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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Vorstadt/ oder vielmehr umb den Wohn-Platz
der verewigenden Weißheit begraben zu wer-
den für Ehre schätzten/ diesen zwey Wohlthätern
zu dancken haben: daß ihre versehrte Gedächt-
nüß-Maale wieder ergäntzt/ die Verfallenen
aufgerichtet/ die Verlohrnen verneuert worden.
Daher diese Gegend schier einem steinernen Wal-
de voll Marmel-Säulen und Bilder gleichet;
also: daß der/ welcher der alten Athenienser grosse
Thaten zu wissen verlangt/ nur allhier die herr-
lichen Grab-Schriften lesen darff. Unter diesen
lassen sich für andern neben einem kleinen Tem-
pel des befreyenden Bacchus/ und einem der Ca-
listischen Diana in einem marmelnen Umbkreiß
des Theseus/ Oedipus und Pirithous Grabma-
le wohl sehen. Welche alle aber an Pracht nicht
ferne davon gegen dem Berge Pentelicus die
Ehren-Pforte übertrifft/ die König Antigonus
dem weisen Zenon neben seine daselbst gehabte
Schule über seiner Grufft hat aufrichten lassen/
daran war mehr nicht geschrieben/ als:

Die We'ßheit war vorhin ein Weib/
Hier aber ruhet dessen Leib/
Der sie zum Manne hat gemacht/
Vom Kriechen auf die Beine bracht.

Auf der andern Seite gegen des Theseus Tem-
pel ward auch das Grab des Artztes Toxaris/
als ein für das Feber helffendes Genesungs-
Mittel verehret. Der marmelne Lehr-Saal
des Plato war mit den Altären der Musen/ der
Minerva/ des Vulcan/ des Neptun und Pro-
metheus/ wie auch der Liebe gleichsam gantz um-
geben; welches letztere alldar ihr ältestes Hei-
ligthum ist/ darauf der dem Pisistratus so beliebte
Knabe Charmus ihr zum ersten geopfert hat.
Als wir ausserhalb dem mit Fleiß verschlossenen
Saale der Weißheit diese merckwürdige Ge-
gend/ und ich zwar nicht ohne innerliche Regung
und geheime Ehrerbietung gegen die mir gleich-
sam für den Augen schwebenden Todten betrach-
tet hatten/ führte uns Mecenas nebst zweyen
der fürnehmsten Weltweisen unter den Berg
[Spaltenumbruch] Pentelicus zu dem Brunnen Brysis und einer
daselbst abermals nach seiner Art bereiteten Taf-
fel/ welche uns von denen tieffsinnigen Gesprä-
chen des Zarmars und dieser zweyer Platoni-
schen Weltweisen noch mehr versüsset ward.
Diese erzehlten unter andern von dem bey der
Academia stehenden Altare des Cupido: daß aus
solchem Socrates im Traume einen jungen
Schwan in seine Schoß fliegen/ hernach sich ge-
gen den Himmel schwingen gesehen hätte/ durch
dessen Gesang Götter und Menschen wären be-
zaubert worden; welchen Traum er alsofort auf
seinen Schüler Plato ausgedeutet; den ihm sel-
bigen Tag Aristo in die Lehre gebracht hatte. Da-
selbst entdeckte er uns; wie der Käyser folgenden
Morgen den mit nach Athen gebrachten Priester
Cheremon in der Schule der Platonischen
Weltweisen einführen wolte: also hätte er ihm
befohlen auch den Brahmann Zarmar hierzu
einzuladen. So wenig uns nun anständig war
diese Gnade des Käysers auszuschlagen/ so sehr
reitzte uns die Begierde/ uns unter die Versamm-
lung der weisen Griechen einzufinden.

Früh schickte der Käyser dem Zarmar ein
Kleid von köstlicher Leinwand/ einen helffenbei-
nernen Stab/ und einen güldenen Stuhl/ dar-
auf er in die Versammlung getragen ward. Me-
cenas folgte kurtz hierauf/ und führte auf seinem
Wagen den Gesandten Masulipat/ und mich
in den nunmehr eröfneten Weißheits-Saal der
Academia; gegen Morgen stand darinnen ein
Altar der Liebe/ hinter diesem das Bild des Py-
thagoras/ des Pherecides/ und des Göttlichen
Plato. Für diesen aber sassen alle Platonische
Weltweisen mit breiten Achseln/ zu welchen sich
auch Cheremon gesetzt hatte. Gegen Mittag
stand ein Altar der Göttlichen Versehung; als
welcher die Stoischen Weltweisen das meiste zu-
schreiben. Darneben stand das Bild des Zeno
aus Cypern/ wie auch ein Altar und eine gülde-
ne Krone; welches beydes die Stadt Athen ihm
gewiedmet hatten; wie auch die Thor-Schlüssel/

die
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Vorſtadt/ oder vielmehr umb den Wohn-Platz
der verewigenden Weißheit begraben zu wer-
den fuͤr Ehre ſchaͤtzten/ dieſen zwey Wohlthaͤtern
zu dancken haben: daß ihre verſehrte Gedaͤcht-
nuͤß-Maale wieder ergaͤntzt/ die Verfallenen
aufgerichtet/ die Verlohrnen verneuert worden.
Daher dieſe Gegend ſchier einem ſteinernẽ Wal-
de voll Marmel-Saͤulen und Bilder gleichet;
alſo: daß der/ welcher der alten Athenienſer groſſe
Thaten zu wiſſen verlangt/ nur allhier die herr-
lichen Grab-Schriften leſen darff. Unter dieſen
laſſen ſich fuͤr andern neben einem kleinen Tem-
pel des befreyenden Bacchus/ und einem der Ca-
liſtiſchen Diana in einem marmelnen Umbkreiß
des Theſeus/ Oedipus und Pirithous Grabma-
le wohl ſehen. Welche alle aber an Pracht nicht
ferne davon gegen dem Berge Pentelicus die
Ehren-Pforte uͤbertrifft/ die Koͤnig Antigonus
dem weiſen Zenon neben ſeine daſelbſt gehabte
Schule uͤber ſeiner Grufft hat aufrichten laſſen/
daran war mehr nicht geſchrieben/ als:

Die We’ßheit war vorhin ein Weib/
Hier aber ruhet deſſen Leib/
Der ſie zum Manne hat gemacht/
Vom Kriechen auf die Beine bracht.

Auf der andern Seite gegen des Theſeus Tem-
pel ward auch das Grab des Artztes Toxaris/
als ein fuͤr das Feber helffendes Geneſungs-
Mittel verehret. Der marmelne Lehr-Saal
des Plato war mit den Altaͤren der Muſen/ der
Minerva/ des Vulcan/ des Neptun und Pro-
metheus/ wie auch der Liebe gleichſam gantz um-
geben; welches letztere alldar ihr aͤlteſtes Hei-
ligthum iſt/ darauf der dem Piſiſtratus ſo beliebte
Knabe Charmus ihr zum erſten geopfert hat.
Als wir auſſerhalb dem mit Fleiß verſchloſſenen
Saale der Weißheit dieſe merckwuͤrdige Ge-
gend/ und ich zwar nicht ohne innerliche Regung
und geheime Ehrerbietung gegen die mir gleich-
ſam fuͤr den Augen ſchwebenden Todten betrach-
tet hatten/ fuͤhrte uns Mecenas nebſt zweyen
der fuͤrnehmſten Weltweiſen unter den Berg
[Spaltenumbruch] Pentelicus zu dem Brunnen Bryſis und einer
daſelbſt abermals nach ſeiner Art bereiteten Taf-
fel/ welche uns von denen tieffſinnigen Geſpraͤ-
chen des Zarmars und dieſer zweyer Platoni-
ſchen Weltweiſen noch mehr verſuͤſſet ward.
Dieſe erzehlten unter andern von dem bey der
Academia ſtehenden Altare des Cupido: daß aus
ſolchem Socrates im Traume einen jungen
Schwan in ſeine Schoß fliegen/ hernach ſich ge-
gen den Himmel ſchwingen geſehen haͤtte/ durch
deſſen Geſang Goͤtter und Menſchen waͤren be-
zaubert worden; welchen Traum er alſofort auf
ſeinen Schuͤler Plato ausgedeutet; den ihm ſel-
bigen Tag Ariſto in die Lehre gebracht hatte. Da-
ſelbſt entdeckte er uns; wie der Kaͤyſer folgenden
Morgen den mit nach Athen gebrachten Prieſteꝛ
Cheremon in der Schule der Platoniſchen
Weltweiſen einfuͤhren wolte: alſo haͤtte er ihm
befohlen auch den Brahmann Zarmar hierzu
einzuladen. So wenig uns nun anſtaͤndig war
dieſe Gnade des Kaͤyſers auszuſchlagen/ ſo ſehr
reitzte uns die Begierde/ uns unter die Verſam̃-
lung der weiſen Griechen einzufinden.

Fruͤh ſchickte der Kaͤyſer dem Zarmar ein
Kleid von koͤſtlicher Leinwand/ einen helffenbei-
nernen Stab/ und einen guͤldenen Stuhl/ dar-
auf er in die Verſam̃lung getragen ward. Me-
cenas folgte kurtz hierauf/ und fuͤhrte auf ſeinem
Wagen den Geſandten Maſulipat/ und mich
in den nunmehr eroͤfneten Weißheits-Saal der
Academia; gegen Morgen ſtand darinnen ein
Altar der Liebe/ hinter dieſem das Bild des Py-
thagoras/ des Pherecides/ und des Goͤttlichen
Plato. Fuͤr dieſen aber ſaſſen alle Platoniſche
Weltweiſen mit breiten Achſeln/ zu welchen ſich
auch Cheremon geſetzt hatte. Gegen Mittag
ſtand ein Altar der Goͤttlichen Verſehung; als
welcher die Stoiſchen Weltweiſen das meiſte zu-
ſchreiben. Darneben ſtand das Bild des Zeno
aus Cypern/ wie auch ein Altar und eine guͤlde-
ne Krone; welches beydes die Stadt Athen ihm
gewiedmet hatten; wie auch die Thor-Schluͤſſel/

die
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[707/0763] Arminius und Thußnelda. Vorſtadt/ oder vielmehr umb den Wohn-Platz der verewigenden Weißheit begraben zu wer- den fuͤr Ehre ſchaͤtzten/ dieſen zwey Wohlthaͤtern zu dancken haben: daß ihre verſehrte Gedaͤcht- nuͤß-Maale wieder ergaͤntzt/ die Verfallenen aufgerichtet/ die Verlohrnen verneuert worden. Daher dieſe Gegend ſchier einem ſteinernẽ Wal- de voll Marmel-Saͤulen und Bilder gleichet; alſo: daß der/ welcher der alten Athenienſer groſſe Thaten zu wiſſen verlangt/ nur allhier die herr- lichen Grab-Schriften leſen darff. Unter dieſen laſſen ſich fuͤr andern neben einem kleinen Tem- pel des befreyenden Bacchus/ und einem der Ca- liſtiſchen Diana in einem marmelnen Umbkreiß des Theſeus/ Oedipus und Pirithous Grabma- le wohl ſehen. Welche alle aber an Pracht nicht ferne davon gegen dem Berge Pentelicus die Ehren-Pforte uͤbertrifft/ die Koͤnig Antigonus dem weiſen Zenon neben ſeine daſelbſt gehabte Schule uͤber ſeiner Grufft hat aufrichten laſſen/ daran war mehr nicht geſchrieben/ als: Die We’ßheit war vorhin ein Weib/ Hier aber ruhet deſſen Leib/ Der ſie zum Manne hat gemacht/ Vom Kriechen auf die Beine bracht. Auf der andern Seite gegen des Theſeus Tem- pel ward auch das Grab des Artztes Toxaris/ als ein fuͤr das Feber helffendes Geneſungs- Mittel verehret. Der marmelne Lehr-Saal des Plato war mit den Altaͤren der Muſen/ der Minerva/ des Vulcan/ des Neptun und Pro- metheus/ wie auch der Liebe gleichſam gantz um- geben; welches letztere alldar ihr aͤlteſtes Hei- ligthum iſt/ darauf der dem Piſiſtratus ſo beliebte Knabe Charmus ihr zum erſten geopfert hat. Als wir auſſerhalb dem mit Fleiß verſchloſſenen Saale der Weißheit dieſe merckwuͤrdige Ge- gend/ und ich zwar nicht ohne innerliche Regung und geheime Ehrerbietung gegen die mir gleich- ſam fuͤr den Augen ſchwebenden Todten betrach- tet hatten/ fuͤhrte uns Mecenas nebſt zweyen der fuͤrnehmſten Weltweiſen unter den Berg Pentelicus zu dem Brunnen Bryſis und einer daſelbſt abermals nach ſeiner Art bereiteten Taf- fel/ welche uns von denen tieffſinnigen Geſpraͤ- chen des Zarmars und dieſer zweyer Platoni- ſchen Weltweiſen noch mehr verſuͤſſet ward. Dieſe erzehlten unter andern von dem bey der Academia ſtehenden Altare des Cupido: daß aus ſolchem Socrates im Traume einen jungen Schwan in ſeine Schoß fliegen/ hernach ſich ge- gen den Himmel ſchwingen geſehen haͤtte/ durch deſſen Geſang Goͤtter und Menſchen waͤren be- zaubert worden; welchen Traum er alſofort auf ſeinen Schuͤler Plato ausgedeutet; den ihm ſel- bigen Tag Ariſto in die Lehre gebracht hatte. Da- ſelbſt entdeckte er uns; wie der Kaͤyſer folgenden Morgen den mit nach Athen gebrachten Prieſteꝛ Cheremon in der Schule der Platoniſchen Weltweiſen einfuͤhren wolte: alſo haͤtte er ihm befohlen auch den Brahmann Zarmar hierzu einzuladen. So wenig uns nun anſtaͤndig war dieſe Gnade des Kaͤyſers auszuſchlagen/ ſo ſehr reitzte uns die Begierde/ uns unter die Verſam̃- lung der weiſen Griechen einzufinden. Fruͤh ſchickte der Kaͤyſer dem Zarmar ein Kleid von koͤſtlicher Leinwand/ einen helffenbei- nernen Stab/ und einen guͤldenen Stuhl/ dar- auf er in die Verſam̃lung getragen ward. Me- cenas folgte kurtz hierauf/ und fuͤhrte auf ſeinem Wagen den Geſandten Maſulipat/ und mich in den nunmehr eroͤfneten Weißheits-Saal der Academia; gegen Morgen ſtand darinnen ein Altar der Liebe/ hinter dieſem das Bild des Py- thagoras/ des Pherecides/ und des Goͤttlichen Plato. Fuͤr dieſen aber ſaſſen alle Platoniſche Weltweiſen mit breiten Achſeln/ zu welchen ſich auch Cheremon geſetzt hatte. Gegen Mittag ſtand ein Altar der Goͤttlichen Verſehung; als welcher die Stoiſchen Weltweiſen das meiſte zu- ſchreiben. Darneben ſtand das Bild des Zeno aus Cypern/ wie auch ein Altar und eine guͤlde- ne Krone; welches beydes die Stadt Athen ihm gewiedmet hatten; wie auch die Thor-Schluͤſſel/ die U u u u 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/763>, abgerufen am 23.11.2024.