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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Kräffte an sich gezogen hätte/ mit beyden Hän-
den angenommen. Rhemetalces billigte diß
und setzte bey: Die Römer hätten sich selbst er-
innern sollen; wie das wegen der verlebten Vir-
ginia auf den Aventinischen Berg entwichene
Volck des Valerius und Horatius Vortrag
so begierig angenommen/ vorher aber den unan-
genehmen Julius/ Sulpitius und Tarpejus
mit ihren vortheilhaftigern Vorschlägen nicht
einst zu hören gewürdigt hätten. Die Gewo-
genheit rennte hierinnen der Beredsamkeit/ und
ein gutes Ansehen dem sonst so angenehmen
Nutzen den Vortheil ab. Daher die Spar-
taner einmal einen sehr heilsamen/ aber von ei-
nem lasterhaften Menschen gegebenen Rath so
lange verwarffen/ biß ihn einer aus dem Rathe
fürtrug. Und der stammelnde Menenius
Agrippa stillte mit wenig halb verbrochenen
Worten den Aufstand des Römischen Volckes
auf dem heiligen Berge. Jnsonderheit aber
legt die Verwandnüß/ oder die mit dem Ge-
sandten gepflogene Gemeinschafft seinem Ge-
such ein grosses Gewichte bey. Daher richtete
der Redner Archelaus bey dem die Stadt Rho-
dis belägernden Cassius/ welchen er Griechisch
gelehrt hatte/ so viel aus. Die geraubte Sabi-
nerin Hersilia leschte mit wenig Thränen die des
Weiber-Raubes halber zwischen den Römern
und Sabinern unausleschliche Kriegs-Flamme.
Etliche Seufzer der Mutter Veturia und des
Ehweibs Volumnia trieben den grimmigen
Coriolan von der Belägerung der Stadt Rom
ab. Und die Stadt Carthago wuste keinen ge-
schicktern Friedens-Werber als den gefangenen
Regulus nach Rom zu senden.

Adgandester fuhr fort: Es wäre freylich so
wohl auf der Römer als Semnoner Seiten ge-
fehlt worden; wiewohl einige dem Hertzoge
Britomarn riethen: daß er die/ welche ohne sei-
nen Befehl den Junius umbgebracht hatten/
den Römern zur Bestraffung ausliefern/ und
[Spaltenumbruch] dardurch nichts minder ungleiche Nachre-
de/ als die Rechtfertigung des Römischen Frie-
den-Bruchs ablehnen solte. Weil aber böse
Rathschläge so selten zurücke gehen/ als Unkraut
vertirbt; drang derselben Meynung/ die des
Junius Erlegung billigten/ und die Ausliefe-
rung widerriethen/ darmit fürnemlich durch:
daß die Römer auch die Fabier/ welche bey Clu-
sium die Deutschen verletzt/ ebenfalls nicht hät-
ten ausliefern wollen. Diesemnach ließ der
Bürgermeister Dolabella Hetrurien Hetru-
rien seyn/ und eilte mit einem zweyfachen
Heere aber tausendfacher Rachgier durch das
Sabin- und Picenische Gebiete in die Semno-
nische Landschafft. Der verwegne Britomar
raffte von seinen Semnonern/ derer Kern Are-
tium belägerte/ mehr eine Menge Land - als
Kriegs-Volck zusammen; und lieferte/ unge-
achtet es ihm seine alte Kriegs-Obersten wider-
riethen/ bey der Stadt Atidium dem zwey- oder
dreymal stärckern Dolabella eine Schlacht.
Anfangs standen die ersten Glieder der wehr-
haften Semnoner wohl als Mauren/ Brito-
mar wieß auch durch seine Tapferkeit: daß es
seinem Leibe weniger am Hertze/ als seinem Kopfe
an Klugheit mangelte. Nach dem aber die un-
geübten Bauers-Leute zum Treffen kamen/ brach-
ten sie die Römer alsbald in Verwirrung und in
die Flucht; Britomar und sein Adel ward vom
Feind umbringet/ dieser meist geschlagen/ jener
aber gefangen; auch alle Tage als ein Knecht
geprügelt/ und wie ein Ubelthäter gepeinigt;
gleichwohl aber ihm alle Mittel zu sterben abge-
schnitten/ welche Freyheit doch dem Vieh un-
verwehret ist; und diß zwar; weil die Rache sich
an seinem Leiden/ und der Ehrgeitz an seiner Ein-
führung nach Rom im Siegs-Gepränge zu
vergnügen vorhatte. Dolabella durchstreiffte
hierauf gantz Umbrien; das gantze Land rauchte
von denen eingeäscherten Städten und Dörf-
fern; noch abscheulicher aber von dem verspritzten

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Kraͤffte an ſich gezogen haͤtte/ mit beyden Haͤn-
den angenommen. Rhemetalces billigte diß
und ſetzte bey: Die Roͤmer haͤtten ſich ſelbſt er-
innern ſollen; wie das wegen der verlebten Vir-
ginia auf den Aventiniſchen Berg entwichene
Volck des Valerius und Horatius Vortrag
ſo begierig angenommen/ vorher aber den unan-
genehmen Julius/ Sulpitius und Tarpejus
mit ihren vortheilhaftigern Vorſchlaͤgen nicht
einſt zu hoͤren gewuͤrdigt haͤtten. Die Gewo-
genheit rennte hierinnen der Beredſamkeit/ und
ein gutes Anſehen dem ſonſt ſo angenehmen
Nutzen den Vortheil ab. Daher die Spar-
taner einmal einen ſehr heilſamen/ aber von ei-
nem laſterhaften Menſchen gegebenen Rath ſo
lange verwarffen/ biß ihn einer aus dem Rathe
fuͤrtrug. Und der ſtammelnde Menenius
Agrippa ſtillte mit wenig halb verbrochenen
Worten den Aufſtand des Roͤmiſchen Volckes
auf dem heiligen Berge. Jnſonderheit aber
legt die Verwandnuͤß/ oder die mit dem Ge-
ſandten gepflogene Gemeinſchafft ſeinem Ge-
ſuch ein groſſes Gewichte bey. Daher richtete
der Redner Archelaus bey dem die Stadt Rho-
dis belaͤgernden Caſſius/ welchen er Griechiſch
gelehrt hatte/ ſo viel aus. Die geraubte Sabi-
nerin Herſilia leſchte mit wenig Thraͤnen die des
Weiber-Raubes halber zwiſchen den Roͤmern
und Sabinern unausleſchliche Kriegs-Flam̃e.
Etliche Seufzer der Mutter Veturia und des
Ehweibs Volumnia trieben den grimmigen
Coriolan von der Belaͤgerung der Stadt Rom
ab. Und die Stadt Carthago wuſte keinen ge-
ſchicktern Friedens-Werber als den gefangenen
Regulus nach Rom zu ſenden.

Adgandeſter fuhr fort: Es waͤre freylich ſo
wohl auf der Roͤmer als Semnoner Seiten ge-
fehlt worden; wiewohl einige dem Hertzoge
Britomarn riethen: daß er die/ welche ohne ſei-
nen Befehl den Junius umbgebracht hatten/
den Roͤmern zur Beſtraffung ausliefern/ und
[Spaltenumbruch] dardurch nichts minder ungleiche Nachre-
de/ als die Rechtfertigung des Roͤmiſchen Frie-
den-Bruchs ablehnen ſolte. Weil aber boͤſe
Rathſchlaͤge ſo ſelten zuruͤcke gehen/ als Unkraut
vertirbt; drang derſelben Meynung/ die des
Junius Erlegung billigten/ und die Ausliefe-
rung widerriethen/ darmit fuͤrnemlich durch:
daß die Roͤmer auch die Fabier/ welche bey Clu-
ſium die Deutſchen verletzt/ ebenfalls nicht haͤt-
ten ausliefern wollen. Dieſemnach ließ der
Buͤrgermeiſter Dolabella Hetrurien Hetru-
rien ſeyn/ und eilte mit einem zweyfachen
Heere aber tauſendfacher Rachgier durch das
Sabin- und Piceniſche Gebiete in die Semno-
niſche Landſchafft. Der verwegne Britomar
raffte von ſeinen Semnonern/ derer Kern Are-
tium belaͤgerte/ mehr eine Menge Land - als
Kriegs-Volck zuſammen; und lieferte/ unge-
achtet es ihm ſeine alte Kriegs-Oberſten wider-
riethen/ bey der Stadt Atidium dem zwey- oder
dreymal ſtaͤrckern Dolabella eine Schlacht.
Anfangs ſtanden die erſten Glieder der wehr-
haften Semnoner wohl als Mauren/ Brito-
mar wieß auch durch ſeine Tapferkeit: daß es
ſeinem Leibe weniger am Hertze/ als ſeinem Kopfe
an Klugheit mangelte. Nach dem aber die un-
geuͤbtẽ Bauers-Leute zum Treffen kamẽ/ brach-
ten ſie die Roͤmer alsbald in Verwirrung und in
die Flucht; Britomar und ſein Adel ward vom
Feind umbringet/ dieſer meiſt geſchlagen/ jener
aber gefangen; auch alle Tage als ein Knecht
gepruͤgelt/ und wie ein Ubelthaͤter gepeinigt;
gleichwohl aber ihm alle Mittel zu ſterben abge-
ſchnitten/ welche Freyheit doch dem Vieh un-
verwehret iſt; und diß zwar; weil die Rache ſich
an ſeinem Leiden/ und der Ehrgeitz an ſeiner Ein-
fuͤhrung nach Rom im Siegs-Gepraͤnge zu
vergnuͤgen vorhatte. Dolabella durchſtreiffte
hierauf gantz Umbrien; das gantze Land rauchte
von denen eingeaͤſcherten Staͤdten und Doͤrf-
fern; noch abſcheulicher aber von dem verſpritztẽ

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[771[773]/0833] Arminius und Thußnelda. Kraͤffte an ſich gezogen haͤtte/ mit beyden Haͤn- den angenommen. Rhemetalces billigte diß und ſetzte bey: Die Roͤmer haͤtten ſich ſelbſt er- innern ſollen; wie das wegen der verlebten Vir- ginia auf den Aventiniſchen Berg entwichene Volck des Valerius und Horatius Vortrag ſo begierig angenommen/ vorher aber den unan- genehmen Julius/ Sulpitius und Tarpejus mit ihren vortheilhaftigern Vorſchlaͤgen nicht einſt zu hoͤren gewuͤrdigt haͤtten. Die Gewo- genheit rennte hierinnen der Beredſamkeit/ und ein gutes Anſehen dem ſonſt ſo angenehmen Nutzen den Vortheil ab. Daher die Spar- taner einmal einen ſehr heilſamen/ aber von ei- nem laſterhaften Menſchen gegebenen Rath ſo lange verwarffen/ biß ihn einer aus dem Rathe fuͤrtrug. Und der ſtammelnde Menenius Agrippa ſtillte mit wenig halb verbrochenen Worten den Aufſtand des Roͤmiſchen Volckes auf dem heiligen Berge. Jnſonderheit aber legt die Verwandnuͤß/ oder die mit dem Ge- ſandten gepflogene Gemeinſchafft ſeinem Ge- ſuch ein groſſes Gewichte bey. Daher richtete der Redner Archelaus bey dem die Stadt Rho- dis belaͤgernden Caſſius/ welchen er Griechiſch gelehrt hatte/ ſo viel aus. Die geraubte Sabi- nerin Herſilia leſchte mit wenig Thraͤnen die des Weiber-Raubes halber zwiſchen den Roͤmern und Sabinern unausleſchliche Kriegs-Flam̃e. Etliche Seufzer der Mutter Veturia und des Ehweibs Volumnia trieben den grimmigen Coriolan von der Belaͤgerung der Stadt Rom ab. Und die Stadt Carthago wuſte keinen ge- ſchicktern Friedens-Werber als den gefangenen Regulus nach Rom zu ſenden. Adgandeſter fuhr fort: Es waͤre freylich ſo wohl auf der Roͤmer als Semnoner Seiten ge- fehlt worden; wiewohl einige dem Hertzoge Britomarn riethen: daß er die/ welche ohne ſei- nen Befehl den Junius umbgebracht hatten/ den Roͤmern zur Beſtraffung ausliefern/ und dardurch nichts minder ungleiche Nachre- de/ als die Rechtfertigung des Roͤmiſchen Frie- den-Bruchs ablehnen ſolte. Weil aber boͤſe Rathſchlaͤge ſo ſelten zuruͤcke gehen/ als Unkraut vertirbt; drang derſelben Meynung/ die des Junius Erlegung billigten/ und die Ausliefe- rung widerriethen/ darmit fuͤrnemlich durch: daß die Roͤmer auch die Fabier/ welche bey Clu- ſium die Deutſchen verletzt/ ebenfalls nicht haͤt- ten ausliefern wollen. Dieſemnach ließ der Buͤrgermeiſter Dolabella Hetrurien Hetru- rien ſeyn/ und eilte mit einem zweyfachen Heere aber tauſendfacher Rachgier durch das Sabin- und Piceniſche Gebiete in die Semno- niſche Landſchafft. Der verwegne Britomar raffte von ſeinen Semnonern/ derer Kern Are- tium belaͤgerte/ mehr eine Menge Land - als Kriegs-Volck zuſammen; und lieferte/ unge- achtet es ihm ſeine alte Kriegs-Oberſten wider- riethen/ bey der Stadt Atidium dem zwey- oder dreymal ſtaͤrckern Dolabella eine Schlacht. Anfangs ſtanden die erſten Glieder der wehr- haften Semnoner wohl als Mauren/ Brito- mar wieß auch durch ſeine Tapferkeit: daß es ſeinem Leibe weniger am Hertze/ als ſeinem Kopfe an Klugheit mangelte. Nach dem aber die un- geuͤbtẽ Bauers-Leute zum Treffen kamẽ/ brach- ten ſie die Roͤmer alsbald in Verwirrung und in die Flucht; Britomar und ſein Adel ward vom Feind umbringet/ dieſer meiſt geſchlagen/ jener aber gefangen; auch alle Tage als ein Knecht gepruͤgelt/ und wie ein Ubelthaͤter gepeinigt; gleichwohl aber ihm alle Mittel zu ſterben abge- ſchnitten/ welche Freyheit doch dem Vieh un- verwehret iſt; und diß zwar; weil die Rache ſich an ſeinem Leiden/ und der Ehrgeitz an ſeiner Ein- fuͤhrung nach Rom im Siegs-Gepraͤnge zu vergnuͤgen vorhatte. Dolabella durchſtreiffte hierauf gantz Umbrien; das gantze Land rauchte von denen eingeaͤſcherten Staͤdten und Doͤrf- fern; noch abſcheulicher aber von dem verſpritztẽ Blu- E e e e e 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 771[773]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/833>, abgerufen am 23.11.2024.