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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] aller andern Geschlechter zu Carthago/ viel-
mehr aber fremder sich zu gut achtete; theils weil
sich Gescon selbst Sophonisben zu heyrathen
anmeldete. Fürst Narvas erfuhr inzwischen
nicht nur von der ihm geneigten Sophonisbe
die Ursache solcher Veränderung; sondern auch:
daß Amilcar an dem Adel des Fürsten Narvas
und Autaritus gezweiffelt hatte. Dieses be-
wegteihn dem Amilcar seine Vertröstungen der
Heyrath wegen schrifftlich einzuhalten/ auch ihn
zu versichern: daß er sein Fürstliches Geschlech-
te von solchem Alter/ als der Barkische Stamm
immermehr hätte/ ausführen könte. Allein er
begehrte sich mit den verrosterten Schilden sei-
ner Vorfahren nicht zu behelffen/ weil Amilcar
in Sicilien selbst gesehen: wieviel er ihrer selbst
den Feinden abgerissen hätte. Vermeinten die
Mohren seine Neuigkeit verächtlich zu halten/
so müste er derselben Zagheit verlachen/ derer
Eltern sich selbst solcher Kinder schämen/ ihn a-
ber zu ihrem Sohne wünschen würden/ wenn
sie aus ihren Gräbern aufstünden. Also möch-
te er sein Ansuchen nicht verschmähen. Hätte
er das Glücke des grossen Amilcars Tochter zu
heyrathen/ so würde Amilcar sich des unver-
gleichlichen Tuisco und des mächtigen Hiem-
psals Enckel zum Eydame zu haben sich nicht
schämen dörffen. Autaritus versuchte gleich-
fals sein Heil aufs beste; aber die Freundschafft
des Gescon überwog sie endlich: daß Sopho-
nisbe zu höchster Verbitterung beyder Fürsten
jenem versagt/ durch solchen Verlust aber des
Fürsten Nervas und Autaritus durch die Ei-
fersucht eine zeitlang zertrennte Vertrauligkeit
wieder er gäntzet ward. Dieses geschah/ als der
Rath zu Carthago aus Mangel Geldes zur Be-
zahlung alle fremde Hülfsvölcker mit Sack und
Pack höchst unvernünfftig in der Stadt Sicca
sich zusammen ziehen/ daselbst eine zeitlang
schädlicher Ruhe genüssen ließ; welche anfangs
in Muthwillen/ hernach in Verwegenheit den
rückständigen Sold mit Ungestüm zu suchen
[Spaltenumbruch] sich verwandelte. Jedoch bildete der Rath ihm
nichts weniger ein/ als daß so viel durch Spra-
chen und Sitten von einander unterschiedene
Völcker so bald wieder Carthago unter einen
Hut gebracht werden könten/ daher meinten sie
durch den Hanno ihnen die Helffte ihres sauer
verdienten Lohnes und den Werth der eingebiß-
ten Pferde abzudingen. Welch Anmuthen
aber ihnen so beschwerlich nicht fiel/ als daß sie
diese Unterhandlung durch keinen Feldherren/
der in Sicilien ihre Kriegs-Thaten gesehen
hatte/ bewerckstelliget ward; daher setzten sie sich
mit 20000. Mann zu grossem Schrecken der
Stadt Carthago für Thunis; fluchten inson-
derheit auf Amilcarn/ als welcher um sich seiner
betheurlichen Versprechungen güldener Berge
loß zu machen sein Ampt abgelegt/ und die zwey
tapffern Fürsten Narvas und Autaritus/ derer
Tugend die Herrschafft der gantzen Welt ver-
diente/ durch Versagung seiner Tochter be-
schimpfthätte. Nach dem aber Gescon in Si-
cilien bey dem Kriegsvolcke sehr angenehm ge-
west war/ schickte der Rath von Carthago ihn
diese Völcker zu bestillen; Als inzwischen sie
dem Fürsten Narvas und Autaritus die Ober-
Gewalt über sich aufgetragen/ und bey dieser
ihrer Verweigerung einen Africanischen Edel-
mann Mathos und einen Campanier von Ge-
burt Spendius zu ihren Häuptern erwehlt hat-
ten. Gescon mühte sich zwar auf alle weise sie
zu besänfftigen; wie sie aber um Bezahlung des
rückständigen Getreides anhielten/ und Gescon
aus unzeitiger Ubereilung solche bey ihrem
Mathos zu suchen nicht allein sie anverwieß/
sondern auch einen frechen Balearier mit sei-
nem Degen verwundete; fielen die nechsten den
Gescon an/ welcher unzweiffelbar von der er-
grimmten Menge wäre erwürgt worden/ wenn
nicht Fürst Narvas seinen Nebenbuhler zu be-
schirmen sich unterwunden hätte. Gleichwol
konte er nicht verwehren: daß er in Banden ge-
schlossen und ins Gefängnüß gelegt ward; und

Ma-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] aller andern Geſchlechter zu Carthago/ viel-
mehr aber fremder ſich zu gut achtete; theils weil
ſich Geſcon ſelbſt Sophonisben zu heyrathen
anmeldete. Fuͤrſt Narvas erfuhr inzwiſchen
nicht nur von der ihm geneigten Sophonisbe
die Urſache ſolcher Veraͤnderung; ſondern auch:
daß Amilcar an dem Adel des Fuͤrſten Narvas
und Autaritus gezweiffelt hatte. Dieſes be-
wegteihn dem Amilcar ſeine Vertroͤſtungen deꝛ
Heyrath wegen ſchrifftlich einzuhalten/ auch ihn
zu verſichern: daß er ſein Fuͤrſtliches Geſchlech-
te von ſolchem Alter/ als der Barkiſche Stamm
immermehr haͤtte/ ausfuͤhren koͤnte. Allein er
begehrte ſich mit den verroſterten Schilden ſei-
ner Vorfahren nicht zu behelffen/ weil Amilcar
in Sicilien ſelbſt geſehen: wieviel er ihrer ſelbſt
den Feinden abgeriſſen haͤtte. Vermeinten die
Mohren ſeine Neuigkeit veraͤchtlich zu halten/
ſo muͤſte er derſelben Zagheit verlachen/ derer
Eltern ſich ſelbſt ſolcher Kinder ſchaͤmen/ ihn a-
ber zu ihrem Sohne wuͤnſchen wuͤrden/ wenn
ſie aus ihren Graͤbern aufſtuͤnden. Alſo moͤch-
te er ſein Anſuchen nicht verſchmaͤhen. Haͤtte
er das Gluͤcke des groſſen Amilcars Tochter zu
heyrathen/ ſo wuͤrde Amilcar ſich des unver-
gleichlichen Tuiſco und des maͤchtigen Hiem-
pſals Enckel zum Eydame zu haben ſich nicht
ſchaͤmen doͤrffen. Autaritus verſuchte gleich-
fals ſein Heil aufs beſte; aber die Freundſchafft
des Geſcon uͤberwog ſie endlich: daß Sopho-
nisbe zu hoͤchſter Verbitterung beyder Fuͤrſten
jenem verſagt/ durch ſolchen Verluſt aber des
Fuͤrſten Nervas und Autaritus durch die Ei-
ferſucht eine zeitlang zertrennte Vertrauligkeit
wieder er gaͤntzet ward. Dieſes geſchah/ als deꝛ
Rath zu Carthago aus Mangel Geldes zuꝛ Be-
zahlung alle fremde Huͤlfsvoͤlcker mit Sack und
Pack hoͤchſt unvernuͤnfftig in der Stadt Sicca
ſich zuſammen ziehen/ daſelbſt eine zeitlang
ſchaͤdlicher Ruhe genuͤſſen ließ; welche anfangs
in Muthwillen/ hernach in Verwegenheit den
ruͤckſtaͤndigen Sold mit Ungeſtuͤm zu ſuchen
[Spaltenumbruch] ſich verwandelte. Jedoch bildete der Rath ihm
nichts weniger ein/ als daß ſo viel durch Spra-
chen und Sitten von einander unterſchiedene
Voͤlcker ſo bald wieder Carthago unter einen
Hut gebracht werden koͤnten/ daher meinten ſie
durch den Hanno ihnen die Helffte ihres ſauer
verdienten Lohnes und den Werth der eingebiß-
ten Pferde abzudingen. Welch Anmuthen
aber ihnen ſo beſchwerlich nicht fiel/ als daß ſie
dieſe Unterhandlung durch keinen Feldherren/
der in Sicilien ihre Kriegs-Thaten geſehen
hatte/ bewerckſtelliget ward; daher ſetzten ſie ſich
mit 20000. Mann zu groſſem Schrecken der
Stadt Carthago fuͤr Thunis; fluchten inſon-
derheit auf Amilcarn/ als welcher um ſich ſeiner
betheurlichen Verſprechungen guͤldener Berge
loß zu machen ſein Ampt abgelegt/ und die zwey
tapffern Fuͤrſten Narvas und Autaritus/ derer
Tugend die Herrſchafft der gantzen Welt ver-
diente/ durch Verſagung ſeiner Tochter be-
ſchimpfthaͤtte. Nach dem aber Geſcon in Si-
cilien bey dem Kriegsvolcke ſehr angenehm ge-
weſt war/ ſchickte der Rath von Carthago ihn
dieſe Voͤlcker zu beſtillen; Als inzwiſchen ſie
dem Fuͤrſten Narvas und Autaritus die Ober-
Gewalt uͤber ſich aufgetragen/ und bey dieſer
ihrer Verweigerung einen Africaniſchen Edel-
mann Mathos und einen Campanier von Ge-
burt Spendius zu ihren Haͤuptern erwehlt hat-
ten. Geſcon muͤhte ſich zwar auf alle weiſe ſie
zu beſaͤnfftigen; wie ſie aber um Bezahlung des
ruͤckſtaͤndigen Getreides anhielten/ und Geſcon
aus unzeitiger Ubereilung ſolche bey ihrem
Mathos zu ſuchen nicht allein ſie anverwieß/
ſondern auch einen frechen Balearier mit ſei-
nem Degen verwundete; fielen die nechſten den
Geſcon an/ welcher unzweiffelbar von der er-
grimmten Menge waͤre erwuͤrgt worden/ wenn
nicht Fuͤrſt Narvas ſeinen Nebenbuhler zu be-
ſchirmen ſich unterwunden haͤtte. Gleichwol
konte er nicht verwehren: daß er in Banden ge-
ſchloſſen und ins Gefaͤngnuͤß gelegt ward; und

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[804[806]/0866] Sechſtes Buch aller andern Geſchlechter zu Carthago/ viel- mehr aber fremder ſich zu gut achtete; theils weil ſich Geſcon ſelbſt Sophonisben zu heyrathen anmeldete. Fuͤrſt Narvas erfuhr inzwiſchen nicht nur von der ihm geneigten Sophonisbe die Urſache ſolcher Veraͤnderung; ſondern auch: daß Amilcar an dem Adel des Fuͤrſten Narvas und Autaritus gezweiffelt hatte. Dieſes be- wegteihn dem Amilcar ſeine Vertroͤſtungen deꝛ Heyrath wegen ſchrifftlich einzuhalten/ auch ihn zu verſichern: daß er ſein Fuͤrſtliches Geſchlech- te von ſolchem Alter/ als der Barkiſche Stamm immermehr haͤtte/ ausfuͤhren koͤnte. Allein er begehrte ſich mit den verroſterten Schilden ſei- ner Vorfahren nicht zu behelffen/ weil Amilcar in Sicilien ſelbſt geſehen: wieviel er ihrer ſelbſt den Feinden abgeriſſen haͤtte. Vermeinten die Mohren ſeine Neuigkeit veraͤchtlich zu halten/ ſo muͤſte er derſelben Zagheit verlachen/ derer Eltern ſich ſelbſt ſolcher Kinder ſchaͤmen/ ihn a- ber zu ihrem Sohne wuͤnſchen wuͤrden/ wenn ſie aus ihren Graͤbern aufſtuͤnden. Alſo moͤch- te er ſein Anſuchen nicht verſchmaͤhen. Haͤtte er das Gluͤcke des groſſen Amilcars Tochter zu heyrathen/ ſo wuͤrde Amilcar ſich des unver- gleichlichen Tuiſco und des maͤchtigen Hiem- pſals Enckel zum Eydame zu haben ſich nicht ſchaͤmen doͤrffen. Autaritus verſuchte gleich- fals ſein Heil aufs beſte; aber die Freundſchafft des Geſcon uͤberwog ſie endlich: daß Sopho- nisbe zu hoͤchſter Verbitterung beyder Fuͤrſten jenem verſagt/ durch ſolchen Verluſt aber des Fuͤrſten Nervas und Autaritus durch die Ei- ferſucht eine zeitlang zertrennte Vertrauligkeit wieder er gaͤntzet ward. Dieſes geſchah/ als deꝛ Rath zu Carthago aus Mangel Geldes zuꝛ Be- zahlung alle fremde Huͤlfsvoͤlcker mit Sack und Pack hoͤchſt unvernuͤnfftig in der Stadt Sicca ſich zuſammen ziehen/ daſelbſt eine zeitlang ſchaͤdlicher Ruhe genuͤſſen ließ; welche anfangs in Muthwillen/ hernach in Verwegenheit den ruͤckſtaͤndigen Sold mit Ungeſtuͤm zu ſuchen ſich verwandelte. Jedoch bildete der Rath ihm nichts weniger ein/ als daß ſo viel durch Spra- chen und Sitten von einander unterſchiedene Voͤlcker ſo bald wieder Carthago unter einen Hut gebracht werden koͤnten/ daher meinten ſie durch den Hanno ihnen die Helffte ihres ſauer verdienten Lohnes und den Werth der eingebiß- ten Pferde abzudingen. Welch Anmuthen aber ihnen ſo beſchwerlich nicht fiel/ als daß ſie dieſe Unterhandlung durch keinen Feldherren/ der in Sicilien ihre Kriegs-Thaten geſehen hatte/ bewerckſtelliget ward; daher ſetzten ſie ſich mit 20000. Mann zu groſſem Schrecken der Stadt Carthago fuͤr Thunis; fluchten inſon- derheit auf Amilcarn/ als welcher um ſich ſeiner betheurlichen Verſprechungen guͤldener Berge loß zu machen ſein Ampt abgelegt/ und die zwey tapffern Fuͤrſten Narvas und Autaritus/ derer Tugend die Herrſchafft der gantzen Welt ver- diente/ durch Verſagung ſeiner Tochter be- ſchimpfthaͤtte. Nach dem aber Geſcon in Si- cilien bey dem Kriegsvolcke ſehr angenehm ge- weſt war/ ſchickte der Rath von Carthago ihn dieſe Voͤlcker zu beſtillen; Als inzwiſchen ſie dem Fuͤrſten Narvas und Autaritus die Ober- Gewalt uͤber ſich aufgetragen/ und bey dieſer ihrer Verweigerung einen Africaniſchen Edel- mann Mathos und einen Campanier von Ge- burt Spendius zu ihren Haͤuptern erwehlt hat- ten. Geſcon muͤhte ſich zwar auf alle weiſe ſie zu beſaͤnfftigen; wie ſie aber um Bezahlung des ruͤckſtaͤndigen Getreides anhielten/ und Geſcon aus unzeitiger Ubereilung ſolche bey ihrem Mathos zu ſuchen nicht allein ſie anverwieß/ ſondern auch einen frechen Balearier mit ſei- nem Degen verwundete; fielen die nechſten den Geſcon an/ welcher unzweiffelbar von der er- grimmten Menge waͤre erwuͤrgt worden/ wenn nicht Fuͤrſt Narvas ſeinen Nebenbuhler zu be- ſchirmen ſich unterwunden haͤtte. Gleichwol konte er nicht verwehren: daß er in Banden ge- ſchloſſen und ins Gefaͤngnuͤß gelegt ward; und Ma-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 804[806]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/866>, abgerufen am 23.11.2024.