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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] re die nicht mehr allzu ferne Gegend der Stadt
Rom/ als welcher Stadt Mauern sie so wol/ als
Jtaliens mit diesen Bergen überstie gen/ unge-
fähr anwieß; so grausete doch allen für dem gähen
und engen Abwege; zumal der die Nacht vorher
häuffig-gefallene Schnee Berge und Thäler
ausge gleicht hatte; also: daß viel nur einmahl
fehltretende Menschen oder Thiere von den
Abgründen verschlungen wurden/ und nicht
einst eine Spure zu anderer Verwarnigung
hinter sich verliessen. Die gewohnte Müh des
abgehärteten Heeres überwand gleichwol alle
Beschwernüsse/ ungeachtet die wegen gewohn-
ten Schnee und Eises an die Spitze gestellten
Deutschen Fuß für Fuß mit Schauffeln sich
durchscharren musten. Endlich aber geriethen
auch die Hertzhafftigsten in Verzweiffelung/ weil
die Natur ihnen selbst einen Rigel vorgeschoben/
und tausend Schuch hoch einen Felß von dem
Wege abgespalten hatte; also: daß über diese
Tieffe zu kommen nicht Füsse/ sondern Flügel
von nöthen schienen. Der hierüber zwar äng-
stige/ aber sich doch euserlich unerschrocken ge-
behrdende Annibal fuchte anfangs zwar einen
Umweg über ein von viel-jährigem Schnee an-
gefülltes Thal; aber die schweren Thiere und
Menschen traten durch den neuen oben nur ge-
frornen Schnee bald durch/ und versancken in
den unterhalb wäßrichten Sumpf; also: daß
nach ziemlichem Verlust Annibal selbst fast nicht
wuste/ wo er sich hinwenden solte. Gleichwohl
ließ er seinen Kummer nicht mercken; entschloß
sich also die Unmögligkeit selbst zu überwinden/
und über die abschüßige Höhe ihm einen Weg
zu bähnen; wol wissende: daß auch eine verzweif-
felte Ausrichtung besser/ als eine nichts ent-
schlüssende Sorgfalt sey. Zumal Elefanten
und andere Thiere auf diesen rauen Klippen
schon halb verhungert waren. Die semnach ließ
er alle in der nähe stehende Bäume abhauen/
Schnee und Erde herzu schleppen/ auff Anlei-
tung der Deutschen die Klippen mit Feuer und
[Spaltenumbruch] Eisen zersprengen/ alles diß aber von der Höhe
hinab stürtzen/ und also einen Weg ausgleichen:
daß er den vierdten Tag erstlich das Vieh/ her-
nach die Menschen herunter führen konte/ und
nach dreytägiger Ruhe endlich im fünfften Mo-
nat der Reise die erwünschte Fläche Jtaliens er-
reichte/ und nach hinterlegtem Salaßischem
Gebiete zwischen den fruchtbaren Flüssen Du-
ria und Seßites bey denen ihn mit Freuden be-
willkommenden Libiciern an Kräfften sich erho-
lete; sintemal er nach Verlust der Helffte seiner
eigenen Völcker mehr nicht als zwantzig tausend
zu Fusse/ und sechs tausend Reuter allhier übrig
hatte/ aber alsbald mit zehn tausend auserlese-
nen Deutschen verstärckt ward; welche aus Hel-
vetien über das Adulische Gebürge/ und so fort
auf dem Flusse Ticin und über den Verbani-
schen See vermöge des mit Annibaln gemach-
ten Bündnüsses dahin an- und ihm wol zu stat-
ten kamen. Denn weil die Römer den Atilius
mit einer starcken Macht dem Manlius wider
die Bojen und Deutschen am Po zu Hülffe ge-
schickt hatten/ die mit denen Jnsubrern kriegen-
de Tauriner auch die Römische Seite hielten/
und Cneus Scipio mit einem noch mächtigern
Heere im Abzuge war; scheuten sich diese mehr-
mals gewitzigten Völcker/ ehe sie von Hanni-
baln was merck würdiges sähen/ sich öffentlich zu
ihm zu schlagen. Weil die Tauriner aber sich
für Feind erklärten; fiel ihnen Hannibal als ein
Blitz über den Hals/ belägerte ihre am Po und
dem obern Flusse Duria gelegene Hauptstadt;
eroberte selbte auch den dritten Tag stürmender
Hand. Welches nicht allein ihm den Zufall
der Jnsubrer/ sondern selbiger gantzer Gegend
erwarb/ auch verursachte: daß die Römer den
nach Afri a befehlichten Bür germeister Tibe-
rius vom Lilybeischen Vorgebürge zurück for-
derten. Wie nun aber Annibal am Po herab
zoh/ ward ihm angesagt: daß der von Maßilien
zurück schiffende Publius Cornelius S[c]ipio mit
seinem Heere bereit oberhalb Placentz über den

Po

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] re die nicht mehr allzu ferne Gegend der Stadt
Rom/ als welcher Stadt Mauern ſie ſo wol/ als
Jtaliens mit dieſen Bergen uͤberſtie gen/ unge-
faͤhꝛ anwieß; ſo grauſete doch allen fuͤꝛ dem gaͤhen
und engen Abwege; zumal der die Nacht vorher
haͤuffig-gefallene Schnee Berge und Thaͤler
ausge gleicht hatte; alſo: daß viel nur einmahl
fehltretende Menſchen oder Thiere von den
Abgruͤnden verſchlungen wurden/ und nicht
einſt eine Spure zu anderer Verwarnigung
hinter ſich verlieſſen. Die gewohnte Muͤh des
abgehaͤrteten Heeres uͤberwand gleichwol alle
Beſchwernuͤſſe/ ungeachtet die wegen gewohn-
ten Schnee und Eiſes an die Spitze geſtellten
Deutſchen Fuß fuͤr Fuß mit Schauffeln ſich
durchſcharren muſten. Endlich aber geriethen
auch die Hertzhafftigſten in Verzweiffelung/ weil
die Natur ihnen ſelbſt einen Rigel vorgeſchoben/
und tauſend Schuch hoch einen Felß von dem
Wege abgeſpalten hatte; alſo: daß uͤber dieſe
Tieffe zu kommen nicht Fuͤſſe/ ſondern Fluͤgel
von noͤthen ſchienen. Der hieruͤber zwar aͤng-
ſtige/ aber ſich doch euſerlich unerſchrocken ge-
behrdende Annibal fuchte anfangs zwar einen
Umweg uͤber ein von viel-jaͤhrigem Schnee an-
gefuͤlltes Thal; aber die ſchweren Thiere und
Menſchen traten durch den neuen oben nur ge-
frornen Schnee bald durch/ und verſancken in
den unterhalb waͤßrichten Sumpf; alſo: daß
nach ziemlichem Verluſt Annibal ſelbſt faſt nicht
wuſte/ wo er ſich hinwenden ſolte. Gleichwohl
ließ er ſeinen Kummer nicht mercken; entſchloß
ſich alſo die Unmoͤgligkeit ſelbſt zu uͤberwinden/
und uͤber die abſchuͤßige Hoͤhe ihm einen Weg
zu baͤhnen; wol wiſſende: daß auch eine verzweif-
felte Ausrichtung beſſer/ als eine nichts ent-
ſchluͤſſende Sorgfalt ſey. Zumal Elefanten
und andere Thiere auf dieſen rauen Klippen
ſchon halb verhungert waren. Die ſemnach ließ
er alle in der naͤhe ſtehende Baͤume abhauen/
Schnee und Erde herzu ſchleppen/ auff Anlei-
tung der Deutſchen die Klippen mit Feuer und
[Spaltenumbruch] Eiſen zerſprengen/ alles diß aber von der Hoͤhe
hinab ſtuͤrtzen/ und alſo einen Weg ausgleichen:
daß er den vierdten Tag erſtlich das Vieh/ her-
nach die Menſchen herunter fuͤhren konte/ und
nach dreytaͤgiger Ruhe endlich im fuͤnfften Mo-
nat der Reiſe die erwuͤnſchte Flaͤche Jtaliens er-
reichte/ und nach hinterlegtem Salaßiſchem
Gebiete zwiſchen den fruchtbaren Fluͤſſen Du-
ria und Seßites bey denen ihn mit Freuden be-
willkommenden Libiciern an Kraͤfften ſich erho-
lete; ſintemal er nach Verluſt der Helffte ſeiner
eigenen Voͤlckeꝛ mehr nicht als zwantzig tauſend
zu Fuſſe/ und ſechs tauſend Reuter allhier uͤbrig
hatte/ aber alsbald mit zehn tauſend auserleſe-
nen Deutſchen verſtaͤrckt ward; welche aus Hel-
vetien uͤber das Aduliſche Gebuͤrge/ und ſo fort
auf dem Fluſſe Ticin und uͤber den Verbani-
ſchen See vermoͤge des mit Annibaln gemach-
ten Buͤndnuͤſſes dahin an- und ihm wol zu ſtat-
ten kamen. Denn weil die Roͤmer den Atilius
mit einer ſtarcken Macht dem Manlius wider
die Bojen und Deutſchen am Po zu Huͤlffe ge-
ſchickt hatten/ die mit denen Jnſubrern kriegen-
de Tauriner auch die Roͤmiſche Seite hielten/
und Cneus Scipio mit einem noch maͤchtigern
Heere im Abzuge war; ſcheuten ſich dieſe mehr-
mals gewitzigten Voͤlcker/ ehe ſie von Hanni-
baln was merck wuͤrdiges ſaͤhen/ ſich oͤffentlich zu
ihm zu ſchlagen. Weil die Tauriner aber ſich
fuͤr Feind erklaͤrten; fiel ihnen Hannibal als ein
Blitz uͤber den Hals/ belaͤgerte ihre am Po und
dem obern Fluſſe Duria gelegene Hauptſtadt;
eroberte ſelbte auch den dritten Tag ſtuͤrmender
Hand. Welches nicht allein ihm den Zufall
der Jnſubrer/ ſondern ſelbiger gantzer Gegend
erwarb/ auch verurſachte: daß die Roͤmer den
nach Afri a befehlichten Buͤr germeiſter Tibe-
rius vom Lilybeiſchen Vorgebuͤrge zuruͤck for-
derten. Wie nun aber Annibal am Po herab
zoh/ ward ihm angeſagt: daß der von Maßilien
zuruͤck ſchiffende Publius Cornelius S[c]ipio mit
ſeinem Heere bereit oberhalb Placentz uͤber den

Po
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[826[828]/0888] Sechſtes Buch re die nicht mehr allzu ferne Gegend der Stadt Rom/ als welcher Stadt Mauern ſie ſo wol/ als Jtaliens mit dieſen Bergen uͤberſtie gen/ unge- faͤhꝛ anwieß; ſo grauſete doch allen fuͤꝛ dem gaͤhen und engen Abwege; zumal der die Nacht vorher haͤuffig-gefallene Schnee Berge und Thaͤler ausge gleicht hatte; alſo: daß viel nur einmahl fehltretende Menſchen oder Thiere von den Abgruͤnden verſchlungen wurden/ und nicht einſt eine Spure zu anderer Verwarnigung hinter ſich verlieſſen. Die gewohnte Muͤh des abgehaͤrteten Heeres uͤberwand gleichwol alle Beſchwernuͤſſe/ ungeachtet die wegen gewohn- ten Schnee und Eiſes an die Spitze geſtellten Deutſchen Fuß fuͤr Fuß mit Schauffeln ſich durchſcharren muſten. Endlich aber geriethen auch die Hertzhafftigſten in Verzweiffelung/ weil die Natur ihnen ſelbſt einen Rigel vorgeſchoben/ und tauſend Schuch hoch einen Felß von dem Wege abgeſpalten hatte; alſo: daß uͤber dieſe Tieffe zu kommen nicht Fuͤſſe/ ſondern Fluͤgel von noͤthen ſchienen. Der hieruͤber zwar aͤng- ſtige/ aber ſich doch euſerlich unerſchrocken ge- behrdende Annibal fuchte anfangs zwar einen Umweg uͤber ein von viel-jaͤhrigem Schnee an- gefuͤlltes Thal; aber die ſchweren Thiere und Menſchen traten durch den neuen oben nur ge- frornen Schnee bald durch/ und verſancken in den unterhalb waͤßrichten Sumpf; alſo: daß nach ziemlichem Verluſt Annibal ſelbſt faſt nicht wuſte/ wo er ſich hinwenden ſolte. Gleichwohl ließ er ſeinen Kummer nicht mercken; entſchloß ſich alſo die Unmoͤgligkeit ſelbſt zu uͤberwinden/ und uͤber die abſchuͤßige Hoͤhe ihm einen Weg zu baͤhnen; wol wiſſende: daß auch eine verzweif- felte Ausrichtung beſſer/ als eine nichts ent- ſchluͤſſende Sorgfalt ſey. Zumal Elefanten und andere Thiere auf dieſen rauen Klippen ſchon halb verhungert waren. Die ſemnach ließ er alle in der naͤhe ſtehende Baͤume abhauen/ Schnee und Erde herzu ſchleppen/ auff Anlei- tung der Deutſchen die Klippen mit Feuer und Eiſen zerſprengen/ alles diß aber von der Hoͤhe hinab ſtuͤrtzen/ und alſo einen Weg ausgleichen: daß er den vierdten Tag erſtlich das Vieh/ her- nach die Menſchen herunter fuͤhren konte/ und nach dreytaͤgiger Ruhe endlich im fuͤnfften Mo- nat der Reiſe die erwuͤnſchte Flaͤche Jtaliens er- reichte/ und nach hinterlegtem Salaßiſchem Gebiete zwiſchen den fruchtbaren Fluͤſſen Du- ria und Seßites bey denen ihn mit Freuden be- willkommenden Libiciern an Kraͤfften ſich erho- lete; ſintemal er nach Verluſt der Helffte ſeiner eigenen Voͤlckeꝛ mehr nicht als zwantzig tauſend zu Fuſſe/ und ſechs tauſend Reuter allhier uͤbrig hatte/ aber alsbald mit zehn tauſend auserleſe- nen Deutſchen verſtaͤrckt ward; welche aus Hel- vetien uͤber das Aduliſche Gebuͤrge/ und ſo fort auf dem Fluſſe Ticin und uͤber den Verbani- ſchen See vermoͤge des mit Annibaln gemach- ten Buͤndnuͤſſes dahin an- und ihm wol zu ſtat- ten kamen. Denn weil die Roͤmer den Atilius mit einer ſtarcken Macht dem Manlius wider die Bojen und Deutſchen am Po zu Huͤlffe ge- ſchickt hatten/ die mit denen Jnſubrern kriegen- de Tauriner auch die Roͤmiſche Seite hielten/ und Cneus Scipio mit einem noch maͤchtigern Heere im Abzuge war; ſcheuten ſich dieſe mehr- mals gewitzigten Voͤlcker/ ehe ſie von Hanni- baln was merck wuͤrdiges ſaͤhen/ ſich oͤffentlich zu ihm zu ſchlagen. Weil die Tauriner aber ſich fuͤr Feind erklaͤrten; fiel ihnen Hannibal als ein Blitz uͤber den Hals/ belaͤgerte ihre am Po und dem obern Fluſſe Duria gelegene Hauptſtadt; eroberte ſelbte auch den dritten Tag ſtuͤrmender Hand. Welches nicht allein ihm den Zufall der Jnſubrer/ ſondern ſelbiger gantzer Gegend erwarb/ auch verurſachte: daß die Roͤmer den nach Afri a befehlichten Buͤr germeiſter Tibe- rius vom Lilybeiſchen Vorgebuͤrge zuruͤck for- derten. Wie nun aber Annibal am Po herab zoh/ ward ihm angeſagt: daß der von Maßilien zuruͤck ſchiffende Publius Cornelius Scipio mit ſeinem Heere bereit oberhalb Placentz uͤber den Po

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 826[828]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/888>, abgerufen am 23.11.2024.