eine Gemeinde oder Kirchen-Baum zierlich ſchoͤn bluͤhen, und ſich
anlaſſen zu einer general Reformation oder allgemeinen Verbeſſerung,
daß gleichwohl die mancherley Verſuchungen zur Luſt und Forcht das
wenigſte uͤberlaſſen, und die meiſten abfallen, wie das Bluſt von
Reiffen, Milthau, Nebel, Kaͤfer, Graß-Wuͤrm ꝛc. daß ſie die
Welt lieb gewinnen, und ſich abwenden, dem Satan nach. Tau-
ſenderley Dinge ſind dem Guten aufſaͤtzig ſo wohl im Gnaden-Reich,
und noch weit mehr als im Natur-Reich, ſo bald ſich was Gutes
nur im Menſchen blicken laſſet, ſo erwecket der arge Feind ein gan-
tzes Heer von hoͤlliſchem Geſchmeiß, ſelbiges in der Bluͤht zu erſticken,
und auf allerley Weiſe zu hinderen, daß es nicht zur Krafft und we-
ſentlichen Ausgeburt komme, als zu ſeiner Frucht, wie zu ſehen aus
vieler, ja faſt aller Heiligen Lebens-Lauff.

§. 14. Einsmahls fragten mich meine Lehr-Juͤnger: Wie kommtSatan ſe-
tzet den
Anfaͤn-
gern am
ſtaͤrckſten
zu.

es doch, daß die meiſten von uns viel ſchlimmer worden ſind, als al-
le andere Knaben, da ſie ſo manche gute ernſtliche Lehre hoͤren, und
ſo viel deutlicher, hertzlicher Handleitungen zu einem tugendſamen,
frommen, gluͤckſeeligen und GOtt gefaͤlligen Wandel, empfahen,
welche Anweiſungen ſchienen anfaͤnglich Eingang gefunden zu haben
bey ihnen, alſo daß auch Luſt und Freud zu allem Guten ſich habe
bey ihnen verſpuͤhren laſſen, nunmehr aber habe das Boͤſe ſo ſtarck
in ihnen Oberhand genommen, daß ſie viel maͤchtiger von denen Tu-
gend-Luͤſten hingeriſſen werden, als alle andere in ihrem Alter. Jch
fragte ſie hinwieder, weilen es eben Fruͤhling ware, und ein Kaͤfer-
Jahr; ſie ſollen mir ſagen, ob die Kaͤfer um die duͤrre Baͤum her-
um brumſen oder um die gruͤnende, und bluͤhende; ſie antworteten,
um die letztere: Gleicher weiſe, ſagte ich, ſetzen die boͤſe Geiſter ſehr
hart an, an denenjenigen Orten und Perſonen, allwo ſie was Gu-
tes und Goͤttliches vermercken, daß wohl zum ewigen Leben aufbluͤ-
hen und dem HErrn JEſu Freud machen koͤnnte.

§. 15. Dieſes ſollten auch junge Leute wohl zu Hertzen nehmen, daßErinne-
rung an
die Ju-
gend, bey
Zeiten

welcher Baum fuͤr Fruͤhlings-Zeit nicht bluͤhet, der hat auch im
Herbſt keine Fruͤchte, es zeigt ſich bald was einer werden will; Wer
ſich auf den Schaͤcher am Creutz beruffen wollte, handelte eben ſo

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[307/0403] Der geiſtliche Fruͤhling. dahinden bleiben, alſo kan ein Menſch uͤberzeugt ſeyn, ſchoͤne An- faͤng haben, daß man ein wunderheilig Leben von ihm hoffet, daß dennoch endlich nichts draus wird als ein Heuchler; Es kan auch eine Gemeinde oder Kirchen-Baum zierlich ſchoͤn bluͤhen, und ſich anlaſſen zu einer general Reformation oder allgemeinen Verbeſſerung, daß gleichwohl die mancherley Verſuchungen zur Luſt und Forcht das wenigſte uͤberlaſſen, und die meiſten abfallen, wie das Bluſt von Reiffen, Milthau, Nebel, Kaͤfer, Graß-Wuͤrm ꝛc. daß ſie die Welt lieb gewinnen, und ſich abwenden, dem Satan nach. Tau- ſenderley Dinge ſind dem Guten aufſaͤtzig ſo wohl im Gnaden-Reich, und noch weit mehr als im Natur-Reich, ſo bald ſich was Gutes nur im Menſchen blicken laſſet, ſo erwecket der arge Feind ein gan- tzes Heer von hoͤlliſchem Geſchmeiß, ſelbiges in der Bluͤht zu erſticken, und auf allerley Weiſe zu hinderen, daß es nicht zur Krafft und we- ſentlichen Ausgeburt komme, als zu ſeiner Frucht, wie zu ſehen aus vieler, ja faſt aller Heiligen Lebens-Lauff. §. 14. Einsmahls fragten mich meine Lehr-Juͤnger: Wie kommt es doch, daß die meiſten von uns viel ſchlimmer worden ſind, als al- le andere Knaben, da ſie ſo manche gute ernſtliche Lehre hoͤren, und ſo viel deutlicher, hertzlicher Handleitungen zu einem tugendſamen, frommen, gluͤckſeeligen und GOtt gefaͤlligen Wandel, empfahen, welche Anweiſungen ſchienen anfaͤnglich Eingang gefunden zu haben bey ihnen, alſo daß auch Luſt und Freud zu allem Guten ſich habe bey ihnen verſpuͤhren laſſen, nunmehr aber habe das Boͤſe ſo ſtarck in ihnen Oberhand genommen, daß ſie viel maͤchtiger von denen Tu- gend-Luͤſten hingeriſſen werden, als alle andere in ihrem Alter. Jch fragte ſie hinwieder, weilen es eben Fruͤhling ware, und ein Kaͤfer- Jahr; ſie ſollen mir ſagen, ob die Kaͤfer um die duͤrre Baͤum her- um brumſen oder um die gruͤnende, und bluͤhende; ſie antworteten, um die letztere: Gleicher weiſe, ſagte ich, ſetzen die boͤſe Geiſter ſehr hart an, an denenjenigen Orten und Perſonen, allwo ſie was Gu- tes und Goͤttliches vermercken, daß wohl zum ewigen Leben aufbluͤ- hen und dem HErrn JEſu Freud machen koͤnnte. Satan ſe- tzet den Anfaͤn- gern am ſtaͤrckſten zu. §. 15. Dieſes ſollten auch junge Leute wohl zu Hertzen nehmen, daß welcher Baum fuͤr Fruͤhlings-Zeit nicht bluͤhet, der hat auch im Herbſt keine Fruͤchte, es zeigt ſich bald was einer werden will; Wer ſich auf den Schaͤcher am Creutz beruffen wollte, handelte eben ſo thorecht Erinne- rung an die Ju- gend, bey Zeiten Q q 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/403>, abgerufen am 22.11.2024.