Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] schickte die Königin Hatta an Marius/ und er-
klärte sich: daß/ da er ihre Keuschheit zur Ent-
weihung beschirmen; sie auch zu Rom in dem
Heiligthume der Vestalischen Jungfrauen be-
wahren wolte; wären sie erböthig sich zu er geben/
und sich allen Vestalischen Gesetzen zu unter-
werffen. Denn das deutsche Frauenzimmer
setzte die Freyheit dem Leben/ die Keuschheit a-
ber beyden für; welche/ wie sie hörten/ zu Rom
unter dem Nahmen der Vesta göttlich verehret
würde. Ohne dieser Verunehrung könte er
ihrem an dem Kriege keine Schuld habendem
Geschlechte ihre Bitte nicht abschlagen; welches
er ohne diß nach überwundenen Männern oh-
ne Schimpff nicht bekriegen könte. Zumal er
ohne diß sich nur ihrer Leiber bemächtigen kön-
te. Denn diese wären nur in ihrer eigenen Ge-
walt/ und ihrer Tugend kein Vortheil abzuja-
gen. Derogestalt wäre es ein weniges/ was er
ihnen liesse; wenn er ihnen aber nichts gebe; wür-
de ihm auch von ihnen nichts zu statten kommen.
Aber der rauhe Marius antwortete ihnen: die-
ses Heiligthum wäre für so wilde Weiber nicht
gewiedmet. Dieses verursachte; daß sie im An-
gesichte der Römer ihre zarten Kinder an die
Felsen und Wagen schmetterten; dieselben auch/
welche nicht zum fechten geschickt waren/ sich
an die Bäume auffhingen/ und hierzu an
statt der Stricke ihre abgeschnittene Haare
brauchten. Unter andern war eine edle Frau/
welche ihre zwey kleinen Söhne an ihre Füße/
und sich mit ihnen an eine Deichsel hing; vor-
gebende: daß nichts/ waran ihre Kinder hen-
cken solten/ als diß/ worvon sie ihr Leben be-
kommen/ würdig wäre. Die übrigen Frauen
aber fielen die Römer wie wütende Thiere an;
und geselleten ihren abscheidenden Geistern
noch nicht wenig feindliche zu; halffen auch hier-
durch: daß Hertzog Merodach/ weil Claudicus
in der Flucht ebenfalls gefangen ward/ mit noch
dreißig tausend Mann in die Lepontischen und
Penninischen Alpen entrann. Der Deutschen
[Spaltenumbruch] waren siebzig tausend erschlagen/ dreißig tausend
gefangen. Auff Römischer Seite blieben etli-
che dreißig tausend; also sich über die Römischen
Geschichtschreiber zu verwundern; die sich nicht
schämen die deutsche Niederlage noch zweymal
grösser zu machen; hingegen zu tichten: daß
der Römer nicht vor voll dreyhundert erlegt
worden wären; da doch ihrer mehr als zweytau-
send von Weibern erschlagen worden. Die Kö-
nigin Hatta stach ihr selbst/ weil die Römischen
Befehlhaber sie nicht zu tödten/ sondern gefan-
gen zu nehmen verordneten/ ihr eigenes
Schwerd in die Brüste. Jhr Leib ward her-
nach von denen gefangenen Barden mit Er-
laubnis des Marius in eine nahe dabey befind-
liche Höle begraben; und zu ihrem Gedächtniße
in einen Felsen eingehauen:

Als Hatta sich ersiach/ rieff sie: Schwerd/ Leiche Seele/
Seyd Zeugen meiner Scham/ beym Feinde/ Mann und Gott.
So preist nun/ nicht beweint dieselbe/ welcher Todt
Hat Zeugniß ausf der We[l]t/ im Himmel/ in der Höle.

Zu Rom war über diesem Siege/ von dem
die Römer hernach abergläubisch getichtet ha-
ben: daß selbten eben selbigen Tag zwey mit
Lorbern gekräntzte Jünglinge bey dem Heilig-
thume des Castors und Pollux zu Rom ver-
kündiget hätten/ so grosse Freude: daß das Volck
nicht nur den Göttern/ sondern auch dem Ma-
rius opfferten; ja bey ankommender Zeitung
kein Bürger in Rom war/ der ihn nicht unter
die Zahl der Götter rechnete. Der Rath mu-
ste ihn aufs neue zum Bürgermeister bestätigen;
sein Geschlechte/ weil er eines Tagelöhners
Sohn war/ unter die Edelsten zehlen; ihn nach
dem Romulus und Camillus den dritten Vater
der Stadt Rom nennen/ und ein zweyfaches
Siegs-Gepränge ihm zueignen; wiewol er sich
an einem/ darzu er auch den Catulus zum Ge-
ferthen nahm/ vergnügte; und dadurch etlicher
massen die Verdüsterung des Catulus entschul-
digte/ dessen Heer ein und dreißig/ des Marius

aber

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſchickte die Koͤnigin Hatta an Marius/ und er-
klaͤrte ſich: daß/ da er ihre Keuſchheit zur Ent-
weihung beſchirmen; ſie auch zu Rom in dem
Heiligthume der Veſtaliſchen Jungfrauen be-
wahren wolte; waͤren ſie erboͤthig ſich zu er geben/
und ſich allen Veſtaliſchen Geſetzen zu unter-
werffen. Denn das deutſche Frauenzimmer
ſetzte die Freyheit dem Leben/ die Keuſchheit a-
ber beyden fuͤr; welche/ wie ſie hoͤrten/ zu Rom
unter dem Nahmen der Veſta goͤttlich verehret
wuͤrde. Ohne dieſer Verunehrung koͤnte er
ihrem an dem Kriege keine Schuld habendem
Geſchlechte ihre Bitte nicht abſchlagen; welches
er ohne diß nach uͤberwundenen Maͤnnern oh-
ne Schimpff nicht bekriegen koͤnte. Zumal er
ohne diß ſich nur ihrer Leiber bemaͤchtigen koͤn-
te. Denn dieſe waͤren nur in ihrer eigenen Ge-
walt/ und ihrer Tugend kein Vortheil abzuja-
gen. Derogeſtalt waͤre es ein weniges/ was er
ihnen lieſſe; wenn er ihnen aber nichts gebe; wuͤr-
de ihm auch von ihnen nichts zu ſtatten kommen.
Aber der rauhe Marius antwortete ihnen: die-
ſes Heiligthum waͤre fuͤr ſo wilde Weiber nicht
gewiedmet. Dieſes verurſachte; daß ſie im An-
geſichte der Roͤmer ihre zarten Kinder an die
Felſen und Wagen ſchmetterten; dieſelben auch/
welche nicht zum fechten geſchickt waren/ ſich
an die Baͤume auffhingen/ und hierzu an
ſtatt der Stricke ihre abgeſchnittene Haare
brauchten. Unter andern war eine edle Frau/
welche ihre zwey kleinen Soͤhne an ihre Fuͤße/
und ſich mit ihnen an eine Deichſel hing; vor-
gebende: daß nichts/ waran ihre Kinder hen-
cken ſolten/ als diß/ worvon ſie ihr Leben be-
kommen/ wuͤrdig waͤre. Die uͤbrigen Frauen
aber fielen die Roͤmer wie wuͤtende Thiere an;
und geſelleten ihren abſcheidenden Geiſtern
noch nicht wenig feindliche zu; halffen auch hier-
durch: daß Hertzog Merodach/ weil Claudicus
in der Flucht ebenfalls gefangen ward/ mit noch
dreißig tauſend Mann in die Lepontiſchen und
Penniniſchen Alpen entrann. Deꝛ Deutſchen
[Spaltenumbruch] waren ſiebzig tauſend eꝛſchlagen/ dreißig tauſend
gefangen. Auff Roͤmiſcher Seite blieben etli-
che dreißig tauſend; alſo ſich uͤbeꝛ die Roͤmiſchen
Geſchichtſchreiber zu verwundern; die ſich nicht
ſchaͤmen die deutſche Niederlage noch zweymal
groͤſſer zu machen; hingegen zu tichten: daß
der Roͤmer nicht vor voll dreyhundert erlegt
worden waͤren; da doch ihrer mehr als zweytau-
ſend von Weibern erſchlagen worden. Die Koͤ-
nigin Hatta ſtach ihr ſelbſt/ weil die Roͤmiſchen
Befehlhaber ſie nicht zu toͤdten/ ſondern gefan-
gen zu nehmen verordneten/ ihr eigenes
Schwerd in die Bruͤſte. Jhr Leib ward her-
nach von denen gefangenen Barden mit Er-
laubnis des Marius in eine nahe dabey befind-
liche Hoͤle begraben; und zu ihrem Gedaͤchtniße
in einen Felſen eingehauen:

Als Hatta ſich erſiach/ rieff ſie: Schwerd/ Leiche Seele/
Seyd Zeugen meiner Scham/ beym Feinde/ Mann und Gott.
So preiſt nun/ nicht beweint dieſelbe/ welcher Todt
Hat Zeugniß auſf der We[l]t/ im Himmel/ in der Hoͤle.

Zu Rom war uͤber dieſem Siege/ von dem
die Roͤmer hernach aberglaͤubiſch getichtet ha-
ben: daß ſelbten eben ſelbigen Tag zwey mit
Lorbern gekraͤntzte Juͤnglinge bey dem Heilig-
thume des Caſtors und Pollux zu Rom ver-
kuͤndiget haͤtten/ ſo groſſe Freude: daß das Volck
nicht nur den Goͤttern/ ſondern auch dem Ma-
rius opfferten; ja bey ankommender Zeitung
kein Buͤrger in Rom war/ der ihn nicht unter
die Zahl der Goͤtter rechnete. Der Rath mu-
ſte ihn aufs neue zum Buͤrgermeiſter beſtaͤtigen;
ſein Geſchlechte/ weil er eines Tageloͤhners
Sohn war/ unter die Edelſten zehlen; ihn nach
dem Romulus und Camillus den dritten Vater
der Stadt Rom nennen/ und ein zweyfaches
Siegs-Gepraͤnge ihm zueignen; wiewol er ſich
an einem/ darzu er auch den Catulus zum Ge-
ferthen nahm/ vergnuͤgte; und dadurch etlicher
maſſen die Verduͤſterung des Catulus entſchul-
digte/ deſſen Heer ein und dreißig/ des Marius

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0982" n="920[922]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;chickte die Ko&#x0364;nigin Hatta an Marius/ und er-<lb/>
kla&#x0364;rte &#x017F;ich: daß/ da er ihre Keu&#x017F;chheit zur Ent-<lb/>
weihung be&#x017F;chirmen; &#x017F;ie auch zu Rom in dem<lb/>
Heiligthume der Ve&#x017F;tali&#x017F;chen Jungfrauen be-<lb/>
wahren wolte; wa&#x0364;ren &#x017F;ie erbo&#x0364;thig &#x017F;ich zu er geben/<lb/>
und &#x017F;ich allen Ve&#x017F;tali&#x017F;chen Ge&#x017F;etzen zu unter-<lb/>
werffen. Denn das deut&#x017F;che Frauenzimmer<lb/>
&#x017F;etzte die Freyheit dem Leben/ die Keu&#x017F;chheit a-<lb/>
ber beyden fu&#x0364;r; welche/ wie &#x017F;ie ho&#x0364;rten/ zu Rom<lb/>
unter dem Nahmen der Ve&#x017F;ta go&#x0364;ttlich verehret<lb/>
wu&#x0364;rde. Ohne die&#x017F;er Verunehrung ko&#x0364;nte er<lb/>
ihrem an dem Kriege keine Schuld habendem<lb/>
Ge&#x017F;chlechte ihre Bitte nicht ab&#x017F;chlagen; welches<lb/>
er ohne diß nach u&#x0364;berwundenen Ma&#x0364;nnern oh-<lb/>
ne Schimpff nicht bekriegen ko&#x0364;nte. Zumal er<lb/>
ohne diß &#x017F;ich nur ihrer Leiber bema&#x0364;chtigen ko&#x0364;n-<lb/>
te. Denn die&#x017F;e wa&#x0364;ren nur in ihrer eigenen Ge-<lb/>
walt/ und ihrer Tugend kein Vortheil abzuja-<lb/>
gen. Deroge&#x017F;talt wa&#x0364;re es ein weniges/ was er<lb/>
ihnen lie&#x017F;&#x017F;e; wenn er ihnen aber nichts gebe; wu&#x0364;r-<lb/>
de ihm auch von ihnen nichts zu &#x017F;tatten kommen.<lb/>
Aber der rauhe Marius antwortete ihnen: die-<lb/>
&#x017F;es Heiligthum wa&#x0364;re fu&#x0364;r &#x017F;o wilde Weiber nicht<lb/>
gewiedmet. Die&#x017F;es verur&#x017F;achte; daß &#x017F;ie im An-<lb/>
ge&#x017F;ichte der Ro&#x0364;mer ihre zarten Kinder an die<lb/>
Fel&#x017F;en und Wagen &#x017F;chmetterten; die&#x017F;elben auch/<lb/>
welche nicht zum fechten ge&#x017F;chickt waren/ &#x017F;ich<lb/>
an die Ba&#x0364;ume auffhingen/ und hierzu an<lb/>
&#x017F;tatt der Stricke ihre abge&#x017F;chnittene Haare<lb/>
brauchten. Unter andern war eine edle Frau/<lb/>
welche ihre zwey kleinen So&#x0364;hne an ihre Fu&#x0364;ße/<lb/>
und &#x017F;ich mit ihnen an eine Deich&#x017F;el hing; vor-<lb/>
gebende: daß nichts/ waran ihre Kinder hen-<lb/>
cken &#x017F;olten/ als diß/ worvon &#x017F;ie ihr Leben be-<lb/>
kommen/ wu&#x0364;rdig wa&#x0364;re. Die u&#x0364;brigen Frauen<lb/>
aber fielen die Ro&#x0364;mer wie wu&#x0364;tende Thiere an;<lb/>
und ge&#x017F;elleten ihren ab&#x017F;cheidenden Gei&#x017F;tern<lb/>
noch nicht wenig feindliche zu; halffen auch hier-<lb/>
durch: daß Hertzog Merodach/ weil Claudicus<lb/>
in der Flucht ebenfalls gefangen ward/ mit noch<lb/>
dreißig tau&#x017F;end Mann in die Leponti&#x017F;chen und<lb/>
Pennini&#x017F;chen Alpen entrann. De&#xA75B; Deut&#x017F;chen<lb/><cb/>
waren &#x017F;iebzig tau&#x017F;end e&#xA75B;&#x017F;chlagen/ dreißig tau&#x017F;end<lb/>
gefangen. Auff Ro&#x0364;mi&#x017F;cher Seite blieben etli-<lb/>
che dreißig tau&#x017F;end; al&#x017F;o &#x017F;ich u&#x0364;be&#xA75B; die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber zu verwundern; die &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;men die deut&#x017F;che Niederlage noch zweymal<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er zu machen; hingegen zu tichten: daß<lb/>
der Ro&#x0364;mer nicht vor voll dreyhundert erlegt<lb/>
worden wa&#x0364;ren; da doch ihrer mehr als zweytau-<lb/>
&#x017F;end von Weibern er&#x017F;chlagen worden. Die Ko&#x0364;-<lb/>
nigin Hatta &#x017F;tach ihr &#x017F;elb&#x017F;t/ weil die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Befehlhaber &#x017F;ie nicht zu to&#x0364;dten/ &#x017F;ondern gefan-<lb/>
gen zu nehmen verordneten/ ihr eigenes<lb/>
Schwerd in die Bru&#x0364;&#x017F;te. Jhr Leib ward her-<lb/>
nach von denen gefangenen Barden mit Er-<lb/>
laubnis des Marius in eine nahe dabey befind-<lb/>
liche Ho&#x0364;le begraben; und zu ihrem Geda&#x0364;chtniße<lb/>
in einen Fel&#x017F;en eingehauen:</p><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Als Hatta &#x017F;ich er&#x017F;iach/ rieff &#x017F;ie: Schwerd/ Leiche Seele/</l><lb/>
            <l>Seyd Zeugen meiner Scham/ beym Feinde/ Mann und Gott.</l><lb/>
            <l>So prei&#x017F;t nun/ nicht beweint die&#x017F;elbe/ welcher Todt</l><lb/>
            <l>Hat Zeugniß au&#x017F;f der We<supplied>l</supplied>t/ im Himmel/ in der Ho&#x0364;le.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Zu Rom war u&#x0364;ber die&#x017F;em Siege/ von dem<lb/>
die Ro&#x0364;mer hernach abergla&#x0364;ubi&#x017F;ch getichtet ha-<lb/>
ben: daß &#x017F;elbten eben &#x017F;elbigen Tag zwey mit<lb/>
Lorbern gekra&#x0364;ntzte Ju&#x0364;nglinge bey dem Heilig-<lb/>
thume des Ca&#x017F;tors und Pollux zu Rom ver-<lb/>
ku&#x0364;ndiget ha&#x0364;tten/ &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Freude: daß das Volck<lb/>
nicht nur den Go&#x0364;ttern/ &#x017F;ondern auch dem Ma-<lb/>
rius opfferten; ja bey ankommender Zeitung<lb/>
kein Bu&#x0364;rger in Rom war/ der ihn nicht unter<lb/>
die Zahl der Go&#x0364;tter rechnete. Der Rath mu-<lb/>
&#x017F;te ihn aufs neue zum Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter be&#x017F;ta&#x0364;tigen;<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;chlechte/ weil er eines Tagelo&#x0364;hners<lb/>
Sohn war/ unter die Edel&#x017F;ten zehlen; ihn nach<lb/>
dem Romulus und Camillus den dritten Vater<lb/>
der Stadt Rom nennen/ und ein zweyfaches<lb/>
Siegs-Gepra&#x0364;nge ihm zueignen; wiewol er &#x017F;ich<lb/>
an einem/ darzu er auch den Catulus zum Ge-<lb/>
ferthen nahm/ vergnu&#x0364;gte; und dadurch etlicher<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en die Verdu&#x0364;&#x017F;terung des Catulus ent&#x017F;chul-<lb/>
digte/ de&#x017F;&#x017F;en Heer ein und dreißig/ des Marius<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[920[922]/0982] Sechſtes Buch ſchickte die Koͤnigin Hatta an Marius/ und er- klaͤrte ſich: daß/ da er ihre Keuſchheit zur Ent- weihung beſchirmen; ſie auch zu Rom in dem Heiligthume der Veſtaliſchen Jungfrauen be- wahren wolte; waͤren ſie erboͤthig ſich zu er geben/ und ſich allen Veſtaliſchen Geſetzen zu unter- werffen. Denn das deutſche Frauenzimmer ſetzte die Freyheit dem Leben/ die Keuſchheit a- ber beyden fuͤr; welche/ wie ſie hoͤrten/ zu Rom unter dem Nahmen der Veſta goͤttlich verehret wuͤrde. Ohne dieſer Verunehrung koͤnte er ihrem an dem Kriege keine Schuld habendem Geſchlechte ihre Bitte nicht abſchlagen; welches er ohne diß nach uͤberwundenen Maͤnnern oh- ne Schimpff nicht bekriegen koͤnte. Zumal er ohne diß ſich nur ihrer Leiber bemaͤchtigen koͤn- te. Denn dieſe waͤren nur in ihrer eigenen Ge- walt/ und ihrer Tugend kein Vortheil abzuja- gen. Derogeſtalt waͤre es ein weniges/ was er ihnen lieſſe; wenn er ihnen aber nichts gebe; wuͤr- de ihm auch von ihnen nichts zu ſtatten kommen. Aber der rauhe Marius antwortete ihnen: die- ſes Heiligthum waͤre fuͤr ſo wilde Weiber nicht gewiedmet. Dieſes verurſachte; daß ſie im An- geſichte der Roͤmer ihre zarten Kinder an die Felſen und Wagen ſchmetterten; dieſelben auch/ welche nicht zum fechten geſchickt waren/ ſich an die Baͤume auffhingen/ und hierzu an ſtatt der Stricke ihre abgeſchnittene Haare brauchten. Unter andern war eine edle Frau/ welche ihre zwey kleinen Soͤhne an ihre Fuͤße/ und ſich mit ihnen an eine Deichſel hing; vor- gebende: daß nichts/ waran ihre Kinder hen- cken ſolten/ als diß/ worvon ſie ihr Leben be- kommen/ wuͤrdig waͤre. Die uͤbrigen Frauen aber fielen die Roͤmer wie wuͤtende Thiere an; und geſelleten ihren abſcheidenden Geiſtern noch nicht wenig feindliche zu; halffen auch hier- durch: daß Hertzog Merodach/ weil Claudicus in der Flucht ebenfalls gefangen ward/ mit noch dreißig tauſend Mann in die Lepontiſchen und Penniniſchen Alpen entrann. Deꝛ Deutſchen waren ſiebzig tauſend eꝛſchlagen/ dreißig tauſend gefangen. Auff Roͤmiſcher Seite blieben etli- che dreißig tauſend; alſo ſich uͤbeꝛ die Roͤmiſchen Geſchichtſchreiber zu verwundern; die ſich nicht ſchaͤmen die deutſche Niederlage noch zweymal groͤſſer zu machen; hingegen zu tichten: daß der Roͤmer nicht vor voll dreyhundert erlegt worden waͤren; da doch ihrer mehr als zweytau- ſend von Weibern erſchlagen worden. Die Koͤ- nigin Hatta ſtach ihr ſelbſt/ weil die Roͤmiſchen Befehlhaber ſie nicht zu toͤdten/ ſondern gefan- gen zu nehmen verordneten/ ihr eigenes Schwerd in die Bruͤſte. Jhr Leib ward her- nach von denen gefangenen Barden mit Er- laubnis des Marius in eine nahe dabey befind- liche Hoͤle begraben; und zu ihrem Gedaͤchtniße in einen Felſen eingehauen: Als Hatta ſich erſiach/ rieff ſie: Schwerd/ Leiche Seele/ Seyd Zeugen meiner Scham/ beym Feinde/ Mann und Gott. So preiſt nun/ nicht beweint dieſelbe/ welcher Todt Hat Zeugniß auſf der Welt/ im Himmel/ in der Hoͤle. Zu Rom war uͤber dieſem Siege/ von dem die Roͤmer hernach aberglaͤubiſch getichtet ha- ben: daß ſelbten eben ſelbigen Tag zwey mit Lorbern gekraͤntzte Juͤnglinge bey dem Heilig- thume des Caſtors und Pollux zu Rom ver- kuͤndiget haͤtten/ ſo groſſe Freude: daß das Volck nicht nur den Goͤttern/ ſondern auch dem Ma- rius opfferten; ja bey ankommender Zeitung kein Buͤrger in Rom war/ der ihn nicht unter die Zahl der Goͤtter rechnete. Der Rath mu- ſte ihn aufs neue zum Buͤrgermeiſter beſtaͤtigen; ſein Geſchlechte/ weil er eines Tageloͤhners Sohn war/ unter die Edelſten zehlen; ihn nach dem Romulus und Camillus den dritten Vater der Stadt Rom nennen/ und ein zweyfaches Siegs-Gepraͤnge ihm zueignen; wiewol er ſich an einem/ darzu er auch den Catulus zum Ge- ferthen nahm/ vergnuͤgte; und dadurch etlicher maſſen die Verduͤſterung des Catulus entſchul- digte/ deſſen Heer ein und dreißig/ des Marius aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/982
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 920[922]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/982>, abgerufen am 10.06.2024.