und mit einem starcken Schlaf-Trunck von allerhand Andachten,dem sein Gewissen aufwa- chet. Gottesdienstlichen Ceremonien und Schein-Wercken eingeschläfert wird, also daß der Mensch sich nichts böses traumen läßt; so erwa- chet es dennoch unvermuthet wie ein ergrimmter Löw und zerhenckert den armen Menschen hinwiederum im Verstand; daß man erst erken- net, wie man vom Satan Fleisch und Welt so jämmerlich betro- gen worden, und wie seelig, ruhig und heilig man wäre, wo man dem lieben Gewissen gefolget hätte: im Geschmack ist an statt eines ge- nossenen Lust-Tröpffgens, ein Meer der bittersten Bitterkeiten, wann die Seel auf den Boden-Satz der unausbleiblichen Gerichten und Straffen im Sünden-Becher kommen ist, und alles rein aussauffen muß: Nicht anders als ob man allen Koth und Unrath so Lebens- lang vom Leib abgangen, wieder in sich hinein schlucken mußte, wer- den alle habsüchtige, unflätige, rachgierige Gedancken dem Men- schen wieder eingetränckt werden: Der Wille hat höllische Qual von ungereimten, vergebenen, hefftigen Begierden, ohne End. Die Empfindung wird mit Vermissen gefoltert und mit Schreck-Bil- dern und Hertz-kränckenden Peinigungen gemartert: Das alles hat man zum besten von der Sünd, wie es Gleichnuß-weiß der Heiland so lehret. Es war ein Mensch, der gieng von Jerusalem hinab gen Jericho, und fiel unter die Mörder: die zogen ihn aus, und schlu- gen ihn, und giengen davon, und liessen ihn halb todt ligen. Der Leib aber eilt nach seiner Verwesung a.
§. 4. Was da für Stralen seyen, die uns so wol thun: Man mußDie Stra- len die JEsus auf die Elenden schiesset seynd sein Wort und Geist. ein Unterscheid machen, zwischen 1. der Materi, die von der Sonne ausfließt biß zu uns; Das sind Wort und Sacrament. Diese sind zwey Gnaden-Flügel, mit denen JEsus Christus gleichsam in der Welt herum fliegt und allenthalben hingetragen wird, wo er auch nur hin- kommt. Wie JEsus zu seinen ausgesandten Jüngeren gesprochen: Gehet hin und machet zu Jüngeren alle Völcker, und tauffet sie auf den Namen des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geistes. Und lehret sie halten alles was ich euch befohlen hab. Und siehe ich bin bey euch alle Tage biß an der Welt Ende b. Und die Kirch beglück- wünschet den grossen Himmels-Gesandten JEsum: Reite in deiner Herrlichkeit glücklich herein auf dem Wort der Warheit, und Sanfft-
muth,
aLuc. X. 30. Eph. II. 1.
bMatth. XXVIII. 19. 20.
L l l l l l 2
Die Sonne der Gerechtigkeit.
und mit einem ſtarcken Schlaf-Trunck von allerhand Andachten,dem ſein Gewiſſen aufwa- chet. Gottesdienſtlichen Ceremonien und Schein-Wercken eingeſchlaͤfert wird, alſo daß der Menſch ſich nichts boͤſes traumen laͤßt; ſo erwa- chet es dennoch unvermuthet wie ein ergrimmter Loͤw und zerhenckert den armen Menſchen hinwiederum im Verſtand; daß man erſt erken- net, wie man vom Satan Fleiſch und Welt ſo jaͤmmerlich betro- gen worden, und wie ſeelig, ruhig und heilig man waͤre, wo man dem lieben Gewiſſen gefolget haͤtte: im Geſchmack iſt an ſtatt eines ge- noſſenen Luſt-Troͤpffgens, ein Meer der bitterſten Bitterkeiten, wann die Seel auf den Boden-Satz der unausbleiblichen Gerichten und Straffen im Suͤnden-Becher kommen iſt, und alles rein ausſauffen muß: Nicht anders als ob man allen Koth und Unrath ſo Lebens- lang vom Leib abgangen, wieder in ſich hinein ſchlucken mußte, wer- den alle habſuͤchtige, unflaͤtige, rachgierige Gedancken dem Men- ſchen wieder eingetraͤnckt werden: Der Wille hat hoͤlliſche Qual von ungereimten, vergebenen, hefftigen Begierden, ohne End. Die Empfindung wird mit Vermiſſen gefoltert und mit Schreck-Bil- dern und Hertz-kraͤnckenden Peinigungen gemartert: Das alles hat man zum beſten von der Suͤnd, wie es Gleichnuß-weiß der Heiland ſo lehret. Es war ein Menſch, der gieng von Jeruſalem hinab gen Jericho, und fiel unter die Moͤrder: die zogen ihn aus, und ſchlu- gen ihn, und giengen davon, und lieſſen ihn halb todt ligen. Der Leib aber eilt nach ſeiner Verweſung a.
§. 4. Was da fuͤr Stralen ſeyen, die uns ſo wol thun: Man mußDie Stra- len die JEſus auf die Elenden ſchieſſet ſeynd ſein Wort und Geiſt. ein Unterſcheid machen, zwiſchen 1. der Materi, die von der Sonne ausfließt biß zu uns; Das ſind Wort und Sacrament. Dieſe ſind zwey Gnaden-Fluͤgel, mit denen JEſus Chriſtus gleichſam in der Welt herum fliegt und allenthalben hingetragen wird, wo er auch nur hin- kommt. Wie JEſus zu ſeinen ausgeſandten Juͤngeren geſprochen: Gehet hin und machet zu Juͤngeren alle Voͤlcker, und tauffet ſie auf den Namen des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geiſtes. Und lehret ſie halten alles was ich euch befohlen hab. Und ſiehe ich bin bey euch alle Tage biß an der Welt Ende b. Und die Kirch begluͤck- wuͤnſchet den groſſen Himmels-Geſandten JEſum: Reite in deiner Herrlichkeit gluͤcklich herein auf dem Wort der Warheit, und Sanfft-
muth,
aLuc. X. 30. Eph. II. 1.
bMatth. XXVIII. 19. 20.
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Die Sonne der Gerechtigkeit.
und mit einem ſtarcken Schlaf-Trunck von allerhand Andachten,
Gottesdienſtlichen Ceremonien und Schein-Wercken eingeſchlaͤfert
wird, alſo daß der Menſch ſich nichts boͤſes traumen laͤßt; ſo erwa-
chet es dennoch unvermuthet wie ein ergrimmter Loͤw und zerhenckert
den armen Menſchen hinwiederum im Verſtand; daß man erſt erken-
net, wie man vom Satan Fleiſch und Welt ſo jaͤmmerlich betro-
gen worden, und wie ſeelig, ruhig und heilig man waͤre, wo man
dem lieben Gewiſſen gefolget haͤtte: im Geſchmack iſt an ſtatt eines ge-
noſſenen Luſt-Troͤpffgens, ein Meer der bitterſten Bitterkeiten, wann
die Seel auf den Boden-Satz der unausbleiblichen Gerichten und
Straffen im Suͤnden-Becher kommen iſt, und alles rein ausſauffen
muß: Nicht anders als ob man allen Koth und Unrath ſo Lebens-
lang vom Leib abgangen, wieder in ſich hinein ſchlucken mußte, wer-
den alle habſuͤchtige, unflaͤtige, rachgierige Gedancken dem Men-
ſchen wieder eingetraͤnckt werden: Der Wille hat hoͤlliſche Qual
von ungereimten, vergebenen, hefftigen Begierden, ohne End.
Die Empfindung wird mit Vermiſſen gefoltert und mit Schreck-Bil-
dern und Hertz-kraͤnckenden Peinigungen gemartert: Das alles hat
man zum beſten von der Suͤnd, wie es Gleichnuß-weiß der Heiland
ſo lehret. Es war ein Menſch, der gieng von Jeruſalem hinab gen
Jericho, und fiel unter die Moͤrder: die zogen ihn aus, und ſchlu-
gen ihn, und giengen davon, und lieſſen ihn halb todt ligen. Der
Leib aber eilt nach ſeiner Verweſung a.
dem ſein
Gewiſſen
aufwa-
chet.
§. 4. Was da fuͤr Stralen ſeyen, die uns ſo wol thun: Man muß
ein Unterſcheid machen, zwiſchen 1. der Materi, die von der Sonne
ausfließt biß zu uns; Das ſind Wort und Sacrament. Dieſe ſind
zwey Gnaden-Fluͤgel, mit denen JEſus Chriſtus gleichſam in der Welt
herum fliegt und allenthalben hingetragen wird, wo er auch nur hin-
kommt. Wie JEſus zu ſeinen ausgeſandten Juͤngeren geſprochen:
Gehet hin und machet zu Juͤngeren alle Voͤlcker, und tauffet ſie auf
den Namen des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geiſtes.
Und lehret ſie halten alles was ich euch befohlen hab. Und ſiehe ich
bin bey euch alle Tage biß an der Welt Ende b. Und die Kirch begluͤck-
wuͤnſchet den groſſen Himmels-Geſandten JEſum: Reite in deiner
Herrlichkeit gluͤcklich herein auf dem Wort der Warheit, und Sanfft-
muth,
Die Stra-
len die
JEſus
auf die
Elenden
ſchieſſet
ſeynd ſein
Wort und
Geiſt.
a Luc. X. 30. Eph. II. 1.
b Matth. XXVIII. 19. 20.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1003. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1099>, abgerufen am 22.11.2024.
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