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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Geistliche Sonnen-Wende
Gedancken, als Dornen, Koth, Neßlen, dich abziehen, o so bist
du fluchs fertig; Aber siehe JEsum lassest du stehen a, er muß ver-
schmähet weggehen, du achtest ihn nicht so vieler Ehren würdig, daß
du das unaufhörliche Gewäsch, deiner in der Phantasey herumfah-
renden Traum-Bilder schweigen heissest: Es geht in deinem Hertzen
zu, wie bey einer Comödi, da ein Arlequin nach dem andern hinter
dem Umhang hervor trittet, alles was du gesehen, gehöret, gelesen,
präsentiret sich dir im Geist, ja auch endlich ein Mischmasch aus al-
lem zusammen, steiget wie ein Dampff in dir auf, und stiehlt dir dein
geistlich Gesicht und Gehör hinweg, daß du keintweders oder keines
von beyden steiff nach GOtt wenden kanst; Ach wann wirst du die
Seeligkeit einmahl errungen und erkämpfft haben, da es heisse: Jch
will hören/ was GOtt der HErr reden wird/ dann er wird vom
Frieden reden zu seinem Volck/ und zu seinen gutthätigen, auf daß
sie nicht wieder zur Thorheit kehren
b.

Wie bitter-
lich sie
diese ihre
Unver-
nunfft

§. 8. O Mensch, o Mensch! wie wirds doch endlich gehen, wann
du aus dieser Zeit in die Ewigkeit wirst gerucket werden; Ach daß
du doch weise wärest/ und vernehmest dieses/ daß du verstündest/
was dir begegnen werd
c! Was wird dir helffen dein Lachen?
Was helffen dein Muthwillen und verdeckte finstere Wege, Absich-
ten und Anschläg? Ach wie theur, wie bitter wird dich dieses alles
ankommen; Wie meynest du? wie wird es dir dorten so weh thun?
wann du must JEsum verschertzen, und in den brennenden und rau-
chenden Pfuhl geworffen werden; dann wirst du schreyen: Ach JE-
su hilff! Ach GOtt hilff! Ach hätte ich mich doch durch so viele Zeit
verderbende, und von JEsu entfernende Einfälle hindurch gerissen,
und mich wie ein Ritter mit dem Schwerd des Geistes hindurch ge-
schlagen, meine innwendige Sinnen davon abgewendt und verschlos-
sen, und wie ein Schwimmer die Wasser der Eitelkeit unermüdet
von mir gestossen, so hätte ich vielleicht bald am Land der Lebendi-
gen aussteigen, und viele Jahre meiner Wahlfahrt auf Erden in
Christi Sabbath-Ruhe zubringen können; Aber ach! kaum hatte ich
einen Zug gethan, ein ernsten Seuffzen nach GOtt gehen lassen, so
liesse ichs wieder gehen, und fuhre den Strom hinunter; bestraffte

ich
a Offenbah. III, 20.
b Zach. II. 13. Psalm. LXXXV. 9.
c 5 B. Mos. XXXII. 29.

Geiſtliche Sonnen-Wende
Gedancken, als Dornen, Koth, Neßlen, dich abziehen, o ſo biſt
du fluchs fertig; Aber ſiehe JEſum laſſeſt du ſtehen a, er muß ver-
ſchmaͤhet weggehen, du achteſt ihn nicht ſo vieler Ehren wuͤrdig, daß
du das unaufhoͤrliche Gewaͤſch, deiner in der Phantaſey herumfah-
renden Traum-Bilder ſchweigen heiſſeſt: Es geht in deinem Hertzen
zu, wie bey einer Comoͤdi, da ein Arlequin nach dem andern hinter
dem Umhang hervor trittet, alles was du geſehen, gehoͤret, geleſen,
praͤſentiret ſich dir im Geiſt, ja auch endlich ein Miſchmaſch aus al-
lem zuſammen, ſteiget wie ein Dampff in dir auf, und ſtiehlt dir dein
geiſtlich Geſicht und Gehoͤr hinweg, daß du keintweders oder keines
von beyden ſteiff nach GOtt wenden kanſt; Ach wann wirſt du die
Seeligkeit einmahl errungen und erkaͤmpfft haben, da es heiſſe: Jch
will hoͤren/ was GOtt der HErr reden wird/ dann er wird vom
Frieden reden zu ſeinem Volck/ und zu ſeinen gutthaͤtigen, auf daß
ſie nicht wieder zur Thorheit kehren
b.

Wie bitteꝛ-
lich ſie
dieſe ihre
Unver-
nunfft

§. 8. O Menſch, o Menſch! wie wirds doch endlich gehen, wann
du aus dieſer Zeit in die Ewigkeit wirſt gerucket werden; Ach daß
du doch weiſe waͤreſt/ und vernehmeſt dieſes/ daß du verſtuͤndeſt/
was dir begegnen werd
c! Was wird dir helffen dein Lachen?
Was helffen dein Muthwillen und verdeckte finſtere Wege, Abſich-
ten und Anſchlaͤg? Ach wie theur, wie bitter wird dich dieſes alles
ankommen; Wie meyneſt du? wie wird es dir dorten ſo weh thun?
wann du muſt JEſum verſchertzen, und in den brennenden und rau-
chenden Pfuhl geworffen werden; dann wirſt du ſchreyen: Ach JE-
ſu hilff! Ach GOtt hilff! Ach haͤtte ich mich doch durch ſo viele Zeit
verderbende, und von JEſu entfernende Einfaͤlle hindurch geriſſen,
und mich wie ein Ritter mit dem Schwerd des Geiſtes hindurch ge-
ſchlagen, meine innwendige Sinnen davon abgewendt und verſchloſ-
ſen, und wie ein Schwimmer die Waſſer der Eitelkeit unermuͤdet
von mir geſtoſſen, ſo haͤtte ich vielleicht bald am Land der Lebendi-
gen ausſteigen, und viele Jahre meiner Wahlfahrt auf Erden in
Chriſti Sabbath-Ruhe zubringen koͤnnen; Aber ach! kaum hatte ich
einen Zug gethan, ein ernſten Seuffzen nach GOtt gehen laſſen, ſo
lieſſe ichs wieder gehen, und fuhre den Strom hinunter; beſtraffte

ich
a Offenbah. III, 20.
b Zach. II. 13. Pſalm. LXXXV. 9.
c 5 B. Moſ. XXXII. 29.
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[122/0218] Geiſtliche Sonnen-Wende Gedancken, als Dornen, Koth, Neßlen, dich abziehen, o ſo biſt du fluchs fertig; Aber ſiehe JEſum laſſeſt du ſtehen a, er muß ver- ſchmaͤhet weggehen, du achteſt ihn nicht ſo vieler Ehren wuͤrdig, daß du das unaufhoͤrliche Gewaͤſch, deiner in der Phantaſey herumfah- renden Traum-Bilder ſchweigen heiſſeſt: Es geht in deinem Hertzen zu, wie bey einer Comoͤdi, da ein Arlequin nach dem andern hinter dem Umhang hervor trittet, alles was du geſehen, gehoͤret, geleſen, praͤſentiret ſich dir im Geiſt, ja auch endlich ein Miſchmaſch aus al- lem zuſammen, ſteiget wie ein Dampff in dir auf, und ſtiehlt dir dein geiſtlich Geſicht und Gehoͤr hinweg, daß du keintweders oder keines von beyden ſteiff nach GOtt wenden kanſt; Ach wann wirſt du die Seeligkeit einmahl errungen und erkaͤmpfft haben, da es heiſſe: Jch will hoͤren/ was GOtt der HErr reden wird/ dann er wird vom Frieden reden zu ſeinem Volck/ und zu ſeinen gutthaͤtigen, auf daß ſie nicht wieder zur Thorheit kehren b. §. 8. O Menſch, o Menſch! wie wirds doch endlich gehen, wann du aus dieſer Zeit in die Ewigkeit wirſt gerucket werden; Ach daß du doch weiſe waͤreſt/ und vernehmeſt dieſes/ daß du verſtuͤndeſt/ was dir begegnen werd c! Was wird dir helffen dein Lachen? Was helffen dein Muthwillen und verdeckte finſtere Wege, Abſich- ten und Anſchlaͤg? Ach wie theur, wie bitter wird dich dieſes alles ankommen; Wie meyneſt du? wie wird es dir dorten ſo weh thun? wann du muſt JEſum verſchertzen, und in den brennenden und rau- chenden Pfuhl geworffen werden; dann wirſt du ſchreyen: Ach JE- ſu hilff! Ach GOtt hilff! Ach haͤtte ich mich doch durch ſo viele Zeit verderbende, und von JEſu entfernende Einfaͤlle hindurch geriſſen, und mich wie ein Ritter mit dem Schwerd des Geiſtes hindurch ge- ſchlagen, meine innwendige Sinnen davon abgewendt und verſchloſ- ſen, und wie ein Schwimmer die Waſſer der Eitelkeit unermuͤdet von mir geſtoſſen, ſo haͤtte ich vielleicht bald am Land der Lebendi- gen ausſteigen, und viele Jahre meiner Wahlfahrt auf Erden in Chriſti Sabbath-Ruhe zubringen koͤnnen; Aber ach! kaum hatte ich einen Zug gethan, ein ernſten Seuffzen nach GOtt gehen laſſen, ſo lieſſe ichs wieder gehen, und fuhre den Strom hinunter; beſtraffte ich a Offenbah. III, 20. b Zach. II. 13. Pſalm. LXXXV. 9. c 5 B. Moſ. XXXII. 29.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/218>, abgerufen am 28.04.2024.