Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
lemons gerechtfertiget: daß der Agstein auch wieErtzt aus der Erden komme. Allerdings/ sag- te die Nassauin; aber der gegrabene gleicht dem nicht/ den das Meer-Wasser und die Sonnen- Stralen geleutert haben. Zeno nam das Wort von ihr und meldete: Es muß das Meer-Was- ser eine wunderwürdige Krafft haben/ ungeach- tet es sonst/ seiner Fruchtbarkeit unbeschadet/ so verächtlich gehalten wird. Denn sein Saltz und seine Bewegung bereitet auff gleiche Weise den seines Geruchs halber unvergleichlichen Am- bra/ welcher/ wie ich in Jndien selbst wahr genom- men/ nichts/ als ein von dortigen Fliegen oder Bienen in denen am Meer liegenden Steinklüf- ten zusammengetragenes/ hernach herunter ge- fallenes und von den Meereswellen ausgearbei- tetes Wachs und Honig eben so wenig aber der meisten Meinung nach/ als der Agstein eine Baum-Frucht/ viel minder Schaum der Meer- schweine/ oder eine von dem Meere ausgearbei- tete Fettigkeit der Erde/ noch Mist/ gewisser nur köstliche Würtze essender Vögel ist. Vielleicht aber fiel Salonine ein/ hat der Agstein in Galli- en Hispanien/ Britannien und Mohrenland ei- nen andern Ursprung. Die Gräfin versetzte: diese Länder haben zwar etwas/ das dem Agstei- ne gleicht/ keines weges aber den rechten ausge- klärten Agstein/ welcher nirgends in der Welt als in dem deutschen Gebiete der Gothonen und Estier gefunden/ daselbst seiner Durchsichtigkeit halber Glaß genennt/ von dar nach Carmut/ und folgends in Jtalien/ Griechenland und Asien gebracht wird. Seinen ersten Werth aber ha- ben ihm die Carthaginenser gegeben/ welche ihn mit ihren Schiffen in Africa brachten; woraus vielleicht der Ruff kommen: daß in Mohren- land an dem Orte/ wo Phaethon umkommen/ des Ammons Wahrsagung und das Wachs- thum des Agsteins zu finden sey. Adgande- ster bestetigte diß/ und fuhr in seiner Erzehlung derogestalt fort: Als Narvas auff eben sol- chen Schiffen nach Carthago gebracht ward/ [Spaltenumbruch] führte gleich diese Stadt mit dem Könige A- gathocles dem berühmten Töpffer-Sohne/ von welchem/ als er noch in Mutter-Leibe war/ A- pollo wahrgesagt hatte: daß er in Sicilien und Africa groß Elend stifften würde/ Krieg. Die- ser war zwar mit genauer Noth aus der belä- gerten Stadt Syracuse entronnen/ und mit ei- nem Theile seines Heeres in Africa kommen/ hatte die Städte Magna und Tunis unver- sehens eingenommen/ und eingeäschert; und Hanno war mit etlichen tausenden theils durch Agathocles List/ indem er bey währender Schlacht eine Menge Nacht-Eulen/ als ein Siegs-Zeichen der Griechen flügen lassen/ theils durch des andern Feldherrn Bomilcars verrä- therisches Weichen erschlagen/ viel Städte und Festungen in Africa erobert; ja auch ihr Heer/ welches Syracusa belägerte/ von Antandern des Agathocles Brudern unversehens aufgeschla- gen/ und der Feldherr Amilcar/ des Giscons Sohn/ lebendig gefangen/ hernach zu tode gepei- nigt worden. Jn diesem Gedränge war Cartha- go/ als das Schiff/ auff welchem der junge Fürst Narvas war/ in den Hafen lieff; welchen aber die Meyneidischen Kauffleute unterweges als einen Gefangenen gebunden hatten/ und aus Begier- de eines schnöden Gewinnes des Bomilcars Ge- mahlin für einen Knecht verkaufften/ um selbten für die Wolfarth ihres noch nicht in die Stadt zurücke gekommenen Ehherrns dem Saturnus auffzuopffern; dessen ertztenes Bild mit zweyen Antlitzern/ unter sich gestreckten Armen die ihm darauff gelegten Menschen unter sich in einen glüenden Schmeltzofen abstürtzet; und also hier von diesem grausamen Abgotte/ mit welchem doch die Vorwelt nur die sich selbst verzehrende Zeit fürgestellet hat/ in Warheit abgebildet ward: daß er seine Kinder fresse. Folgenden Tag aber rückte Agathocles mit seinen beyden Söhnen Archaga- thus und Heraclidas gar für Carthago; und ein Grieche ritt mit dem blutigen Kopfe Amilcars biß unter den Wall den Feinden selbten recht ei- gentlich
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
lemons gerechtfertiget: daß der Agſtein auch wieErtzt aus der Erden komme. Allerdings/ ſag- te die Naſſauin; aber der gegrabene gleicht dem nicht/ den das Meer-Waſſer und die Sonnen- Stralen geleutert haben. Zeno nam das Wort von ihr und meldete: Es muß das Meer-Waſ- ſer eine wunderwuͤrdige Krafft haben/ ungeach- tet es ſonſt/ ſeiner Fruchtbarkeit unbeſchadet/ ſo veraͤchtlich gehalten wird. Denn ſein Saltz und ſeine Bewegung bereitet auff gleiche Weiſe den ſeines Geruchs halber unvergleichlichen Am- bra/ welcheꝛ/ wie ich in Jndien ſelbſt wahr genom- men/ nichts/ als ein von dortigen Fliegen oder Bienen in denen am Meer liegendẽ Steinkluͤf- ten zuſam̃engetragenes/ hernach herunter ge- fallenes uñ von den Meereswellen ausgearbei- tetes Wachs und Honig eben ſo wenig aber der meiſten Meinung nach/ als der Agſtein eine Baum-Frucht/ viel minder Schaum der Meer- ſchweine/ oder eine von dem Meere ausgearbei- tete Fettigkeit der Erde/ noch Miſt/ gewiſſer nur koͤſtliche Wuͤrtze eſſender Voͤgel iſt. Vielleicht aber fiel Salonine ein/ hat der Agſtein in Galli- en Hiſpanien/ Britannien und Mohrenland ei- nen andern Urſprung. Die Graͤfin verſetzte: dieſe Laͤnder haben zwar etwas/ das dem Agſtei- ne gleicht/ keines weges aber den rechten ausge- klaͤrten Agſtein/ welcher nirgends in der Welt als in dem deutſchen Gebiete der Gothonen und Eſtier gefunden/ daſelbſt ſeiner Durchſichtigkeit halber Glaß genennt/ von dar nach Carmut/ und folgends in Jtalien/ Griechenland und Aſien gebracht wird. Seinen erſten Werth aber ha- ben ihm die Carthaginenſer gegeben/ welche ihn mit ihren Schiffen in Africa brachten; woraus vielleicht der Ruff kommen: daß in Mohren- land an dem Oꝛte/ wo Phaethon umkommen/ des Ammons Wahrſagung und das Wachs- thum des Agſteins zu finden ſey. Adgande- ſter beſtetigte diß/ und fuhr in ſeiner Erzehlung derogeſtalt fort: Als Narvas auff eben ſol- chen Schiffen nach Carthago gebracht ward/ [Spaltenumbruch] fuͤhrte gleich dieſe Stadt mit dem Koͤnige A- gathocles dem beruͤhmten Toͤpffer-Sohne/ von welchem/ als er noch in Mutter-Leibe war/ A- pollo wahrgeſagt hatte: daß er in Sicilien und Africa groß Elend ſtifften wuͤrde/ Krieg. Die- ſer war zwar mit genauer Noth aus der belaͤ- gerten Stadt Syracuſe entronnen/ und mit ei- nem Theile ſeines Heeres in Africa kommen/ hatte die Staͤdte Magna und Tunis unver- ſehens eingenommen/ und eingeaͤſchert; und Hanno war mit etlichen tauſenden theils durch Agathocles Liſt/ indem er bey waͤhrender Schlacht eine Menge Nacht-Eulen/ als ein Siegs-Zeichen deꝛ Griechen fluͤgen laſſen/ theils durch des andern Feldherrn Bomilcars verraͤ- theriſches Weichen erſchlagen/ viel Staͤdte und Feſtungen in Africa erobert; ja auch ihr Heer/ welches Syracuſa belaͤgerte/ von Antandern des Agathocles Brudern unverſehens aufgeſchla- gen/ und der Feldherr Amilcar/ des Giſcons Sohn/ lebendig gefangen/ hernach zu tode gepei- nigt worden. Jn dieſem Gedraͤnge war Cartha- go/ als das Schiff/ auff welchem der junge Fuͤrſt Narvas war/ in den Hafen lieff; welchen aber die Meyneidiſchen Kauffleute unteꝛweges als einen Gefangenen gebunden hatten/ und aus Begier- de eines ſchnoͤden Gewiñes des Bomilcars Ge- mahlin fuͤr einen Knecht verkaufften/ um ſelbten fuͤr die Wolfarth ihres noch nicht in die Stadt zuruͤcke gekommenen Ehherꝛns dem Saturnus auffzuopffern; deſſen ertztenes Bild mit zweyen Antlitzern/ unter ſich geſtreckten Armen die ihm darauff gelegten Menſchen unter ſich in einen gluͤenden Schmeltzofen abſtuͤrtzet; und alſo hier von dieſem grauſamẽ Abgotte/ mit welchem doch die Vorwelt nur die ſich ſelbſt verzehrende Zeit fuͤrgeſtellet hat/ in Warheit abgebildet ward: daß er ſeine Kinder freſſe. Folgenden Tag aber ruͤckte Agathocles mit ſeinen beyden Soͤhnen Aꝛchaga- thus und Heraclidas gar fuͤr Carthago; und ein Grieche ritt mit dem blutigen Kopfe Amilcars biß unter den Wall den Feinden ſelbten recht ei- gentlich
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Sechſtes Buch
lemons gerechtfertiget: daß der Agſtein auch wie
Ertzt aus der Erden komme. Allerdings/ ſag-
te die Naſſauin; aber der gegrabene gleicht dem
nicht/ den das Meer-Waſſer und die Sonnen-
Stralen geleutert haben. Zeno nam das Wort
von ihr und meldete: Es muß das Meer-Waſ-
ſer eine wunderwuͤrdige Krafft haben/ ungeach-
tet es ſonſt/ ſeiner Fruchtbarkeit unbeſchadet/ ſo
veraͤchtlich gehalten wird. Denn ſein Saltz und
ſeine Bewegung bereitet auff gleiche Weiſe den
ſeines Geruchs halber unvergleichlichen Am-
bra/ welcheꝛ/ wie ich in Jndien ſelbſt wahr genom-
men/ nichts/ als ein von dortigen Fliegen oder
Bienen in denen am Meer liegendẽ Steinkluͤf-
ten zuſam̃engetragenes/ hernach herunter ge-
fallenes uñ von den Meereswellen ausgearbei-
tetes Wachs und Honig eben ſo wenig aber der
meiſten Meinung nach/ als der Agſtein eine
Baum-Frucht/ viel minder Schaum der Meer-
ſchweine/ oder eine von dem Meere ausgearbei-
tete Fettigkeit der Erde/ noch Miſt/ gewiſſer nur
koͤſtliche Wuͤrtze eſſender Voͤgel iſt. Vielleicht
aber fiel Salonine ein/ hat der Agſtein in Galli-
en Hiſpanien/ Britannien und Mohrenland ei-
nen andern Urſprung. Die Graͤfin verſetzte:
dieſe Laͤnder haben zwar etwas/ das dem Agſtei-
ne gleicht/ keines weges aber den rechten ausge-
klaͤrten Agſtein/ welcher nirgends in der Welt
als in dem deutſchen Gebiete der Gothonen und
Eſtier gefunden/ daſelbſt ſeiner Durchſichtigkeit
halber Glaß genennt/ von dar nach Carmut/ und
folgends in Jtalien/ Griechenland und Aſien
gebracht wird. Seinen erſten Werth aber ha-
ben ihm die Carthaginenſer gegeben/ welche ihn
mit ihren Schiffen in Africa brachten; woraus
vielleicht der Ruff kommen: daß in Mohren-
land an dem Oꝛte/ wo Phaethon umkommen/
des Ammons Wahrſagung und das Wachs-
thum des Agſteins zu finden ſey. Adgande-
ſter beſtetigte diß/ und fuhr in ſeiner Erzehlung
derogeſtalt fort: Als Narvas auff eben ſol-
chen Schiffen nach Carthago gebracht ward/
fuͤhrte gleich dieſe Stadt mit dem Koͤnige A-
gathocles dem beruͤhmten Toͤpffer-Sohne/ von
welchem/ als er noch in Mutter-Leibe war/ A-
pollo wahrgeſagt hatte: daß er in Sicilien und
Africa groß Elend ſtifften wuͤrde/ Krieg. Die-
ſer war zwar mit genauer Noth aus der belaͤ-
gerten Stadt Syracuſe entronnen/ und mit ei-
nem Theile ſeines Heeres in Africa kommen/
hatte die Staͤdte Magna und Tunis unver-
ſehens eingenommen/ und eingeaͤſchert; und
Hanno war mit etlichen tauſenden theils durch
Agathocles Liſt/ indem er bey waͤhrender
Schlacht eine Menge Nacht-Eulen/ als ein
Siegs-Zeichen deꝛ Griechen fluͤgen laſſen/ theils
durch des andern Feldherrn Bomilcars verraͤ-
theriſches Weichen erſchlagen/ viel Staͤdte und
Feſtungen in Africa erobert; ja auch ihr Heer/
welches Syracuſa belaͤgerte/ von Antandern des
Agathocles Brudern unverſehens aufgeſchla-
gen/ und der Feldherr Amilcar/ des Giſcons
Sohn/ lebendig gefangen/ hernach zu tode gepei-
nigt worden. Jn dieſem Gedraͤnge war Cartha-
go/ als das Schiff/ auff welchem der junge Fuͤrſt
Narvas war/ in den Hafen lieff; welchen aber die
Meyneidiſchen Kauffleute unteꝛweges als einen
Gefangenen gebunden hatten/ und aus Begier-
de eines ſchnoͤden Gewiñes des Bomilcars Ge-
mahlin fuͤr einen Knecht verkaufften/ um ſelbten
fuͤr die Wolfarth ihres noch nicht in die Stadt
zuruͤcke gekommenen Ehherꝛns dem Saturnus
auffzuopffern; deſſen ertztenes Bild mit zweyen
Antlitzern/ unter ſich geſtreckten Armen die ihm
darauff gelegten Menſchen unter ſich in einen
gluͤenden Schmeltzofen abſtuͤrtzet; und alſo hier
von dieſem grauſamẽ Abgotte/ mit welchem doch
die Vorwelt nur die ſich ſelbſt verzehrende Zeit
fuͤrgeſtellet hat/ in Warheit abgebildet ward: daß
er ſeine Kinder freſſe. Folgenden Tag aber ruͤckte
Agathocles mit ſeinen beyden Soͤhnen Aꝛchaga-
thus und Heraclidas gar fuͤr Carthago; und ein
Grieche ritt mit dem blutigen Kopfe Amilcars
biß unter den Wall den Feinden ſelbten recht ei-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 794[798]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/858>, abgerufen am 22.07.2024. |