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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Bündniß/ und schlug sich theils zu den Cim-
bern/ theils ließ es sich zwischen der Arar und Li-
ger nieder. Nachdem aber der schlaue Sylla
den Kopill erlegt/ und im Narbonischen Galli-
en eine halbe Wüsteney gemacht hatte/ trug er
denen von den Ambarren und Vadikoßiern be-
unruhigten Marsen durch die Heduer ein Stü-
cke Landes an; da sie mit den Römern das von
den Heduern vorher beliebte Bündniß einge-
hen wolten. Die Marsen nahmen diß Aner-
bieten nicht nur mit beyden Händen an; sondern
rufften auch ihre zum Bojorich gestossene/ von
den mehrern Cimbern aber geringschätzig gehal-
tene Landsleute zurücke; welche mit den Rö-
mern freudig ihre Waffen vermengten; also:
daß Bojorich gleichsam zwischen Thür und An-
gel/ wie nichts minder in Zweiffel gerieth: Ob
sie in Jtalien fortrücken/ oder hinter sich ihnen
vorher in Gallien diesen gefährlichen Dorn aus
dem Fuße ziehen solten. Uber diesen Verwi-
ckelungen verspielten sie zwey gantzer Jahre;
welche Marius ebenfals mit blosser Kriegs-
Rüstung zubrachte; wiewohl diese einen neuen
Krieg in Sicilien anzündete. Denn als der
Bithynische König Nicomedes sich von Zu-
schickung der verlangten Hülffs-Völcker da-
mit entschuldigte: daß die Römischen Zöllner
gar zu viel Leute in Dienstbarkeit verschlept
hätten; befahl der Römische Rath: daß im gan-
tzen Römischen Gebiete alle frey gebohrne Leu-
te derer mit ihnen verbundener Völcker loß-
gelassen werden solten. Als nun einige Knech-
te frey gegeben wurden/ empörten sich die an-
dern; wehlten den Salvius und Athenio zu
Königen/ bauten zu Triocola einen Königli-
chen Sitz; und machten ihrer mehr als dreis-
sig oder vierzig tausend den Römern/ und de-
nen ihnen unter dem Fürsten Gomon aus
Mauritanien zukommenden Hülffs-Völckern
genug zu schaffen. Denn ob wohl Lucullus
ihrer zwantzig tausend erschlug; liessen sie d[o]ch
weder Muth noch Waffen sin[c]ken. Hispa-
[Spaltenumbruch] nien musten die Römer fast gar vergessen/ und
den Gehorsam gleichsam in die Willkühr selbi-
ger Völcker stellen. Wiewohl Piso nun in
Macedonien gegen die Deutschen und Thraci-
er glücklich fochte; und ihnen biß über Rhodo-
pe nachsetzte; Marius auch mit zweyen Hee-
ren unter den Alpen stand; so wagte er sich doch
auch im dritten Jahre seines Bürgermeister-
Amtes nicht die Cimbern anzugreiffen; son-
dern vergnügte sich als mit einem auskomment-
lichen Gewinne: daß sie ihn und Jtalien un-
angetastet liessen. Zu dessen Merckmahle er
auch itzt allererst seinen eisernen Ring vom Fin-
ger nahm/ und einen güldenen ansteckte. Nach
dem Bojorich und Teutobach nun inzwischen
ein- und andere Hindernisse aus dem Wege
geräumt/ und etliche Pässe wohl besetzt hatten;
zohen sie auffs neue den Alpen zu; Teutobach
zwar an dem Meere gegen Ligurien; Bojo-
rich aber mehr Nordwerts. Auff dessen von
den Maßiliern schleunigst gethane Nachricht
ward Marius zum vierdten mahl/ und neben
ihm Luctatius Catulus Bürgermeister. Bey-
de führten zwey mächtige Heere und fast aller
bekandten Völcker Hülffen mit sich; und war
die Abrede: daß Catulus die Alpen bewah-
ren/ Marius aber selbst in Gallien die Deut-
schen angreiffen solte. Dieser musterte in
seinem Heere alle andere zu Kriegs-Zeichen
gebrauchte Thiere aus/ und behielt alleine
die Adler. Die Nacht für dem Abzuge
träumte dem Marius: wie ihm die Göt-
tin der Siege auff dem Berge Vesulus ei-
nen Lorber-Krantz reichte; iedoch hätte er
ihr vorher sein Hertz auffopffern müssen. Die-
sen Traum eröffnete er alsbald einer Syri-
schen Wahrsagerin Martha; welche er auff ei-
ner köstlichen Sänffte allenthalben hin mit sich
führte; und nach ihrem Rathe seinen Gottes-
dienst und anderes Fürnehmen einrichtete. Die-
se versprach ihm den Sieg wider die Deut-
schen/ wenn er seine einige Tochter Calphur-

nia/

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Buͤndniß/ und ſchlug ſich theils zu den Cim-
bern/ theils ließ es ſich zwiſchen der Arar und Li-
ger nieder. Nachdem aber der ſchlaue Sylla
den Kopill erlegt/ und im Narboniſchen Galli-
en eine halbe Wuͤſteney gemacht hatte/ trug er
denen von den Ambarren und Vadikoßiern be-
unruhigten Marſen durch die Heduer ein Stuͤ-
cke Landes an; da ſie mit den Roͤmern das von
den Heduern vorher beliebte Buͤndniß einge-
hen wolten. Die Marſen nahmen diß Aner-
bieten nicht nur mit beyden Haͤnden an; ſondern
rufften auch ihre zum Bojorich geſtoſſene/ von
den mehrern Cimbern aber geringſchaͤtzig gehal-
tene Landsleute zuruͤcke; welche mit den Roͤ-
mern freudig ihre Waffen vermengten; alſo:
daß Bojorich gleichſam zwiſchen Thuͤr und An-
gel/ wie nichts minder in Zweiffel gerieth: Ob
ſie in Jtalien fortruͤcken/ oder hinter ſich ihnen
vorher in Gallien dieſen gefaͤhrlichen Dorn aus
dem Fuße ziehen ſolten. Uber dieſen Verwi-
ckelungen verſpielten ſie zwey gantzer Jahre;
welche Marius ebenfals mit bloſſer Kriegs-
Ruͤſtung zubrachte; wiewohl dieſe einen neuen
Krieg in Sicilien anzuͤndete. Denn als der
Bithyniſche Koͤnig Nicomedes ſich von Zu-
ſchickung der verlangten Huͤlffs-Voͤlcker da-
mit entſchuldigte: daß die Roͤmiſchen Zoͤllner
gar zu viel Leute in Dienſtbarkeit verſchlept
haͤtten; befahl der Roͤmiſche Rath: daß im gan-
tzen Roͤmiſchen Gebiete alle frey gebohrne Leu-
te derer mit ihnen verbundener Voͤlcker loß-
gelaſſen werden ſolten. Als nun einige Knech-
te frey gegeben wurden/ empoͤrten ſich die an-
dern; wehlten den Salvius und Athenio zu
Koͤnigen/ bauten zu Triocola einen Koͤnigli-
chen Sitz; und machten ihrer mehr als dreiſ-
ſig oder vierzig tauſend den Roͤmern/ und de-
nen ihnen unter dem Fuͤrſten Gomon aus
Mauritanien zukommenden Huͤlffs-Voͤlckern
genug zu ſchaffen. Denn ob wohl Lucullus
ihrer zwantzig tauſend erſchlug; lieſſen ſie d[o]ch
weder Muth noch Waffen ſin[c]ken. Hiſpa-
[Spaltenumbruch] nien muſten die Roͤmer faſt gar vergeſſen/ und
den Gehorſam gleichſam in die Willkuͤhr ſelbi-
ger Voͤlcker ſtellen. Wiewohl Piſo nun in
Macedonien gegen die Deutſchen und Thraci-
er gluͤcklich fochte; und ihnen biß uͤber Rhodo-
pe nachſetzte; Marius auch mit zweyen Hee-
ren unter den Alpen ſtand; ſo wagte er ſich doch
auch im dritten Jahre ſeines Buͤrgermeiſter-
Amtes nicht die Cimbern anzugreiffen; ſon-
dern vergnuͤgte ſich als mit einem auskomment-
lichen Gewinne: daß ſie ihn und Jtalien un-
angetaſtet lieſſen. Zu deſſen Merckmahle er
auch itzt allererſt ſeinen eiſernen Ring vom Fin-
ger nahm/ und einen guͤldenen anſteckte. Nach
dem Bojorich und Teutobach nun inzwiſchen
ein- und andere Hinderniſſe aus dem Wege
geraͤumt/ und etliche Paͤſſe wohl beſetzt hatten;
zohen ſie auffs neue den Alpen zu; Teutobach
zwar an dem Meere gegen Ligurien; Bojo-
rich aber mehr Nordwerts. Auff deſſen von
den Maßiliern ſchleunigſt gethane Nachricht
ward Marius zum vierdten mahl/ und neben
ihm Luctatius Catulus Buͤrgermeiſter. Bey-
de fuͤhrten zwey maͤchtige Heere und faſt aller
bekandten Voͤlcker Huͤlffen mit ſich; und war
die Abrede: daß Catulus die Alpen bewah-
ren/ Marius aber ſelbſt in Gallien die Deut-
ſchen angreiffen ſolte. Dieſer muſterte in
ſeinem Heere alle andere zu Kriegs-Zeichen
gebrauchte Thiere aus/ und behielt alleine
die Adler. Die Nacht fuͤr dem Abzuge
traͤumte dem Marius: wie ihm die Goͤt-
tin der Siege auff dem Berge Veſulus ei-
nen Lorber-Krantz reichte; iedoch haͤtte er
ihr vorher ſein Hertz auffopffern muͤſſen. Die-
ſen Traum eroͤffnete er alsbald einer Syri-
ſchen Wahrſagerin Martha; welche er auff ei-
ner koͤſtlichen Saͤnffte allenthalben hin mit ſich
fuͤhrte; und nach ihrem Rathe ſeinen Gottes-
dienſt und anderes Fuͤrnehmen einrichtete. Die-
ſe verſprach ihm den Sieg wider die Deut-
ſchen/ wenn er ſeine einige Tochter Calphur-

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[908[910]/0970] Sechſtes Buch Buͤndniß/ und ſchlug ſich theils zu den Cim- bern/ theils ließ es ſich zwiſchen der Arar und Li- ger nieder. Nachdem aber der ſchlaue Sylla den Kopill erlegt/ und im Narboniſchen Galli- en eine halbe Wuͤſteney gemacht hatte/ trug er denen von den Ambarren und Vadikoßiern be- unruhigten Marſen durch die Heduer ein Stuͤ- cke Landes an; da ſie mit den Roͤmern das von den Heduern vorher beliebte Buͤndniß einge- hen wolten. Die Marſen nahmen diß Aner- bieten nicht nur mit beyden Haͤnden an; ſondern rufften auch ihre zum Bojorich geſtoſſene/ von den mehrern Cimbern aber geringſchaͤtzig gehal- tene Landsleute zuruͤcke; welche mit den Roͤ- mern freudig ihre Waffen vermengten; alſo: daß Bojorich gleichſam zwiſchen Thuͤr und An- gel/ wie nichts minder in Zweiffel gerieth: Ob ſie in Jtalien fortruͤcken/ oder hinter ſich ihnen vorher in Gallien dieſen gefaͤhrlichen Dorn aus dem Fuße ziehen ſolten. Uber dieſen Verwi- ckelungen verſpielten ſie zwey gantzer Jahre; welche Marius ebenfals mit bloſſer Kriegs- Ruͤſtung zubrachte; wiewohl dieſe einen neuen Krieg in Sicilien anzuͤndete. Denn als der Bithyniſche Koͤnig Nicomedes ſich von Zu- ſchickung der verlangten Huͤlffs-Voͤlcker da- mit entſchuldigte: daß die Roͤmiſchen Zoͤllner gar zu viel Leute in Dienſtbarkeit verſchlept haͤtten; befahl der Roͤmiſche Rath: daß im gan- tzen Roͤmiſchen Gebiete alle frey gebohrne Leu- te derer mit ihnen verbundener Voͤlcker loß- gelaſſen werden ſolten. Als nun einige Knech- te frey gegeben wurden/ empoͤrten ſich die an- dern; wehlten den Salvius und Athenio zu Koͤnigen/ bauten zu Triocola einen Koͤnigli- chen Sitz; und machten ihrer mehr als dreiſ- ſig oder vierzig tauſend den Roͤmern/ und de- nen ihnen unter dem Fuͤrſten Gomon aus Mauritanien zukommenden Huͤlffs-Voͤlckern genug zu ſchaffen. Denn ob wohl Lucullus ihrer zwantzig tauſend erſchlug; lieſſen ſie doch weder Muth noch Waffen ſincken. Hiſpa- nien muſten die Roͤmer faſt gar vergeſſen/ und den Gehorſam gleichſam in die Willkuͤhr ſelbi- ger Voͤlcker ſtellen. Wiewohl Piſo nun in Macedonien gegen die Deutſchen und Thraci- er gluͤcklich fochte; und ihnen biß uͤber Rhodo- pe nachſetzte; Marius auch mit zweyen Hee- ren unter den Alpen ſtand; ſo wagte er ſich doch auch im dritten Jahre ſeines Buͤrgermeiſter- Amtes nicht die Cimbern anzugreiffen; ſon- dern vergnuͤgte ſich als mit einem auskomment- lichen Gewinne: daß ſie ihn und Jtalien un- angetaſtet lieſſen. Zu deſſen Merckmahle er auch itzt allererſt ſeinen eiſernen Ring vom Fin- ger nahm/ und einen guͤldenen anſteckte. Nach dem Bojorich und Teutobach nun inzwiſchen ein- und andere Hinderniſſe aus dem Wege geraͤumt/ und etliche Paͤſſe wohl beſetzt hatten; zohen ſie auffs neue den Alpen zu; Teutobach zwar an dem Meere gegen Ligurien; Bojo- rich aber mehr Nordwerts. Auff deſſen von den Maßiliern ſchleunigſt gethane Nachricht ward Marius zum vierdten mahl/ und neben ihm Luctatius Catulus Buͤrgermeiſter. Bey- de fuͤhrten zwey maͤchtige Heere und faſt aller bekandten Voͤlcker Huͤlffen mit ſich; und war die Abrede: daß Catulus die Alpen bewah- ren/ Marius aber ſelbſt in Gallien die Deut- ſchen angreiffen ſolte. Dieſer muſterte in ſeinem Heere alle andere zu Kriegs-Zeichen gebrauchte Thiere aus/ und behielt alleine die Adler. Die Nacht fuͤr dem Abzuge traͤumte dem Marius: wie ihm die Goͤt- tin der Siege auff dem Berge Veſulus ei- nen Lorber-Krantz reichte; iedoch haͤtte er ihr vorher ſein Hertz auffopffern muͤſſen. Die- ſen Traum eroͤffnete er alsbald einer Syri- ſchen Wahrſagerin Martha; welche er auff ei- ner koͤſtlichen Saͤnffte allenthalben hin mit ſich fuͤhrte; und nach ihrem Rathe ſeinen Gottes- dienſt und anderes Fuͤrnehmen einrichtete. Die- ſe verſprach ihm den Sieg wider die Deut- ſchen/ wenn er ſeine einige Tochter Calphur- nia/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 908[910]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/970>, abgerufen am 23.11.2024.