Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
gehabt hätte/ wenn nicht sein Vater durch an-gezogene Verdienste seines Geschlechtes/ und sein Versprechen selbst wider die Samniter in Krieg zu ziehen den Rath versöhnet/ und das Volk besänftigt hätte. Sie brachten auch zwar bey- de Fabier noch einmal in die gröste Verwirrung/ und Pontius hatte den jungen Fabius schon gantz umbzüngelt; aber der verzweifelte Vater that ein Werck über seine Kräfften/ sprengte den Fürsten Pontius an/ verwundete ihn/ und er- rettete nicht allein seinen Sohn/ sondern nahm den Pontius auch selbst gefangen; der streitbare Habspurg fochte zwar noch etliche Stunden als ein Löw/ und zehlte man ihm so viel Wunden als Streiche nach/ endlich aber fiel er auf das Bette der Ehren/ und hiermit das gantze Hertze des noch kämpfenden Heeres; welches in die Flucht/ Pontius aber zu Rom unter das Beil des Scharffrichters; der Rath zu Samnium durch die glücklichen Waffen des mässigen Cu- rius in solche Kleinmuth gerieth: daß er zu Rom Friede bat/ und auf schwere Bedingungen er- hielt/ unter denen war: daß sie alle Fremde/ in- sonderheit der Semnoner Bündnüß abschwe- ren musten. Diese konten ihnen hieraus leicht an den Fingern ausrechen: daß dieser Ver- gleich auf ihren Untergang gemüntzt wäre; in- sonderheit/ da die Römer vorher auch der Deut- schen Bunds-Genossen in Hetrurien/ nemlich die Vulsinier/ die Städte Perusia und Aretium von ihnen abtrünnig gemacht/ und in ihren Schutz genommen hatten. Diesemnach be- schwerten sich die Semnoner gegen die Römer/ als sie aber schlechte Antwort erhielten/ rückten die Deutschen für Aretium. Die angefleheten Römer schickten den Cöcilius Metellus mit ei- nem Heere der belägerten Stadt zu Hülffe; weil sie aber ungerne mit den Deutschen zerfielen/ den Junius in Gesandschafft vorher an den Hertzog Britomar. Dieser nahm die Absen- dung des Junius/ als der seinen Vater Klodo- marn erschlagen hatte/ alsbald übel und für eine [Spaltenumbruch] Kriegs-Ankündigung auf. Gleichwohl aber überwand er sich: daß er ihn hörte. Weil aber Junius von den Semnonern verächtlich redete/ Britomarn einen Eydbrüchigen schalt; und ihn zwingen wolte: daß er/ ehe er von seinem Stule aufstand/ sich erklären solte: Ob er die Belägerung der Stadt Aretium mit Erstat- tung alles Schadens aufheben wolte; ja ihm in die Augen sagte: daß er den Degen an der Sei- te führte/ wormit er seinem Vater Klodomarn das Licht ausgelescht hätte/ solcher auch nicht stumpfer als für siebzehn Jahren wäre; entrüste- te sich Britomar so sehr: daß er das Römische Bündnüß für des Junius Augen in tausend Stücke zerrieß/ und ihn wegzuführen befahl. Die Leibwache aber ward über den Juius so ver- bittert: daß sie ihn in eben so kleine Stücke zerkerb- te? Zeno brach ein: Diese Verletzung des Rö- mischen Gesandten ist gewiß ein Vortrab eines unglücklichen Kriegs gewest; nach dem nicht nur das Recht der Völcker/ sondern die Götter selbst hierdurch verletzt und zur Rache bewegt würden. Malovend antwortete: Jch wil dieser That nicht das Wort reden/ welche freylich ein böser Ausschlag verdammt hat. Aber es ist auf der Römer Seiten auch grosse Unvernunft/ wo nicht eine vorsetzliche Beleidigung gewest: daß sie nicht nur einen so trotzigen/ sondern auch we- gen seiner That so verhaßten Gesandten abge- schickt. Sintemal dieser Ampt ist auch die herbsten Befehl durch eine freundliche Beschei- denheit zu verzuckern. Eines verhaßten Bot- schafters Anmuth aber ist verdrüßlich/ die ver- nünftigsten Liebkosungen werden in seinem Munde zur Galle/ die höchste Billigkeit seines Vortrages scheinet eine unrechtmässige Forde- rung zu seyn; und daher nicht wegen ihr selbst/ sondern nur seinethalben verworffen; hingegen das verworffene/ so bald es nur aus einem an- dern Munde fleust/ nicht anders/ als wenn es wie die durch die Ertzt - Adern gequollenen Brunnen einen gantz andern Geschmack und Kräffte
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
gehabt haͤtte/ wenn nicht ſein Vater durch an-gezogene Verdienſte ſeines Geſchlechtes/ und ſein Verſprechen ſelbſt wider die Samniter in Krieg zu ziehẽ den Rath verſoͤhnet/ und das Volk beſaͤnftigt haͤtte. Sie brachten auch zwar bey- de Fabier noch einmal in die groͤſte Verwirrung/ und Pontius hatte den jungen Fabius ſchon gantz umbzuͤngelt; aber der verzweifelte Vater that ein Werck uͤber ſeine Kraͤfften/ ſprengte den Fuͤrſten Pontius an/ verwundete ihn/ und er- rettete nicht allein ſeinen Sohn/ ſondern nahm den Pontius auch ſelbſt gefangen; der ſtreitbare Habſpurg fochte zwar noch etliche Stunden als ein Loͤw/ und zehlte man ihm ſo viel Wunden als Streiche nach/ endlich aber fiel er auf das Bette der Ehren/ und hiermit das gantze Hertze des noch kaͤmpfenden Heeres; welches in die Flucht/ Pontius aber zu Rom unter das Beil des Scharffrichters; der Rath zu Samnium durch die gluͤcklichen Waffen des maͤſſigen Cu- rius in ſolche Kleinmuth gerieth: daß er zu Rom Friede bat/ und auf ſchwere Bedingungen er- hielt/ unter denen war: daß ſie alle Fremde/ in- ſonderheit der Semnoner Buͤndnuͤß abſchwe- ren muſten. Dieſe konten ihnen hieraus leicht an den Fingern ausrechen: daß dieſer Ver- gleich auf ihren Untergang gemuͤntzt waͤre; in- ſonderheit/ da die Roͤmer vorher auch der Deut- ſchen Bunds-Genoſſen in Hetrurien/ nemlich die Vulſinier/ die Staͤdte Peruſia und Aretium von ihnen abtruͤnnig gemacht/ und in ihren Schutz genommen hatten. Dieſemnach be- ſchwerten ſich die Semnoner gegen die Roͤmer/ als ſie aber ſchlechte Antwort erhielten/ ruͤckten die Deutſchen fuͤr Aretium. Die angefleheten Roͤmer ſchickten den Coͤcilius Metellus mit ei- nem Heere der belaͤgerten Stadt zu Huͤlffe; weil ſie aber ungerne mit den Deutſchen zerfielen/ den Junius in Geſandſchafft vorher an den Hertzog Britomar. Dieſer nahm die Abſen- dung des Junius/ als der ſeinen Vater Klodo- marn erſchlagen hatte/ alsbald uͤbel und fuͤr eine [Spaltenumbruch] Kriegs-Ankuͤndigung auf. Gleichwohl aber uͤberwand er ſich: daß er ihn hoͤrte. Weil aber Junius von den Semnonern veraͤchtlich redete/ Britomarn einen Eydbruͤchigen ſchalt; und ihn zwingen wolte: daß er/ ehe er von ſeinem Stule aufſtand/ ſich erklaͤren ſolte: Ob er die Belaͤgerung der Stadt Aretium mit Erſtat- tung alles Schadens aufheben wolte; ja ihm in die Augen ſagte: daß er den Degen an der Sei- te fuͤhrte/ wormit er ſeinem Vater Klodomarn das Licht ausgeleſcht haͤtte/ ſolcher auch nicht ſtumpfer als fuͤr ſiebzehn Jahren waͤre; entruͤſte- te ſich Britomar ſo ſehr: daß er das Roͤmiſche Buͤndnuͤß fuͤr des Junius Augen in tauſend Stuͤcke zerrieß/ und ihn wegzufuͤhren befahl. Die Leibwache aber ward uͤber den Juius ſo ver- bittert: daß ſie ihn in ebẽ ſo kleine Stuͤcke zerkerb- te? Zeno brach ein: Dieſe Verletzung des Roͤ- miſchen Geſandten iſt gewiß ein Vortrab eines ungluͤcklichen Kriegs geweſt; nach dem nicht nur das Recht der Voͤlcker/ ſondern die Goͤtter ſelbſt hierdurch verletzt und zur Rache bewegt wuͤrden. Malovend antwortete: Jch wil dieſer That nicht das Wort reden/ welche freylich ein boͤſer Ausſchlag verdam̃t hat. Aber es iſt auf der Roͤmer Seiten auch groſſe Unvernunft/ wo nicht eine vorſetzliche Beleidigung geweſt: daß ſie nicht nur einen ſo trotzigen/ ſondern auch we- gen ſeiner That ſo verhaßten Geſandten abge- ſchickt. Sintemal dieſer Ampt iſt auch die herbſten Befehl durch eine freundliche Beſchei- denheit zu verzuckern. Eines verhaßten Bot- ſchafters Anmuth aber iſt verdruͤßlich/ die ver- nuͤnftigſten Liebkoſungen werden in ſeinem Munde zur Galle/ die hoͤchſte Billigkeit ſeines Vortrages ſcheinet eine unrechtmaͤſſige Forde- rung zu ſeyn; und daher nicht wegen ihr ſelbſt/ ſondern nur ſeinethalben verworffen; hingegen das verworffene/ ſo bald es nur aus einem an- dern Munde fleuſt/ nicht anders/ als wenn es wie die durch die Ertzt - Adern gequollenen Brunnen einen gantz andern Geſchmack und Kraͤffte
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Sechſtes Buch
gehabt haͤtte/ wenn nicht ſein Vater durch an-
gezogene Verdienſte ſeines Geſchlechtes/ und
ſein Verſprechen ſelbſt wider die Samniter in
Krieg zu ziehẽ den Rath verſoͤhnet/ und das Volk
beſaͤnftigt haͤtte. Sie brachten auch zwar bey-
de Fabier noch einmal in die groͤſte Verwirrung/
und Pontius hatte den jungen Fabius ſchon
gantz umbzuͤngelt; aber der verzweifelte Vater
that ein Werck uͤber ſeine Kraͤfften/ ſprengte den
Fuͤrſten Pontius an/ verwundete ihn/ und er-
rettete nicht allein ſeinen Sohn/ ſondern nahm
den Pontius auch ſelbſt gefangen; der ſtreitbare
Habſpurg fochte zwar noch etliche Stunden
als ein Loͤw/ und zehlte man ihm ſo viel Wunden
als Streiche nach/ endlich aber fiel er auf das
Bette der Ehren/ und hiermit das gantze Hertze
des noch kaͤmpfenden Heeres; welches in die
Flucht/ Pontius aber zu Rom unter das Beil
des Scharffrichters; der Rath zu Samnium
durch die gluͤcklichen Waffen des maͤſſigen Cu-
rius in ſolche Kleinmuth gerieth: daß er zu Rom
Friede bat/ und auf ſchwere Bedingungen er-
hielt/ unter denen war: daß ſie alle Fremde/ in-
ſonderheit der Semnoner Buͤndnuͤß abſchwe-
ren muſten. Dieſe konten ihnen hieraus leicht
an den Fingern ausrechen: daß dieſer Ver-
gleich auf ihren Untergang gemuͤntzt waͤre; in-
ſonderheit/ da die Roͤmer vorher auch der Deut-
ſchen Bunds-Genoſſen in Hetrurien/ nemlich
die Vulſinier/ die Staͤdte Peruſia und Aretium
von ihnen abtruͤnnig gemacht/ und in ihren
Schutz genommen hatten. Dieſemnach be-
ſchwerten ſich die Semnoner gegen die Roͤmer/
als ſie aber ſchlechte Antwort erhielten/ ruͤckten
die Deutſchen fuͤr Aretium. Die angefleheten
Roͤmer ſchickten den Coͤcilius Metellus mit ei-
nem Heere der belaͤgerten Stadt zu Huͤlffe; weil
ſie aber ungerne mit den Deutſchen zerfielen/
den Junius in Geſandſchafft vorher an den
Hertzog Britomar. Dieſer nahm die Abſen-
dung des Junius/ als der ſeinen Vater Klodo-
marn erſchlagen hatte/ alsbald uͤbel und fuͤr eine
Kriegs-Ankuͤndigung auf. Gleichwohl aber
uͤberwand er ſich: daß er ihn hoͤrte. Weil aber
Junius von den Semnonern veraͤchtlich redete/
Britomarn einen Eydbruͤchigen ſchalt; und
ihn zwingen wolte: daß er/ ehe er von ſeinem
Stule aufſtand/ ſich erklaͤren ſolte: Ob er die
Belaͤgerung der Stadt Aretium mit Erſtat-
tung alles Schadens aufheben wolte; ja ihm in
die Augen ſagte: daß er den Degen an der Sei-
te fuͤhrte/ wormit er ſeinem Vater Klodomarn
das Licht ausgeleſcht haͤtte/ ſolcher auch nicht
ſtumpfer als fuͤr ſiebzehn Jahren waͤre; entruͤſte-
te ſich Britomar ſo ſehr: daß er das Roͤmiſche
Buͤndnuͤß fuͤr des Junius Augen in tauſend
Stuͤcke zerrieß/ und ihn wegzufuͤhren befahl.
Die Leibwache aber ward uͤber den Juius ſo ver-
bittert: daß ſie ihn in ebẽ ſo kleine Stuͤcke zerkerb-
te? Zeno brach ein: Dieſe Verletzung des Roͤ-
miſchen Geſandten iſt gewiß ein Vortrab eines
ungluͤcklichen Kriegs geweſt; nach dem nicht nur
das Recht der Voͤlcker/ ſondern die Goͤtter ſelbſt
hierdurch verletzt und zur Rache bewegt wuͤrden.
Malovend antwortete: Jch wil dieſer That
nicht das Wort reden/ welche freylich ein boͤſer
Ausſchlag verdam̃t hat. Aber es iſt auf der
Roͤmer Seiten auch groſſe Unvernunft/ wo
nicht eine vorſetzliche Beleidigung geweſt: daß
ſie nicht nur einen ſo trotzigen/ ſondern auch we-
gen ſeiner That ſo verhaßten Geſandten abge-
ſchickt. Sintemal dieſer Ampt iſt auch die
herbſten Befehl durch eine freundliche Beſchei-
denheit zu verzuckern. Eines verhaßten Bot-
ſchafters Anmuth aber iſt verdruͤßlich/ die ver-
nuͤnftigſten Liebkoſungen werden in ſeinem
Munde zur Galle/ die hoͤchſte Billigkeit ſeines
Vortrages ſcheinet eine unrechtmaͤſſige Forde-
rung zu ſeyn; und daher nicht wegen ihr ſelbſt/
ſondern nur ſeinethalben verworffen; hingegen
das verworffene/ ſo bald es nur aus einem an-
dern Munde fleuſt/ nicht anders/ als wenn es
wie die durch die Ertzt - Adern gequollenen
Brunnen einen gantz andern Geſchmack und
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 770[772]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/832>, abgerufen am 03.07.2024. |