Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680.SOPHONISBE. Zeuch deinen Helden-Arm nicht von Carchedon ab. Tychaeus. Jch wil ihr Beystand sein/ dein Priester bis ins Grab. 385 Sophon. So sterb' ich hochvergnügt. Dis kummerhaffte Leben Kan uns mehr keine Lust/ die Zeit kein Heil mehr geben. Mit meinem Syphax ging mir meine Glücks-Sonn' auf/ Jtzt sinckt sie auch mit ihm; und rennt mit schnellen Lauf Aufs Meer des Unglücks zu/ aus dem nur Dünste steigen/ 390Die überm Haupte Blitz/ in Augen Trähnen zeugen; Ob's Hertze schon mehr Blutt/ als jenes Wasser weint/ Nicht: daß der Himmel mir mit schwartzen Sternen scheint/ Nicht: daß man Perl' und Gold von unser Scheutel scheidet/ Nicht: daß für Purper uns ein Sterbekittel kleidet/ 395Nein! nur der Kinder Fall/ der Freinde Leid und Schmertz Verwundet meine Brust/ durchschneidet Seel und Hertz. Ach! daß mein Fessel euch die Freyheit könt' erwerben! Mein Blut sein euer Heil! Wir wolten froher sterben/ Mit Lust der Römer Joch den Achseln legen an! 400Ach! aber schnöder Trost! Nichts/ als der Tod nur kan Der Freyheits-Ancker sein/ des Elends Hafen werden. Spar't/ liebsten Freinde spart die ängstigen Gebehrden. Ein steiler Felß und Geist weicht Sturm und Glücke nicht. Die Eiche trotzt den Wind/ der weiche Pappeln bricht. 405Hertzliebste Kinder kommt/ kommt laßt euch mich umbarmen/ Den letzten Kuß gewehrn. Die Götter woll's erbarmen: Daß ich ihr Freund' euch Trost- und Hülfloß lassen muß. Kommt und gesegnet uns auch noch durch einen Kuß. Himilco hier nimm dir den Ring mit unserm Siegel 410Dir zum Gedächtnüs hin; und Euch zu einem Spiegel Daß des Verhängnüsses Hand alle Siegel bricht/ Oft uns ein Augenblick verleschet Glück' und Licht. Micipsa hier empfing zu süssem Angedencken Der Sophonisbe Bild. Die Steine/ die umbschrencken 415Mit Sternen-hellem Glantz' ihr Antlitz/ deuten an: Daß auch ein Diamant zum Kiesel werden kan. Orynthie nimm hin dis Kleinod: Elenisse Dis Halßband/ Agathe den Ring/ und so viel Küsse Als ein itzt sterbend Mund euch zu gewehren weiß. 420 Orynthia. Mein Hertze wird mir kalt/ und alle Glieder Eiß. Sophon.
SOPHONISBE. Zeuch deinen Helden-Arm nicht von Carchedon ab. Tychæus. Jch wil ihr Beyſtand ſein/ dein Prieſter bis ins Grab. 385 Sophon. So ſterb’ ich hochvergnuͤgt. Dis kummerhaffte Leben Kan uns mehr keine Luſt/ die Zeit kein Heil mehr geben. Mit meinem Syphax ging mir meine Gluͤcks-Sonn’ auf/ Jtzt ſinckt ſie auch mit ihm; und rennt mit ſchnellen Lauf Aufs Meer des Ungluͤcks zu/ aus dem nur Duͤnſte ſteigen/ 390Die uͤberm Haupte Blitz/ in Augen Traͤhnen zeugen; Ob’s Hertze ſchon mehr Blutt/ als jenes Waſſer weint/ Nicht: daß der Himmel mir mit ſchwartzen Sternen ſcheint/ Nicht: daß man Perl’ und Gold von unſer Scheutel ſcheidet/ Nicht: daß fuͤr Purper uns ein Sterbekittel kleidet/ 395Nein! nur der Kinder Fall/ der Freinde Leid und Schmertz Verwundet meine Bruſt/ durchſchneidet Seel und Hertz. Ach! daß mein Feſſel euch die Freyheit koͤnt’ erwerben! Mein Blut ſein euer Heil! Wir wolten froher ſterben/ Mit Luſt der Roͤmer Joch den Achſeln legen an! 400Ach! aber ſchnoͤder Troſt! Nichts/ als der Tod nur kan Der Freyheits-Ancker ſein/ des Elends Hafen werden. Spar’t/ liebſten Freinde ſpart die aͤngſtigen Gebehrden. Ein ſteiler Felß und Geiſt weicht Sturm und Gluͤcke nicht. Die Eiche trotzt den Wind/ der weiche Pappeln bricht. 405Hertzliebſte Kinder kom̃t/ kom̃t laßt euch mich umbarmen/ Den letzten Kuß gewehrn. Die Goͤtter woll’s erbarmen: Daß ich ihr Freund’ euch Troſt- und Huͤlfloß laſſen muß. Kom̃t und geſegnet uns auch noch durch einen Kuß. Himilco hier nim̃ dir den Ring mit unſerm Siegel 410Dir zum Gedaͤchtnuͤs hin; und Euch zu einem Spiegel Daß des Verhaͤngnuͤſſes Hand alle Siegel bricht/ Oft uns ein Augenblick verleſchet Gluͤck’ und Licht. Micipſa hier empfing zu ſuͤſſem Angedencken Der Sophonisbe Bild. Die Steine/ die umbſchrencken 415Mit Sternen-hellem Glantz’ ihr Antlitz/ deuten an: Daß auch ein Diamant zum Kieſel werden kan. Orynthie nim̃ hin dis Kleinod: Eleniſſe Dis Halßband/ Agathe den Ring/ und ſo viel Kuͤſſe Als ein itzt ſterbend Mund euch zu gewehren weiß. 420 Orynthia. Mein Hertze wird mir kalt/ und alle Glieder Eiß. Sophon.
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SOPHONISBE.
Zeuch deinen Helden-Arm nicht von Carchedon ab.
Tychæus. Jch wil ihr Beyſtand ſein/ dein Prieſter bis ins Grab.
Sophon. So ſterb’ ich hochvergnuͤgt. Dis kummerhaffte Leben
Kan uns mehr keine Luſt/ die Zeit kein Heil mehr geben.
Mit meinem Syphax ging mir meine Gluͤcks-Sonn’ auf/
Jtzt ſinckt ſie auch mit ihm; und rennt mit ſchnellen Lauf
Aufs Meer des Ungluͤcks zu/ aus dem nur Duͤnſte ſteigen/
Die uͤberm Haupte Blitz/ in Augen Traͤhnen zeugen;
Ob’s Hertze ſchon mehr Blutt/ als jenes Waſſer weint/
Nicht: daß der Himmel mir mit ſchwartzen Sternen ſcheint/
Nicht: daß man Perl’ und Gold von unſer Scheutel ſcheidet/
Nicht: daß fuͤr Purper uns ein Sterbekittel kleidet/
Nein! nur der Kinder Fall/ der Freinde Leid und Schmertz
Verwundet meine Bruſt/ durchſchneidet Seel und Hertz.
Ach! daß mein Feſſel euch die Freyheit koͤnt’ erwerben!
Mein Blut ſein euer Heil! Wir wolten froher ſterben/
Mit Luſt der Roͤmer Joch den Achſeln legen an!
Ach! aber ſchnoͤder Troſt! Nichts/ als der Tod nur kan
Der Freyheits-Ancker ſein/ des Elends Hafen werden.
Spar’t/ liebſten Freinde ſpart die aͤngſtigen Gebehrden.
Ein ſteiler Felß und Geiſt weicht Sturm und Gluͤcke nicht.
Die Eiche trotzt den Wind/ der weiche Pappeln bricht.
Hertzliebſte Kinder kom̃t/ kom̃t laßt euch mich umbarmen/
Den letzten Kuß gewehrn. Die Goͤtter woll’s erbarmen:
Daß ich ihr Freund’ euch Troſt- und Huͤlfloß laſſen muß.
Kom̃t und geſegnet uns auch noch durch einen Kuß.
Himilco hier nim̃ dir den Ring mit unſerm Siegel
Dir zum Gedaͤchtnuͤs hin; und Euch zu einem Spiegel
Daß des Verhaͤngnuͤſſes Hand alle Siegel bricht/
Oft uns ein Augenblick verleſchet Gluͤck’ und Licht.
Micipſa hier empfing zu ſuͤſſem Angedencken
Der Sophonisbe Bild. Die Steine/ die umbſchrencken
Mit Sternen-hellem Glantz’ ihr Antlitz/ deuten an:
Daß auch ein Diamant zum Kieſel werden kan.
Orynthie nim̃ hin dis Kleinod: Eleniſſe
Dis Halßband/ Agathe den Ring/ und ſo viel Kuͤſſe
Als ein itzt ſterbend Mund euch zu gewehren weiß.
Orynthia. Mein Hertze wird mir kalt/ und alle Glieder Eiß.
Sophon.
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_sophonisbe_1680/127>, abgerufen am 29.07.2024. |