es noch bey seiner Mutter seyn, mit einer unzeitigen Geburt wäre dir schlecht gedienet, es ist dir je seeliger zu warten und im Gebett anzuhalten, biß es reiff ist, sonst möchte wohl die Freude nicht län- ger wären, als biß du zu Verständigeren kämest, die der Sach bes- ser abgewartet, und nichts vor der rechten Zeit verlanget, indessen getrost und unermüdet fort gefahren mit stillem Ernst, alldieweil wo der Ernst nachlasset, da nimmt so bald auch das Perlein im Wachsen ab, und entfernet sich mehr von seiner Zeitigung, als daß es darzu nähere, dann GOtt ist gerecht in allen seinen Wegen mit den Men- schen-Kinderen, es schauret zwar die Natur, sich hinein zu lassen in das tieffe Meer der völligen Ubergab, aber wie ist ihm zu thun, ent- weder must du der Perl entbähren, oder dich dazu bequemen.
Dancke du dem allerhöchsten GOtt der Himmel und Erden be- sitzt, daß dir erlaubt wird in seine Liebe hinein zu fahren, und daß dir ein Ort vergönnet ist, den der Geister Schaar, die neidische Spio- nen nicht wissen, sonst wurden sie der zarten schwachen Geburt nicht im geringsten schonen, sondern ihr das Lebens-Licht ohne Saumen auslöschen, darum bleibe inn bey deinem GOtt, biß seine Balsam- Krafft alles an dir veränderet, und durchgetrungen hat.
auch in den höch sten An- fechtun- gen.
§. 7. Jnzwischen gestehe ich dir du liebes Hertz, daß der arge Feind mit seinen Anfechtungen, und die Welt mit ihren Reitzungen Hauf- fen-weise und grimmig auf uns loß stürmet, eben wie die ungeheure Meer-Thiere auf die Perlen-Fischer, alsdann insonderheit die Seel ihre schnöde Unwürdigkeit empfinden muß, und an der Perlen-Geburt vast verzagen, mithin kommt ihr alles Vergangene vor als ein fal- scher Wahn, doch blitzet JEsus nach solchen Zweiffels-Schatten, noch schöner hervor, also daß der Mensch nichts hat von allem sei- nem Thun, und ist nur ein schlechter begönstigter Bettler oder Gra- tianer; Es ist nicht zu beschreiben was vor einen Himmels-schönen Zusatz, die Perle in dergleichen Anstössen und Proben empfangt, zu- mahl das Perlen-Zweiglein desto bas in GOtt einwurtzlet, wann es die Sturm-Winde fein wacker hin und her drehen, ja was nicht durch Anfechtung wohl auspolieret wird, ach das ist bey vielen kein Per- lein nicht, sondern nur bloß ein schlechtes Glaß, mit Silber-Schaum beschmieret, was von denen Aussatz-Flecken gantz rein seyn will, das muß sieben mal im Jordan hinunter getaucht werden, und ins Buß- Meer hinabfahren, biß es in der Angst den süssen Liebes-Grund des
Gna-
Betrachtungen
es noch bey ſeiner Mutter ſeyn, mit einer unzeitigen Geburt waͤre dir ſchlecht gedienet, es iſt dir je ſeeliger zu warten und im Gebett anzuhalten, biß es reiff iſt, ſonſt moͤchte wohl die Freude nicht laͤn- ger waͤren, als biß du zu Verſtaͤndigeren kaͤmeſt, die der Sach beſ- ſer abgewartet, und nichts vor der rechten Zeit verlanget, indeſſen getroſt und unermuͤdet fort gefahren mit ſtillem Ernſt, alldieweil wo der Ernſt nachlaſſet, da nimmt ſo bald auch das Perlein im Wachſen ab, und entfernet ſich mehr von ſeiner Zeitigung, als daß es darzu naͤhere, dann GOtt iſt gerecht in allen ſeinen Wegen mit den Men- ſchen-Kinderen, es ſchauret zwar die Natur, ſich hinein zu laſſen in das tieffe Meer der voͤlligen Ubergab, aber wie iſt ihm zu thun, ent- weder muſt du der Perl entbaͤhren, oder dich dazu bequemen.
Dancke du dem allerhoͤchſten GOtt der Himmel und Erden be- ſitzt, daß dir erlaubt wird in ſeine Liebe hinein zu fahren, und daß dir ein Ort vergoͤnnet iſt, den der Geiſter Schaar, die neidiſche Spio- nen nicht wiſſen, ſonſt wurden ſie der zarten ſchwachen Geburt nicht im geringſten ſchonen, ſondern ihr das Lebens-Licht ohne Saumen ausloͤſchen, darum bleibe inn bey deinem GOtt, biß ſeine Balſam- Krafft alles an dir veraͤnderet, und durchgetrungen hat.
auch in den hoͤch ſten An- fechtun- gen.
§. 7. Jnzwiſchen geſtehe ich dir du liebes Hertz, daß der arge Feind mit ſeinen Anfechtungen, und die Welt mit ihren Reitzungen Hauf- fen-weiſe und grimmig auf uns loß ſtuͤrmet, eben wie die ungeheure Meer-Thiere auf die Perlen-Fiſcher, alsdann inſonderheit die Seel ihre ſchnoͤde Unwuͤrdigkeit empfinden muß, und an der Perlen-Geburt vaſt verzagen, mithin kommt ihr alles Vergangene vor als ein fal- ſcher Wahn, doch blitzet JEſus nach ſolchen Zweiffels-Schatten, noch ſchoͤner hervor, alſo daß der Menſch nichts hat von allem ſei- nem Thun, und iſt nur ein ſchlechter begoͤnſtigter Bettler oder Gra- tianer; Es iſt nicht zu beſchreiben was vor einen Himmels-ſchoͤnen Zuſatz, die Perle in dergleichen Anſtoͤſſen und Proben empfangt, zu- mahl das Perlen-Zweiglein deſto bas in GOtt einwurtzlet, wann es die Sturm-Winde fein wacker hin und her drehen, ja was nicht durch Anfechtung wohl auspolieret wird, ach das iſt bey vielen kein Per- lein nicht, ſondern nur bloß ein ſchlechtes Glaß, mit Silber-Schaum beſchmieret, was von denen Auſſatz-Flecken gantz rein ſeyn will, das muß ſieben mal im Jordan hinunter getaucht werden, und ins Buß- Meer hinabfahren, biß es in der Angſt den ſuͤſſen Liebes-Grund des
Gna-
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Betrachtungen
es noch bey ſeiner Mutter ſeyn, mit einer unzeitigen Geburt waͤre
dir ſchlecht gedienet, es iſt dir je ſeeliger zu warten und im Gebett
anzuhalten, biß es reiff iſt, ſonſt moͤchte wohl die Freude nicht laͤn-
ger waͤren, als biß du zu Verſtaͤndigeren kaͤmeſt, die der Sach beſ-
ſer abgewartet, und nichts vor der rechten Zeit verlanget, indeſſen
getroſt und unermuͤdet fort gefahren mit ſtillem Ernſt, alldieweil wo
der Ernſt nachlaſſet, da nimmt ſo bald auch das Perlein im Wachſen
ab, und entfernet ſich mehr von ſeiner Zeitigung, als daß es darzu
naͤhere, dann GOtt iſt gerecht in allen ſeinen Wegen mit den Men-
ſchen-Kinderen, es ſchauret zwar die Natur, ſich hinein zu laſſen in
das tieffe Meer der voͤlligen Ubergab, aber wie iſt ihm zu thun, ent-
weder muſt du der Perl entbaͤhren, oder dich dazu bequemen.
Dancke du dem allerhoͤchſten GOtt der Himmel und Erden be-
ſitzt, daß dir erlaubt wird in ſeine Liebe hinein zu fahren, und daß dir
ein Ort vergoͤnnet iſt, den der Geiſter Schaar, die neidiſche Spio-
nen nicht wiſſen, ſonſt wurden ſie der zarten ſchwachen Geburt nicht
im geringſten ſchonen, ſondern ihr das Lebens-Licht ohne Saumen
ausloͤſchen, darum bleibe inn bey deinem GOtt, biß ſeine Balſam-
Krafft alles an dir veraͤnderet, und durchgetrungen hat.
§. 7. Jnzwiſchen geſtehe ich dir du liebes Hertz, daß der arge Feind
mit ſeinen Anfechtungen, und die Welt mit ihren Reitzungen Hauf-
fen-weiſe und grimmig auf uns loß ſtuͤrmet, eben wie die ungeheure
Meer-Thiere auf die Perlen-Fiſcher, alsdann inſonderheit die Seel
ihre ſchnoͤde Unwuͤrdigkeit empfinden muß, und an der Perlen-Geburt
vaſt verzagen, mithin kommt ihr alles Vergangene vor als ein fal-
ſcher Wahn, doch blitzet JEſus nach ſolchen Zweiffels-Schatten,
noch ſchoͤner hervor, alſo daß der Menſch nichts hat von allem ſei-
nem Thun, und iſt nur ein ſchlechter begoͤnſtigter Bettler oder Gra-
tianer; Es iſt nicht zu beſchreiben was vor einen Himmels-ſchoͤnen
Zuſatz, die Perle in dergleichen Anſtoͤſſen und Proben empfangt, zu-
mahl das Perlen-Zweiglein deſto bas in GOtt einwurtzlet, wann es
die Sturm-Winde fein wacker hin und her drehen, ja was nicht durch
Anfechtung wohl auspolieret wird, ach das iſt bey vielen kein Per-
lein nicht, ſondern nur bloß ein ſchlechtes Glaß, mit Silber-Schaum
beſchmieret, was von denen Auſſatz-Flecken gantz rein ſeyn will, das
muß ſieben mal im Jordan hinunter getaucht werden, und ins Buß-
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 904. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1000>, abgerufen am 22.11.2024.
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