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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Er selbst war nicht zu erhalten: daß er nicht sei-
ne Tectosager anführte. Er erlegte mit seiner
eignen Hand zwar auch den Obersten Telesar-
chus/ und drang biß zu dem auf einer hohen
Klippe liegenden Tempel der Minerve durch;
aber die Klippen waren daselbst Thürme hoch:
daß nur Brennus an ihnen den Kopf zu zerbre-
chen vernünfftig unterlassen muste. Weil a-
ber unter allen Griechen die Etolier den Deut-
schen am hartnäckigsten begegneten/ schickte
Brennus die Fürsten Orester und Combut mit
40000. Mann über den Fluß Sperchius/ wel-
che durch Thessalien über den Berg Callidro-
mus in Etolien einbrachen; alles mit Feuer und
Schwerd verheerten/ und hierdurch die Etolier
zu Beschirmung ihres Eigenthums von Ther-
mopylen wegzohen; welche aber nebst ihren
Gehülffen den Patrensen nur in den Gebür-
gen sich aufhalten/ und nach etlichen Treffen/
und verbrennter Stadt Callium mit reicher
Beute musten abziehen lassen. Unterdessen
weil die Heracleer und Aeniater der Deutschen
Last überdrüßig waren/ weiseten sie nicht zwar
aus Haß gegen die Griechen/ sondern um sich
zu entbürden dem Hertzog Brennus selbst einen
leichten Weg über den Berg Oeta/ auf welchem
für Zeiten der Mede Hydarnes den Leonides ü-
berfallen/ und Ephialtes die Persen in Phocis
geleitet hatte. Die Phocenser hatten diesen
Eingang zwar auch besetzt; aber der zu selbiger
Zeit fallende Nebel verbarg die Deutschen so
lange: daß die Griechen dieser nicht ehe/ als biß
sie gantz umringt waren/ gewahr wurden. Da-
her wurden sie fast alle erschlagen oder gefangen;
und brachten wenig entflohene dem Callippus
von der Ankunfft der Deutschen die traurige
Zeitung. Callippus wendete sich zwar gegen den
Brennus/ aber nach einem zweystündigem Ge-
fechte gieng bey den Griechen alles über einen
Hauffen/ sonderlich/ da der tapfere Callippus ge-
fährlich verwundet ward. Daher flüchtete sich al-
les/ was noch den Deutschen Schwerdtern ent-
[Spaltenumbruch] ran/ auf die Atheniensischen Schiffe; von denen
aber eine ziemliche Anzahl überladen ward/ und
in dem Schlamme stecken blieb; also von denen
ins Meer watenden Deutschen noch erobert
wurden. Fürst Acichor rückte hiermit unver-
hindert durch die Thermopylen; gantz Phocis
und Achaien selbst biß an Athen muste sich dem
Brennus ergeben und für ihm demüthigen.
Der gantze Peloponnesus aber die Corinthische
Land-Enge besetzen/ das Cytherische Gebürge
verhauen/ und die holen Wege mit abgestürtzten
Klippen verriegeln/ um der Deutschen Einfall
zu verhindern. Mir ist hierbey das Gedichte
nicht unbekandt; als wenn Brennus kein gerin-
gerer Gottes-Spötter wie Dionysius gewest
wäre; welcher bey Beraubung der Tempel für-
gegeben: daß der güldene Mantel dem Apollo
im Sommer zu schwer/ im Winter zu kalt wä-
re; und die gütigen Götter ihme selbst ihre gül-
dene Kräntze zulangten/ und daß selbter den
Delphischen Tempel auf dem Berge Parnas-
sus/ darinnen ein aus einer unterirrdischen Hö-
le aufsteigender Wind die Priester zum Wahr-
sagen begeistern soll/ seines dahin gewiedmeten
Reichthums zu berauben vor gehabt hätte/ vom
Erdbeben und anderm Unglück aber/ nach dem
er ihm vorher einen Dolch ins Hertz gestossen/
samt seinem gantzen Heer aufgerieben/ und kein
einiger Mensch errettet worden wäre. Alleine
dieses Gedichte werden nicht allein nachfolgen-
de Thaten des Brennus wiederlegen; sondern
es wiedersprechen ihnen die Geschichtschreiber
selbst/ da sie theils bekennen müssen: Es wäre
dieser Tempel im heiligen Kriege von den Pho-
censern lange vorher aller Schätze beraubt wor-
den/ theils für gegeben: Es hätten die unter de-
nen Tectosagern vermischte Tolistobogier die
Schätze würcklich erobert und zum theil in ihr
Heiligthum nach Tolosa geliefert/ zum theil da-
selbst in einen See geworffen/ welches hernach
der Römische Heerführer Cöpio zu seinem gros-
sen Unglücke heraus gefischet hätte. Es rüh-

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Er ſelbſt war nicht zu erhalten: daß er nicht ſei-
ne Tectoſager anfuͤhrte. Er erlegte mit ſeiner
eignen Hand zwar auch den Oberſten Teleſar-
chus/ und drang biß zu dem auf einer hohen
Klippe liegenden Tempel der Minerve durch;
aber die Klippen waren daſelbſt Thuͤrme hoch:
daß nur Brennus an ihnen den Kopf zu zerbre-
chen vernuͤnfftig unterlaſſen muſte. Weil a-
ber unter allen Griechen die Etolier den Deut-
ſchen am hartnaͤckigſten begegneten/ ſchickte
Brennus die Fuͤrſten Oreſter und Combut mit
40000. Mann uͤber den Fluß Sperchius/ wel-
che durch Theſſalien uͤber den Berg Callidro-
mus in Etolien einbrachen; alles mit Feuer und
Schwerd verheerten/ und hierdurch die Etolier
zu Beſchirmung ihres Eigenthums von Ther-
mopylen wegzohen; welche aber nebſt ihren
Gehuͤlffen den Patrenſen nur in den Gebuͤr-
gen ſich aufhalten/ und nach etlichen Treffen/
und verbrennter Stadt Callium mit reicher
Beute muſten abziehen laſſen. Unterdeſſen
weil die Heracleer und Aeniater der Deutſchen
Laſt uͤberdruͤßig waren/ weiſeten ſie nicht zwar
aus Haß gegen die Griechen/ ſondern um ſich
zu entbuͤrden dem Hertzog Brennus ſelbſt einen
leichten Weg uͤber den Berg Oeta/ auf welchem
fuͤr Zeiten der Mede Hydarnes den Leonides uͤ-
berfallen/ und Ephialtes die Perſen in Phocis
geleitet hatte. Die Phocenſer hatten dieſen
Eingang zwar auch beſetzt; aber der zu ſelbiger
Zeit fallende Nebel verbarg die Deutſchen ſo
lange: daß die Griechen dieſer nicht ehe/ als biß
ſie gantz umringt waren/ gewahr wurden. Da-
her wurden ſie faſt alle erſchlagen oder gefangen;
und brachten wenig entflohene dem Callippus
von der Ankunfft der Deutſchen die traurige
Zeitung. Callippus wendete ſich zwar gegen den
Brennus/ aber nach einem zweyſtuͤndigem Ge-
fechte gieng bey den Griechen alles uͤber einen
Hauffen/ ſonderlich/ da der tapfere Callippus ge-
faͤhrlich verwundet ward. Daheꝛ fluͤchtete ſich al-
les/ was noch den Deutſchen Schwerdtern ent-
[Spaltenumbruch] ran/ auf die Athenienſiſchen Schiffe; von denen
aber eine ziemliche Anzahl uͤberladen ward/ und
in dem Schlamme ſtecken blieb; alſo von denen
ins Meer watenden Deutſchen noch erobert
wurden. Fuͤrſt Acichor ruͤckte hiermit unver-
hindert durch die Thermopylen; gantz Phocis
und Achaien ſelbſt biß an Athen muſte ſich dem
Brennus ergeben und fuͤr ihm demuͤthigen.
Der gantze Peloponneſus aber die Corinthiſche
Land-Enge beſetzen/ das Cytheriſche Gebuͤrge
verhauen/ und die holen Wege mit abgeſtuͤrtzten
Klippen verriegeln/ um der Deutſchen Einfall
zu verhindern. Mir iſt hierbey das Gedichte
nicht unbekandt; als wenn Brennus kein gerin-
gerer Gottes-Spoͤtter wie Dionyſius geweſt
waͤre; welcher bey Beraubung der Tempel fuͤr-
gegeben: daß der guͤldene Mantel dem Apollo
im Sommer zu ſchwer/ im Winter zu kalt waͤ-
re; und die guͤtigen Goͤtter ihme ſelbſt ihre guͤl-
dene Kraͤntze zulangten/ und daß ſelbter den
Delphiſchen Tempel auf dem Berge Parnaſ-
ſus/ darinnen ein aus einer unterirrdiſchen Hoͤ-
le aufſteigender Wind die Prieſter zum Wahr-
ſagen begeiſtern ſoll/ ſeines dahin gewiedmeten
Reichthums zu berauben vor gehabt haͤtte/ vom
Erdbeben und anderm Ungluͤck aber/ nach dem
er ihm vorher einen Dolch ins Hertz geſtoſſen/
ſamt ſeinem gantzen Heer aufgerieben/ und kein
einiger Menſch errettet worden waͤre. Alleine
dieſes Gedichte werden nicht allein nachfolgen-
de Thaten des Brennus wiederlegen; ſondern
es wiederſprechen ihnen die Geſchichtſchreiber
ſelbſt/ da ſie theils bekennen muͤſſen: Es waͤre
dieſer Tempel im heiligen Kriege von den Pho-
cenſern lange vorher aller Schaͤtze beraubt wor-
den/ theils fuͤr gegeben: Es haͤtten die unter de-
nen Tectoſagern vermiſchte Toliſtobogier die
Schaͤtze wuͤrcklich erobert und zum theil in ihr
Heiligthum nach Toloſa geliefert/ zum theil da-
ſelbſt in einen See geworffen/ welches hernach
der Roͤmiſche Heerfuͤhrer Coͤpio zu ſeinem groſ-
ſen Ungluͤcke heraus gefiſchet haͤtte. Es ruͤh-

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[781[783]/0843] Arminius und Thußnelda. Er ſelbſt war nicht zu erhalten: daß er nicht ſei- ne Tectoſager anfuͤhrte. Er erlegte mit ſeiner eignen Hand zwar auch den Oberſten Teleſar- chus/ und drang biß zu dem auf einer hohen Klippe liegenden Tempel der Minerve durch; aber die Klippen waren daſelbſt Thuͤrme hoch: daß nur Brennus an ihnen den Kopf zu zerbre- chen vernuͤnfftig unterlaſſen muſte. Weil a- ber unter allen Griechen die Etolier den Deut- ſchen am hartnaͤckigſten begegneten/ ſchickte Brennus die Fuͤrſten Oreſter und Combut mit 40000. Mann uͤber den Fluß Sperchius/ wel- che durch Theſſalien uͤber den Berg Callidro- mus in Etolien einbrachen; alles mit Feuer und Schwerd verheerten/ und hierdurch die Etolier zu Beſchirmung ihres Eigenthums von Ther- mopylen wegzohen; welche aber nebſt ihren Gehuͤlffen den Patrenſen nur in den Gebuͤr- gen ſich aufhalten/ und nach etlichen Treffen/ und verbrennter Stadt Callium mit reicher Beute muſten abziehen laſſen. Unterdeſſen weil die Heracleer und Aeniater der Deutſchen Laſt uͤberdruͤßig waren/ weiſeten ſie nicht zwar aus Haß gegen die Griechen/ ſondern um ſich zu entbuͤrden dem Hertzog Brennus ſelbſt einen leichten Weg uͤber den Berg Oeta/ auf welchem fuͤr Zeiten der Mede Hydarnes den Leonides uͤ- berfallen/ und Ephialtes die Perſen in Phocis geleitet hatte. Die Phocenſer hatten dieſen Eingang zwar auch beſetzt; aber der zu ſelbiger Zeit fallende Nebel verbarg die Deutſchen ſo lange: daß die Griechen dieſer nicht ehe/ als biß ſie gantz umringt waren/ gewahr wurden. Da- her wurden ſie faſt alle erſchlagen oder gefangen; und brachten wenig entflohene dem Callippus von der Ankunfft der Deutſchen die traurige Zeitung. Callippus wendete ſich zwar gegen den Brennus/ aber nach einem zweyſtuͤndigem Ge- fechte gieng bey den Griechen alles uͤber einen Hauffen/ ſonderlich/ da der tapfere Callippus ge- faͤhrlich verwundet ward. Daheꝛ fluͤchtete ſich al- les/ was noch den Deutſchen Schwerdtern ent- ran/ auf die Athenienſiſchen Schiffe; von denen aber eine ziemliche Anzahl uͤberladen ward/ und in dem Schlamme ſtecken blieb; alſo von denen ins Meer watenden Deutſchen noch erobert wurden. Fuͤrſt Acichor ruͤckte hiermit unver- hindert durch die Thermopylen; gantz Phocis und Achaien ſelbſt biß an Athen muſte ſich dem Brennus ergeben und fuͤr ihm demuͤthigen. Der gantze Peloponneſus aber die Corinthiſche Land-Enge beſetzen/ das Cytheriſche Gebuͤrge verhauen/ und die holen Wege mit abgeſtuͤrtzten Klippen verriegeln/ um der Deutſchen Einfall zu verhindern. Mir iſt hierbey das Gedichte nicht unbekandt; als wenn Brennus kein gerin- gerer Gottes-Spoͤtter wie Dionyſius geweſt waͤre; welcher bey Beraubung der Tempel fuͤr- gegeben: daß der guͤldene Mantel dem Apollo im Sommer zu ſchwer/ im Winter zu kalt waͤ- re; und die guͤtigen Goͤtter ihme ſelbſt ihre guͤl- dene Kraͤntze zulangten/ und daß ſelbter den Delphiſchen Tempel auf dem Berge Parnaſ- ſus/ darinnen ein aus einer unterirrdiſchen Hoͤ- le aufſteigender Wind die Prieſter zum Wahr- ſagen begeiſtern ſoll/ ſeines dahin gewiedmeten Reichthums zu berauben vor gehabt haͤtte/ vom Erdbeben und anderm Ungluͤck aber/ nach dem er ihm vorher einen Dolch ins Hertz geſtoſſen/ ſamt ſeinem gantzen Heer aufgerieben/ und kein einiger Menſch errettet worden waͤre. Alleine dieſes Gedichte werden nicht allein nachfolgen- de Thaten des Brennus wiederlegen; ſondern es wiederſprechen ihnen die Geſchichtſchreiber ſelbſt/ da ſie theils bekennen muͤſſen: Es waͤre dieſer Tempel im heiligen Kriege von den Pho- cenſern lange vorher aller Schaͤtze beraubt wor- den/ theils fuͤr gegeben: Es haͤtten die unter de- nen Tectoſagern vermiſchte Toliſtobogier die Schaͤtze wuͤrcklich erobert und zum theil in ihr Heiligthum nach Toloſa geliefert/ zum theil da- ſelbſt in einen See geworffen/ welches hernach der Roͤmiſche Heerfuͤhrer Coͤpio zu ſeinem groſ- ſen Ungluͤcke heraus gefiſchet haͤtte. Es ruͤh- ret F f f f f 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 781[783]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/843>, abgerufen am 23.11.2024.