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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] des Geschlechts/ welches man insgemein des
Aberglaubens beschuldigte; aber es wäre ihr die
Art aus der Vogel unvernünfftigem Beginnen
künfftige Zufälle vorzusehen allezeit sehr ver-
dächtig fürkommen. Denn woher solten die
Vogel für andern Thieren/ insonderheit aber
für den Menschen/ welche Gott mit der Ver-
nunfft als einem Funcken seines Lichtes be-
theilt/ ein Vorrecht haben? Malovend ant-
wortete: Es ist diß nichts unglaubliches; weil die
Natur auch in vielen andern Dingen/ als in
Schärffe der eusserlichen Sinnen/ und in Län-
ge des Lebens denen Thieren für dem Men-
schen einen Vortheil gegönnet. Jnsonder-
heit aber scheinen die Vögel eine Eigenschafft
zu haben: daß ihre Augen eben so wohl für
uns in Göttliche Versehung als die Adler in
die Sonne einen Blick thun können. Die
Fincke kündigt uns das Winter-Wetter/ die
Schwalbe den Frühling/ der Kuckuck den
Sommer/ die Schnepffe den Herbst/ der
Hahn mit seinem offt und zur Unzeit geschehe-
nem Krähen den Regen/ der Sperling mit sei-
nem Morgengeschrey Ungewitter/ die hoch aber
stille flügenden Kranche heimlich Wetter/ die
gleichsam bellenden Raben Wind/ die im San-
de sich badenden Reiger/ und die schnatterden
Gänse Platzregen an. Zeno warff ein: diß
wären alles natürliche Dinge/ welche aus Ver-
änderung der Lufft/ aus Auffschwellung des
Wassers/ und Auffdampffung der Dünste nicht
nur von den Thieren/ sondern auch von einfäl-
tigen Ackersleuten durch die Erfahrung wahr-
genommen werden könten. Künfftige unge-
wisse Zufälle aber vorsehen/ wo weder Sinnen
noch Scharffsinnigkeit einigen Einfluß oder
Ursache ergründen kan/ ist was göttliches. Da-
her auch er auff der Vogel Flug/ Geschrey oder
Speise einiges Absehen zu setzen für gefährlich/
oder auch gar für eiteln Aberglauben hielte. Rhe-
metalces begegnete ihm: wie kommts denn: daß
so viel nachdenckliche Anzeigungen der Vögel
[Spaltenumbruch] so genau eingetroffen? Jst es ungefehr geschehen:
daß der Rabe auff des Cicero Vorwerge bey Ca-
jeta den eisernen Weiser an der Uhr fortrückte/
an dem Saume seines Rockes nagte/ da er bald
darauff ermordet ward? Deutete nicht ein auff
dem Dache sitzender Adler durch allerhand Ge-
behrdung desselbigen nahen Einfall an? Such-
ten nicht drey Raben durch Abwerffung eines
Dach-Ziegels den Tiberius von Besuchung des
Capitolium abwendig zu machen; auff dem er
vom Priester Scipio Nasica erschlagen ward?
Kündigten nicht die aus dem Gebauer zu gehen
sich weigernden Hüner dem Junius den Ver-
lust seiner Schiffleute an? Zwangen nicht zwey
Raben durch ihre gewaltsame Widersetzung
den Priester Metellus zu Hause zu bleiben: daß
er aus dem kurtz darauff brennenden Tempel
der Vesta das Bild der Pallas rettete? Zeno
versetzte: Es kan wohl seyn: daß zuweilen ein-
und andere Muthmassungen hierinnen eintref-
fen. Aber lassen sich wohl dieselben/ welche fehl
geschlagen haben/ zehlen? Wie viel haben solche
Zeichen verächtlich in wind geschlagen/ gleich-
wohl aber ihr Fürnehmen glücklich ausgeführt?
Käyser Julius verlachte alle solche Andeutun-
gen/ welche ihm den Zug wider den Scipio und
Juba/ wie auch die Farth in Asien widerriethen;
gleichwohl aber war er niemals glücklicher als
selbige mahl. Und der grosse Alexander ließ
sich Aristanders Unglücks-Zeichen von der glück-
lichen Erlegung der Scythen nichts irre ma-
chen. Am allerklügsten aber halff der beym gros-
sen Alexander befindliche Jude Mosomachus
dem auff dem Zuge nach Babylon stutzenden
Heere fort/ als er den stille sitzenden Vogel/ mit
welchem/ der Wahrsager Gesetze nach/ es auch
unbeweglich bleiben solte/ mit einem Pfeile vom
Baume schoß/ und den erzürnten Wahrsagern
einhielt: Sie solten doch nicht gläuben: daß der
Vogel/ welcher nicht sein eigenes Unglück vor-
gesehen hätte/ fremdes hätte wissen können. Was
kan hierunter nicht für Betrug fürgehen; und

hat
Erster Theil. B b b b b

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] des Geſchlechts/ welches man insgemein des
Aberglaubens beſchuldigte; aber es waͤre ihr die
Art aus der Vogel unvernuͤnfftigem Beginnen
kuͤnfftige Zufaͤlle vorzuſehen allezeit ſehr ver-
daͤchtig fuͤrkommen. Denn woher ſolten die
Vogel fuͤr andern Thieren/ inſonderheit aber
fuͤr den Menſchen/ welche Gott mit der Ver-
nunfft als einem Funcken ſeines Lichtes be-
theilt/ ein Vorrecht haben? Malovend ant-
wortete: Es iſt diß nichts unglaubliches; weil die
Natur auch in vielen andern Dingen/ als in
Schaͤrffe der euſſerlichen Sinnen/ und in Laͤn-
ge des Lebens denen Thieren fuͤr dem Men-
ſchen einen Vortheil gegoͤnnet. Jnſonder-
heit aber ſcheinen die Voͤgel eine Eigenſchafft
zu haben: daß ihre Augen eben ſo wohl fuͤr
uns in Goͤttliche Verſehung als die Adler in
die Sonne einen Blick thun koͤnnen. Die
Fincke kuͤndigt uns das Winter-Wetter/ die
Schwalbe den Fruͤhling/ der Kuckuck den
Sommer/ die Schnepffe den Herbſt/ der
Hahn mit ſeinem offt und zur Unzeit geſchehe-
nem Kraͤhen den Regen/ der Sperling mit ſei-
nem Morgengeſchrey Ungewitter/ die hoch aber
ſtille fluͤgenden Kranche heimlich Wetter/ die
gleichſam bellenden Raben Wind/ die im San-
de ſich badenden Reiger/ und die ſchnatterden
Gaͤnſe Platzregen an. Zeno warff ein: diß
waͤren alles natuͤrliche Dinge/ welche aus Ver-
aͤnderung der Lufft/ aus Auffſchwellung des
Waſſers/ und Auffdampffung der Duͤnſte nicht
nur von den Thieren/ ſondern auch von einfaͤl-
tigen Ackersleuten durch die Erfahrung wahr-
genommen werden koͤnten. Kuͤnfftige unge-
wiſſe Zufaͤlle aber vorſehen/ wo weder Sinnen
noch Scharffſinnigkeit einigen Einfluß oder
Urſache ergruͤnden kan/ iſt was goͤttliches. Da-
her auch er auff der Vogel Flug/ Geſchrey oder
Speiſe einiges Abſehen zu ſetzen fuͤr gefaͤhrlich/
oder auch gar fuͤr eiteln Aberglauben hielte. Rhe-
metalces begegnete ihm: wie kommts denn: daß
ſo viel nachdenckliche Anzeigungen der Voͤgel
[Spaltenumbruch] ſo genau eingetroffen? Jſt es ungefehr geſchehen:
daß der Rabe auff des Cicero Vorwerge bey Ca-
jeta den eiſernen Weiſer an der Uhr fortruͤckte/
an dem Saume ſeines Rockes nagte/ da er bald
darauff ermordet ward? Deutete nicht ein auff
dem Dache ſitzender Adler durch allerhand Ge-
behrdung deſſelbigen nahen Einfall an? Such-
ten nicht drey Raben durch Abwerffung eines
Dach-Ziegels den Tiberius von Beſuchung des
Capitolium abwendig zu machen; auff dem er
vom Prieſter Scipio Naſica erſchlagen ward?
Kuͤndigten nicht die aus dem Gebauer zu gehen
ſich weigernden Huͤner dem Junius den Ver-
luſt ſeiner Schiffleute an? Zwangen nicht zwey
Raben durch ihre gewaltſame Widerſetzung
den Prieſter Metellus zu Hauſe zu bleiben: daß
er aus dem kurtz darauff brennenden Tempel
der Veſta das Bild der Pallas rettete? Zeno
verſetzte: Es kan wohl ſeyn: daß zuweilen ein-
und andere Muthmaſſungen hierinnen eintref-
fen. Aber laſſen ſich wohl dieſelben/ welche fehl
geſchlagen haben/ zehlen? Wie viel haben ſolche
Zeichen veraͤchtlich in wind geſchlagen/ gleich-
wohl aber ihr Fuͤrnehmen gluͤcklich ausgefuͤhrt?
Kaͤyſer Julius verlachte alle ſolche Andeutun-
gen/ welche ihm den Zug wider den Scipio und
Juba/ wie auch die Farth in Aſien widerriethen;
gleichwohl aber war er niemals gluͤcklicher als
ſelbige mahl. Und der groſſe Alexander ließ
ſich Ariſtanders Ungluͤcks-Zeichen von deꝛ gluͤck-
lichen Erlegung der Scythen nichts irre ma-
chen. Am allerkluͤgſten aber halff der beym groſ-
ſen Alexander befindliche Jude Moſomachus
dem auff dem Zuge nach Babylon ſtutzenden
Heere fort/ als er den ſtille ſitzenden Vogel/ mit
welchem/ der Wahrſager Geſetze nach/ es auch
unbeweglich bleiben ſolte/ mit einem Pfeile vom
Baume ſchoß/ und den erzuͤrnten Wahrſagern
einhielt: Sie ſolten doch nicht glaͤuben: daß der
Vogel/ welcher nicht ſein eigenes Ungluͤck vor-
geſehen haͤtte/ fremdes haͤtte wiſſen koͤñen. Was
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hat
Erſter Theil. B b b b b
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 745[747]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/807>, abgerufen am 23.11.2024.