einen unvernünfftigen Mann gerathen, wie sie einmahl von ihm un- verdienter Weise übel gehandelt war, auf den Boden die Flucht ge- nommen und daselbst in etwas sich verweilet. Als nun der Mann ihr endlich nachgieng, zu sehen, was sie vorhätte, fand er sie auf ihren Knien liegen und mit vielen Thränen betten, daß GOTT ihrem Ehegatten solches Unrecht und die zugefügte Schmach nicht zurech- nen, ihme diese und alle seine Sünden aus Gnaden verzeihen, ihm ein vernünfftig, liebreich, friedliebend Hertz, ihr aber Sanfftmuth, Gedult und Trost verleihen, und sie beyde endlich selig machen woll- te. Dieses hörend, konnte er sich der Thränen nicht enthalten, gieng zu ihr, umfieng sie, bat ihm sein Unrecht zu verzeihen, und versprach, sie hinführo nicht mehr zu beleydigen, welches er auch gehalten. Se- lig ist die Frau, welche solcher massen einer Seelen vom Tod hilfft a; gesetzt aber, daß sie nichts ausrichtete, sondern müßte ihr Creutz biß an ihr End tragen, so sind doch die Gebet unverlohren, und sie wird sich derselben, wie auch ihrer Gedult im Himmel zu erfreuen ha- ben.
Wie man alles Böse mit Ge- dult und Sanfft- muth er- tragen solle wird noch mit einem Exempel gezeiget.
§. 6. Das Oel der Sanfftmuth, Gedult, Liebe, Demuth soll alleweil oben schwimmen, und obschon bißweilen durch Widerwär- tige Zufälle Wasser und Oel unter einander geschüttet wird, Natur und Gnad durch einander fahret, so soll dennoch durch die stille Zu- kehr zu dem süssen Christo der Gnaden-reiche vom Heil. Geist neu- geschaffene Wille bald wider obsiegen der ungestümmen Natur. Die Perlen-Schnur der Göttlichen Tugenden wann beyde wollen Recht haben und zu sich ziehen in Eigenliebe, wird leicht zerrissen und die Perlen zerstreuet; Wann aber eines in der himmlischen Weißheit JESU nachgibt, so bleibts gantz. Wann ein Bienen-Schwarm sich entzweyet, daß die Bienen im Zorn aneinander gerathen, wer- den sie gestillet mit einer Hand-voll Staub, den man unter sie wirfft, oder mit etwas Wein, der mit Honig süsse gemacht ist, wenn mans unter sie sprenget; Also können zwistige Hertzen nicht besser als ent- weder mit Fürhaltung der Sterblichkeit, oder mit dem Honig-süs- sen Wein der Liebe des Vatters und des Gnaden-Bluts des HER- REN JESU zu frieden gestellt werden. Es wird erzehlet von ei- ner edlen Frauen zu Alexandria, daß sie von Athanasio begehrt ha-
be, er
aIac. V. 10.
Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
einen unvernuͤnfftigen Mann gerathen, wie ſie einmahl von ihm un- verdienter Weiſe uͤbel gehandelt war, auf den Boden die Flucht ge- nommen und daſelbſt in etwas ſich verweilet. Als nun der Mann ihr endlich nachgieng, zu ſehen, was ſie vorhaͤtte, fand er ſie auf ihren Knien liegen und mit vielen Thraͤnen betten, daß GOTT ihrem Ehegatten ſolches Unrecht und die zugefuͤgte Schmach nicht zurech- nen, ihme dieſe und alle ſeine Suͤnden aus Gnaden verzeihen, ihm ein vernuͤnfftig, liebreich, friedliebend Hertz, ihr aber Sanfftmuth, Gedult und Troſt verleihen, und ſie beyde endlich ſelig machen woll- te. Dieſes hoͤrend, konnte er ſich der Thraͤnen nicht enthalten, gieng zu ihr, umfieng ſie, bat ihm ſein Unrecht zu verzeihen, und verſprach, ſie hinfuͤhro nicht mehr zu beleydigen, welches er auch gehalten. Se- lig iſt die Frau, welche ſolcher maſſen einer Seelen vom Tod hilfft a; geſetzt aber, daß ſie nichts ausrichtete, ſondern muͤßte ihr Creutz biß an ihr End tragen, ſo ſind doch die Gebet unverlohren, und ſie wird ſich derſelben, wie auch ihrer Gedult im Himmel zu erfreuen ha- ben.
Wie man alles Boͤſe mit Ge- dult und Sanfft- muth er- tragen ſolle wird noch mit einem Exempel gezeiget.
§. 6. Das Oel der Sanfftmuth, Gedult, Liebe, Demuth ſoll alleweil oben ſchwimmen, und obſchon bißweilen durch Widerwaͤr- tige Zufaͤlle Waſſer und Oel unter einander geſchuͤttet wird, Natur und Gnad durch einander fahret, ſo ſoll dennoch durch die ſtille Zu- kehr zu dem ſuͤſſen Chriſto der Gnaden-reiche vom Heil. Geiſt neu- geſchaffene Wille bald wider obſiegen der ungeſtuͤmmen Natur. Die Perlen-Schnur der Goͤttlichen Tugenden wann beyde wollen Recht haben und zu ſich ziehen in Eigenliebe, wird leicht zerriſſen und die Perlen zerſtreuet; Wann aber eines in der himmliſchen Weißheit JESU nachgibt, ſo bleibts gantz. Wann ein Bienen-Schwarm ſich entzweyet, daß die Bienen im Zorn aneinander gerathen, wer- den ſie geſtillet mit einer Hand-voll Staub, den man unter ſie wirfft, oder mit etwas Wein, der mit Honig ſuͤſſe gemacht iſt, wenn mans unter ſie ſprenget; Alſo koͤnnen zwiſtige Hertzen nicht beſſer als ent- weder mit Fuͤrhaltung der Sterblichkeit, oder mit dem Honig-ſuͤſ- ſen Wein der Liebe des Vatters und des Gnaden-Bluts des HER- REN JESU zu frieden geſtellt werden. Es wird erzehlet von ei- ner edlen Frauen zu Alexandria, daß ſie von Athanaſio begehrt ha-
be, er
aIac. V. 10.
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Die geiſtliche Vermaͤhlung JEſu
einen unvernuͤnfftigen Mann gerathen, wie ſie einmahl von ihm un-
verdienter Weiſe uͤbel gehandelt war, auf den Boden die Flucht ge-
nommen und daſelbſt in etwas ſich verweilet. Als nun der Mann ihr
endlich nachgieng, zu ſehen, was ſie vorhaͤtte, fand er ſie auf ihren
Knien liegen und mit vielen Thraͤnen betten, daß GOTT ihrem
Ehegatten ſolches Unrecht und die zugefuͤgte Schmach nicht zurech-
nen, ihme dieſe und alle ſeine Suͤnden aus Gnaden verzeihen, ihm
ein vernuͤnfftig, liebreich, friedliebend Hertz, ihr aber Sanfftmuth,
Gedult und Troſt verleihen, und ſie beyde endlich ſelig machen woll-
te. Dieſes hoͤrend, konnte er ſich der Thraͤnen nicht enthalten, gieng
zu ihr, umfieng ſie, bat ihm ſein Unrecht zu verzeihen, und verſprach,
ſie hinfuͤhro nicht mehr zu beleydigen, welches er auch gehalten. Se-
lig iſt die Frau, welche ſolcher maſſen einer Seelen vom Tod hilfft a;
geſetzt aber, daß ſie nichts ausrichtete, ſondern muͤßte ihr Creutz biß
an ihr End tragen, ſo ſind doch die Gebet unverlohren, und ſie wird
ſich derſelben, wie auch ihrer Gedult im Himmel zu erfreuen ha-
ben.
§. 6. Das Oel der Sanfftmuth, Gedult, Liebe, Demuth ſoll
alleweil oben ſchwimmen, und obſchon bißweilen durch Widerwaͤr-
tige Zufaͤlle Waſſer und Oel unter einander geſchuͤttet wird, Natur
und Gnad durch einander fahret, ſo ſoll dennoch durch die ſtille Zu-
kehr zu dem ſuͤſſen Chriſto der Gnaden-reiche vom Heil. Geiſt neu-
geſchaffene Wille bald wider obſiegen der ungeſtuͤmmen Natur. Die
Perlen-Schnur der Goͤttlichen Tugenden wann beyde wollen Recht
haben und zu ſich ziehen in Eigenliebe, wird leicht zerriſſen und die
Perlen zerſtreuet; Wann aber eines in der himmliſchen Weißheit
JESU nachgibt, ſo bleibts gantz. Wann ein Bienen-Schwarm
ſich entzweyet, daß die Bienen im Zorn aneinander gerathen, wer-
den ſie geſtillet mit einer Hand-voll Staub, den man unter ſie wirfft,
oder mit etwas Wein, der mit Honig ſuͤſſe gemacht iſt, wenn mans
unter ſie ſprenget; Alſo koͤnnen zwiſtige Hertzen nicht beſſer als ent-
weder mit Fuͤrhaltung der Sterblichkeit, oder mit dem Honig-ſuͤſ-
ſen Wein der Liebe des Vatters und des Gnaden-Bluts des HER-
REN JESU zu frieden geſtellt werden. Es wird erzehlet von ei-
ner edlen Frauen zu Alexandria, daß ſie von Athanaſio begehrt ha-
be, er
a Iac. V. 10.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1284>, abgerufen am 22.11.2024.
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