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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Werckzeug vieler folgenden. Ja die Noth
zwinge sie einen neuen Sitz zu suchen; weil ihr
Umbrien wohl einem feurigen Steinhauffen/
aber keinem Lande mehr ähnlich sehe. Sie selbst
würden in wenig Jahren vollends verloschen
seyn/ wenn sie nicht ihre nach Rom geschleppten
Weiber und Kinder wieder holeten/ für welche
auch wilde Thiere lieber ihr Leben/ als sie im
Stiche liessen. Hierbey ließ es Hertzog An-
halt nicht; sondern er schickte an die Bojen/ He-
trurier/ Samniter/ Lucaner und Brutier Ge-
sandten; und ermahnte sie wider den in Jtalien
um sich fressenden Krebs/ nehmlich die Herrsch-
sucht der Römer mit gesamter Hand Eisen und
Brand zu brauchen/ und die selten zweymahl
kommende Gelegenheit sie mit Strumpff und
Stiel auszurotten nicht aus Händen zu lassen.
Ehe er nun noch von diesen die hernach erfolgten
guten Vertröstungen bekam/ setzte er seinen
Zug fort/ weil er einem erschrockenen Feinde
keine Lufft zu lassen für rathsam/ und die Ge-
schwindigkeit für die Amme der Glückseligkeit
im Kriege hielt. Die Römer hingegen bothen
in ihrem gantzen Gebiethe Mann für Mann
auff/ liessen allenthalben die Wälder verhauen/
die Brücken abwerffen/ diehohlen Wege ver-
füllen/ die Lebensmittel verbrennen/ und den
in Umbrien seng- und brennenden Dolabella
zurücke ruffen. Zu allem Unglücke machten
die hefftigen Regen die Wege bey nahe unweg-
bar/ die Tiber und Clanis ergossen sich so sehr:
daß die Semnoner zehn Tage auff den Perusi-
schen Bergen Hunger une Noth leiden musten.
So bald aber das Wasser nur ein wenig gefal-
len war/ setzte er über den Fluß/ und rückte durch
das feindliche Gebiete und viel ihm in Weg ge-
legte Hindernisse gerade gegen Rom zu. Bey
Polimartium begegnete den Deutschen der
Bürgermeister Domitius/ mit welchem es/
weil der deutsche Vorzug aus allzuhefftiger Hi-
tze sich zu sehr vertieffte/ wider Hertzog Anhalts
Willen zur Schlacht kam. Ungeachtet nun
[Spaltenumbruch] die Semnoner vom Reisen und vielem Unge-
mache sehr abgemattet waren/ fochten sie doch
gegen die ausgeruhten und viel stärckern Rö-
mer biß in den sinckenden Abend so hertzhafft:
daß sich kein Theil einigen Vortheils zu rüh-
men hatte. Von beyden Seiten wurden et-
liche hundert gefangen; welche Anhalt aber auff
des Domitius Verlangen nicht austauschen
wolte; westwegen die Deutschen durch eigene
Auffreibung den Todt für der Dienstbarkeit
erkiesten/ Anhalt aber der gefangenen Römer
abgeschlagene Köpffe auff Lantzen stecken/ und
ins Römische Läger schleudern ließ. Dieses
erregte darinnen ein solches Schrecken: daß
Domitius sich biß an den Vadimonischen See
zurücke zoh. Hertzog Anhalt hingegen erhielt
unter dem Ritter Freyberg fünff tausend Bo-
jen/ und acht tausend Hetrurier zu Hülffe; mit
welchen er die Römer verfolgte/ und den Domi-
tius zwang an dem Vadimonischen See Stand
zu halten. Nach fünff-stündiger Schlacht kam
das Römische Heer in Verwirrung/ und schien
schon alles verlohren zu seyn; als Dolabella mit
seinem mächtigen Heere zu diesem Treffen kam/
und anfangs mit der voranhauenden Reuterey
des Domitius Heer von offenbarer Flucht er-
rettete/ hernach aber mit den Legionen der Sem-
noner rechten Flügel angriff; und nach zweyer
Stunden tapfferer Gegenwehr zertrennte.
Der lincke muste hierüber seinen über die Römer
habenden Vortheil vergessen/ und dem rechten
zu Hülffe kommen. Worbey Hertzog Anhalt
unglaubliche Heldenthaten ausübte. Weil es
aber augenscheinliche Unmögligkeit war zwey-
en/ und darunter einem frischen Heere gewach-
sen zu seyn; zumal die Hetrurier die Flucht nah-
men/ vom rechten Flügel auch wenig mehr ü-
brig/ er selbst auch schon gantz umringt war/
sprengte er zum ersten in den Vadimonischen
See; welchem bey nahe noch tausend Semno-
ner folgten; und/ weil ihm kein Römer durch zu
schwemmen getraute/ in der Nacht nach Po-

limar-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Werckzeug vieler folgenden. Ja die Noth
zwinge ſie einen neuen Sitz zu ſuchen; weil ihr
Umbrien wohl einem feurigen Steinhauffen/
aber keinem Lande mehr aͤhnlich ſehe. Sie ſelbſt
wuͤrden in wenig Jahren vollends verloſchen
ſeyn/ wenn ſie nicht ihre nach Rom geſchleppten
Weiber und Kinder wieder holeten/ fuͤr welche
auch wilde Thiere lieber ihr Leben/ als ſie im
Stiche lieſſen. Hierbey ließ es Hertzog An-
halt nicht; ſondern er ſchickte an die Bojen/ He-
trurier/ Samniter/ Lucaner und Brutier Ge-
ſandten; und ermahnte ſie wider den in Jtalien
um ſich freſſenden Krebs/ nehmlich die Herrſch-
ſucht der Roͤmer mit geſamter Hand Eiſen und
Brand zu brauchen/ und die ſelten zweymahl
kommende Gelegenheit ſie mit Strumpff und
Stiel auszurotten nicht aus Haͤnden zu laſſen.
Ehe er nun noch von dieſen die hernach erfolgten
guten Vertroͤſtungen bekam/ ſetzte er ſeinen
Zug fort/ weil er einem erſchrockenen Feinde
keine Lufft zu laſſen fuͤr rathſam/ und die Ge-
ſchwindigkeit fuͤr die Amme der Gluͤckſeligkeit
im Kriege hielt. Die Roͤmer hingegen bothen
in ihrem gantzen Gebiethe Mann fuͤr Mann
auff/ lieſſen allenthalben die Waͤlder verhauen/
die Bruͤcken abwerffen/ diehohlen Wege ver-
fuͤllen/ die Lebensmittel verbrennen/ und den
in Umbrien ſeng- und brennenden Dolabella
zuruͤcke ruffen. Zu allem Ungluͤcke machten
die hefftigen Regen die Wege bey nahe unweg-
bar/ die Tiber und Clanis ergoſſen ſich ſo ſehr:
daß die Semnoner zehn Tage auff den Peruſi-
ſchen Bergen Hunger une Noth leiden muſten.
So bald aber das Waſſer nur ein wenig gefal-
len war/ ſetzte er uͤber den Fluß/ und ruͤckte durch
das feindliche Gebiete und viel ihm in Weg ge-
legte Hinderniſſe gerade gegen Rom zu. Bey
Polimartium begegnete den Deutſchen der
Buͤrgermeiſter Domitius/ mit welchem es/
weil der deutſche Vorzug aus allzuhefftiger Hi-
tze ſich zu ſehr vertieffte/ wider Hertzog Anhalts
Willen zur Schlacht kam. Ungeachtet nun
[Spaltenumbruch] die Semnoner vom Reiſen und vielem Unge-
mache ſehr abgemattet waren/ fochten ſie doch
gegen die ausgeruhten und viel ſtaͤrckern Roͤ-
mer biß in den ſinckenden Abend ſo hertzhafft:
daß ſich kein Theil einigen Vortheils zu ruͤh-
men hatte. Von beyden Seiten wurden et-
liche hundert gefangen; welche Anhalt aber auff
des Domitius Verlangen nicht austauſchen
wolte; weſtwegen die Deutſchen durch eigene
Auffreibung den Todt fuͤr der Dienſtbarkeit
erkieſten/ Anhalt aber der gefangenen Roͤmer
abgeſchlagene Koͤpffe auff Lantzen ſtecken/ und
ins Roͤmiſche Laͤger ſchleudern ließ. Dieſes
erregte darinnen ein ſolches Schrecken: daß
Domitius ſich biß an den Vadimoniſchen See
zuruͤcke zoh. Hertzog Anhalt hingegen erhielt
unter dem Ritter Freyberg fuͤnff tauſend Bo-
jen/ und acht tauſend Hetrurier zu Huͤlffe; mit
welchen er die Roͤmer verfolgte/ und den Domi-
tius zwang an dem Vadimoniſchen See Stand
zu halten. Nach fuͤnff-ſtuͤndiger Schlacht kam
das Roͤmiſche Heer in Verwirrung/ und ſchien
ſchon alles verlohren zu ſeyn; als Dolabella mit
ſeinem maͤchtigen Heere zu dieſem Treffen kam/
und anfangs mit der voranhauenden Reuterey
des Domitius Heer von offenbarer Flucht er-
rettete/ hernach aber mit den Legionen der Sem-
noner rechten Fluͤgel angriff; und nach zweyer
Stunden tapfferer Gegenwehr zertrennte.
Der lincke muſte hieruͤber ſeinen uͤber die Roͤmer
habenden Vortheil vergeſſen/ und dem rechten
zu Huͤlffe kommen. Worbey Hertzog Anhalt
unglaubliche Heldenthaten ausuͤbte. Weil es
aber augenſcheinliche Unmoͤgligkeit war zwey-
en/ und darunter einem friſchen Heere gewach-
ſen zu ſeyn; zumal die Hetrurier die Flucht nah-
men/ vom rechten Fluͤgel auch wenig mehr uͤ-
brig/ er ſelbſt auch ſchon gantz umringt war/
ſprengte er zum erſten in den Vadimoniſchen
See; welchem bey nahe noch tauſend Semno-
ner folgten; und/ weil ihm kein Roͤmer durch zu
ſchwemmen getraute/ in der Nacht nach Po-

limar-
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[774[776]/0836] Sechſtes Buch Werckzeug vieler folgenden. Ja die Noth zwinge ſie einen neuen Sitz zu ſuchen; weil ihr Umbrien wohl einem feurigen Steinhauffen/ aber keinem Lande mehr aͤhnlich ſehe. Sie ſelbſt wuͤrden in wenig Jahren vollends verloſchen ſeyn/ wenn ſie nicht ihre nach Rom geſchleppten Weiber und Kinder wieder holeten/ fuͤr welche auch wilde Thiere lieber ihr Leben/ als ſie im Stiche lieſſen. Hierbey ließ es Hertzog An- halt nicht; ſondern er ſchickte an die Bojen/ He- trurier/ Samniter/ Lucaner und Brutier Ge- ſandten; und ermahnte ſie wider den in Jtalien um ſich freſſenden Krebs/ nehmlich die Herrſch- ſucht der Roͤmer mit geſamter Hand Eiſen und Brand zu brauchen/ und die ſelten zweymahl kommende Gelegenheit ſie mit Strumpff und Stiel auszurotten nicht aus Haͤnden zu laſſen. Ehe er nun noch von dieſen die hernach erfolgten guten Vertroͤſtungen bekam/ ſetzte er ſeinen Zug fort/ weil er einem erſchrockenen Feinde keine Lufft zu laſſen fuͤr rathſam/ und die Ge- ſchwindigkeit fuͤr die Amme der Gluͤckſeligkeit im Kriege hielt. Die Roͤmer hingegen bothen in ihrem gantzen Gebiethe Mann fuͤr Mann auff/ lieſſen allenthalben die Waͤlder verhauen/ die Bruͤcken abwerffen/ diehohlen Wege ver- fuͤllen/ die Lebensmittel verbrennen/ und den in Umbrien ſeng- und brennenden Dolabella zuruͤcke ruffen. Zu allem Ungluͤcke machten die hefftigen Regen die Wege bey nahe unweg- bar/ die Tiber und Clanis ergoſſen ſich ſo ſehr: daß die Semnoner zehn Tage auff den Peruſi- ſchen Bergen Hunger une Noth leiden muſten. So bald aber das Waſſer nur ein wenig gefal- len war/ ſetzte er uͤber den Fluß/ und ruͤckte durch das feindliche Gebiete und viel ihm in Weg ge- legte Hinderniſſe gerade gegen Rom zu. Bey Polimartium begegnete den Deutſchen der Buͤrgermeiſter Domitius/ mit welchem es/ weil der deutſche Vorzug aus allzuhefftiger Hi- tze ſich zu ſehr vertieffte/ wider Hertzog Anhalts Willen zur Schlacht kam. Ungeachtet nun die Semnoner vom Reiſen und vielem Unge- mache ſehr abgemattet waren/ fochten ſie doch gegen die ausgeruhten und viel ſtaͤrckern Roͤ- mer biß in den ſinckenden Abend ſo hertzhafft: daß ſich kein Theil einigen Vortheils zu ruͤh- men hatte. Von beyden Seiten wurden et- liche hundert gefangen; welche Anhalt aber auff des Domitius Verlangen nicht austauſchen wolte; weſtwegen die Deutſchen durch eigene Auffreibung den Todt fuͤr der Dienſtbarkeit erkieſten/ Anhalt aber der gefangenen Roͤmer abgeſchlagene Koͤpffe auff Lantzen ſtecken/ und ins Roͤmiſche Laͤger ſchleudern ließ. Dieſes erregte darinnen ein ſolches Schrecken: daß Domitius ſich biß an den Vadimoniſchen See zuruͤcke zoh. Hertzog Anhalt hingegen erhielt unter dem Ritter Freyberg fuͤnff tauſend Bo- jen/ und acht tauſend Hetrurier zu Huͤlffe; mit welchen er die Roͤmer verfolgte/ und den Domi- tius zwang an dem Vadimoniſchen See Stand zu halten. Nach fuͤnff-ſtuͤndiger Schlacht kam das Roͤmiſche Heer in Verwirrung/ und ſchien ſchon alles verlohren zu ſeyn; als Dolabella mit ſeinem maͤchtigen Heere zu dieſem Treffen kam/ und anfangs mit der voranhauenden Reuterey des Domitius Heer von offenbarer Flucht er- rettete/ hernach aber mit den Legionen der Sem- noner rechten Fluͤgel angriff; und nach zweyer Stunden tapfferer Gegenwehr zertrennte. Der lincke muſte hieruͤber ſeinen uͤber die Roͤmer habenden Vortheil vergeſſen/ und dem rechten zu Huͤlffe kommen. Worbey Hertzog Anhalt unglaubliche Heldenthaten ausuͤbte. Weil es aber augenſcheinliche Unmoͤgligkeit war zwey- en/ und darunter einem friſchen Heere gewach- ſen zu ſeyn; zumal die Hetrurier die Flucht nah- men/ vom rechten Fluͤgel auch wenig mehr uͤ- brig/ er ſelbſt auch ſchon gantz umringt war/ ſprengte er zum erſten in den Vadimoniſchen See; welchem bey nahe noch tauſend Semno- ner folgten; und/ weil ihm kein Roͤmer durch zu ſchwemmen getraute/ in der Nacht nach Po- limar-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 774[776]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/836>, abgerufen am 23.11.2024.