Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Als zu Anfang des siebenjährigen Krieges die braven sächsischen Truppen im Lager bei Pirna entwaffnet wurden, die Soldaten gezwungen in die Reihen ihrer Feinde traten, die Offiziere aber ihr Ehrenwort geben mußten, nicht gegen Friedrich zu dienen, kehrte der Hauptmann von Pistor nach Dresden zurück, das er voll trüber Ahnung verlassen hatte, um in jenem Feldlager ein entmuthigendes Schicksal zu erwarten. Es gab in der entwaffneten Armee mehrere Individuen, die das gegebene Wort zu brechen nicht für ehrlos hielten; er beneidete sie um ihre Ueberzeugung, aber er konnte sie nicht theilen, und seine ehrwürdige Mutter gab ihm Recht. Er beschloß also, die Welt, die ihn jetzt schwer verletzte, bei den Wissenschaften zu vergessen und sein mäßiges Vermögen durch schriftstellerische Arbeiten zu mehren, bis er den früheren Beruf wieder ergreifen dürfe. Nachdem diese Hoffnungen in seiner Seele Wurzel gefaßt hatten, schloß sich seinen Träumen eine noch schönere auf: der ruhige Besitz der Geliebten, mit der ihn eine frühere Jugendneigung verband. Mariane Ellinger war die Gespielin seiner verstorbenen Schwester Als zu Anfang des siebenjährigen Krieges die braven sächsischen Truppen im Lager bei Pirna entwaffnet wurden, die Soldaten gezwungen in die Reihen ihrer Feinde traten, die Offiziere aber ihr Ehrenwort geben mußten, nicht gegen Friedrich zu dienen, kehrte der Hauptmann von Pistor nach Dresden zurück, das er voll trüber Ahnung verlassen hatte, um in jenem Feldlager ein entmuthigendes Schicksal zu erwarten. Es gab in der entwaffneten Armee mehrere Individuen, die das gegebene Wort zu brechen nicht für ehrlos hielten; er beneidete sie um ihre Ueberzeugung, aber er konnte sie nicht theilen, und seine ehrwürdige Mutter gab ihm Recht. Er beschloß also, die Welt, die ihn jetzt schwer verletzte, bei den Wissenschaften zu vergessen und sein mäßiges Vermögen durch schriftstellerische Arbeiten zu mehren, bis er den früheren Beruf wieder ergreifen dürfe. Nachdem diese Hoffnungen in seiner Seele Wurzel gefaßt hatten, schloß sich seinen Träumen eine noch schönere auf: der ruhige Besitz der Geliebten, mit der ihn eine frühere Jugendneigung verband. Mariane Ellinger war die Gespielin seiner verstorbenen Schwester <TEI> <text> <pb facs="#f0007"/> <body> <div n="1"> <p>Als zu Anfang des siebenjährigen Krieges die braven sächsischen Truppen im Lager bei Pirna entwaffnet wurden, die Soldaten gezwungen in die Reihen ihrer Feinde traten, die Offiziere aber ihr Ehrenwort geben mußten, nicht gegen Friedrich zu dienen, kehrte der Hauptmann von Pistor nach Dresden zurück, das er voll trüber Ahnung verlassen hatte, um in jenem Feldlager ein entmuthigendes Schicksal zu erwarten. Es gab in der entwaffneten Armee mehrere Individuen, die das gegebene Wort zu brechen nicht für ehrlos hielten; er beneidete sie um ihre Ueberzeugung, aber er konnte sie nicht theilen, und seine ehrwürdige Mutter gab ihm Recht. Er beschloß also, die Welt, die ihn jetzt schwer verletzte, bei den Wissenschaften zu vergessen und sein mäßiges Vermögen durch schriftstellerische Arbeiten zu mehren, bis er den früheren Beruf wieder ergreifen dürfe. Nachdem diese Hoffnungen in seiner Seele Wurzel gefaßt hatten, schloß sich seinen Träumen eine noch schönere auf: der ruhige Besitz der Geliebten, mit der ihn eine frühere Jugendneigung verband. Mariane Ellinger war die Gespielin seiner verstorbenen Schwester<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Als zu Anfang des siebenjährigen Krieges die braven sächsischen Truppen im Lager bei Pirna entwaffnet wurden, die Soldaten gezwungen in die Reihen ihrer Feinde traten, die Offiziere aber ihr Ehrenwort geben mußten, nicht gegen Friedrich zu dienen, kehrte der Hauptmann von Pistor nach Dresden zurück, das er voll trüber Ahnung verlassen hatte, um in jenem Feldlager ein entmuthigendes Schicksal zu erwarten. Es gab in der entwaffneten Armee mehrere Individuen, die das gegebene Wort zu brechen nicht für ehrlos hielten; er beneidete sie um ihre Ueberzeugung, aber er konnte sie nicht theilen, und seine ehrwürdige Mutter gab ihm Recht. Er beschloß also, die Welt, die ihn jetzt schwer verletzte, bei den Wissenschaften zu vergessen und sein mäßiges Vermögen durch schriftstellerische Arbeiten zu mehren, bis er den früheren Beruf wieder ergreifen dürfe. Nachdem diese Hoffnungen in seiner Seele Wurzel gefaßt hatten, schloß sich seinen Träumen eine noch schönere auf: der ruhige Besitz der Geliebten, mit der ihn eine frühere Jugendneigung verband. Mariane Ellinger war die Gespielin seiner verstorbenen Schwester
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Zitationshilfe: | Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/7>, abgerufen am 16.07.2024. |