Wie mich gesandt hat der lebendige Vatter, und ich lebe um des Vatters willen, also, wer mich isset, derselbige wird auch leben um meinetwil- len.
Das erste Capitel. Eingang, Verknüpffung, Eintheilung und Wunsch.
§. 1.
WAnn muß es Welt-klugen Leuten verzeyhen, wann sie dieEs seynd fürnem- lich zwey Klippen woran sich die blinde Vernunft in der Lehr von Chri- sto stosset. göttliche Religion nicht fassen können, dann sie ist ein bekanntliches grosses Geheimnuß, welches ohne Erleuch- tung des Heiligen Geistes nicht heiliglich begrieffen wer- den mag zur Seeligkeit, das aber bricht ihnen den Hals vor GOt- tes Richter-Stuhl, wann sie dieses wissende, dennoch nicht flehent- lich und unermüdet anhalten, um diese so unumgänglich nothwendi- ge und so hoch-angepriesene Erleuchtung, so die Vernunfft eben darmit erhöhet, liecht und hell machet und adlet, in dem sie selbe ge- fangen nimmt unter den Gehorsam Christi, ehe dieses geschiehet, so kan sie sich nicht darein finden: Wie erstlich in einem gecreutzigten, armen, verspotteten und verhönten JEsu aller Menschen Heil seye, wie doch alle Freude und Wonne, Trost und Seeligkeit nur eintzig und bey demjenigen zu haben seye, der nur von Creutz, Schmach, Gedult prediget, Geist-Arme, Hungerige, Verfolgte, Erschrocke- ne, Weinende und Leid-tragende seelig preiset; hingegen denen Rei- chen, Satten, Lustigen; Selbst-Gerechten, Welt-beliebten das Wehe ankündiget.
Zum anderen kan die Vernunfft nicht begreiffen, wie doch der Glaub das eintzige Mittel seyn könne, alles Gute aus Christi Fülle zunehmen; also daß dem Menschen nichts zuthun oblige, als nur bloß glauben, wann er alles was ihm fehlet von GOtt durch Christo
empfa-
Joh. VI. 57.
Wie mich geſandt hat der lebendige Vatter, und ich lebe um des Vatters willen, alſo, wer mich iſſet, derſelbige wird auch leben um meinetwil- len.
Das erſte Capitel. Eingang, Verknuͤpffung, Eintheilung und Wunſch.
§. 1.
WAnn muß es Welt-klugen Leuten verzeyhen, wann ſie dieEs ſeynd fuͤrnem- lich zwey Klippen woran ſich die blinde Vernunft in der Lehr von Chri- ſto ſtoſſet. goͤttliche Religion nicht faſſen koͤnnen, dann ſie iſt ein bekanntliches groſſes Geheimnuß, welches ohne Erleuch- tung des Heiligen Geiſtes nicht heiliglich begrieffen wer- den mag zur Seeligkeit, das aber bricht ihnen den Hals vor GOt- tes Richter-Stuhl, wann ſie dieſes wiſſende, dennoch nicht flehent- lich und unermuͤdet anhalten, um dieſe ſo unumgaͤnglich nothwendi- ge und ſo hoch-angeprieſene Erleuchtung, ſo die Vernunfft eben darmit erhoͤhet, liecht und hell machet und adlet, in dem ſie ſelbe ge- fangen nimmt unter den Gehorſam Chriſti, ehe dieſes geſchiehet, ſo kan ſie ſich nicht darein finden: Wie erſtlich in einem gecreutzigten, armen, verſpotteten und verhoͤnten JEſu aller Menſchen Heil ſeye, wie doch alle Freude und Wonne, Troſt und Seeligkeit nur eintzig und bey demjenigen zu haben ſeye, der nur von Creutz, Schmach, Gedult prediget, Geiſt-Arme, Hungerige, Verfolgte, Erſchrocke- ne, Weinende und Leid-tragende ſeelig preiſet; hingegen denen Rei- chen, Satten, Luſtigen; Selbſt-Gerechten, Welt-beliebten das Wehe ankuͤndiget.
Zum anderen kan die Vernunfft nicht begreiffen, wie doch der Glaub das eintzige Mittel ſeyn koͤnne, alles Gute aus Chriſti Fuͤlle zunehmen; alſo daß dem Menſchen nichts zuthun oblige, als nur bloß glauben, wann er alles was ihm fehlet von GOtt durch Chriſto
empfa-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f1119"n="1023"/><divn="2"><head/><p><hirendition="#c"><hirendition="#b">Joh. <hirendition="#aq">VI.</hi> 57.</hi></hi></p><lb/><list><item><hirendition="#b">Wie mich geſandt hat der lebendige Vatter, und<lb/>
ich lebe um des Vatters willen, alſo, wer mich<lb/>
iſſet, derſelbige wird auch leben um meinetwil-<lb/>
len.</hi></item></list></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das erſte Capitel.</hi><lb/><hirendition="#fr">Eingang, Verknuͤpffung, Eintheilung und Wunſch.</hi></head><lb/><p><hirendition="#c">§. 1.</hi></p><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>Ann muß es Welt-klugen Leuten verzeyhen, wann ſie die<noteplace="right">Es ſeynd<lb/>
fuͤrnem-<lb/>
lich zwey<lb/>
Klippen<lb/>
woran<lb/>ſich die<lb/>
blinde<lb/>
Vernunft<lb/>
in der Lehr<lb/>
von Chri-<lb/>ſto ſtoſſet.</note><lb/>
goͤttliche Religion nicht faſſen koͤnnen, dann ſie iſt ein<lb/>
bekanntliches groſſes Geheimnuß, welches ohne Erleuch-<lb/>
tung des Heiligen Geiſtes nicht heiliglich begrieffen wer-<lb/>
den mag zur Seeligkeit, das aber bricht ihnen den Hals vor GOt-<lb/>
tes Richter-Stuhl, wann ſie dieſes wiſſende, dennoch nicht flehent-<lb/>
lich und unermuͤdet anhalten, um dieſe ſo unumgaͤnglich nothwendi-<lb/>
ge und ſo hoch-angeprieſene Erleuchtung, ſo die Vernunfft eben<lb/>
darmit erhoͤhet, liecht und hell machet und adlet, in dem ſie ſelbe ge-<lb/>
fangen nimmt unter den Gehorſam Chriſti, ehe dieſes geſchiehet, ſo<lb/>
kan ſie ſich nicht darein finden: Wie erſtlich in einem gecreutzigten,<lb/>
armen, verſpotteten und verhoͤnten JEſu aller Menſchen Heil ſeye,<lb/>
wie doch alle Freude und Wonne, Troſt und Seeligkeit nur eintzig<lb/>
und bey demjenigen zu haben ſeye, der nur von Creutz, Schmach,<lb/>
Gedult prediget, Geiſt-Arme, Hungerige, Verfolgte, Erſchrocke-<lb/>
ne, Weinende und Leid-tragende ſeelig preiſet; hingegen denen Rei-<lb/>
chen, Satten, Luſtigen; Selbſt-Gerechten, Welt-beliebten das<lb/>
Wehe ankuͤndiget.</p><lb/><p>Zum anderen kan die Vernunfft nicht begreiffen, wie doch der<lb/>
Glaub das eintzige Mittel ſeyn koͤnne, alles Gute aus Chriſti Fuͤlle<lb/>
zunehmen; alſo daß dem Menſchen nichts zuthun oblige, als nur<lb/>
bloß glauben, wann er alles was ihm fehlet von GOtt durch Chriſto<lb/><fwplace="bottom"type="catch">empfa-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1023/1119]
Joh. VI. 57.
Wie mich geſandt hat der lebendige Vatter, und
ich lebe um des Vatters willen, alſo, wer mich
iſſet, derſelbige wird auch leben um meinetwil-
len.
Das erſte Capitel.
Eingang, Verknuͤpffung, Eintheilung und Wunſch.
§. 1.
WAnn muß es Welt-klugen Leuten verzeyhen, wann ſie die
goͤttliche Religion nicht faſſen koͤnnen, dann ſie iſt ein
bekanntliches groſſes Geheimnuß, welches ohne Erleuch-
tung des Heiligen Geiſtes nicht heiliglich begrieffen wer-
den mag zur Seeligkeit, das aber bricht ihnen den Hals vor GOt-
tes Richter-Stuhl, wann ſie dieſes wiſſende, dennoch nicht flehent-
lich und unermuͤdet anhalten, um dieſe ſo unumgaͤnglich nothwendi-
ge und ſo hoch-angeprieſene Erleuchtung, ſo die Vernunfft eben
darmit erhoͤhet, liecht und hell machet und adlet, in dem ſie ſelbe ge-
fangen nimmt unter den Gehorſam Chriſti, ehe dieſes geſchiehet, ſo
kan ſie ſich nicht darein finden: Wie erſtlich in einem gecreutzigten,
armen, verſpotteten und verhoͤnten JEſu aller Menſchen Heil ſeye,
wie doch alle Freude und Wonne, Troſt und Seeligkeit nur eintzig
und bey demjenigen zu haben ſeye, der nur von Creutz, Schmach,
Gedult prediget, Geiſt-Arme, Hungerige, Verfolgte, Erſchrocke-
ne, Weinende und Leid-tragende ſeelig preiſet; hingegen denen Rei-
chen, Satten, Luſtigen; Selbſt-Gerechten, Welt-beliebten das
Wehe ankuͤndiget.
Es ſeynd
fuͤrnem-
lich zwey
Klippen
woran
ſich die
blinde
Vernunft
in der Lehr
von Chri-
ſto ſtoſſet.
Zum anderen kan die Vernunfft nicht begreiffen, wie doch der
Glaub das eintzige Mittel ſeyn koͤnne, alles Gute aus Chriſti Fuͤlle
zunehmen; alſo daß dem Menſchen nichts zuthun oblige, als nur
bloß glauben, wann er alles was ihm fehlet von GOtt durch Chriſto
empfa-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1023. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1119>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.