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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] aber ergrimmte über dieser Vermessenheit so
sehr: daß er den unverschämten Boten durch-
stach/ mit gewaffneter Hand zu dem gantz gülde-
nen Tempel eilete/ alle Priester tödtete/ sich zum
obersten Priester erklärte und einen gantz neuen/
der Königlichen Herrschafft besser anständigen
Gottesdienst aufrichtete. König Ergamenes
führte hierauf die Gesandten und den Fürsten
Narvas auf eine Elefanten-Jagt/ in eine mit eitel
Oel- und Myrthen-Bäume bewachsene Wild-
nüs gegen dem Flusse Nubia/ auf welcher Fürst
Narvas das Glücke hatte/ nicht allein einem E-
lefanten/ der den König nach empfangener Wun-
de mit samt dem Pferde zu Bodem rennte/ unter
dem Schwantze einen Wurfspieß in Leib zu ja-
gen/ sondern auch einer Schlange Minia/ wel-
che auch einen Hirsch zu tödten und zu ver-
schlingen mächtig ist/ auch dißmal die mit ihrem
Pferde bey Verfolgung eines Elefanten in ei-
nen Graben stürtzende Fürstin Adraste schon
umwunden hatte/ den Kopf abhieb/ also beyde
aus augenscheinlicher Todes-Gefahr errettete.
Bey welchem Zufalle Adraste dem Fürsten
Narvas eröfnete: daß sie ihm aus Erbarmnüß
die von Panterthieren ausgezogene Bisam-Ku-
geln/ welche nicht nur die Affen durch ihren an-
nehmlichen Geruch bethörten/ sondern auch die
Schlangen tödteten/ heimlich hätte zuschieben
lassen; Fürst Narvas hingegen ihr seine inbrün-
stige Liebe/ welche ihn bey ihrem ersten Anblicke
eingenommen/ bey itzt vernommener Errettung
aber ihn völlig bezaubert hätte/ eröfnete. Adraste
wuste ihre Liebe durch ihre Mutter Elisa auch
so klüglich einzurichten: daß Ergamenes selbst
seine Tochter Adraste dem Fürsten Narvas nebst
dem Königreiche Massesyler anbot. Die Prie-
ster der Stadt Mulucha aber/ welche daselbst/
wie zu Argib/ den Erretter der Andromeda
Perseus göttlich verehren/ schickten nach ver-
nommener behertzter Erlösung Adrastens als-
bald an den Fürsten Narvas/ und erklärten ihn
bey Uberreichung einer güldenen Mütze/ eines
helffenbeinernen Stabes/ und eines ertztenen
[Spaltenumbruch] Schildes/ worauf die an den Felsen bey Joppe
gebundene Andromeda/ und der ihr zu Hülffe
kommende Perseus künstlich geetzet war/ zu ei-
nem Priester des Perseus und Andromedens.
Wiewol nun diese unvermuthete Würde dem
Fürsten Narvas anzunehmen ziemlich bedenck-
lich war/ so dorffte er doch in dem Lande/ wo er
nunmehr den Grundstein seines Glückes zu le-
gen vermeinte/ diß/ was bey iederman in so gros-
sem Ansehen war/ nicht verächtlich wegwerffen.
Jnzwischen kam der gantze Hof nach der Stadt
Nigira/ (welche an dem See/ wo der achzehn
Meilweges unter der Erden gekrochene Fluß
Nigir wieder hervor kommt/ gelegen ist/) allwo
das Hochzeit-Feyer mit grosser Pracht und Fro-
locken des Volckes vollzogen ward. Wie nun
aber Fürst Narvas seiner Braut in dem zum
Beylager bestimmten Zimmer mit höchstem Ver-
langen erwartete/ sagte ihm einer seiner Ver-
trauten: daß die Priester sie für etlicher Zeit in
den Tempel der Derceto abgeholet hätten; weil
alle/ und so gar die Königlichen Bräute daselbst
ihre Jungfrauschafft denen Priestern aus einer
besondern Andacht aufopffern müssen. Narvas
ward über dieser thörichten Zeitung halb rasend/
ergrief daher sein Schwerd/ und rennte mit sei-
nem einigen Ansäger durch die stockfinstern Gas-
sen dem Tempel zu; allwo er die in Thränen
schwimmende und aus einer Ohnmacht in die
ander fallende Adraste unter den Armen der gei-
len Priester antraf; welche sie zu entkleiden/ und
hernach in das daselbst bereitete heilige Bette zu
legen bemüht waren. Diese Weichlinge wur-
den des Fürsten ehe nicht gewahr/ biß er dem ei-
nen die vorwitzige Hand abgehauen/ des andern
Brust durch und durch gestochen hatte. Dieser
Anblick zerstreute in einem Augenblicke die
Priester; und verstattete dem für Eifersucht
schäumen den Bräutigam seine halb verzweiffel-
te Adraste durch den Garten der Burg unver-
merckt in sein Gemach zu bringen. Er hatte a-
ber kaum etliche mal seine wieder zu sich kom-
mende Braut umarmet/ als sich für der Burg

anfangs

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] aber ergrimmte uͤber dieſer Vermeſſenheit ſo
ſehr: daß er den unverſchaͤmten Boten durch-
ſtach/ mit gewaffneter Hand zu dem gantz guͤlde-
nen Tempel eilete/ alle Prieſter toͤdtete/ ſich zum
oberſten Prieſteꝛ erklaͤrte und einen gantz neuen/
der Koͤniglichen Herrſchafft beſſer anſtaͤndigen
Gottesdienſt aufrichtete. Koͤnig Ergamenes
fuͤhrte hierauf die Geſandten und den Fuͤrſten
Narvas auf eine Elefantẽ-Jagt/ in eine mit eitel
Oel- und Myrthen-Baͤume bewachſene Wild-
nuͤs gegen dem Fluſſe Nubia/ auf welcher Fuͤrſt
Narvas das Gluͤcke hatte/ nicht allein einem E-
lefanten/ deꝛ den Koͤnig nach empfangeneꝛ Wun-
de mit ſamt dem Pferde zu Bodem rennte/ unter
dem Schwantze einen Wurfſpieß in Leib zu ja-
gen/ ſondern auch einer Schlange Minia/ wel-
che auch einen Hirſch zu toͤdten und zu ver-
ſchlingen maͤchtig iſt/ auch dißmal die mit ihrem
Pferde bey Verfolgung eines Elefanten in ei-
nen Graben ſtuͤrtzende Fuͤrſtin Adraſte ſchon
umwunden hatte/ den Kopf abhieb/ alſo beyde
aus augenſcheinlicher Todes-Gefahr errettete.
Bey welchem Zufalle Adraſte dem Fuͤrſten
Narvas eroͤfnete: daß ſie ihm aus Erbarmnuͤß
die von Panterthieren ausgezogene Biſam-Ku-
geln/ welche nicht nur die Affen durch ihren an-
nehmlichen Geruch bethoͤrten/ ſondern auch die
Schlangen toͤdteten/ heimlich haͤtte zuſchieben
laſſen; Fuͤrſt Narvas hingegen ihr ſeine inbruͤn-
ſtige Liebe/ welche ihn bey ihrem erſten Anblicke
eingenommen/ bey itzt vernommener Errettung
aber ihn voͤllig bezaubert haͤtte/ eroͤfnete. Adraſte
wuſte ihre Liebe durch ihre Mutter Eliſa auch
ſo kluͤglich einzurichten: daß Ergamenes ſelbſt
ſeine Tochter Adraſte dem Fuͤrſten Naꝛvas nebſt
dem Koͤnigreiche Maſſeſyler anbot. Die Prie-
ſter der Stadt Mulucha aber/ welche daſelbſt/
wie zu Argib/ den Erretter der Andromeda
Perſeus goͤttlich verehren/ ſchickten nach ver-
nommener behertzter Erloͤſung Adraſtens als-
bald an den Fuͤrſten Narvas/ und erklaͤrten ihn
bey Uberreichung einer guͤldenen Muͤtze/ eines
helffenbeinernen Stabes/ und eines ertztenen
[Spaltenumbruch] Schildes/ worauf die an den Felſen bey Joppe
gebundene Andromeda/ und der ihr zu Huͤlffe
kommende Perſeus kuͤnſtlich geetzet war/ zu ei-
nem Prieſter des Perſeus und Andromedens.
Wiewol nun dieſe unvermuthete Wuͤrde dem
Fuͤrſten Narvas anzunehmen ziemlich bedenck-
lich war/ ſo dorffte er doch in dem Lande/ wo er
nunmehr den Grundſtein ſeines Gluͤckes zu le-
gen vermeinte/ diß/ was bey iederman in ſo groſ-
ſem Anſehen war/ nicht veraͤchtlich wegwerffen.
Jnzwiſchen kam der gantze Hof nach der Stadt
Nigira/ (welche an dem See/ wo der achzehn
Meilweges unter der Erden gekrochene Fluß
Nigir wieder hervor kommt/ gelegen iſt/) allwo
das Hochzeit-Feyer mit groſſer Pracht und Fro-
locken des Volckes vollzogen ward. Wie nun
aber Fuͤrſt Narvas ſeiner Braut in dem zum
Beylager beſtim̃ten Zimmer mit hoͤchſtem Ver-
langen erwartete/ ſagte ihm einer ſeiner Ver-
trauten: daß die Prieſter ſie fuͤr etlicher Zeit in
den Tempel der Derceto abgeholet haͤtten; weil
alle/ und ſo gar die Koͤniglichen Braͤute daſelbſt
ihre Jungfrauſchafft denen Prieſtern aus einer
beſondern Andacht aufopffern muͤſſen. Narvas
ward uͤber dieſer thoͤrichten Zeitung halb raſend/
ergrief daher ſein Schwerd/ und rennte mit ſei-
nem einigen Anſaͤger durch die ſtockfinſtern Gaſ-
ſen dem Tempel zu; allwo er die in Thraͤnen
ſchwimmende und aus einer Ohnmacht in die
ander fallende Adraſte unter den Armen der gei-
len Prieſter antraf; welche ſie zu entkleiden/ und
hernach in das daſelbſt bereitete heilige Bette zu
legen bemuͤht waren. Dieſe Weichlinge wur-
den des Fuͤrſten ehe nicht gewahr/ biß er dem ei-
nen die vorwitzige Hand abgehauen/ des andern
Bruſt durch und durch geſtochen hatte. Dieſer
Anblick zerſtreute in einem Augenblicke die
Prieſter; und verſtattete dem fuͤr Eiferſucht
ſchaͤumen den Braͤutigam ſeine halb verzweiffel-
te Adraſte durch den Garten der Burg unver-
merckt in ſein Gemach zu bringen. Er hatte a-
ber kaum etliche mal ſeine wieder zu ſich kom-
mende Braut umarmet/ als ſich fuͤr der Burg

anfangs
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 802[804]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/864>, abgerufen am 23.11.2024.