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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie auch die Carischen/ nach dem Beyspiele des
Hidrieus solches gar geboten. Der junge
Ptolomeus begegnete nun zwar dem Gesand-
ten: Die angezogenen Gesetze und Einwen-
dungen hätten alleine ihr Absehn auf halbbürti-
ges Geschwister/ das zweyerley Mütter hätte;
welches auf Arsinoen nicht zu ziehen wäre. Der
Gesandte aber lachte hierüber/ fragende: Ob
der Vater zu Zeugung eines Kindes nicht ein
mehrers beytrüge als die Mutter/ derer Zuthat
wol arbeitsamer/ nicht aber edler wäre. Ob
nicht der meisten Völcker Recht deßhalben die
Kinder der Gewalt der Väter/ nicht aber der
Mütter unterwürffe? Ob deßhalben die klu-
gen Spartaner wegen eines Vaters/ nicht a-
ber einer Mutter Kindern die Heyrathen ver-
boten hätten? Ob Ptolomeus nun nicht die
Verweigerung dessen/ was dem gemeinen Pö-
fel frey gelassen/ für eine Verachtung aufzuneh-
men haben würde? Dieser letzte Donnerschlag
bewegte die nicht so sehr wegen ihrer selbst/ als ih-
rer Kinder halber ängstige Arsinoe: daß sie ih-
ren getreuen Chodion in Macedonien zu Ab-
nehmung des angebotenen Eydes abschickte/ in
Meinung: daß ihre Eh ihre Kinder sie mehr
als die Waffen für dem Grimme eines so mäch-
tigen Feindes beschirmen würde. Ptolomeus
umfaste in dem Tempel des Jupiters/ welchen
die Macedonier für den heiligsten und ältesten
hielten/ die Hörner des Altares/ und das Bild-
nüß Jupiters/ schwur also mit unverändertem
Gesichte: Er suchte die Heyrath seiner Schwe-
ster von treuem Hertzen; Er wolle sie nebst sich
auf den Reichs-Stul setzen/ keine aber nebst ihr
in sein Ehbette/ auch niemanden anders als ih-
re Kinder zum Macedonischen Zepter erheben.
Er kam hierauf selbst mit nur etlichen Edelleu-
ten nach Cassandrea/ und bethörte Arsinoen
mehr mit seinem Liebkosen/ als vorher mit sei-
nem Meineyde; führte sie also in seine Stadt
Epidamus/ allwo das Beylager mit grossen
Freuden und unbeschreiblicher Pracht vollzo-
[Spaltenumbruch] gen/ ja Arsinoen die Krone Macedoniens auf-
gesetzt ward. Allein alles diß/ was Arsinoens
Hertze als ein Magnetstein an sich zoh/ enteu-
serte als eine Veschwerung des jungen Ptolo-
meus Gemüthe von seinem neuen Stiefvater.
Daher er sich auch bey Zeiten aus dem Staube
machte/ und zu dem über dieser Heyrath schäu-
menden Könige Belgius in Sicherheit verfüg-
te. Die einfältige Arsinoe/ welche das gefähr-
liche Wetterleuchten für die angenehme Mor-
genröthe ansah/ meinte sie hätte mit der Krone
nun auch vom Donner unversehrliche Lorbern
auf ihr Haupt gesetzt; und es könte kein Gifft ei-
nes falschen Hertzen mit einer so heissen Liebe be-
bisamt werden; also wolte sie die ihr zu Epida-
mus wiederfahrne Anbetung zu Cassandrea mit
einem gleichwichtigen Opffer abschulden. Sie
reisete daher vorher/ ließ alle Strassen mit Per-
sischen Tapeten/ die Königliche Burg mit Edel-
gesteinen/ die Thürme mit Freuden-Feuern/
die Altäre mit brennendem Weyrauch erhellen/
schickte auch ihren sechzehn jährigen Sohn Ly-
simachus/ und den zwölf jährichten Philip mit
Myrthen gekrönet dem eingeladenen Ptolo-
meus entgegen. Allein der Unter gang greifft
insgemein schon nach uns/ wenn leichtgläubige
Sicherheit so wol Furcht als Fürsicht aus dem
Hertzen gejagt hat. Welcher zwar sie auffs
freundliche umarmte/ und mit vielem Küssen be-
thörete; so bald er aber in Cassandrea kam/
Stadt und Burg mit seinem Kriegsvolcke be-
setzte/ der Arsinoe Kinder aber tödten hieß. Die-
se flüchteten sich in ihrer Mutter Zimmer und
Schoß/ aber sie vermochte weder mit Entblös-
sung ihrer Brüste/ noch auch mit Fürwerffung
ihrer Armen und Glieder den unmenschlichen
Ptolomeus von so grausamem Morde ihrer
Kinder abhalten. Ja ihr selbst ward nicht er-
laubet sie zu begraben/ sondern sie ward mit zer-
rissenen Kleidern/ zerstreuten Haaren aus der
Stadt gestossen/ und mit zweyen Knechten in
Samothracien ins Elend verjagt; welches

durch
Erster Theil. F f f f f

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wie auch die Cariſchen/ nach dem Beyſpiele des
Hidrieus ſolches gar geboten. Der junge
Ptolomeus begegnete nun zwar dem Geſand-
ten: Die angezogenen Geſetze und Einwen-
dungen haͤtten alleine ihr Abſehn auf halbbuͤrti-
ges Geſchwiſter/ das zweyerley Muͤtter haͤtte;
welches auf Arſinoen nicht zu ziehen waͤre. Der
Geſandte aber lachte hieruͤber/ fragende: Ob
der Vater zu Zeugung eines Kindes nicht ein
mehrers beytruͤge als die Mutter/ derer Zuthat
wol arbeitſamer/ nicht aber edler waͤre. Ob
nicht der meiſten Voͤlcker Recht deßhalben die
Kinder der Gewalt der Vaͤter/ nicht aber der
Muͤtter unterwuͤrffe? Ob deßhalben die klu-
gen Spartaner wegen eines Vaters/ nicht a-
ber einer Mutter Kindern die Heyrathen ver-
boten haͤtten? Ob Ptolomeus nun nicht die
Verweigerung deſſen/ was dem gemeinen Poͤ-
fel frey gelaſſen/ fuͤr eine Verachtung aufzuneh-
men haben wuͤrde? Dieſer letzte Donnerſchlag
bewegte die nicht ſo ſehr wegen ihrer ſelbſt/ als ih-
rer Kinder halber aͤngſtige Arſinoe: daß ſie ih-
ren getreuen Chodion in Macedonien zu Ab-
nehmung des angebotenen Eydes abſchickte/ in
Meinung: daß ihre Eh ihre Kinder ſie mehr
als die Waffen fuͤr dem Grimme eines ſo maͤch-
tigen Feindes beſchirmen wuͤrde. Ptolomeus
umfaſte in dem Tempel des Jupiters/ welchen
die Macedonier fuͤr den heiligſten und aͤlteſten
hielten/ die Hoͤrner des Altares/ und das Bild-
nuͤß Jupiters/ ſchwur alſo mit unveraͤndertem
Geſichte: Er ſuchte die Heyrath ſeiner Schwe-
ſter von treuem Hertzen; Er wolle ſie nebſt ſich
auf den Reichs-Stul ſetzen/ keine aber nebſt ihr
in ſein Ehbette/ auch niemanden anders als ih-
re Kinder zum Macedoniſchen Zepter erheben.
Er kam hierauf ſelbſt mit nur etlichen Edelleu-
ten nach Caſſandrea/ und bethoͤrte Arſinoen
mehr mit ſeinem Liebkoſen/ als vorher mit ſei-
nem Meineyde; fuͤhrte ſie alſo in ſeine Stadt
Epidamus/ allwo das Beylager mit groſſen
Freuden und unbeſchreiblicher Pracht vollzo-
[Spaltenumbruch] gen/ ja Arſinoen die Krone Macedoniens auf-
geſetzt ward. Allein alles diß/ was Arſinoens
Hertze als ein Magnetſtein an ſich zoh/ enteu-
ſerte als eine Veſchwerung des jungen Ptolo-
meus Gemuͤthe von ſeinem neuen Stiefvater.
Daher er ſich auch bey Zeiten aus dem Staube
machte/ und zu dem uͤber dieſer Heyrath ſchaͤu-
menden Koͤnige Belgius in Sicherheit verfuͤg-
te. Die einfaͤltige Arſinoe/ welche das gefaͤhr-
liche Wetterleuchten fuͤr die angenehme Mor-
genroͤthe anſah/ meinte ſie haͤtte mit der Krone
nun auch vom Donner unverſehrliche Lorbern
auf ihr Haupt geſetzt; und es koͤnte kein Gifft ei-
nes falſchen Hertzen mit einer ſo heiſſen Liebe be-
biſamt werden; alſo wolte ſie die ihr zu Epida-
mus wiederfahrne Anbetung zu Caſſandrea mit
einem gleichwichtigen Opffer abſchulden. Sie
reiſete daher vorher/ ließ alle Straſſen mit Per-
ſiſchen Tapeten/ die Koͤnigliche Burg mit Edel-
geſteinen/ die Thuͤrme mit Freuden-Feuern/
die Altaͤre mit brennendem Weyrauch erhellen/
ſchickte auch ihren ſechzehn jaͤhrigen Sohn Ly-
ſimachus/ und den zwoͤlf jaͤhrichten Philip mit
Myrthen gekroͤnet dem eingeladenen Ptolo-
meus entgegen. Allein der Unter gang greifft
insgemein ſchon nach uns/ wenn leichtglaͤubige
Sicherheit ſo wol Furcht als Fuͤrſicht aus dem
Hertzen gejagt hat. Welcher zwar ſie auffs
freundliche umarmte/ und mit vielem Kuͤſſen be-
thoͤrete; ſo bald er aber in Caſſandrea kam/
Stadt und Burg mit ſeinem Kriegsvolcke be-
ſetzte/ der Arſinoe Kinder aber toͤdten hieß. Die-
ſe fluͤchteten ſich in ihrer Mutter Zimmer und
Schoß/ aber ſie vermochte weder mit Entbloͤſ-
ſung ihrer Bruͤſte/ noch auch mit Fuͤrwerffung
ihrer Armen und Glieder den unmenſchlichen
Ptolomeus von ſo grauſamem Morde ihrer
Kinder abhalten. Ja ihr ſelbſt ward nicht er-
laubet ſie zu begraben/ ſondern ſie ward mit zer-
riſſenen Kleidern/ zerſtreuten Haaren aus der
Stadt geſtoſſen/ und mit zweyen Knechten in
Samothracien ins Elend verjagt; welches

durch
Erſter Theil. F f f f f
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 777[779]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/839>, abgerufen am 03.07.2024.