Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebens-Mahlzeit.
Ungewitter habe entziehen dörffen weder Blitz, noch Hagel, noch
Donner weichen; wie er habe müssen an seiner Stätte bleiben und
allen Willen des Himmels gelassenlich aushalten, immittelst den Le-
bens-Safft aus seinem guten Grund ohne Unterlaß zur Fruchtbar-
keit in sich ziehen, damit er nicht verdorre: Aber also ist der Zeit-
Gläubige nicht, er begehrt Christum JEsum nur zu dem Gebrauch,
daß er mit GOtt versöhnt, von Tod und Höll befreyt, dermahlen
eins das Paradiesische wohl empfahe; er hungert aber keines wegs
nach Christo, daß er mit seinem Liebes-Glantz und Wärme sein
Hertz gantz einnehme, mit dem Geist der Heiligung tauffe und sich
mit seiner allerlautersten Weißheits-Quelle durch seine gantze See-
le ausbreite, damit er von dieser Welt abgeschieden in der neuen
Schöpffung heranwachse und der Sünd täglich tieffer loß werde;
um die Heiligung bekümmert er sich wenig; oder wann ja der Zeit-
Gläubige etwelche leichtsinnige Begierden darnach hat, so ists nicht
durchgängig, er behält alleweil etwelche Verständniß mit etwa einer
heimlichen Busen-Sünd, so wie ein böser gifftiger Wurm alle
Frucht zernagt, mit Fäulniß an steckt und mit Verwesung verderbt:
Hingegen ist der wahre Glaubige hungerig nach Christo ohne Auß-
nahm und unzertheilt: Wahr ists, daß er zwar hoch erfreut ist, daß
Christus seine Gerechtigkeit und Seeligkeit will, jubilieret aber in-
zwischen, sonderlich und vor allem aus darüber, daß Christus ihme
von GOtt zur Heiligung gemacht ist. Dieses aber ist nicht genug,
daß man alle drey Haupt-Seeligkeiten in Christo mit einander be-
gehre, sondern wie bereits eben jetzt angedeutet, muß man auch nach-
sehen, was das vornehmste, dominante, herrschende Begierd im
Hertzen sey, der Zeit-Gläubige schätzt die Vergebung der Sünden
und künfftige Herrlichkeit höher als die neue Geburt, die sich übet im
heiligen Fleiß GOTT zu gefallen; dagegen ist des wahren Gläubigen
sein höchster Hertzens-Wunsch GOtt von gantzem Hertzen zu lieben
und zu dienen, sich immer zu JEsu dem Gecreutzigten zu kehren, sei-
ne Gnaden-volle Würckung nie zu verhinderen, alles vergängliche
mit dem Rucken anzusehen, seinem höchsten Gut mit Hertz und
Muth Lebenslang verbunden zu bleiben, dieses ist das, was seine
Seele und Geist innigst erlabet in seinem ewigen Ursprung; dieses ist
das gute Land, das feine und gute Hertz, so Frucht bringt in Ge-
dult Luc, 8. 15.

§. 14. Mithin muß der Glauben auch seine Proben ablegen bey

gege-
U u u u u u 2

Lebens-Mahlzeit.
Ungewitter habe entziehen doͤrffen weder Blitz, noch Hagel, noch
Donner weichen; wie er habe muͤſſen an ſeiner Staͤtte bleiben und
allen Willen des Himmels gelaſſenlich aushalten, immittelſt den Le-
bens-Safft aus ſeinem guten Grund ohne Unterlaß zur Fruchtbar-
keit in ſich ziehen, damit er nicht verdorre: Aber alſo iſt der Zeit-
Glaͤubige nicht, er begehrt Chriſtum JEſum nur zu dem Gebrauch,
daß er mit GOtt verſoͤhnt, von Tod und Hoͤll befreyt, dermahlen
eins das Paradieſiſche wohl empfahe; er hungert aber keines wegs
nach Chriſto, daß er mit ſeinem Liebes-Glantz und Waͤrme ſein
Hertz gantz einnehme, mit dem Geiſt der Heiligung tauffe und ſich
mit ſeiner allerlauterſten Weißheits-Quelle durch ſeine gantze See-
le ausbreite, damit er von dieſer Welt abgeſchieden in der neuen
Schoͤpffung heranwachſe und der Suͤnd taͤglich tieffer loß werde;
um die Heiligung bekuͤmmert er ſich wenig; oder wann ja der Zeit-
Glaͤubige etwelche leichtſinnige Begierden darnach hat, ſo iſts nicht
durchgaͤngig, er behaͤlt alleweil etwelche Verſtaͤndniß mit etwa einer
heimlichen Buſen-Suͤnd, ſo wie ein boͤſer gifftiger Wurm alle
Frucht zernagt, mit Faͤulniß an ſteckt und mit Verweſung verderbt:
Hingegen iſt der wahre Glaubige hungerig nach Chriſto ohne Auß-
nahm und unzertheilt: Wahr iſts, daß er zwar hoch erfreut iſt, daß
Chriſtus ſeine Gerechtigkeit und Seeligkeit will, jubilieret aber in-
zwiſchen, ſonderlich und vor allem aus daruͤber, daß Chriſtus ihme
von GOtt zur Heiligung gemacht iſt. Dieſes aber iſt nicht genug,
daß man alle drey Haupt-Seeligkeiten in Chriſto mit einander be-
gehre, ſondern wie bereits eben jetzt angedeutet, muß man auch nach-
ſehen, was das vornehmſte, dominante, herrſchende Begierd im
Hertzen ſey, der Zeit-Glaͤubige ſchaͤtzt die Vergebung der Suͤnden
und kuͤnfftige Herrlichkeit hoͤher als die neue Geburt, die ſich uͤbet im
heiligen Fleiß GOTT zu gefallen; dagegen iſt des wahren Glaͤubigen
ſein hoͤchſter Hertzens-Wunſch GOtt von gantzem Hertzen zu lieben
und zu dienen, ſich immer zu JEſu dem Gecreutzigten zu kehren, ſei-
ne Gnaden-volle Wuͤrckung nie zu verhinderen, alles vergaͤngliche
mit dem Rucken anzuſehen, ſeinem hoͤchſten Gut mit Hertz und
Muth Lebenslang verbunden zu bleiben, dieſes iſt das, was ſeine
Seele und Geiſt innigſt erlabet in ſeinem ewigen Urſprung; dieſes iſt
das gute Land, das feine und gute Hertz, ſo Frucht bringt in Ge-
dult Luc, 8. 15.

§. 14. Mithin muß der Glauben auch ſeine Proben ablegen bey

gege-
U u u u u u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1171" n="1075"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lebens-Mahlzeit.</hi></fw><lb/>
Ungewitter habe entziehen do&#x0364;rffen weder Blitz, noch Hagel, noch<lb/>
Donner weichen; wie er habe mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an &#x017F;einer Sta&#x0364;tte bleiben und<lb/>
allen Willen des Himmels gela&#x017F;&#x017F;enlich aushalten, immittel&#x017F;t den Le-<lb/>
bens-Safft aus &#x017F;einem guten Grund ohne Unterlaß zur Fruchtbar-<lb/>
keit in &#x017F;ich ziehen, damit er nicht verdorre: Aber al&#x017F;o i&#x017F;t der Zeit-<lb/>
Gla&#x0364;ubige nicht, er begehrt Chri&#x017F;tum JE&#x017F;um nur zu dem Gebrauch,<lb/>
daß er mit GOtt ver&#x017F;o&#x0364;hnt, von Tod und Ho&#x0364;ll befreyt, dermahlen<lb/>
eins das Paradie&#x017F;i&#x017F;che wohl empfahe; er hungert aber keines wegs<lb/>
nach Chri&#x017F;to, daß er mit &#x017F;einem Liebes-Glantz und Wa&#x0364;rme &#x017F;ein<lb/>
Hertz gantz einnehme, mit dem Gei&#x017F;t der Heiligung tauffe und &#x017F;ich<lb/>
mit &#x017F;einer allerlauter&#x017F;ten Weißheits-Quelle durch &#x017F;eine gantze See-<lb/>
le ausbreite, damit er von die&#x017F;er Welt abge&#x017F;chieden in der neuen<lb/>
Scho&#x0364;pffung heranwach&#x017F;e und der Su&#x0364;nd ta&#x0364;glich tieffer loß werde;<lb/>
um die Heiligung beku&#x0364;mmert er &#x017F;ich wenig; oder wann ja der Zeit-<lb/>
Gla&#x0364;ubige etwelche leicht&#x017F;innige Begierden darnach hat, &#x017F;o i&#x017F;ts nicht<lb/>
durchga&#x0364;ngig, er beha&#x0364;lt alleweil etwelche Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß mit etwa einer<lb/>
heimlichen Bu&#x017F;en-Su&#x0364;nd, &#x017F;o wie ein bo&#x0364;&#x017F;er gifftiger Wurm alle<lb/>
Frucht zernagt, mit Fa&#x0364;ulniß an &#x017F;teckt und mit Verwe&#x017F;ung verderbt:<lb/>
Hingegen i&#x017F;t der wahre Glaubige hungerig nach Chri&#x017F;to ohne Auß-<lb/>
nahm und unzertheilt: Wahr i&#x017F;ts, daß er zwar hoch erfreut i&#x017F;t, daß<lb/>
Chri&#x017F;tus &#x017F;eine Gerechtigkeit und Seeligkeit will, jubilieret aber in-<lb/>
zwi&#x017F;chen, &#x017F;onderlich und vor allem aus daru&#x0364;ber, daß Chri&#x017F;tus ihme<lb/>
von GOtt zur Heiligung gemacht i&#x017F;t. Die&#x017F;es aber i&#x017F;t nicht genug,<lb/>
daß man alle drey Haupt-Seeligkeiten in Chri&#x017F;to mit einander be-<lb/>
gehre, &#x017F;ondern wie bereits eben jetzt angedeutet, muß man auch nach-<lb/>
&#x017F;ehen, was das vornehm&#x017F;te, dominante, herr&#x017F;chende Begierd im<lb/>
Hertzen &#x017F;ey, der Zeit-Gla&#x0364;ubige &#x017F;cha&#x0364;tzt die Vergebung der Su&#x0364;nden<lb/>
und ku&#x0364;nfftige Herrlichkeit ho&#x0364;her als die neue Geburt, die &#x017F;ich u&#x0364;bet im<lb/>
heiligen Fleiß GOTT zu gefallen; dagegen i&#x017F;t des wahren Gla&#x0364;ubigen<lb/>
&#x017F;ein ho&#x0364;ch&#x017F;ter Hertzens-Wun&#x017F;ch GOtt von gantzem Hertzen zu lieben<lb/>
und zu dienen, &#x017F;ich immer zu JE&#x017F;u dem Gecreutzigten zu kehren, &#x017F;ei-<lb/>
ne Gnaden-volle Wu&#x0364;rckung nie zu verhinderen, alles verga&#x0364;ngliche<lb/>
mit dem Rucken anzu&#x017F;ehen, &#x017F;einem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gut mit Hertz und<lb/>
Muth Lebenslang verbunden zu bleiben, die&#x017F;es i&#x017F;t das, was &#x017F;eine<lb/>
Seele und Gei&#x017F;t innig&#x017F;t erlabet in &#x017F;einem ewigen Ur&#x017F;prung; die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
das gute Land, das feine und gute Hertz, &#x017F;o Frucht bringt in Ge-<lb/>
dult Luc, 8. 15.</p><lb/>
          <p>§. 14. Mithin muß der Glauben auch &#x017F;eine Proben ablegen bey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u u u u u 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gege-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1075/1171] Lebens-Mahlzeit. Ungewitter habe entziehen doͤrffen weder Blitz, noch Hagel, noch Donner weichen; wie er habe muͤſſen an ſeiner Staͤtte bleiben und allen Willen des Himmels gelaſſenlich aushalten, immittelſt den Le- bens-Safft aus ſeinem guten Grund ohne Unterlaß zur Fruchtbar- keit in ſich ziehen, damit er nicht verdorre: Aber alſo iſt der Zeit- Glaͤubige nicht, er begehrt Chriſtum JEſum nur zu dem Gebrauch, daß er mit GOtt verſoͤhnt, von Tod und Hoͤll befreyt, dermahlen eins das Paradieſiſche wohl empfahe; er hungert aber keines wegs nach Chriſto, daß er mit ſeinem Liebes-Glantz und Waͤrme ſein Hertz gantz einnehme, mit dem Geiſt der Heiligung tauffe und ſich mit ſeiner allerlauterſten Weißheits-Quelle durch ſeine gantze See- le ausbreite, damit er von dieſer Welt abgeſchieden in der neuen Schoͤpffung heranwachſe und der Suͤnd taͤglich tieffer loß werde; um die Heiligung bekuͤmmert er ſich wenig; oder wann ja der Zeit- Glaͤubige etwelche leichtſinnige Begierden darnach hat, ſo iſts nicht durchgaͤngig, er behaͤlt alleweil etwelche Verſtaͤndniß mit etwa einer heimlichen Buſen-Suͤnd, ſo wie ein boͤſer gifftiger Wurm alle Frucht zernagt, mit Faͤulniß an ſteckt und mit Verweſung verderbt: Hingegen iſt der wahre Glaubige hungerig nach Chriſto ohne Auß- nahm und unzertheilt: Wahr iſts, daß er zwar hoch erfreut iſt, daß Chriſtus ſeine Gerechtigkeit und Seeligkeit will, jubilieret aber in- zwiſchen, ſonderlich und vor allem aus daruͤber, daß Chriſtus ihme von GOtt zur Heiligung gemacht iſt. Dieſes aber iſt nicht genug, daß man alle drey Haupt-Seeligkeiten in Chriſto mit einander be- gehre, ſondern wie bereits eben jetzt angedeutet, muß man auch nach- ſehen, was das vornehmſte, dominante, herrſchende Begierd im Hertzen ſey, der Zeit-Glaͤubige ſchaͤtzt die Vergebung der Suͤnden und kuͤnfftige Herrlichkeit hoͤher als die neue Geburt, die ſich uͤbet im heiligen Fleiß GOTT zu gefallen; dagegen iſt des wahren Glaͤubigen ſein hoͤchſter Hertzens-Wunſch GOtt von gantzem Hertzen zu lieben und zu dienen, ſich immer zu JEſu dem Gecreutzigten zu kehren, ſei- ne Gnaden-volle Wuͤrckung nie zu verhinderen, alles vergaͤngliche mit dem Rucken anzuſehen, ſeinem hoͤchſten Gut mit Hertz und Muth Lebenslang verbunden zu bleiben, dieſes iſt das, was ſeine Seele und Geiſt innigſt erlabet in ſeinem ewigen Urſprung; dieſes iſt das gute Land, das feine und gute Hertz, ſo Frucht bringt in Ge- dult Luc, 8. 15. §. 14. Mithin muß der Glauben auch ſeine Proben ablegen bey gege- U u u u u u 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1171
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1075. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1171>, abgerufen am 24.11.2024.