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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
JEsus hat die Erde wiederum fruchtbar und zum Garten Eden ge-
macht, indem er sich selbst als ein Weinbaum und schönen Rosen-
stock hat auf die Erde pflantzen wollen, auf daß die Menschen als
Wildfäng zu ihm kommen, und sich ihme einpfropffen möchten, die
Blume stehet nicht alsobald da in vollem Glantz, ehe die Blätter
die rechte Farb und Geruch haben braucht es lange Zeit, ehe das
Reich GOttes den rechten Schein bekommet braucht es Zeit und
Weyl, durch die Krafft der Sonnen müssen die Blumen ihre Farb
bekommen und immer Safft aus der Erden ziehen, oder sie müssen
verderben, so must du dich beständig gegen der Gnaden-Sonnen JE-
su Christi halten, und aus ihme der wahren himmlisch-paradiesischen
Erden beständig Safft, in dein innerstes, in deinen unsterblichen Geist
hineinziehen durch den Glauben im H. Geist, der ein stäts begieri-
ges Sehnen erwecket nach JEsu der himmlischen Zierde der inne-
ren Welt, da du sonderbahre Sorg tragen must, daß die Mitthei-
lung und Einfluß seines verborgenen Lebens nicht unterbrochen wer-
de und die Glaubens-Gänge in der Seelen verstopfft durch Freuds-
Begierden, Gelüste, Affecten, Paßionen, eigensinnigen Ungehor-
sam; Willt du je nicht verdorren, und als ein faul verwelcktes, un-
nützes Ding ausgerupfft, und auf den Misthauffen geworffen wer-
den.

§. 6. Halte dich indessen nicht auf mit diesen Gedancken: Wasman muß
zu frieden
seyn, wie
es JEsus
mit einem
machet,

bin ich vor GOtt eine Dulipen, Veyetlin oder Nägelin, sondern
bitte GOtt daß er dich deiner selbst wolle vergessen machen, daß du
gantz einfältig seyn mögest, ohne Betrachtung, was du vor GOtt
gelten möchtest, wie sich in den Blumen eine solche Einfalt findet,
es gilt ihnen gleich, was Gattung Blumen sie seyen, ein Sternen-
blumen will kein Lilien seyn, sie ist zu frieden daß sie GOtt zu einer
solchen Blumen gemacht hat. Trachte du nur ein gantzes Feld voll
wohlriechender Blum zu seyn, wie die kostbarsten Gärten von Enged-
di voll Gewürtz, Balsam und paradiesischer Gewächsen, daß aller
und jeder Pflantzen Tugend, Glantz und Zierde an dir gefunden wer-
de, wie Athanasius von einem sehr theuren Mann GOttes schreibet,
daß derselbe in seiner Jugend bey sich selbst wohl acht gabe mit wel-
cher Ubung und Gabe ein jeder von den heiligen Christen fürnehmlich
gezieret ware, von diesem lernte er Mäßig- von jenem Holdseeligkeit,
von einem anderen unabläßiges betten, dem folgte er nach in der Ge-

lindig-

Der geiſtliche Fruͤhling.
JEſus hat die Erde wiederum fruchtbar und zum Garten Eden ge-
macht, indem er ſich ſelbſt als ein Weinbaum und ſchoͤnen Roſen-
ſtock hat auf die Erde pflantzen wollen, auf daß die Menſchen als
Wildfaͤng zu ihm kommen, und ſich ihme einpfropffen moͤchten, die
Blume ſtehet nicht alſobald da in vollem Glantz, ehe die Blaͤtter
die rechte Farb und Geruch haben braucht es lange Zeit, ehe das
Reich GOttes den rechten Schein bekommet braucht es Zeit und
Weyl, durch die Krafft der Sonnen muͤſſen die Blumen ihre Farb
bekommen und immer Safft aus der Erden ziehen, oder ſie muͤſſen
verderben, ſo muſt du dich beſtaͤndig gegen der Gnaden-Sonnen JE-
ſu Chriſti halten, und aus ihme der wahren himmliſch-paradieſiſchen
Erden beſtaͤndig Safft, in dein innerſtes, in deinen unſterblichen Geiſt
hineinziehen durch den Glauben im H. Geiſt, der ein ſtaͤts begieri-
ges Sehnen erwecket nach JEſu der himmliſchen Zierde der inne-
ren Welt, da du ſonderbahre Sorg tragen muſt, daß die Mitthei-
lung und Einfluß ſeines verborgenen Lebens nicht unterbrochen wer-
de und die Glaubens-Gaͤnge in der Seelen verſtopfft durch Freuds-
Begierden, Geluͤſte, Affecten, Paßionen, eigenſinnigen Ungehor-
ſam; Willt du je nicht verdorren, und als ein faul verwelcktes, un-
nuͤtzes Ding ausgerupfft, und auf den Miſthauffen geworffen wer-
den.

§. 6. Halte dich indeſſen nicht auf mit dieſen Gedancken: Wasman muß
zu frieden
ſeyn, wie
es JEſus
mit einem
machet,

bin ich vor GOtt eine Dulipen, Veyetlin oder Naͤgelin, ſondern
bitte GOtt daß er dich deiner ſelbſt wolle vergeſſen machen, daß du
gantz einfaͤltig ſeyn moͤgeſt, ohne Betrachtung, was du vor GOtt
gelten moͤchteſt, wie ſich in den Blumen eine ſolche Einfalt findet,
es gilt ihnen gleich, was Gattung Blumen ſie ſeyen, ein Sternen-
blumen will kein Lilien ſeyn, ſie iſt zu frieden daß ſie GOtt zu einer
ſolchen Blumen gemacht hat. Trachte du nur ein gantzes Feld voll
wohlriechender Blum zu ſeyn, wie die koſtbarſten Gaͤrten von Enged-
di voll Gewuͤrtz, Balſam und paradieſiſcher Gewaͤchſen, daß aller
und jeder Pflantzen Tugend, Glantz und Zierde an dir gefunden wer-
de, wie Athanaſius von einem ſehr theuren Mann GOttes ſchreibet,
daß derſelbe in ſeiner Jugend bey ſich ſelbſt wohl acht gabe mit wel-
cher Ubung und Gabe ein jeder von den heiligen Chriſten fuͤrnehmlich
gezieret ware, von dieſem lernte er Maͤßig- von jenem Holdſeeligkeit,
von einem anderen unablaͤßiges betten, dem folgte er nach in der Ge-

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[303/0399] Der geiſtliche Fruͤhling. JEſus hat die Erde wiederum fruchtbar und zum Garten Eden ge- macht, indem er ſich ſelbſt als ein Weinbaum und ſchoͤnen Roſen- ſtock hat auf die Erde pflantzen wollen, auf daß die Menſchen als Wildfaͤng zu ihm kommen, und ſich ihme einpfropffen moͤchten, die Blume ſtehet nicht alſobald da in vollem Glantz, ehe die Blaͤtter die rechte Farb und Geruch haben braucht es lange Zeit, ehe das Reich GOttes den rechten Schein bekommet braucht es Zeit und Weyl, durch die Krafft der Sonnen muͤſſen die Blumen ihre Farb bekommen und immer Safft aus der Erden ziehen, oder ſie muͤſſen verderben, ſo muſt du dich beſtaͤndig gegen der Gnaden-Sonnen JE- ſu Chriſti halten, und aus ihme der wahren himmliſch-paradieſiſchen Erden beſtaͤndig Safft, in dein innerſtes, in deinen unſterblichen Geiſt hineinziehen durch den Glauben im H. Geiſt, der ein ſtaͤts begieri- ges Sehnen erwecket nach JEſu der himmliſchen Zierde der inne- ren Welt, da du ſonderbahre Sorg tragen muſt, daß die Mitthei- lung und Einfluß ſeines verborgenen Lebens nicht unterbrochen wer- de und die Glaubens-Gaͤnge in der Seelen verſtopfft durch Freuds- Begierden, Geluͤſte, Affecten, Paßionen, eigenſinnigen Ungehor- ſam; Willt du je nicht verdorren, und als ein faul verwelcktes, un- nuͤtzes Ding ausgerupfft, und auf den Miſthauffen geworffen wer- den. §. 6. Halte dich indeſſen nicht auf mit dieſen Gedancken: Was bin ich vor GOtt eine Dulipen, Veyetlin oder Naͤgelin, ſondern bitte GOtt daß er dich deiner ſelbſt wolle vergeſſen machen, daß du gantz einfaͤltig ſeyn moͤgeſt, ohne Betrachtung, was du vor GOtt gelten moͤchteſt, wie ſich in den Blumen eine ſolche Einfalt findet, es gilt ihnen gleich, was Gattung Blumen ſie ſeyen, ein Sternen- blumen will kein Lilien ſeyn, ſie iſt zu frieden daß ſie GOtt zu einer ſolchen Blumen gemacht hat. Trachte du nur ein gantzes Feld voll wohlriechender Blum zu ſeyn, wie die koſtbarſten Gaͤrten von Enged- di voll Gewuͤrtz, Balſam und paradieſiſcher Gewaͤchſen, daß aller und jeder Pflantzen Tugend, Glantz und Zierde an dir gefunden wer- de, wie Athanaſius von einem ſehr theuren Mann GOttes ſchreibet, daß derſelbe in ſeiner Jugend bey ſich ſelbſt wohl acht gabe mit wel- cher Ubung und Gabe ein jeder von den heiligen Chriſten fuͤrnehmlich gezieret ware, von dieſem lernte er Maͤßig- von jenem Holdſeeligkeit, von einem anderen unablaͤßiges betten, dem folgte er nach in der Ge- lindig- man muß zu frieden ſeyn, wie es JEſus mit einem machet,

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/399>, abgerufen am 12.05.2024.