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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] teten dem Römischen Land-Vogte offters auff/
verschmertzten alle Bedrängniße/ luden die
Römer mehrmahls zu Gaste/ machten mit
denen geringern grosse Vertrauligkeit/ stri-
chen ihnen durch tausend Lobsprüche gewaltig
den Fuchs/ thäten ihnen ihre Uppigkeiten nach/
und beredeten sie: daß Deutschland der Römer
Ankunfft ihre höfflichere Sittsamkeit/ ihre ge-
mächlichere Lebens-Art/ und die Verbesse-
rung ihres gantzen Zustandes zu dancken hätte.
Ja erst für drey Tagen war Hertzog Herrmann/
Segimer/ Segesthes und Ganasch beym Va-
rus zu Gaste gewest. Also verlernte Qvinti-
lius Varus vollends alle Kriegs-Wissenschafft;
und seine Verrichtungen waren mehr eines
Stadt-Richters als eines Feldherrn ähnlich/
der sein Läger mitten in eines streitbaren
Feindes Lande hatte/ und weil seine verwehnte
Kriegsknechte sich hauffenweise von ihren Fah-
nen verlieffen/ nicht nur den Neugeworbenen/
sondern auch wohl denen/ welche zehen Jahr ge-
dienet/ des Käysers Nahmen in die Hand mu-
ste einbrennen lassen. Dem deutschen Feld-
herrn hingegen war die Kriegs-Lust angestam-
met/ das Feuer der Großmüthigkeit sahe ihm
aus den Augen/ und die Erfahrenheit der Waf-
fen hatte er theils von seinem tapffern Vater
Hertzog Sigmarn/ theils in denen Römischen
Lägern selbst gelernet. Wie verschmitzt er nun
die Gelegenheit die unvorsichtigen und allzusi-
cheren Römer zu überfallen/ und die theils
schüchternen/ theils zwistigen Fürsten auff seine
Seite zu bringen/ nichts minder die Schlacht-
Ordnung höchst vortheilhafftig zu machen ge-
wust; also machte er in gegenwärtigem Treffen
zweiffelhafft; ob er mehr ein streitbarer Kriegs-
mann/ als ein vernünfftiger Heerführer wäre.
Das deutsche Heer war rückwerts Bergauff ge-
stellet/ womit dessen Grösse auff einmahl den
Römern ins Gesichte siel/ und die Menge
ihnen ein Schrecken einjagte. Denn in
Schlachten werden die Augen am ersten ge-
[Spaltenumbruch] schlagen. Dieses Schrecken bemüheten die
Deutschen sich auch in die Ohren der Römer
einzujagen/ indem sie ihre holen Schilde für
den Mund hielten/ darein aus allen Kräff-
ten schrien/ und durch den Widerschall das al-
lergrausamste Gethöne erregten; also/ daß die
Römer dafür die Ohren zustopfften/ gleich als
wenn sie/ wie die Jndianer in dem Zuge des Bae-
chus/ durch das vom Pan angegebene Ge-
schrey aus dem Felde würden gejagt werden.
Uberdis kehrten sie ihre Stirne gegen Westen;
denn es hatte ihr Feldherr vorher gesehen/ daß
die auffgehende Sonne dem Feinde gleich in
die Augen fallen/ und sie bländen würden. Auch
befremdete bald anfänglich den Feind überaus:
daß die Deutschen nicht wie vorhin verwirret
durcheinander fochten/ sondern Glieder und Ord-
nung hielten/ auch mit bessern Waffen als vor
iemals versorgt waren. Jede unversehene Neu-
igkeit aber kan im Kriege ein nicht geringes
Schrecken verursachen. Welches in der Rö-
mer Gemüthern so viel ehe fing/ weil unter-
schiedene traurige Zeichen sie vorhin bestürtzt ge-
macht/ und den Zorn der Götter angedräuet
hatten. Die Opfferthiere waren den Tag
vorhero den Druyden/ welche wegen der Galli-
er opffern wolten/ entrissen. An dem einen
Römischen Adler hatte sich ein Bienschwarm
gelegt; und dem Varus hatte getraumt/ als
wenn er mit dem Hertzog Herrmann zu Rom
im grossen Schauplatze tantzte und von dem
Volcke mit frolockendem Zuruff bewillkommet
würde. Denn ergetzende Träume legten sie
auff traurige Zufälle aus.

Ob nun wohl die Deutschen derogestalt in
mehrer Hoffnung und Vortheil standen/ der
Graff von Ascanien auch denen Galliern die
grosse weiße seidene Fahne/ darein mit Pur-
purnen Buchstaben der Nahme des Kaysers
geschrieben war/ abdrang/ und sie nebst denen
andern ausländischen Hülffs-Völckern durch

die
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] teten dem Roͤmiſchen Land-Vogte offters auff/
verſchmertzten alle Bedraͤngniße/ luden die
Roͤmer mehrmahls zu Gaſte/ machten mit
denen geringern groſſe Vertrauligkeit/ ſtri-
chen ihnen durch tauſend Lobſpruͤche gewaltig
den Fuchs/ thaͤten ihnen ihre Uppigkeiten nach/
und beredeten ſie: daß Deutſchland der Roͤmer
Ankunfft ihre hoͤfflichere Sittſamkeit/ ihre ge-
maͤchlichere Lebens-Art/ und die Verbeſſe-
rung ihres gantzen Zuſtandes zu dancken haͤtte.
Ja erſt fuͤr drey Tagen war Hertzog Herrmann/
Segimer/ Segeſthes und Ganaſch beym Va-
rus zu Gaſte geweſt. Alſo verlernte Qvinti-
lius Varus vollends alle Kriegs-Wiſſenſchafft;
und ſeine Verrichtungen waren mehr eines
Stadt-Richters als eines Feldherrn aͤhnlich/
der ſein Laͤger mitten in eines ſtreitbaren
Feindes Lande hatte/ und weil ſeine verwehnte
Kriegsknechte ſich hauffenweiſe von ihren Fah-
nen verlieffen/ nicht nur den Neugeworbenen/
ſondern auch wohl denen/ welche zehen Jahr ge-
dienet/ des Kaͤyſers Nahmen in die Hand mu-
ſte einbrennen laſſen. Dem deutſchen Feld-
herrn hingegen war die Kriegs-Luſt angeſtam-
met/ das Feuer der Großmuͤthigkeit ſahe ihm
aus den Augen/ und die Erfahrenheit der Waf-
fen hatte er theils von ſeinem tapffern Vater
Hertzog Sigmarn/ theils in denen Roͤmiſchen
Laͤgern ſelbſt gelernet. Wie verſchmitzt er nun
die Gelegenheit die unvorſichtigen und allzuſi-
cheren Roͤmer zu uͤberfallen/ und die theils
ſchuͤchternen/ theils zwiſtigen Fuͤrſten auff ſeine
Seite zu bringen/ nichts minder die Schlacht-
Ordnung hoͤchſt vortheilhafftig zu machen ge-
wuſt; alſo machte er in gegenwaͤrtigem Treffen
zweiffelhafft; ob er mehr ein ſtreitbarer Kriegs-
mann/ als ein vernuͤnfftiger Heerfuͤhrer waͤre.
Das deutſche Heer war ruͤckwerts Bergauff ge-
ſtellet/ womit deſſen Groͤſſe auff einmahl den
Roͤmern ins Geſichte ſiel/ und die Menge
ihnen ein Schrecken einjagte. Denn in
Schlachten werden die Augen am erſten ge-
[Spaltenumbruch] ſchlagen. Dieſes Schrecken bemuͤheten die
Deutſchen ſich auch in die Ohren der Roͤmer
einzujagen/ indem ſie ihre holen Schilde fuͤr
den Mund hielten/ darein aus allen Kraͤff-
ten ſchrien/ und durch den Widerſchall das al-
lergrauſamſte Gethoͤne erregten; alſo/ daß die
Roͤmer dafuͤr die Ohren zuſtopfften/ gleich als
wenn ſie/ wie die Jndianer in dem Zuge des Bae-
chus/ durch das vom Pan angegebene Ge-
ſchrey aus dem Felde wuͤrden gejagt werden.
Uberdis kehrten ſie ihre Stirne gegen Weſten;
denn es hatte ihr Feldherr vorher geſehen/ daß
die auffgehende Sonne dem Feinde gleich in
die Augen fallen/ und ſie blaͤnden wuͤrden. Auch
befremdete bald anfaͤnglich den Feind uͤberaus:
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durcheinander fochtẽ/ ſondern Glieder und Ord-
nung hielten/ auch mit beſſern Waffen als vor
iemals verſorgt waren. Jede unverſehene Neu-
igkeit aber kan im Kriege ein nicht geringes
Schrecken verurſachen. Welches in der Roͤ-
mer Gemuͤthern ſo viel ehe fing/ weil unter-
ſchiedene traurige Zeichen ſie vorhin beſtuͤrtzt ge-
macht/ und den Zorn der Goͤtter angedraͤuet
hatten. Die Opfferthiere waren den Tag
vorhero den Druyden/ welche wegen der Galli-
er opffern wolten/ entriſſen. An dem einen
Roͤmiſchen Adler hatte ſich ein Bienſchwarm
gelegt; und dem Varus hatte getraumt/ als
wenn er mit dem Hertzog Herrmann zu Rom
im groſſen Schauplatze tantzte und von dem
Volcke mit frolockendem Zuruff bewillkommet
wuͤrde. Denn ergetzende Traͤume legten ſie
auff traurige Zufaͤlle aus.

Ob nun wohl die Deutſchen derogeſtalt in
mehrer Hoffnung und Vortheil ſtanden/ der
Graff von Aſcanien auch denen Galliern die
groſſe weiße ſeidene Fahne/ darein mit Pur-
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[45/0093] Arminius und Thußnelda. teten dem Roͤmiſchen Land-Vogte offters auff/ verſchmertzten alle Bedraͤngniße/ luden die Roͤmer mehrmahls zu Gaſte/ machten mit denen geringern groſſe Vertrauligkeit/ ſtri- chen ihnen durch tauſend Lobſpruͤche gewaltig den Fuchs/ thaͤten ihnen ihre Uppigkeiten nach/ und beredeten ſie: daß Deutſchland der Roͤmer Ankunfft ihre hoͤfflichere Sittſamkeit/ ihre ge- maͤchlichere Lebens-Art/ und die Verbeſſe- rung ihres gantzen Zuſtandes zu dancken haͤtte. Ja erſt fuͤr drey Tagen war Hertzog Herrmann/ Segimer/ Segeſthes und Ganaſch beym Va- rus zu Gaſte geweſt. Alſo verlernte Qvinti- lius Varus vollends alle Kriegs-Wiſſenſchafft; und ſeine Verrichtungen waren mehr eines Stadt-Richters als eines Feldherrn aͤhnlich/ der ſein Laͤger mitten in eines ſtreitbaren Feindes Lande hatte/ und weil ſeine verwehnte Kriegsknechte ſich hauffenweiſe von ihren Fah- nen verlieffen/ nicht nur den Neugeworbenen/ ſondern auch wohl denen/ welche zehen Jahr ge- dienet/ des Kaͤyſers Nahmen in die Hand mu- ſte einbrennen laſſen. Dem deutſchen Feld- herrn hingegen war die Kriegs-Luſt angeſtam- met/ das Feuer der Großmuͤthigkeit ſahe ihm aus den Augen/ und die Erfahrenheit der Waf- fen hatte er theils von ſeinem tapffern Vater Hertzog Sigmarn/ theils in denen Roͤmiſchen Laͤgern ſelbſt gelernet. Wie verſchmitzt er nun die Gelegenheit die unvorſichtigen und allzuſi- cheren Roͤmer zu uͤberfallen/ und die theils ſchuͤchternen/ theils zwiſtigen Fuͤrſten auff ſeine Seite zu bringen/ nichts minder die Schlacht- Ordnung hoͤchſt vortheilhafftig zu machen ge- wuſt; alſo machte er in gegenwaͤrtigem Treffen zweiffelhafft; ob er mehr ein ſtreitbarer Kriegs- mann/ als ein vernuͤnfftiger Heerfuͤhrer waͤre. Das deutſche Heer war ruͤckwerts Bergauff ge- ſtellet/ womit deſſen Groͤſſe auff einmahl den Roͤmern ins Geſichte ſiel/ und die Menge ihnen ein Schrecken einjagte. Denn in Schlachten werden die Augen am erſten ge- ſchlagen. Dieſes Schrecken bemuͤheten die Deutſchen ſich auch in die Ohren der Roͤmer einzujagen/ indem ſie ihre holen Schilde fuͤr den Mund hielten/ darein aus allen Kraͤff- ten ſchrien/ und durch den Widerſchall das al- lergrauſamſte Gethoͤne erregten; alſo/ daß die Roͤmer dafuͤr die Ohren zuſtopfften/ gleich als wenn ſie/ wie die Jndianer in dem Zuge des Bae- chus/ durch das vom Pan angegebene Ge- ſchrey aus dem Felde wuͤrden gejagt werden. Uberdis kehrten ſie ihre Stirne gegen Weſten; denn es hatte ihr Feldherr vorher geſehen/ daß die auffgehende Sonne dem Feinde gleich in die Augen fallen/ und ſie blaͤnden wuͤrden. Auch befremdete bald anfaͤnglich den Feind uͤberaus: daß die Deutſchen nicht wie vorhin verwirret durcheinander fochtẽ/ ſondern Glieder und Ord- nung hielten/ auch mit beſſern Waffen als vor iemals verſorgt waren. Jede unverſehene Neu- igkeit aber kan im Kriege ein nicht geringes Schrecken verurſachen. Welches in der Roͤ- mer Gemuͤthern ſo viel ehe fing/ weil unter- ſchiedene traurige Zeichen ſie vorhin beſtuͤrtzt ge- macht/ und den Zorn der Goͤtter angedraͤuet hatten. Die Opfferthiere waren den Tag vorhero den Druyden/ welche wegen der Galli- er opffern wolten/ entriſſen. An dem einen Roͤmiſchen Adler hatte ſich ein Bienſchwarm gelegt; und dem Varus hatte getraumt/ als wenn er mit dem Hertzog Herrmann zu Rom im groſſen Schauplatze tantzte und von dem Volcke mit frolockendem Zuruff bewillkommet wuͤrde. Denn ergetzende Traͤume legten ſie auff traurige Zufaͤlle aus. Ob nun wohl die Deutſchen derogeſtalt in mehrer Hoffnung und Vortheil ſtanden/ der Graff von Aſcanien auch denen Galliern die groſſe weiße ſeidene Fahne/ darein mit Pur- purnen Buchſtaben der Nahme des Kayſers geſchrieben war/ abdrang/ und ſie nebſt denen andern auslaͤndiſchen Huͤlffs-Voͤlckern durch die F 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/93>, abgerufen am 22.11.2024.