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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Evangelii JESU.
Ach! sie haben sich unter die Krippen zu Bethlehem verborgen, und
in den finstersten Winckeln des Grabs Christi verkrochen, der kan
lange suchen, der sie finden will. Und doch will Jsrael deren keines
mercken, und Jerusalem will nicht zu Hertzen fassen, was zu seinem
Frieden dienet. Daher kommt dann das viele Ungezieffer von al-
lerhand Versuchungen, Befleckungen, Abirrungen, Ausschweifun-
gen von JEsu, Treulosigkeiten gegen Jhme, Fehlern und Sünden
wider Jhne, die dann alles Gute auffressen, und wenig vor die see-
lige Ewigkeit übrig lassen. Es gehet den Frommen eben wie den
Kindern von zehen Jahren, sie seynd nicht stets beym Vatter, sie
halten Jhn nicht bey Seiner rechten Hand, wie Er sie halten will;
sie folgen nicht Seinem Rath, es ist noch gar zu vieles im Himmel
und auf Erden, dazu sie noch neben Christo Lust haben, darum
dörffen sie Christo nicht fröhlich unter die Augen, ihre Hoffnung in
GOttes Herrlichkeit aufgenommen zu werden, hat schlechten Grund,
und dahero haben sie auch keine Freudigkeit über Seiner Offenbah-
rung und Erscheinung a. Ja sie müssen vor Jhm in Seiner Zu-
kunfft zu schanden werden. Paulus sagt: Es seye keine Verdam-
mung an denen, die in Christo JESU seynd b. Dargegen ist gar
viel Verdammung und Anklag in manchem gar frommscheinenden
Menschen, nemlich, weil sie wenig in Christo JESU seynd, und
ihr Leben nicht in GOtt, sondern in ihnen selbs ist, vieles auffs
Fleisch, und sehr wenig auf den Geist säen; darum dörffen sie auch
nicht mit der Braut den König einladen, sagende: Mein Freund
komme zu seinem Garten/ und esse die Frucht seiner Niedlichkeit
c.
Dann es siehet gar erbärmlich aus: Die Seelen bleiben nicht an
der wahren Lebens-Sonn, sondern setzen sich an den Schatten der
Selbsgefälligkeit, verbergen sich vor den Sudwinden. Darum seynd
ihre Früchte wurmstichig d, vom Würmlein des eigenen Willens zer-
naget, untüchtig den Safft des Gnaden-Lebens in sich zu ziehen, und
schmurren ein, daß man sie bald nicht mehr kennet.

§. 10. Ja, eine allgemeine Schlaffsucht hat das Christen-VolckUber die
Schlaff-
sucht und
Sicher-
heit.

erschlichen e; Und darum ist die Sündflut nicht mehr weit, wiewohl
man sich noch immer mit den schlaffenden Juden schmeichlet:

Das
a 1 Joh. II. 28.
b Rom. VIII. 1.
c Cant. IV. 17.
d Jes. V. 4.
e Jes. V. 19.
G 2

Evangelii JESU.
Ach! ſie haben ſich unter die Krippen zu Bethlehem verborgen, und
in den finſterſten Winckeln des Grabs Chriſti verkrochen, der kan
lange ſuchen, der ſie finden will. Und doch will Jſrael deren keines
mercken, und Jeruſalem will nicht zu Hertzen faſſen, was zu ſeinem
Frieden dienet. Daher kommt dann das viele Ungezieffer von al-
lerhand Verſuchungen, Befleckungen, Abirrungen, Ausſchweifun-
gen von JEſu, Treuloſigkeiten gegen Jhme, Fehlern und Suͤnden
wider Jhne, die dann alles Gute auffreſſen, und wenig vor die ſee-
lige Ewigkeit uͤbrig laſſen. Es gehet den Frommen eben wie den
Kindern von zehen Jahren, ſie ſeynd nicht ſtets beym Vatter, ſie
halten Jhn nicht bey Seiner rechten Hand, wie Er ſie halten will;
ſie folgen nicht Seinem Rath, es iſt noch gar zu vieles im Himmel
und auf Erden, dazu ſie noch neben Chriſto Luſt haben, darum
doͤrffen ſie Chriſto nicht froͤhlich unter die Augen, ihre Hoffnung in
GOttes Herrlichkeit aufgenommen zu werden, hat ſchlechten Grund,
und dahero haben ſie auch keine Freudigkeit uͤber Seiner Offenbah-
rung und Erſcheinung a. Ja ſie muͤſſen vor Jhm in Seiner Zu-
kunfft zu ſchanden werden. Paulus ſagt: Es ſeye keine Verdam-
mung an denen, die in Chriſto JESU ſeynd b. Dargegen iſt gar
viel Verdammung und Anklag in manchem gar frommſcheinenden
Menſchen, nemlich, weil ſie wenig in Chriſto JESU ſeynd, und
ihr Leben nicht in GOtt, ſondern in ihnen ſelbs iſt, vieles auffs
Fleiſch, und ſehr wenig auf den Geiſt ſaͤen; darum doͤrffen ſie auch
nicht mit der Braut den Koͤnig einladen, ſagende: Mein Freund
komme zu ſeinem Garten/ und eſſe die Frucht ſeiner Niedlichkeit
c.
Dann es ſiehet gar erbaͤrmlich aus: Die Seelen bleiben nicht an
der wahren Lebens-Sonn, ſondern ſetzen ſich an den Schatten der
Selbsgefaͤlligkeit, verbergen ſich vor den Sudwinden. Darum ſeynd
ihre Fruͤchte wurmſtichig d, vom Wuͤrmlein des eigenen Willens zer-
naget, untuͤchtig den Safft des Gnaden-Lebens in ſich zu ziehen, und
ſchmurren ein, daß man ſie bald nicht mehr kennet.

§. 10. Ja, eine allgemeine Schlaffſucht hat das Chriſten-VolckUber die
Schlaff-
ſucht und
Sicher-
heit.

erſchlichen e; Und darum iſt die Suͤndflut nicht mehr weit, wiewohl
man ſich noch immer mit den ſchlaffenden Juden ſchmeichlet:

Das
a 1 Joh. II. 28.
b Rom. VIII. 1.
c Cant. IV. 17.
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[51/0147] Evangelii JESU. Ach! ſie haben ſich unter die Krippen zu Bethlehem verborgen, und in den finſterſten Winckeln des Grabs Chriſti verkrochen, der kan lange ſuchen, der ſie finden will. Und doch will Jſrael deren keines mercken, und Jeruſalem will nicht zu Hertzen faſſen, was zu ſeinem Frieden dienet. Daher kommt dann das viele Ungezieffer von al- lerhand Verſuchungen, Befleckungen, Abirrungen, Ausſchweifun- gen von JEſu, Treuloſigkeiten gegen Jhme, Fehlern und Suͤnden wider Jhne, die dann alles Gute auffreſſen, und wenig vor die ſee- lige Ewigkeit uͤbrig laſſen. Es gehet den Frommen eben wie den Kindern von zehen Jahren, ſie ſeynd nicht ſtets beym Vatter, ſie halten Jhn nicht bey Seiner rechten Hand, wie Er ſie halten will; ſie folgen nicht Seinem Rath, es iſt noch gar zu vieles im Himmel und auf Erden, dazu ſie noch neben Chriſto Luſt haben, darum doͤrffen ſie Chriſto nicht froͤhlich unter die Augen, ihre Hoffnung in GOttes Herrlichkeit aufgenommen zu werden, hat ſchlechten Grund, und dahero haben ſie auch keine Freudigkeit uͤber Seiner Offenbah- rung und Erſcheinung a. Ja ſie muͤſſen vor Jhm in Seiner Zu- kunfft zu ſchanden werden. Paulus ſagt: Es ſeye keine Verdam- mung an denen, die in Chriſto JESU ſeynd b. Dargegen iſt gar viel Verdammung und Anklag in manchem gar frommſcheinenden Menſchen, nemlich, weil ſie wenig in Chriſto JESU ſeynd, und ihr Leben nicht in GOtt, ſondern in ihnen ſelbs iſt, vieles auffs Fleiſch, und ſehr wenig auf den Geiſt ſaͤen; darum doͤrffen ſie auch nicht mit der Braut den Koͤnig einladen, ſagende: Mein Freund komme zu ſeinem Garten/ und eſſe die Frucht ſeiner Niedlichkeit c. Dann es ſiehet gar erbaͤrmlich aus: Die Seelen bleiben nicht an der wahren Lebens-Sonn, ſondern ſetzen ſich an den Schatten der Selbsgefaͤlligkeit, verbergen ſich vor den Sudwinden. Darum ſeynd ihre Fruͤchte wurmſtichig d, vom Wuͤrmlein des eigenen Willens zer- naget, untuͤchtig den Safft des Gnaden-Lebens in ſich zu ziehen, und ſchmurren ein, daß man ſie bald nicht mehr kennet. §. 10. Ja, eine allgemeine Schlaffſucht hat das Chriſten-Volck erſchlichen e; Und darum iſt die Suͤndflut nicht mehr weit, wiewohl man ſich noch immer mit den ſchlaffenden Juden ſchmeichlet: Das Uber die Schlaff- ſucht und Sicher- heit. a 1 Joh. II. 28. b Rom. VIII. 1. c Cant. IV. 17. d Jeſ. V. 4. e Jeſ. V. 19. G 2

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/147>, abgerufen am 24.11.2024.