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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] leschenden alten Lichter in den eröffneten Grabe-
Hölen noch einen Glantz ihrer Tapferkeit von
sich; und fielen wie die durch ihren Fall viel
Stauden zerschmetternden Eich-Bäume. Wie
aber diese von innen zum ersten faulen/ oder von
Würmern gefressen werden; also beginnte auch der
Deutschen Unglück von ihrer eigenen Zwy-
tracht/ als welche sich allein eine Besigerin streit-
barer Völcker zu rühmen hat. Der Anfang
aber hierzu war: daß/ als Siegfried der Semno-
ner Herrschafft antrat/ ein neuer Schwarm
Völcker/ welches grösten theils die von den Bru-
cterern vertriebenen Marsen waren/ in Jtalien
eindrang; worüber die umb den Po wohnenden
Gallier aus Beysorge: sie würden von Deut-
schen endlich gar verdrungen werden/ nicht we-
nig Eifersucht schöpften/ und mit den Römern
ius geheim Verständnüß machten. Gleich-
wohl aber vermittelte es Hertzog Siegfried: daß
die Marsen sich mit verlaubtem freyen Durch-
zuge der Bojen und Gallier vergnügten. Al-
so kamen diese in Hetrurien/ und von dar rück-
ten sie über die Tiber. Weil auch die Römer
sonst alle Hände voll zu thun hatten/ musten sie
geschehen lassen: daß sie umb den Fucinischen
See in dem Apenninischen Gebürge ein Stü-
cke Landes einnahmen. Gantz Hetruriens
Raub ward fast ihnen zur Beute; aber so
wohl die Gallier als Semnoner schöpften hier-
aus Neid und Mißtrauen; iedoch blieb der
Zunder der Mißgunst und Feindschafft noch
unter der Asche glimmend. Wenige Zeit dar-
nach ward Herennius der Samniter Fürst/ des-
sen Tochter Siegfried geheyrathet hatte/ mit den
Campaniern und Marsen uneines. Die Cam-
panier aber erkaufften mit grossem Gelde die
Römer: daß sie mit den Samnitern ohne einige
Ursache den Frieden brachen. Wiewohl nun
Siegfried sich ins Mittel schlug/ und den Rö-
mern einhielt: daß es nicht allein verkleinerlich
wäre aus dem Kriege ein Gewerbe zu machen/
sondern auch ihr Friedens-Bruch wider die ge-
[Spaltenumbruch] meine Ruh Jtaliens lieffe/ sich auch erboth die
Samniter mit den Campaniern und Marsen
zu vereinbarn; verfing doch bey denen Römern/
welche wider die Samniter für längst Gelegen-
heit zu kriegen gesucht/ dieses alles das minste.
Diesemnach führte Pontius des Fürsten He-
rennius Sohn die Samniter; Siegfried aber
wegen verächtlich ausgeschlagener Vermittelung
seine Semnoner den Römischen Bürgermei-
stern Veturius und Posthumius/ welche mit
dem Römischen Heere bey der Stadt Calatia
ihr Läger geschlagen hatten/ biß zu der Stadt
Caudium entgegen/ und besetzten daselbst aufs
heimlichste die zwey Engen des Caudinischen
Gebürges. Von dar vertheilten sie zehn in
Pferde-Hirten verkleidete Kriegs-Knechte/ wel-
che denen Römischen Streiff-Rotten einmüthig
berichteten: daß der Feind zwischen den Flüssen
Cerbalus und Frento die Stadt Luceria in Apu-
lien starck belägerte. Die Römer setzten noch selbi-
ge Nacht über den Fluß Vulturnus/ und eilten
den geraden Weg gegen Luceria mit ihrem gan-
tzen Heere unvorsichtig in das erstere Thor in
das Caudinische Gebürge/ dessen Ausgang sie
aber mit Bäumen verhauen/ mit abgeweltzten
Stein-Felsen verschlossen/ und als sie wieder zu-
rück kehren wolten/ den ersten Eingang von
den Semnonern starck besetzt/ und schon auch
grösten theils verhauen fanden. Nach dem sie nun
aus diesem Gefängnüsse durch keine Gewalt
weder hinter sich noch vor sich konten/ muste das
gantze Römische Heer auf Befehl des Pontius/
wiewohl Siegfried und Herennius sie ohne sol-
chen Schimpf loß zu lassen/ oder gar zu tödten
rieth/ die Waffen und Kleider niederlegen/ und
nach der Ordnung ihrer Würde/ also die Bür-
germeister zum ersten halbnackt unter einem Jo-
che durchgehen/ und einen Frieden belieben/ wir
es ihnen fürgeschrieben ward. Alleine wie die
Römer das ihnen geschenckte Leben für keine
Wohlthat/ den angethanen Schimpf für eine
Ursache der Todfeindschafft annahmen/ also

wolte
D d d d d 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] leſchenden alten Lichter in den eroͤffneten Grabe-
Hoͤlen noch einen Glantz ihrer Tapferkeit von
ſich; und fielen wie die durch ihren Fall viel
Stauden zerſchmetternden Eich-Baͤume. Wie
aber dieſe von innen zum erſten faulen/ oder von
Wuͤrmern gefreſſen werdẽ; alſo begiñte auch der
Deutſchen Ungluͤck von ihrer eigenen Zwy-
tracht/ als welche ſich allein eine Beſigerin ſtreit-
barer Voͤlcker zu ruͤhmen hat. Der Anfang
aber hierzu war: daß/ als Siegfried der Semno-
ner Herrſchafft antrat/ ein neuer Schwarm
Voͤlcker/ welches groͤſten theils die von den Bru-
cterern vertriebenen Marſen waren/ in Jtalien
eindrang; woruͤber die umb den Po wohnenden
Gallier aus Beyſorge: ſie wuͤrden von Deut-
ſchen endlich gar verdrungen werden/ nicht we-
nig Eiferſucht ſchoͤpften/ und mit den Roͤmern
ius geheim Verſtaͤndnuͤß machten. Gleich-
wohl aber vermittelte es Hertzog Siegfried: daß
die Marſen ſich mit verlaubtem freyen Durch-
zuge der Bojen und Gallier vergnuͤgten. Al-
ſo kamen dieſe in Hetrurien/ und von dar ruͤck-
ten ſie uͤber die Tiber. Weil auch die Roͤmer
ſonſt alle Haͤnde voll zu thun hatten/ muſten ſie
geſchehen laſſen: daß ſie umb den Fuciniſchen
See in dem Apenniniſchen Gebuͤrge ein Stuͤ-
cke Landes einnahmen. Gantz Hetruriens
Raub ward faſt ihnen zur Beute; aber ſo
wohl die Gallier als Semnoner ſchoͤpften hier-
aus Neid und Mißtrauen; iedoch blieb der
Zunder der Mißgunſt und Feindſchafft noch
unter der Aſche glimmend. Wenige Zeit dar-
nach ward Herennius der Samniter Fuͤrſt/ deſ-
ſen Tochter Siegfried geheyrathet hatte/ mit den
Campaniern und Marſen uneines. Die Cam-
panier aber erkaufften mit groſſem Gelde die
Roͤmer: daß ſie mit den Samnitern ohne einige
Urſache den Frieden brachen. Wiewohl nun
Siegfried ſich ins Mittel ſchlug/ und den Roͤ-
mern einhielt: daß es nicht allein verkleinerlich
waͤre aus dem Kriege ein Gewerbe zu machen/
ſondern auch ihr Friedens-Bruch wider die ge-
[Spaltenumbruch] meine Ruh Jtaliens lieffe/ ſich auch erboth die
Samniter mit den Campaniern und Marſen
zu vereinbarn; verfing doch bey denen Roͤmern/
welche wider die Samniter fuͤr laͤngſt Gelegen-
heit zu kriegen geſucht/ dieſes alles das minſte.
Dieſemnach fuͤhrte Pontius des Fuͤrſten He-
rennius Sohn die Samniter; Siegfried aber
wegẽ veraͤchtlich ausgeſchlagener Vermittelung
ſeine Semnoner den Roͤmiſchen Buͤrgermei-
ſtern Veturius und Poſthumius/ welche mit
dem Roͤmiſchen Heere bey der Stadt Calatia
ihr Laͤger geſchlagen hatten/ biß zu der Stadt
Caudium entgegen/ und beſetzten daſelbſt aufs
heimlichſte die zwey Engen des Caudiniſchen
Gebuͤrges. Von dar vertheilten ſie zehn in
Pferde-Hirten verkleidete Kriegs-Knechte/ wel-
che denen Roͤmiſchen Streiff-Rotten einmuͤthig
berichteten: daß der Feind zwiſchen den Fluͤſſen
Cerbalus und Frento die Stadt Luceria in Apu-
liẽ ſtarck belaͤgerte. Die Roͤmer ſetzten noch ſelbi-
ge Nacht uͤber den Fluß Vulturnus/ und eilten
den geraden Weg gegen Luceria mit ihrem gan-
tzen Heere unvorſichtig in das erſtere Thor in
das Caudiniſche Gebuͤrge/ deſſen Ausgang ſie
aber mit Baͤumen verhauen/ mit abgeweltzten
Stein-Felſen verſchloſſen/ und als ſie wieder zu-
ruͤck kehren wolten/ den erſten Eingang von
den Semnonern ſtarck beſetzt/ und ſchon auch
groͤſten theils verhauen fandẽ. Nach dem ſie nun
aus dieſem Gefaͤngnuͤſſe durch keine Gewalt
weder hinter ſich noch vor ſich konten/ muſte das
gantze Roͤmiſche Heer auf Befehl des Pontius/
wiewohl Siegfried und Herennius ſie ohne ſol-
chen Schimpf loß zu laſſen/ oder gar zu toͤdten
rieth/ die Waffen und Kleider niederlegen/ und
nach der Ordnung ihrer Wuͤrde/ alſo die Buͤr-
germeiſter zum erſten halbnackt unter einem Jo-
che durchgehen/ und einen Frieden belieben/ wir
es ihnen fuͤrgeſchrieben ward. Alleine wie die
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D d d d d 3
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 765[767]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/827>, abgerufen am 23.11.2024.