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Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

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505Mein Kind/ wenn Klugheit wil was Fruchtbar's geben an/
So prüf't sie vor die Zeit. Die beste Salbe kan.
Zur Unzeit werden Gift/ entzünden Beul- und Wunden
Gesätzt: daß Essig muß auf Schwere seyn gebunden/
Die Meineyd hat gezeug't: so dreu't diß noch nicht itzt/
510Da die Versamleten die Mänge reitz't und schütz't.
2. Cadi. Mein Fürst der Mufti heißt mich ihm diß Tessa bringen.
Ibrah. Wohin wird sich der Hund noch durch den Hochmuth schwingen?
Doch laß't uns schau'n: was uns der Meineyds-stifter schreib't.
"Jm Fall Fürst Jbrahim verstock't und außen bleib't/
515"Sich wider das Gesetz und's Divans Rath auflehnet;
"Sey er hierdurch des Reichs verlustig und entkröhnet.
Verdammte Lästerung! Besorgstu Bube nicht
Ein bluttig Bothen-Lohn?
2. Cadi. Der Fürst weiß meine Pflicht.
Ibrah. Bluttstifter/ Mörder/ Hund/ Aufwickler/ Ubelthäter!
520Liß dir die Stück hier auf zur Antwort/ Ertzverräther!
Wo renn't dein Frevelmuth so blind und Rasend hin?
Welch Teufel rühr't dein Hertz/ bezaubert deinen Sinn?
Ein Sclave wag't sich's Reich dem Käyser abzusprechen?
Wie blitz't der Himmel nicht/ so mag der Abgrund brechen!
525Und diesen gist'gen Schaum der Erde schlingen ein!
Sind noch nicht Hencker dar/ die schon geschäftig seyn
Den Ertz-Dieb abzuthun/ den Schädel uns zu holen;
Kiosem. Mein Kind/ ja/ ich gesteh's: daß glüend-heisse Kohlen/
Pfal/ Schwefel/ siedend Oel für diese grause Schuld/
530Zu linde Straffen sind. Witz aber brauch't Geduld/
Wo unbesonnen Zorn und Eyfer mehr kan schaden.
Ibrah. Wil sie zum Untergang uns noch mit Schimpf beladen?
Sol ein behertzter Ries auch wachend schau'n/ und fühl'n:
Wie Zwerg ihm umb die Nas' und auf den Schultern spiel'n;
535Sol ein lebendig Beer empfinden ohne Rache:
Daß ihm ein Ameiß-Heer im Munde Rester mache?
Ein Hase rauff't den Zopf nur todten Löwen auß.
Nein/ sicher! Jbrahim leb't/ und wird noch in Grauß
Zertreten/ der ihn tritt; zermalmen/ die ihn necken.

540
Mehemet. Mein Fürst/ des Dwans Dreu'n ist nicht verächtlich Schrecken.
Das Beyspiel Mustafens lehr't: daß des Divans Rath
Die grossen Sultane Macht abzusetzen hat.
Doch hätt Er sicher ihm den Zepter nicht genommen.
Wär er auf gleichen Heiß/ nur für's Gerichte kommen.

545
Ibrah. Soll'n/ was die Mutter selbst dem Bruder widerrieth/
Wir mit mehr Schimpf itzt thun?
Kios. Mein Sohn/ er selber sih't
Und sie hat oft beschmertz't: daß sie ihm schlimm gerathen.
Ibrah. Meß't einen Jbrahim nicht nach der Arth und Thaten
Des blöden Mustasa. Der Tauben Sanftmuth sieh't
550Nicht edlen Adlern an. Ja sie Frau Mutter geh't
Mir mit was Ruhmbar'n für/ als sie umb schlecht Verbrechen
Den Halß dem Mustafa dem Groß-Visier ließ brechen/
So warf auch Amurath vom Haupte die Gefahr
Mit's Regep Bassa Kopf/ als er entschlossen war/
555Statt unsers Bruders uns auf Oßmans Stul zu heben.
Mehemet. Die samptlich können ihm hier keine Richtschnur geben/
Weil er hier mit Gewalt werckstellig machen wil
Auf ein gewafnet Volck; diß/ was dort/ da das Ziel
Der Rache war ein Kopf/ mit List ward außgeübet.

560
Ibrah. Wenn wider Fürsten sich der Pösel aufleh'nt/ giebet
Dem Fürsten nichts mehr Sieg/ dem Aufruhr grössern Stoß;
Als wenn ein Fürst behertz't dring't auf den Haussen loß.
Dem Sultan Oßman hat nichts als die Furcht gefället/
Denn hätt er als ein Held zur Wehre sich gestellet/
565Die Majestät nicht weg geleget und besteck't/
Jn eines Spahi Kleid in Winckeln sich versteck't;
Kein Mörder hätte nicht ihn Mördrisch zu bespringen
Meineydig sich erküh'nt.
3. Cadi. Jch sol dem Käyser bringen
Vom Divan diese Schrift.
Ibrah. Hör't die verdammte Schaar
570Richt von dem Wahnwitz auf? Sind keine Schergen dar/
Die Schrift/ die nicht ist werth des Lesens/ zuverbrennen?
Kiosem. "Man les'erst/ was sie such't.
Ibrah. Der Divan muß erkennen
"Wer das Gesätz und Recht des Divans nicht nimmt an/
"Der ist kein Sultan mehr/ in auch kein Musulman.
Ver-
E iij
505Mein Kind/ wenn Klugheit wil was Fruchtbar’s geben an/
So pruͤf’t ſie vor die Zeit. Die beſte Salbe kan.
Zur Unzeit werden Gift/ entzuͤnden Beul- und Wunden
Geſaͤtzt: daß Eſſig muß auf Schwere ſeyn gebunden/
Die Meineyd hat gezeug’t: ſo dreu’t diß noch nicht itzt/
510Da die Verſamleten die Maͤnge reitz’t und ſchuͤtz’t.
2. Cadi. Mein Fuͤrſt der Mufti heißt mich ihm diß Teſſa bringen.
Ibrah. Wohin wird ſich der Hund noch durch den Hochmuth ſchwingen?
Doch laß’t uns ſchau’n: was uns der Meineyds-ſtifter ſchreib’t.
„Jm Fall Fuͤrſt Jbrahim verſtock’t und außen bleib’t/
515„Sich wider das Geſetz und’s Divans Rath auflehnet;
„Sey er hierdurch des Reichs verluſtig und entkroͤhnet.
Verdammte Laͤſterung! Beſorgſtu Bube nicht
Ein bluttig Bothen-Lohn?
2. Cadi. Der Fuͤrſt weiß meine Pflicht.
Ibrah. Bluttſtifter/ Moͤrder/ Hund/ Aufwickler/ Ubelthaͤter!
520Liß dir die Stuͤck hier auf zur Antwort/ Ertzverraͤther!
Wo renn’t dein Frevelmuth ſo blind und Raſend hin?
Welch Teufel ruͤhr’t dein Hertz/ bezaubert deinen Sinn?
Ein Sclave wag’t ſich’s Reich dem Kaͤyſer abzuſprechen?
Wie blitz’t der Himmel nicht/ ſo mag der Abgrund brechen!
525Und dieſen giſt’gen Schaum der Erde ſchlingen ein!
Sind noch nicht Hencker dar/ die ſchon geſchaͤftig ſeyn
Den Ertz-Dieb abzuthun/ den Schaͤdel uns zu holen;
Kioſem. Mein Kind/ ja/ ich geſteh’s: daß gluͤend-heiſſe Kohlen/
Pfal/ Schwefel/ ſiedend Oel fuͤr dieſe grauſe Schuld/
530Zu linde Straffen ſind. Witz aber brauch’t Geduld/
Wo unbeſonnen Zorn und Eyfer mehr kan ſchaden.
Ibrah. Wil ſie zum Untergang uns noch mit Schimpf beladen?
Sol ein behertzter Rieſ auch wachend ſchau’n/ und fuͤhl’n:
Wie Zwerg ihm umb die Naſ’ und auf den Schultern ſpiel’n;
535Sol ein lebendig Beer empfinden ohne Rache:
Daß ihm ein Ameiß-Heer im Munde Reſter mache?
Ein Haſe rauff’t den Zopf nur todten Loͤwen auß.
Nein/ ſicher! Jbrahim leb’t/ und wird noch in Grauß
Zertreten/ der ihn tritt; zermalmen/ die ihn necken.

540
Mehemet. Mein Fuͤrſt/ des Dwans Dreu’n iſt nicht veraͤchtlich Schrecken.
Das Beyſpiel Muſtafens lehr’t: daß des Divans Rath
Die groſſen Sultane Macht abzuſetzen hat.
Doch haͤtt Er ſicher ihm den Zepter nicht genommen.
Waͤr er auf gleichen Heiß/ nur fuͤr’s Gerichte kommen.

545
Ibrah. Soll’n/ was die Mutter ſelbſt dem Bruder widerrieth/
Wir mit mehr Schimpf itzt thun?
Kioſ. Mein Sohn/ er ſelber ſih’t
Und ſie hat oft beſchmertz’t: daß ſie ihm ſchlimm gerathen.
Ibrah. Meß’t einen Jbrahim nicht nach der Arth und Thaten
Des bloͤden Muſtaſa. Der Tauben Sanftmuth ſieh’t
550Nicht edlen Adlern an. Ja ſie Frau Mutter geh’t
Mir mit was Ruhmbar’n fuͤr/ als ſie umb ſchlecht Verbrechen
Den Halß dem Muſtafa dem Groß-Viſier ließ brechen/
So warf auch Amurath vom Haupte die Gefahr
Mit’s Regep Baſſa Kopf/ als er entſchloſſen war/
555Statt unſers Bruders uns auf Oßmans Stul zu heben.
Mehemet. Die ſamptlich koͤnnen ihm hier keine Richtſchnur geben/
Weil er hier mit Gewalt werckſtellig machen wil
Auf ein gewafnet Volck; diß/ was dort/ da das Ziel
Der Rache war ein Kopf/ mit Liſt ward außgeuͤbet.

560
Ibrah. Wenn wider Fuͤrſten ſich der Poͤſel aufleh’nt/ giebet
Dem Fuͤrſten nichts mehr Sieg/ dem Aufruhr groͤſſern Stoß;
Als wenn ein Fuͤrſt behertz’t dring’t auf den Hauſſen loß.
Dem Sultan Oßman hat nichts als die Furcht gefaͤllet/
Denn haͤtt er als ein Held zur Wehre ſich geſtellet/
565Die Majeſtaͤt nicht weg geleget und beſteck’t/
Jn eines Spahi Kleid in Winckeln ſich verſteck’t;
Kein Moͤrder haͤtte nicht ihn Moͤrdriſch zu beſpringen
Meineydig ſich erkuͤh’nt.
3. Cadi. Jch ſol dem Kaͤyſer bringen
Vom Divan dieſe Schrift.
Ibrah. Hoͤr’t die verdammte Schaar
570Richt von dem Wahnwitz auf? Sind keine Schergen dar/
Die Schrift/ die nicht iſt werth des Leſens/ zuverbrennen?
Kioſem. „Man leſ’erſt/ was ſie ſuch’t.
Ibrah. Der Divan muß erkennen
„Wer das Geſaͤtz und Recht des Divans nicht nimmt an/
„Der iſt kein Sultan mehr/ in auch kein Muſulman.
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[53/0071] Mein Kind/ wenn Klugheit wil was Fruchtbar’s geben an/ So pruͤf’t ſie vor die Zeit. Die beſte Salbe kan. Zur Unzeit werden Gift/ entzuͤnden Beul- und Wunden Geſaͤtzt: daß Eſſig muß auf Schwere ſeyn gebunden/ Die Meineyd hat gezeug’t: ſo dreu’t diß noch nicht itzt/ Da die Verſamleten die Maͤnge reitz’t und ſchuͤtz’t. 2. Cadi. Mein Fuͤrſt der Mufti heißt mich ihm diß Teſſa bringen. Ibrah. Wohin wird ſich der Hund noch durch den Hochmuth ſchwingen? Doch laß’t uns ſchau’n: was uns der Meineyds-ſtifter ſchreib’t. „Jm Fall Fuͤrſt Jbrahim verſtock’t und außen bleib’t/ „Sich wider das Geſetz und’s Divans Rath auflehnet; „Sey er hierdurch des Reichs verluſtig und entkroͤhnet. Verdammte Laͤſterung! Beſorgſtu Bube nicht Ein bluttig Bothen-Lohn? 2. Cadi. Der Fuͤrſt weiß meine Pflicht. Ibrah. Bluttſtifter/ Moͤrder/ Hund/ Aufwickler/ Ubelthaͤter! Liß dir die Stuͤck hier auf zur Antwort/ Ertzverraͤther! Wo renn’t dein Frevelmuth ſo blind und Raſend hin? Welch Teufel ruͤhr’t dein Hertz/ bezaubert deinen Sinn? Ein Sclave wag’t ſich’s Reich dem Kaͤyſer abzuſprechen? Wie blitz’t der Himmel nicht/ ſo mag der Abgrund brechen! Und dieſen giſt’gen Schaum der Erde ſchlingen ein! Sind noch nicht Hencker dar/ die ſchon geſchaͤftig ſeyn Den Ertz-Dieb abzuthun/ den Schaͤdel uns zu holen; Kioſem. Mein Kind/ ja/ ich geſteh’s: daß gluͤend-heiſſe Kohlen/ Pfal/ Schwefel/ ſiedend Oel fuͤr dieſe grauſe Schuld/ Zu linde Straffen ſind. Witz aber brauch’t Geduld/ Wo unbeſonnen Zorn und Eyfer mehr kan ſchaden. Ibrah. Wil ſie zum Untergang uns noch mit Schimpf beladen? Sol ein behertzter Rieſ auch wachend ſchau’n/ und fuͤhl’n: Wie Zwerg ihm umb die Naſ’ und auf den Schultern ſpiel’n; Sol ein lebendig Beer empfinden ohne Rache: Daß ihm ein Ameiß-Heer im Munde Reſter mache? Ein Haſe rauff’t den Zopf nur todten Loͤwen auß. Nein/ ſicher! Jbrahim leb’t/ und wird noch in Grauß Zertreten/ der ihn tritt; zermalmen/ die ihn necken. Mehemet. Mein Fuͤrſt/ des Dwans Dreu’n iſt nicht veraͤchtlich Schrecken. Das Beyſpiel Muſtafens lehr’t: daß des Divans Rath Die groſſen Sultane Macht abzuſetzen hat. Doch haͤtt Er ſicher ihm den Zepter nicht genommen. Waͤr er auf gleichen Heiß/ nur fuͤr’s Gerichte kommen. Ibrah. Soll’n/ was die Mutter ſelbſt dem Bruder widerrieth/ Wir mit mehr Schimpf itzt thun? Kioſ. Mein Sohn/ er ſelber ſih’t Und ſie hat oft beſchmertz’t: daß ſie ihm ſchlimm gerathen. Ibrah. Meß’t einen Jbrahim nicht nach der Arth und Thaten Des bloͤden Muſtaſa. Der Tauben Sanftmuth ſieh’t Nicht edlen Adlern an. Ja ſie Frau Mutter geh’t Mir mit was Ruhmbar’n fuͤr/ als ſie umb ſchlecht Verbrechen Den Halß dem Muſtafa dem Groß-Viſier ließ brechen/ So warf auch Amurath vom Haupte die Gefahr Mit’s Regep Baſſa Kopf/ als er entſchloſſen war/ Statt unſers Bruders uns auf Oßmans Stul zu heben. Mehemet. Die ſamptlich koͤnnen ihm hier keine Richtſchnur geben/ Weil er hier mit Gewalt werckſtellig machen wil Auf ein gewafnet Volck; diß/ was dort/ da das Ziel Der Rache war ein Kopf/ mit Liſt ward außgeuͤbet. Ibrah. Wenn wider Fuͤrſten ſich der Poͤſel aufleh’nt/ giebet Dem Fuͤrſten nichts mehr Sieg/ dem Aufruhr groͤſſern Stoß; Als wenn ein Fuͤrſt behertz’t dring’t auf den Hauſſen loß. Dem Sultan Oßman hat nichts als die Furcht gefaͤllet/ Denn haͤtt er als ein Held zur Wehre ſich geſtellet/ Die Majeſtaͤt nicht weg geleget und beſteck’t/ Jn eines Spahi Kleid in Winckeln ſich verſteck’t; Kein Moͤrder haͤtte nicht ihn Moͤrdriſch zu beſpringen Meineydig ſich erkuͤh’nt. 3. Cadi. Jch ſol dem Kaͤyſer bringen Vom Divan dieſe Schrift. Ibrah. Hoͤr’t die verdammte Schaar Richt von dem Wahnwitz auf? Sind keine Schergen dar/ Die Schrift/ die nicht iſt werth des Leſens/ zuverbrennen? Kioſem. „Man leſ’erſt/ was ſie ſuch’t. Ibrah. Der Divan muß erkennen „Wer das Geſaͤtz und Recht des Divans nicht nimmt an/ „Der iſt kein Sultan mehr/ in auch kein Muſulman. Ver- E iij

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/71>, abgerufen am 22.11.2024.