JESUS antwortet: Amen, Amen, ich sage dir; wann einer nicht gebohren wird von Wasser und Geist, so kan er nicht in das Reich GOttes eingehen.
Das erste Capitel.
§. 1.
Die Noth- wendig- keit der neuen Ge- burt ha- ben die Heyden
ES ist kein Heyd so blind, der nicht die Tugend vor nöthig achte, und daß bey denen, so sie beständig üben wollen, ein grosser und offt schmertzlicher Kampff vorgehe, und daß er sich also weit anderst als die übrigen Menschen auf- führen müsse, wann er nach dieser Zeit Herrlichkeit und Freude haben wolle, je stärcker nun das natürliche Licht der Ver- nunfft in ihnen herrschet, je mehr glauben sie sich verbunden nach et- was höherem zu streben, als der gemeine Hauff, und es nicht nur bey einer burgerlichen Sittsamkeit bewenden zu lassen, sonde- ren sich nach allem Vermögen um das gemeine Wesen verdient zu machen, auch dabey alle ersinnliche Mühe und Gefahren über sich zu nehmen, mithin der Welt Undanck und Boßheit, sich von der Tu- gend-Bahn nicht abtreiben zu lassen.
§. 2. Der ehrbarste, hochmüthigste Pharisäer muß gleichfalls ge- und Pha- risäer zwar un- vollkom- men er- kannt.stehen, daß eine Enderung und Besserung bey ihme müsse vorgehen, wann er in den Himmel wolle hinein gelassen werden, allein es er- kennet 1. weder dieser noch jener, daß erstlich alles in dem Menschen vom Sünden-Gifft so gar durchdrungen sey, so faul, stinckend und verdorben, daß auch nicht eine Thür-Schwelle vom alten Gebäud kön- ne übergelassen werden. 2. Daß alles allein aus GOtt fliessen müsse, und wie Lutherus sagt, der Mensch von seinem Thun ablassen, da- mit GOtt seine Werck in ihm habe, und zwar 3. alles in der Ver- einigung mit JEsu Christo, und Eingang in sein himmlisch Reich, welches allein das Vorrecht hat, neu Hertz und Leben zu geben,
Herr
Das Haus GOTTES,
Joh. III. v. 5.
JESUS antwortet: Amen, Amen, ich ſage dir; wann einer nicht gebohren wird von Waſſer und Geiſt, ſo kan er nicht in das Reich GOttes eingehen.
Das erſte Capitel.
§. 1.
Die Noth- wendig- keit der neuen Ge- burt ha- ben die Heyden
ES iſt kein Heyd ſo blind, der nicht die Tugend vor noͤthig achte, und daß bey denen, ſo ſie beſtaͤndig uͤben wollen, ein groſſer und offt ſchmertzlicher Kampff vorgehe, und daß er ſich alſo weit anderſt als die uͤbrigen Menſchen auf- fuͤhren muͤſſe, wann er nach dieſer Zeit Herrlichkeit und Freude haben wolle, je ſtaͤrcker nun das natuͤrliche Licht der Ver- nunfft in ihnen herrſchet, je mehr glauben ſie ſich verbunden nach et- was hoͤherem zu ſtreben, als der gemeine Hauff, und es nicht nur bey einer burgerlichen Sittſamkeit bewenden zu laſſen, ſonde- ren ſich nach allem Vermoͤgen um das gemeine Weſen verdient zu machen, auch dabey alle erſinnliche Muͤhe und Gefahren uͤber ſich zu nehmen, mithin der Welt Undanck und Boßheit, ſich von der Tu- gend-Bahn nicht abtreiben zu laſſen.
§. 2. Der ehrbarſte, hochmuͤthigſte Phariſaͤer muß gleichfalls ge- und Pha- riſaͤer zwar un- vollkom- men er- kannt.ſtehen, daß eine Enderung und Beſſerung bey ihme muͤſſe vorgehen, wann er in den Himmel wolle hinein gelaſſen werden, allein es er- kennet 1. weder dieſer noch jener, daß erſtlich alles in dem Menſchen vom Suͤnden-Gifft ſo gar durchdrungen ſey, ſo faul, ſtinckend und verdorben, daß auch nicht eine Thuͤr-Schwelle vom alten Gebaͤud koͤn- ne uͤbergelaſſen werden. 2. Daß alles allein aus GOtt flieſſen muͤſſe, und wie Lutherus ſagt, der Menſch von ſeinem Thun ablaſſen, da- mit GOtt ſeine Werck in ihm habe, und zwar 3. alles in der Ver- einigung mit JEſu Chriſto, und Eingang in ſein himmliſch Reich, welches allein das Vorrecht hat, neu Hertz und Leben zu geben,
Herr
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Das Haus GOTTES,
Joh. III. v. 5.
JESUS antwortet: Amen, Amen, ich ſage
dir; wann einer nicht gebohren wird von
Waſſer und Geiſt, ſo kan er nicht in das
Reich GOttes eingehen.
Das erſte Capitel.
§. 1.
ES iſt kein Heyd ſo blind, der nicht die Tugend vor noͤthig
achte, und daß bey denen, ſo ſie beſtaͤndig uͤben wollen,
ein groſſer und offt ſchmertzlicher Kampff vorgehe, und
daß er ſich alſo weit anderſt als die uͤbrigen Menſchen auf-
fuͤhren muͤſſe, wann er nach dieſer Zeit Herrlichkeit und
Freude haben wolle, je ſtaͤrcker nun das natuͤrliche Licht der Ver-
nunfft in ihnen herrſchet, je mehr glauben ſie ſich verbunden nach et-
was hoͤherem zu ſtreben, als der gemeine Hauff, und es nicht
nur bey einer burgerlichen Sittſamkeit bewenden zu laſſen, ſonde-
ren ſich nach allem Vermoͤgen um das gemeine Weſen verdient zu
machen, auch dabey alle erſinnliche Muͤhe und Gefahren uͤber ſich zu
nehmen, mithin der Welt Undanck und Boßheit, ſich von der Tu-
gend-Bahn nicht abtreiben zu laſſen.
§. 2. Der ehrbarſte, hochmuͤthigſte Phariſaͤer muß gleichfalls ge-
ſtehen, daß eine Enderung und Beſſerung bey ihme muͤſſe vorgehen,
wann er in den Himmel wolle hinein gelaſſen werden, allein es er-
kennet 1. weder dieſer noch jener, daß erſtlich alles in dem Menſchen
vom Suͤnden-Gifft ſo gar durchdrungen ſey, ſo faul, ſtinckend und
verdorben, daß auch nicht eine Thuͤr-Schwelle vom alten Gebaͤud koͤn-
ne uͤbergelaſſen werden. 2. Daß alles allein aus GOtt flieſſen muͤſſe,
und wie Lutherus ſagt, der Menſch von ſeinem Thun ablaſſen, da-
mit GOtt ſeine Werck in ihm habe, und zwar 3. alles in der Ver-
einigung mit JEſu Chriſto, und Eingang in ſein himmliſch Reich,
welches allein das Vorrecht hat, neu Hertz und Leben zu geben,
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und Pha-
riſaͤer
zwar un-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/272>, abgerufen am 21.11.2024.
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