Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Labsal in Trübsal.
hin zufrieden wären, wann nur niemand besser, höher und seeliger
im Himmelreich wäre als wir; Ob wir dann schon eben unsern hei-
ligen und allein guten GOTT nicht auf die höchst-vollkommene Wei-
se vergnügten, wie er es so unendlich wohl werth ist; Welch ein Un-
geheur ist die Eigen-Liebe! sie ziehet sich dem ewigen, herrlichen
GOtt selbst vor, ist die ärgste Brut der alten Schlangen, gebieret
nichts als Unruhe, bettet der Seelen ein Nest in der Höllen, möch-
te sehr gern mit eigener Heiligkeit prangen und dieses heimliche Ver-
gnügen haben, daß ihr niemand nichts ja auch ihr Gewissen selbst
nichts zu verweisen habe: Eine eigenliebige Seele belustiget sich an
denen Gaben und Würckungen mehr als an GOtt selbst; ist zufrie-
den, wann sie nur das ihrige hat, geb wo GOttes wohlgefälliger
Wille und Herrlichkeit bleibe, sie ist immer nur mit sich selbst be-
schäfftiget, zu schauen, was man habe, seye, geniesse, und hie und
da ausrichte; Es ist der Eigen Liebe ein unmöglich Ding sich selbst
vergessen und verlieren, um durch völlige Ubergab wiederum in
GOtt erfunden zu werden, darinnen ewige Ruhe und Sattigkeit
ist, dannenher ist dieses grosse Gut eben so wenig zu erwerben durch
Selbst-Würcken, im gegentheil Zwiderspiel, der Mensch kommt
schneller zu GOTT durch Leiden als durch Würcken, allermassen in
diesem eigene Wahl und Gefallen regiert, dadurch die Seele nur
verwerfflicher vor GOTT wird; Jm Leiden hingegen schaltet und
waltet GOtt, nun ist ja GOttes Werck unvergleichlich herrlicher,
kräfftiger und fruchtbarer als der armen, dürfftigen Menschen elen-
des Thun und Gewürck.

Mit einem starcken Schiff, so einen schönen, weiß gespannten
Segel und guten Wind hat, kommt man noch wohl über Meer
an die gewünschte Anfurt, welches man mit mühsamem Schwim-
men nimmermehr erzwingen könnte; welche Weißheit aber sich von
der Gnade bewürcken und in GOttes Gemeinschafft hinüber bringen
zu lassen, vom heiligen Geist erbetten werden muß; mit unserem
Thun ists verlohren; Schließlich finden wir dieses Gut keines wegs
in und bey uns selbst, noch vielweniger aber in einigem erschaffenen
Ding, die allerköstlichste und scheinbarste Ding müssen samt denen
Wächtern vorbey gegangen seyn, wann man den finden will, der un-
ser Seelen Freude und Wonne ist: Besiehe das Hohe-Lied.

§. 4.

Labſal in Truͤbſal.
hin zufrieden waͤren, wann nur niemand beſſer, hoͤher und ſeeliger
im Himmelreich waͤre als wir; Ob wir dann ſchon eben unſern hei-
ligen und allein guten GOTT nicht auf die hoͤchſt-vollkommene Wei-
ſe vergnuͤgten, wie er es ſo unendlich wohl werth iſt; Welch ein Un-
geheur iſt die Eigen-Liebe! ſie ziehet ſich dem ewigen, herrlichen
GOtt ſelbſt vor, iſt die aͤrgſte Brut der alten Schlangen, gebieret
nichts als Unruhe, bettet der Seelen ein Neſt in der Hoͤllen, moͤch-
te ſehr gern mit eigener Heiligkeit prangen und dieſes heimliche Ver-
gnuͤgen haben, daß ihr niemand nichts ja auch ihr Gewiſſen ſelbſt
nichts zu verweiſen habe: Eine eigenliebige Seele beluſtiget ſich an
denen Gaben und Wuͤrckungen mehr als an GOtt ſelbſt; iſt zufrie-
den, wann ſie nur das ihrige hat, geb wo GOttes wohlgefaͤlliger
Wille und Herrlichkeit bleibe, ſie iſt immer nur mit ſich ſelbſt be-
ſchaͤfftiget, zu ſchauen, was man habe, ſeye, genieſſe, und hie und
da ausrichte; Es iſt der Eigen Liebe ein unmoͤglich Ding ſich ſelbſt
vergeſſen und verlieren, um durch voͤllige Ubergab wiederum in
GOtt erfunden zu werden, darinnen ewige Ruhe und Sattigkeit
iſt, dannenher iſt dieſes groſſe Gut eben ſo wenig zu erwerben durch
Selbſt-Wuͤrcken, im gegentheil Zwiderſpiel, der Menſch kommt
ſchneller zu GOTT durch Leiden als durch Wuͤrcken, allermaſſen in
dieſem eigene Wahl und Gefallen regiert, dadurch die Seele nur
verwerfflicher vor GOTT wird; Jm Leiden hingegen ſchaltet und
waltet GOtt, nun iſt ja GOttes Werck unvergleichlich herrlicher,
kraͤfftiger und fruchtbarer als der armen, duͤrfftigen Menſchen elen-
des Thun und Gewuͤrck.

Mit einem ſtarcken Schiff, ſo einen ſchoͤnen, weiß geſpannten
Segel und guten Wind hat, kommt man noch wohl uͤber Meer
an die gewuͤnſchte Anfurt, welches man mit muͤhſamem Schwim-
men nimmermehr erzwingen koͤnnte; welche Weißheit aber ſich von
der Gnade bewuͤrcken und in GOttes Gemeinſchafft hinuͤber bringen
zu laſſen, vom heiligen Geiſt erbetten werden muß; mit unſerem
Thun iſts verlohren; Schließlich finden wir dieſes Gut keines wegs
in und bey uns ſelbſt, noch vielweniger aber in einigem erſchaffenen
Ding, die allerkoͤſtlichſte und ſcheinbarſte Ding muͤſſen ſamt denen
Waͤchtern vorbey gegangen ſeyn, wann man den finden will, der un-
ſer Seelen Freude und Wonne iſt: Beſiehe das Hohe-Lied.

§. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1208" n="1112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lab&#x017F;al in Tru&#x0364;b&#x017F;al.</hi></fw><lb/>
hin zufrieden wa&#x0364;ren, wann nur niemand be&#x017F;&#x017F;er, ho&#x0364;her und &#x017F;eeliger<lb/>
im Himmelreich wa&#x0364;re als wir; Ob wir dann &#x017F;chon eben un&#x017F;ern hei-<lb/>
ligen und allein guten GOTT nicht auf die ho&#x0364;ch&#x017F;t-vollkommene Wei-<lb/>
&#x017F;e vergnu&#x0364;gten, wie er es &#x017F;o unendlich wohl werth i&#x017F;t; Welch ein Un-<lb/>
geheur i&#x017F;t die Eigen-Liebe! &#x017F;ie ziehet &#x017F;ich dem ewigen, herrlichen<lb/>
GOtt &#x017F;elb&#x017F;t vor, i&#x017F;t die a&#x0364;rg&#x017F;te Brut der alten Schlangen, gebieret<lb/>
nichts als Unruhe, bettet der Seelen ein Ne&#x017F;t in der Ho&#x0364;llen, mo&#x0364;ch-<lb/>
te &#x017F;ehr gern mit eigener Heiligkeit prangen und die&#x017F;es heimliche Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen haben, daß ihr niemand nichts ja auch ihr Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nichts zu verwei&#x017F;en habe: Eine eigenliebige Seele belu&#x017F;tiget &#x017F;ich an<lb/>
denen Gaben und Wu&#x0364;rckungen mehr als an GOtt &#x017F;elb&#x017F;t; i&#x017F;t zufrie-<lb/>
den, wann &#x017F;ie nur das ihrige hat, geb wo GOttes wohlgefa&#x0364;lliger<lb/>
Wille und Herrlichkeit bleibe, &#x017F;ie i&#x017F;t immer nur mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fftiget, zu &#x017F;chauen, was man habe, &#x017F;eye, genie&#x017F;&#x017F;e, und hie und<lb/>
da ausrichte; Es i&#x017F;t der Eigen Liebe ein unmo&#x0364;glich Ding &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en und verlieren, um durch vo&#x0364;llige Ubergab wiederum in<lb/>
GOtt erfunden zu werden, darinnen ewige Ruhe und Sattigkeit<lb/>
i&#x017F;t, dannenher i&#x017F;t die&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;e Gut eben &#x017F;o wenig zu erwerben durch<lb/>
Selb&#x017F;t-Wu&#x0364;rcken, im gegentheil Zwider&#x017F;piel, der Men&#x017F;ch kommt<lb/>
&#x017F;chneller zu GOTT durch Leiden als durch Wu&#x0364;rcken, allerma&#x017F;&#x017F;en in<lb/>
die&#x017F;em eigene Wahl und Gefallen regiert, dadurch die Seele nur<lb/>
verwerfflicher vor GOTT wird; Jm Leiden hingegen &#x017F;chaltet und<lb/>
waltet GOtt, nun i&#x017F;t ja GOttes Werck unvergleichlich herrlicher,<lb/>
kra&#x0364;fftiger und fruchtbarer als der armen, du&#x0364;rfftigen Men&#x017F;chen elen-<lb/>
des Thun und Gewu&#x0364;rck.</p><lb/>
          <p>Mit einem &#x017F;tarcken Schiff, &#x017F;o einen &#x017F;cho&#x0364;nen, weiß ge&#x017F;pannten<lb/>
Segel und guten Wind hat, kommt man noch wohl u&#x0364;ber Meer<lb/>
an die gewu&#x0364;n&#x017F;chte Anfurt, welches man mit mu&#x0364;h&#x017F;amem Schwim-<lb/>
men nimmermehr erzwingen ko&#x0364;nnte; welche Weißheit aber &#x017F;ich von<lb/>
der Gnade bewu&#x0364;rcken und in GOttes Gemein&#x017F;chafft hinu&#x0364;ber bringen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, vom heiligen Gei&#x017F;t erbetten werden muß; mit un&#x017F;erem<lb/>
Thun i&#x017F;ts verlohren; Schließlich finden wir die&#x017F;es Gut keines wegs<lb/>
in und bey uns &#x017F;elb&#x017F;t, noch vielweniger aber in einigem er&#x017F;chaffenen<lb/>
Ding, die allerko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;te und &#x017F;cheinbar&#x017F;te Ding mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;amt denen<lb/>
Wa&#x0364;chtern vorbey gegangen &#x017F;eyn, wann man den finden will, der un-<lb/>
&#x017F;er Seelen Freude und Wonne i&#x017F;t: Be&#x017F;iehe das Hohe-Lied.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i">§.</hi> 4.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1112/1208] Labſal in Truͤbſal. hin zufrieden waͤren, wann nur niemand beſſer, hoͤher und ſeeliger im Himmelreich waͤre als wir; Ob wir dann ſchon eben unſern hei- ligen und allein guten GOTT nicht auf die hoͤchſt-vollkommene Wei- ſe vergnuͤgten, wie er es ſo unendlich wohl werth iſt; Welch ein Un- geheur iſt die Eigen-Liebe! ſie ziehet ſich dem ewigen, herrlichen GOtt ſelbſt vor, iſt die aͤrgſte Brut der alten Schlangen, gebieret nichts als Unruhe, bettet der Seelen ein Neſt in der Hoͤllen, moͤch- te ſehr gern mit eigener Heiligkeit prangen und dieſes heimliche Ver- gnuͤgen haben, daß ihr niemand nichts ja auch ihr Gewiſſen ſelbſt nichts zu verweiſen habe: Eine eigenliebige Seele beluſtiget ſich an denen Gaben und Wuͤrckungen mehr als an GOtt ſelbſt; iſt zufrie- den, wann ſie nur das ihrige hat, geb wo GOttes wohlgefaͤlliger Wille und Herrlichkeit bleibe, ſie iſt immer nur mit ſich ſelbſt be- ſchaͤfftiget, zu ſchauen, was man habe, ſeye, genieſſe, und hie und da ausrichte; Es iſt der Eigen Liebe ein unmoͤglich Ding ſich ſelbſt vergeſſen und verlieren, um durch voͤllige Ubergab wiederum in GOtt erfunden zu werden, darinnen ewige Ruhe und Sattigkeit iſt, dannenher iſt dieſes groſſe Gut eben ſo wenig zu erwerben durch Selbſt-Wuͤrcken, im gegentheil Zwiderſpiel, der Menſch kommt ſchneller zu GOTT durch Leiden als durch Wuͤrcken, allermaſſen in dieſem eigene Wahl und Gefallen regiert, dadurch die Seele nur verwerfflicher vor GOTT wird; Jm Leiden hingegen ſchaltet und waltet GOtt, nun iſt ja GOttes Werck unvergleichlich herrlicher, kraͤfftiger und fruchtbarer als der armen, duͤrfftigen Menſchen elen- des Thun und Gewuͤrck. Mit einem ſtarcken Schiff, ſo einen ſchoͤnen, weiß geſpannten Segel und guten Wind hat, kommt man noch wohl uͤber Meer an die gewuͤnſchte Anfurt, welches man mit muͤhſamem Schwim- men nimmermehr erzwingen koͤnnte; welche Weißheit aber ſich von der Gnade bewuͤrcken und in GOttes Gemeinſchafft hinuͤber bringen zu laſſen, vom heiligen Geiſt erbetten werden muß; mit unſerem Thun iſts verlohren; Schließlich finden wir dieſes Gut keines wegs in und bey uns ſelbſt, noch vielweniger aber in einigem erſchaffenen Ding, die allerkoͤſtlichſte und ſcheinbarſte Ding muͤſſen ſamt denen Waͤchtern vorbey gegangen ſeyn, wann man den finden will, der un- ſer Seelen Freude und Wonne iſt: Beſiehe das Hohe-Lied. §. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1208
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1208>, abgerufen am 20.05.2024.