§. 8. 6. Kommt man nicht weil offt der Botte zu gering und verächt- lich ist, durch den uns unser HERR JEsus Christus zu sich entbie- ten läßt: So er etwa einen von den Seraphin sendete wie Lucas 2. so käme man eher. Aber o welch eine hohe Gnade ists, daß uns GOTT also mit Menschen Seilen ziehet Hos. 11, 4. da wir seine Majestät nicht vertragen könnten. Uber diß hat er uns schrifftliche Patenten hinterlassen, daß was seine Gesandten in seinem Nahmen uns bezeugen, solle gleich viel gelten als hätte es GOTT selbst vom Himmel herab geredt. Derowegen sollen wir uns nicht stossen an deß Botten unscheinbahren Vortrag, schlechter Kleidung, unan- sehenlicher Gestalt, oder andern Gebrechlichkeiten, daran sollen wir uns keines wegs aufhalten, sondern nur desto demüthiger auf seinen HErren und seine allergnädigste Bottschafft sehen, selbe respectieren und uns deren von Hertzens-Grund erfreuen.
Kennzei- chen wo- ran man den Ruff JEsu erkennen könne.
§. 9. Einw. So ich nur eigentlich wüßte daß JESUS mir ruffte: O wie hertzlich gern wollte ich zu JEsu gehen?
Antw. Was sind die Unruhen, Aengsten im Gewissen, Wort und Sacrament, Gericht und Wohlthaten, deß Leibs Hinfälligkeit und der Seelen Ewigkeit, aller Dingen Eitelkeit und Vergänglichkeit, der Heiligen Seligkeit, der Bösen trauriger Ausgang, ja deiner eig- nen Seelen Verdorbenheit, Dürfftigkeit etc. so dir der Vatter der Erbarmungen eben zu dem End offenbahret, und mit Schmertzen und Schröcken fühlen läßt, damit er dich zu seinem Sohn als dem Hertzogen, Urquell und Ursächer ewiger-immer fort- und fort conti- nuirender Seligkeit zu kommen reitze; deine Begierd desto hefftiger nach ihm schärffe? Was prediget der best vermeinten Freunden Falschheit, der Welt Untreu? Aller Ceremonien, Pflichten, Hören, Lesen, Stu- dierens Unzulänglichkeit dir wahren innern Frieden zu geben, dir die lange Zeit zu vertreiben, da dir nie recht wohl ist: sondern dich dun- cket du möchtest bald diese, bald jene Gesellschafft gern bey dir ha- ben, und so ungern in dein Hertz gehest zu besichtigen, wie es da aus- sehe, sind das nicht alles laute helle Stimmen, gehe zu JEsu?
Das
Labſal in Truͤbſal.
Welches die ruffen- de Per- ſohnen ſeyen.
§. 8. 6. Kommt man nicht weil offt der Botte zu gering und veraͤcht- lich iſt, durch den uns unſer HERR JEſus Chriſtus zu ſich entbie- ten laͤßt: So er etwa einen von den Seraphin ſendete wie Lucas 2. ſo kaͤme man eher. Aber o welch eine hohe Gnade iſts, daß uns GOTT alſo mit Menſchen Seilen ziehet Hoſ. 11, 4. da wir ſeine Majeſtaͤt nicht vertragen koͤnnten. Uber diß hat er uns ſchrifftliche Patenten hinterlaſſen, daß was ſeine Geſandten in ſeinem Nahmen uns bezeugen, ſolle gleich viel gelten als haͤtte es GOTT ſelbſt vom Himmel herab geredt. Derowegen ſollen wir uns nicht ſtoſſen an deß Botten unſcheinbahren Vortrag, ſchlechter Kleidung, unan- ſehenlicher Geſtalt, oder andern Gebrechlichkeiten, daran ſollen wir uns keines wegs aufhalten, ſondern nur deſto demuͤthiger auf ſeinen HErren und ſeine allergnaͤdigſte Bottſchafft ſehen, ſelbe reſpectieren und uns deren von Hertzens-Grund erfreuen.
Kennzei- chen wo- ran man den Ruff JEſu erkennen koͤnne.
§. 9. Einw. So ich nur eigentlich wuͤßte daß JESUS mir ruffte: O wie hertzlich gern wollte ich zu JEſu gehen?
Antw. Was ſind die Unruhen, Aengſten im Gewiſſen, Wort und Sacrament, Gericht und Wohlthaten, deß Leibs Hinfaͤlligkeit und der Seelen Ewigkeit, aller Dingen Eitelkeit und Vergaͤnglichkeit, der Heiligen Seligkeit, der Boͤſen trauriger Ausgang, ja deiner eig- nen Seelen Verdorbenheit, Duͤrfftigkeit ꝛc. ſo dir der Vatter der Erbarmungen eben zu dem End offenbahret, und mit Schmertzen und Schroͤcken fuͤhlen laͤßt, damit er dich zu ſeinem Sohn als dem Hertzogen, Urquell und Urſaͤcher ewiger-immer fort- und fort conti- nuirender Seligkeit zu kommen reitze; deine Begierd deſto hefftiger nach ihm ſchaͤrffe? Was prediget der beſt vermeinten Freunden Falſchheit, der Welt Untreu? Aller Ceremonien, Pflichten, Hoͤren, Leſen, Stu- dierens Unzulaͤnglichkeit dir wahren innern Frieden zu geben, dir die lange Zeit zu vertreiben, da dir nie recht wohl iſt: ſondern dich dun- cket du moͤchteſt bald dieſe, bald jene Geſellſchafft gern bey dir ha- ben, und ſo ungern in dein Hertz geheſt zu beſichtigen, wie es da aus- ſehe, ſind das nicht alles laute helle Stimmen, gehe zu JEſu?
Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f1234"n="1138"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Labſal in Truͤbſal.</hi></fw><lb/><noteplace="left">Welches<lb/>
die ruffen-<lb/>
de Per-<lb/>ſohnen<lb/>ſeyen.</note><p><hirendition="#i">§.</hi> 8. 6. Kommt man nicht weil offt der Botte zu gering und veraͤcht-<lb/>
lich iſt, durch den uns unſer HERR JEſus Chriſtus zu ſich entbie-<lb/>
ten laͤßt: So er etwa einen von den Seraphin ſendete wie Lucas 2.<lb/>ſo kaͤme man eher. Aber o welch eine hohe Gnade iſts, daß uns<lb/>
GOTT alſo mit Menſchen Seilen ziehet Hoſ. 11, 4. da wir ſeine<lb/>
Majeſtaͤt nicht vertragen koͤnnten. Uber diß hat er uns ſchrifftliche<lb/>
Patenten hinterlaſſen, daß was ſeine Geſandten in ſeinem Nahmen<lb/>
uns bezeugen, ſolle gleich viel gelten als haͤtte es GOTT ſelbſt vom<lb/>
Himmel herab geredt. Derowegen ſollen wir uns nicht ſtoſſen an<lb/>
deß Botten unſcheinbahren Vortrag, ſchlechter Kleidung, unan-<lb/>ſehenlicher Geſtalt, oder andern Gebrechlichkeiten, daran ſollen wir<lb/>
uns keines wegs aufhalten, ſondern nur deſto demuͤthiger auf ſeinen<lb/>
HErren und ſeine allergnaͤdigſte Bottſchafft ſehen, ſelbe reſpectieren<lb/>
und uns deren von Hertzens-Grund erfreuen.</p><lb/><noteplace="left">Kennzei-<lb/>
chen wo-<lb/>
ran man<lb/>
den Ruff<lb/>
JEſu<lb/>
erkennen<lb/>
koͤnne.</note><p><hirendition="#i">§.</hi> 9. Einw. So ich nur eigentlich wuͤßte daß JESUS mir ruffte:<lb/>
O wie hertzlich gern wollte ich zu JEſu gehen?</p><lb/><p>Antw. Was ſind die Unruhen, Aengſten im Gewiſſen, Wort und<lb/>
Sacrament, Gericht und Wohlthaten, deß Leibs Hinfaͤlligkeit und<lb/>
der Seelen Ewigkeit, aller Dingen Eitelkeit und Vergaͤnglichkeit,<lb/>
der Heiligen Seligkeit, der Boͤſen trauriger Ausgang, ja deiner eig-<lb/>
nen Seelen Verdorbenheit, Duͤrfftigkeit ꝛc. ſo dir der Vatter der<lb/>
Erbarmungen eben zu dem End offenbahret, und mit Schmertzen<lb/>
und Schroͤcken fuͤhlen laͤßt, damit er dich zu ſeinem Sohn als dem<lb/>
Hertzogen, Urquell und Urſaͤcher ewiger-immer fort- und fort conti-<lb/>
nuirender Seligkeit zu kommen reitze; deine Begierd deſto hefftiger nach<lb/>
ihm ſchaͤrffe? Was prediget der beſt vermeinten Freunden Falſchheit,<lb/>
der Welt Untreu? Aller Ceremonien, Pflichten, Hoͤren, Leſen, Stu-<lb/>
dierens Unzulaͤnglichkeit dir wahren innern Frieden zu geben, dir die<lb/>
lange Zeit zu vertreiben, da dir nie recht wohl iſt: ſondern dich dun-<lb/>
cket du moͤchteſt bald dieſe, bald jene Geſellſchafft gern bey dir ha-<lb/>
ben, und ſo ungern in dein Hertz geheſt zu beſichtigen, wie es da aus-<lb/>ſehe, ſind das nicht alles laute helle Stimmen, gehe zu JEſu?</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Das</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[1138/1234]
Labſal in Truͤbſal.
§. 8. 6. Kommt man nicht weil offt der Botte zu gering und veraͤcht-
lich iſt, durch den uns unſer HERR JEſus Chriſtus zu ſich entbie-
ten laͤßt: So er etwa einen von den Seraphin ſendete wie Lucas 2.
ſo kaͤme man eher. Aber o welch eine hohe Gnade iſts, daß uns
GOTT alſo mit Menſchen Seilen ziehet Hoſ. 11, 4. da wir ſeine
Majeſtaͤt nicht vertragen koͤnnten. Uber diß hat er uns ſchrifftliche
Patenten hinterlaſſen, daß was ſeine Geſandten in ſeinem Nahmen
uns bezeugen, ſolle gleich viel gelten als haͤtte es GOTT ſelbſt vom
Himmel herab geredt. Derowegen ſollen wir uns nicht ſtoſſen an
deß Botten unſcheinbahren Vortrag, ſchlechter Kleidung, unan-
ſehenlicher Geſtalt, oder andern Gebrechlichkeiten, daran ſollen wir
uns keines wegs aufhalten, ſondern nur deſto demuͤthiger auf ſeinen
HErren und ſeine allergnaͤdigſte Bottſchafft ſehen, ſelbe reſpectieren
und uns deren von Hertzens-Grund erfreuen.
§. 9. Einw. So ich nur eigentlich wuͤßte daß JESUS mir ruffte:
O wie hertzlich gern wollte ich zu JEſu gehen?
Antw. Was ſind die Unruhen, Aengſten im Gewiſſen, Wort und
Sacrament, Gericht und Wohlthaten, deß Leibs Hinfaͤlligkeit und
der Seelen Ewigkeit, aller Dingen Eitelkeit und Vergaͤnglichkeit,
der Heiligen Seligkeit, der Boͤſen trauriger Ausgang, ja deiner eig-
nen Seelen Verdorbenheit, Duͤrfftigkeit ꝛc. ſo dir der Vatter der
Erbarmungen eben zu dem End offenbahret, und mit Schmertzen
und Schroͤcken fuͤhlen laͤßt, damit er dich zu ſeinem Sohn als dem
Hertzogen, Urquell und Urſaͤcher ewiger-immer fort- und fort conti-
nuirender Seligkeit zu kommen reitze; deine Begierd deſto hefftiger nach
ihm ſchaͤrffe? Was prediget der beſt vermeinten Freunden Falſchheit,
der Welt Untreu? Aller Ceremonien, Pflichten, Hoͤren, Leſen, Stu-
dierens Unzulaͤnglichkeit dir wahren innern Frieden zu geben, dir die
lange Zeit zu vertreiben, da dir nie recht wohl iſt: ſondern dich dun-
cket du moͤchteſt bald dieſe, bald jene Geſellſchafft gern bey dir ha-
ben, und ſo ungern in dein Hertz geheſt zu beſichtigen, wie es da aus-
ſehe, ſind das nicht alles laute helle Stimmen, gehe zu JEſu?
Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1234>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.