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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] schafftmehr Eckel als Anmuth verursachen/ er
auch in einigen Umständen/ die dem Fürsten
Malovend zweiffelsfrey besser kundig wären/
irren/ und also seine übrige Berichte verdächtig
machen dörffte. Alle Anwesende nahmen sei-
ne Erklärung für bekandt auf/ und versicherten
ihn ihrer hohen Vergnügung; da er ihnen von
Grund aus und umständlich alles fürtragen
würde; weil dieser ihnen freygelassene Tag
durch keine bessere Lust zu verkürtzen wäre/ ih-
nen auch diese Gelegenheit nicht so bald wieder
kommen möchte. Adgandester erinnerte hier-
auf: Man möchte seine Erzehlung deßhalben
nicht bald als unwahrhafft verdammen; wenn
selbte nicht in allem mit den Römischen Ge-
schichtschreibern/ welche ihrem Volcke bißwei-
len zu sehr geheuchelt/ übereinstimmete. Die
aufrichtige Entdeckung der Deutschen Fehler
und Niederlagen würden hoffentlich ihm auch
im übrigen desto mehr Glauben erwerben. Ze-
no begegnete ihm: Er möchte deßhalben den
minsten Kummer haben; weil nicht nur die
Deutschen/ sondern auch die Griechen und an-
dere Völcker hierüber eine gleichmäßige Klage
führten/ und ein überaus grosser Unterscheid zu
lesen wäre/ von dem/ was die Römer und Frem-
de von ihren Africanischen und Parthischen
Kriegen aufgezeichnet hätten. Da doch die
Warheit der Kern und die Seele eines Ge-
schichtschreibers/ die Heucheley aber ein ver-
gänglicher Firnüß wäre/ welchen die Zeit nichts
minder von scheltbaren Thaten/ als das Alter die
Schmincke von runtzlichten Wangen abwisch-
te. Fürst Malovend setzte auch diese absondere
Vertröstung bey: daß er mit seinen Erinnerun-
gen ihm auf den unverhofften Nothfall nicht ent-
fallen wolte; weil er zumal dem Fürsten Zeno
und Rhemetalces noch in der Schuld wäre/ die
Begebenheiten der beyden Feldherren Aem-
brichs und Segimers zu erzehlen. Adgande-
stern waren hiermit alle ohne diß nur von seiner
Höfligkeit eingeworffene Ausflüchte abgeschnit-
[Spaltenumbruch] ten; dahero er denn/ nach dem die Königin E-
rato/ Salonine nebst dem andern Frauenzim-
mer/ Fürst Zeno und Rhemetalces sich in einem
anmuthigen Gesträuche in einen Kreiß nieder-
gelassen hatte; folgende Erzehlung anfing.

Es hat mit den Ländern in der Welt und
dem Meere/ oder denen Wolcken einerley Be-
schaffenheit. Die Flüsse/ die das Meer in sich
verschlinget/ giebet es durch geheime Wasser-
Röhren aus den Gebürgen wieder von sich; die
schwämmichten Wolcken drücken ihre Feuch-
tigkeit wieder auf den Erdbodem aus/ woher sie
empor gedampfft waren. Und die vor ander-
wärts her bevölckerten Länder überströmen
und besämen hernach andere. Denn ob zwar
insgemein geglaubet wird/ daß Menschen und
Thiere von Anfang nicht anders als die Piltze/
oder die Egyptischen Mäuse aus dem Erdbo-
dem/ und zwar anfangs nicht in solcher Voll-
kommenheit/ sondern heßlich und gebrechlich ge-
wachsen wären; Weßwegen die Egyptier aus
ihres Landes annehmlicher Fruchtbarkeit/ die
Scythen aber aus der Höhe ihrer Gebürge zu
behaupten vermeinet: daß die ersten Menschen
bey ihnen aus dem fetten Leime gewachsen/ oder
doch von denen im Nil schwimmenden Wasser-
Leuten gezeuget worden wären; so ist doch bey
uns Deutschen eine beständige von unsern Ah-
nen herrührende Sage: daß Gott in Asien nur
einen Mann/ nemlich den Tuisto und ein Weib
Hertha aus einem Erdschollen erschaffen habe.
Dessen Sohn wäre Mann/ sein Enckel Asce-
nas gewest; welcher aus Phrygien über die
Meer-Enge und den Jster-Strom zum ersten
Deutschland besessen/ und durch seiner dreyen
Söhne Jugävon/ Hermion und Jstevon Nach-
kommen derogestalt erfüllet hätte: daß sie her-
nach viel andere Länder zu besetzen genungsa-
men Uberschuß gehabt. Sintemal die Natur
die kalten Nordländer für dem heissen Sud-
Striche mit mehrer Fruchtbarkeit beschencket/

also:

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſchafftmehr Eckel als Anmuth verurſachen/ er
auch in einigen Umſtaͤnden/ die dem Fuͤrſten
Malovend zweiffelsfrey beſſer kundig waͤren/
irren/ und alſo ſeine uͤbrige Berichte verdaͤchtig
machen doͤrffte. Alle Anweſende nahmen ſei-
ne Erklaͤrung fuͤr bekandt auf/ und verſicherten
ihn ihrer hohen Vergnuͤgung; da er ihnen von
Grund aus und umſtaͤndlich alles fuͤrtragen
wuͤrde; weil dieſer ihnen freygelaſſene Tag
durch keine beſſere Luſt zu verkuͤrtzen waͤre/ ih-
nen auch dieſe Gelegenheit nicht ſo bald wieder
kommen moͤchte. Adgandeſter erinnerte hier-
auf: Man moͤchte ſeine Erzehlung deßhalben
nicht bald als unwahrhafft verdammen; wenn
ſelbte nicht in allem mit den Roͤmiſchen Ge-
ſchichtſchreibern/ welche ihrem Volcke bißwei-
len zu ſehr geheuchelt/ uͤbereinſtimmete. Die
aufrichtige Entdeckung der Deutſchen Fehler
und Niederlagen wuͤrden hoffentlich ihm auch
im uͤbrigen deſto mehr Glauben erwerben. Ze-
no begegnete ihm: Er moͤchte deßhalben den
minſten Kummer haben; weil nicht nur die
Deutſchen/ ſondern auch die Griechen und an-
dere Voͤlcker hieruͤber eine gleichmaͤßige Klage
fuͤhrten/ und ein uͤberaus groſſer Unterſcheid zu
leſen waͤre/ von dem/ was die Roͤmer und Frem-
de von ihren Africaniſchen und Parthiſchen
Kriegen aufgezeichnet haͤtten. Da doch die
Warheit der Kern und die Seele eines Ge-
ſchichtſchreibers/ die Heucheley aber ein ver-
gaͤnglicher Firnuͤß waͤre/ welchen die Zeit nichts
minder von ſcheltbaren Thaten/ als das Alter die
Schmincke von runtzlichten Wangen abwiſch-
te. Fuͤrſt Malovend ſetzte auch dieſe abſondere
Vertroͤſtung bey: daß er mit ſeinen Erinnerun-
gen ihm auf den unverhofften Nothfall nicht ent-
fallen wolte; weil er zumal dem Fuͤrſten Zeno
und Rhemetalces noch in der Schuld waͤre/ die
Begebenheiten der beyden Feldherren Aem-
brichs und Segimers zu erzehlen. Adgande-
ſtern waren hiermit alle ohne diß nur von ſeiner
Hoͤfligkeit eingeworffene Ausfluͤchte abgeſchnit-
[Spaltenumbruch] ten; dahero er denn/ nach dem die Koͤnigin E-
rato/ Salonine nebſt dem andern Frauenzim-
mer/ Fuͤrſt Zeno und Rhemetalces ſich in einem
anmuthigen Geſtraͤuche in einen Kreiß nieder-
gelaſſen hatte; folgende Erzehlung anfing.

Es hat mit den Laͤndern in der Welt und
dem Meere/ oder denen Wolcken einerley Be-
ſchaffenheit. Die Fluͤſſe/ die das Meer in ſich
verſchlinget/ giebet es durch geheime Waſſer-
Roͤhren aus den Gebuͤrgen wieder von ſich; die
ſchwaͤmmichten Wolcken druͤcken ihre Feuch-
tigkeit wieder auf den Erdbodem aus/ woher ſie
empor gedampfft waren. Und die vor ander-
waͤrts her bevoͤlckerten Laͤnder uͤberſtroͤmen
und beſaͤmen hernach andere. Denn ob zwar
insgemein geglaubet wird/ daß Menſchen und
Thiere von Anfang nicht anders als die Piltze/
oder die Egyptiſchen Maͤuſe aus dem Erdbo-
dem/ und zwar anfangs nicht in ſolcher Voll-
kommenheit/ ſondeꝛn heßlich und gebrechlich ge-
wachſen waͤren; Weßwegen die Egyptier aus
ihres Landes annehmlicher Fruchtbarkeit/ die
Scythen aber aus der Hoͤhe ihrer Gebuͤrge zu
behaupten vermeinet: daß die erſten Menſchen
bey ihnen aus dem fetten Leime gewachſen/ oder
doch von denen im Nil ſchwimmenden Waſſer-
Leuten gezeuget worden waͤren; ſo iſt doch bey
uns Deutſchen eine beſtaͤndige von unſern Ah-
nen herruͤhrende Sage: daß Gott in Aſien nur
einen Mann/ nemlich den Tuiſto und ein Weib
Hertha aus einem Erdſchollen erſchaffen habe.
Deſſen Sohn waͤre Mann/ ſein Enckel Aſce-
nas geweſt; welcher aus Phrygien uͤber die
Meer-Enge und den Jſter-Strom zum erſten
Deutſchland beſeſſen/ und durch ſeiner dreyen
Soͤhne Jugaͤvon/ Hermion und Jſtevon Nach-
kommen derogeſtalt erfuͤllet haͤtte: daß ſie her-
nach viel andere Laͤnder zu beſetzen genungſa-
men Uberſchuß gehabt. Sintemal die Natur
die kalten Nordlaͤnder fuͤr dem heiſſen Sud-
Striche mit mehrer Fruchtbarkeit beſchencket/

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[732[734]/0794] Sechſtes Buch ſchafftmehr Eckel als Anmuth verurſachen/ er auch in einigen Umſtaͤnden/ die dem Fuͤrſten Malovend zweiffelsfrey beſſer kundig waͤren/ irren/ und alſo ſeine uͤbrige Berichte verdaͤchtig machen doͤrffte. Alle Anweſende nahmen ſei- ne Erklaͤrung fuͤr bekandt auf/ und verſicherten ihn ihrer hohen Vergnuͤgung; da er ihnen von Grund aus und umſtaͤndlich alles fuͤrtragen wuͤrde; weil dieſer ihnen freygelaſſene Tag durch keine beſſere Luſt zu verkuͤrtzen waͤre/ ih- nen auch dieſe Gelegenheit nicht ſo bald wieder kommen moͤchte. Adgandeſter erinnerte hier- auf: Man moͤchte ſeine Erzehlung deßhalben nicht bald als unwahrhafft verdammen; wenn ſelbte nicht in allem mit den Roͤmiſchen Ge- ſchichtſchreibern/ welche ihrem Volcke bißwei- len zu ſehr geheuchelt/ uͤbereinſtimmete. Die aufrichtige Entdeckung der Deutſchen Fehler und Niederlagen wuͤrden hoffentlich ihm auch im uͤbrigen deſto mehr Glauben erwerben. Ze- no begegnete ihm: Er moͤchte deßhalben den minſten Kummer haben; weil nicht nur die Deutſchen/ ſondern auch die Griechen und an- dere Voͤlcker hieruͤber eine gleichmaͤßige Klage fuͤhrten/ und ein uͤberaus groſſer Unterſcheid zu leſen waͤre/ von dem/ was die Roͤmer und Frem- de von ihren Africaniſchen und Parthiſchen Kriegen aufgezeichnet haͤtten. Da doch die Warheit der Kern und die Seele eines Ge- ſchichtſchreibers/ die Heucheley aber ein ver- gaͤnglicher Firnuͤß waͤre/ welchen die Zeit nichts minder von ſcheltbaren Thaten/ als das Alter die Schmincke von runtzlichten Wangen abwiſch- te. Fuͤrſt Malovend ſetzte auch dieſe abſondere Vertroͤſtung bey: daß er mit ſeinen Erinnerun- gen ihm auf den unverhofften Nothfall nicht ent- fallen wolte; weil er zumal dem Fuͤrſten Zeno und Rhemetalces noch in der Schuld waͤre/ die Begebenheiten der beyden Feldherren Aem- brichs und Segimers zu erzehlen. Adgande- ſtern waren hiermit alle ohne diß nur von ſeiner Hoͤfligkeit eingeworffene Ausfluͤchte abgeſchnit- ten; dahero er denn/ nach dem die Koͤnigin E- rato/ Salonine nebſt dem andern Frauenzim- mer/ Fuͤrſt Zeno und Rhemetalces ſich in einem anmuthigen Geſtraͤuche in einen Kreiß nieder- gelaſſen hatte; folgende Erzehlung anfing. Es hat mit den Laͤndern in der Welt und dem Meere/ oder denen Wolcken einerley Be- ſchaffenheit. Die Fluͤſſe/ die das Meer in ſich verſchlinget/ giebet es durch geheime Waſſer- Roͤhren aus den Gebuͤrgen wieder von ſich; die ſchwaͤmmichten Wolcken druͤcken ihre Feuch- tigkeit wieder auf den Erdbodem aus/ woher ſie empor gedampfft waren. Und die vor ander- waͤrts her bevoͤlckerten Laͤnder uͤberſtroͤmen und beſaͤmen hernach andere. Denn ob zwar insgemein geglaubet wird/ daß Menſchen und Thiere von Anfang nicht anders als die Piltze/ oder die Egyptiſchen Maͤuſe aus dem Erdbo- dem/ und zwar anfangs nicht in ſolcher Voll- kommenheit/ ſondeꝛn heßlich und gebrechlich ge- wachſen waͤren; Weßwegen die Egyptier aus ihres Landes annehmlicher Fruchtbarkeit/ die Scythen aber aus der Hoͤhe ihrer Gebuͤrge zu behaupten vermeinet: daß die erſten Menſchen bey ihnen aus dem fetten Leime gewachſen/ oder doch von denen im Nil ſchwimmenden Waſſer- Leuten gezeuget worden waͤren; ſo iſt doch bey uns Deutſchen eine beſtaͤndige von unſern Ah- nen herruͤhrende Sage: daß Gott in Aſien nur einen Mann/ nemlich den Tuiſto und ein Weib Hertha aus einem Erdſchollen erſchaffen habe. Deſſen Sohn waͤre Mann/ ſein Enckel Aſce- nas geweſt; welcher aus Phrygien uͤber die Meer-Enge und den Jſter-Strom zum erſten Deutſchland beſeſſen/ und durch ſeiner dreyen Soͤhne Jugaͤvon/ Hermion und Jſtevon Nach- kommen derogeſtalt erfuͤllet haͤtte: daß ſie her- nach viel andere Laͤnder zu beſetzen genungſa- men Uberſchuß gehabt. Sintemal die Natur die kalten Nordlaͤnder fuͤr dem heiſſen Sud- Striche mit mehrer Fruchtbarkeit beſchencket/ alſo:

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 732[734]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/794>, abgerufen am 23.11.2024.