Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
gleichgiltigen Dinges geschehe. Mecenassolte erwegen/ daß die Gesetze der Freundschafft nicht nach der Richtsch nur des Eigennutzes ab- zumässen wären/ und bey so gestalten Sachen hätten sie auch des Mecenas so ausehnliche Ga- ben zurück senden sollen. Von iederman Ge- schencke annehmen wäre Geitz/ von vielen eine Niedrigkeit des Gemüthes/ von niemanden ei- ne Grausamkeit. Unser Absehen wäre allein die Ehre zu haben/ daß unsere Scherben an dem Orte stehen dörfften/ wohin der Käyser etwas zu setzen für ein Glück schätzte/ und wohin alle Völ- cker ihre Seltzamkeiten/ als einen der Tugend schuldigen Zinß zu lieffern verbunden wären. Ja da er dem wenigen den Raum nicht erlaub- te/ liesse seine Höfligkeit es zwar für keine Ver- achtung ausdeuten; allein es würde zu Athen nebst seiner Wolthat/ unser Undanck ruchbar werden. Niemand aber solte aus dem Ehre suchen/ was zu eines andern Verkleinerung ge- reichte. Mecenas zohe die Achseln ein/ und vermeldete: Es wäre zwar einer Verwerffung des Geschenckes nicht unehnlich/ wenn selbtem ein grösseres auf der Fersen zurück folgte; allei- ne er müste nur der Ubermasse unser Höfligkeit sich unter werffen/ und bey seiner Schamröthe trösten/ daß gute Gemüther zwar Wolthaten nicht ver gessen könten/ wol aber zuweilen dar- für müsten Schuldner bleiben. Die Erkänt- nüß der Schuld aber wäre schon ein Theil der Vergeltung/ vielmal auch einer Vergeltung fürzuziehen. Hiermit kam Mecenas zu ge- nauer Betrachtung unserer Geschencke/ welche er über ihren Werth nicht genung zu schätzen wuste. Als er aber in dem Agathenen Becken den grünlichten Frosch erblickte/ vermochte er seine Gemüths-Regungen nicht mehr im Schrancken zu halten/ brach dannenhero her- aus: Jhr Götter! hättet ihr unter irrdischen Dingen mir selbst wohl ein annehmlicher Ge- scheneke zu liefern vermocht? Oder habt ihr nichts minder den Pinsel der Natur/ als das [Spaltenumbruch] Gemüthe des Masulipats gereget/ daß sie die- ses beliebte Bild in die Adern dieses edlen Stei- nes eingepreget? Wie wir nun einander anse- hende uns bekümmerten/ was den Mecenas ei- gentlich zu dieser Regung verursacht/ wiese er uns an seiner Hand den Petschir-Ring/ in wel- chem auf einen vielfärbichten grossen Opal ein Frosch gegraben war. Sehet/ fing er an/ hier den Stein/ wessentwegen Marcus Antonius den Nonius von Rom verjaget/ und welchen zu erhalten Nonius lieber sein Vaterland verlas- sen wollen. Diesen aber hat Nonius hernach für grosse Wolthaten dem Käyser freywillig/ der Käyser aber mir geschencket/ und weil ich mir zum ewigen Wapen meines Geschlechtes einen Frosch erwehlet/ solchen darein graben lassen. Wie hoch ich diesen zeither geschätzet/ kan Maro zeugen; also lasse ich sie allerseits ur- theilen/ wie viel höher ich dieses mein von der Natur selbst gemahltes Wapen zu schätzen habe. Mit diesen annehmlichen Abwechselungen brachten wir schier biß an Mittag zu/ als Mecenas zum Käyser beruffen ward. Maro erzehlte uns hierauf/ daß als Augustus den Sphinx/ als sein mütterliches Wapen/ mit dem Bilde des grossen Alexanders verwechselt/ hätte Agrippa/ wie für Zeiten Agamemnon/ einen Lö- wen-Kopf/ Mecenas aber einen Frosch erkieset. Dieser habe seine Erfindung von den Egy- ptiern/ welche mit dem Frosche auf einer Was- serblume die menschliche Unvollkommenheit fürbilden/ entlehnet/ und zu seiner Erinne- rung ihm dieses verächtliche Thier fürgestellet/ daß/ wie ein Frosch mit seinem Vordertheile aus dem todten Schlamme sich zu reissen bemühet/ wenn gleich sein unbeseelter Hinterleib noch Er- de ist; also die Seele des Menschen nicht in dem Kothe irrdischer Dinge/ oder unter der Bürde seines beschwerlichen Leibes verstarren/ sondern sich zu Gottempor zu schwingen bemühen solte. Maro weiste uns hier auf in einem Lusthause al- lerhand von Fröschen genommene Sinnenbil- der.
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
gleichgiltigen Dinges geſchehe. Mecenasſolte erwegen/ daß die Geſetze der Freundſchafft nicht nach der Richtſch nur des Eigennutzes ab- zumaͤſſen waͤren/ und bey ſo geſtalten Sachen haͤtten ſie auch des Mecenas ſo auſehnliche Ga- ben zuruͤck ſenden ſollen. Von iederman Ge- ſchencke annehmen waͤre Geitz/ von vielen eine Niedrigkeit des Gemuͤthes/ von niemanden ei- ne Grauſamkeit. Unſer Abſehen waͤre allein die Ehre zu haben/ daß unſere Scherben an dem Orte ſtehen doͤrfften/ wohin der Kaͤyſer etwas zu ſetzen fuͤr ein Gluͤck ſchaͤtzte/ und wohin alle Voͤl- cker ihre Seltzamkeiten/ als einen der Tugend ſchuldigen Zinß zu lieffern verbunden waͤren. Ja da er dem wenigen den Raum nicht erlaub- te/ lieſſe ſeine Hoͤfligkeit es zwar fuͤr keine Ver- achtung ausdeuten; allein es wuͤrde zu Athen nebſt ſeiner Wolthat/ unſer Undanck ruchbar werden. Niemand aber ſolte aus dem Ehre ſuchen/ was zu eines andern Verkleinerung ge- reichte. Mecenas zohe die Achſeln ein/ und vermeldete: Es waͤre zwar einer Verwerffung des Geſchenckes nicht unehnlich/ wenn ſelbtem ein groͤſſeres auf der Ferſen zuruͤck folgte; allei- ne er muͤſte nur der Ubermaſſe unſer Hoͤfligkeit ſich unter werffen/ und bey ſeiner Schamroͤthe troͤſten/ daß gute Gemuͤther zwar Wolthaten nicht ver geſſen koͤnten/ wol aber zuweilen dar- fuͤr muͤſten Schuldner bleiben. Die Erkaͤnt- nuͤß der Schuld aber waͤre ſchon ein Theil der Vergeltung/ vielmal auch einer Vergeltung fuͤrzuziehen. Hiermit kam Mecenas zu ge- nauer Betrachtung unſerer Geſchencke/ welche er uͤber ihren Werth nicht genung zu ſchaͤtzen wuſte. Als er aber in dem Agathenen Becken den gruͤnlichten Froſch erblickte/ vermochte er ſeine Gemuͤths-Regungen nicht mehr im Schrancken zu halten/ brach dannenhero her- aus: Jhr Goͤtter! haͤttet ihr unter irrdiſchen Dingen mir ſelbſt wohl ein annehmlicher Ge- ſcheneke zu liefern vermocht? Oder habt ihr nichts minder den Pinſel der Natur/ als das [Spaltenumbruch] Gemuͤthe des Maſulipats gereget/ daß ſie die- ſes beliebte Bild in die Adern dieſes edlen Stei- nes eingepreget? Wie wir nun einander anſe- hende uns bekuͤmmerten/ was den Mecenas ei- gentlich zu dieſer Regung verurſacht/ wieſe er uns an ſeiner Hand den Petſchir-Ring/ in wel- chem auf einen vielfaͤrbichten groſſen Opal ein Froſch gegraben war. Sehet/ fing er an/ hier den Stein/ weſſentwegen Marcus Antonius den Nonius von Rom verjaget/ und welchen zu erhalten Nonius lieber ſein Vaterland verlaſ- ſen wollen. Dieſen aber hat Nonius hernach fuͤr groſſe Wolthaten dem Kaͤyſer freywillig/ der Kaͤyſer aber mir geſchencket/ und weil ich mir zum ewigen Wapen meines Geſchlechtes einen Froſch erwehlet/ ſolchen darein graben laſſen. Wie hoch ich dieſen zeither geſchaͤtzet/ kan Maro zeugen; alſo laſſe ich ſie allerſeits ur- theilen/ wie viel hoͤher ich dieſes mein von der Natur ſelbſt gemahltes Wapen zu ſchaͤtzen habe. Mit dieſen annehmlichen Abwechſelungen brachten wir ſchier biß an Mittag zu/ als Mecenas zum Kaͤyſer beruffen ward. Maro erzehlte uns hierauf/ daß als Auguſtus den Sphinx/ als ſein muͤtterliches Wapen/ mit dem Bilde des groſſen Alexanders verwechſelt/ haͤtte Agꝛippa/ wie fuͤr Zeiten Agamemnon/ einen Loͤ- wen-Kopf/ Mecenas aber einen Froſch erkieſet. Dieſer habe ſeine Erfindung von den Egy- ptiern/ welche mit dem Froſche auf einer Waſ- ſerblume die menſchliche Unvollkommenheit fuͤrbilden/ entlehnet/ und zu ſeiner Erinne- rung ihm dieſes veraͤchtliche Thier fuͤrgeſtellet/ daß/ wie ein Froſch mit ſeinem Vordertheile aus dem todten Schlamme ſich zu reiſſen bemuͤhet/ wenn gleich ſein unbeſeelter Hinterleib noch Er- de iſt; alſo die Seele des Menſchen nicht in dem Kothe irrdiſcher Dinge/ oder unter der Buͤrde ſeines beſchwerlichen Leibes verſtarren/ ſondern ſich zu Gottempor zu ſchwingen bemuͤhen ſolte. Maro weiſte uns hier auf in einem Luſthauſe al- lerhand von Froͤſchen genommene Sinnenbil- der.
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Fuͤnfftes Buch
gleichgiltigen Dinges geſchehe. Mecenas
ſolte erwegen/ daß die Geſetze der Freundſchafft
nicht nach der Richtſch nur des Eigennutzes ab-
zumaͤſſen waͤren/ und bey ſo geſtalten Sachen
haͤtten ſie auch des Mecenas ſo auſehnliche Ga-
ben zuruͤck ſenden ſollen. Von iederman Ge-
ſchencke annehmen waͤre Geitz/ von vielen eine
Niedrigkeit des Gemuͤthes/ von niemanden ei-
ne Grauſamkeit. Unſer Abſehen waͤre allein
die Ehre zu haben/ daß unſere Scherben an dem
Orte ſtehen doͤrfften/ wohin der Kaͤyſer etwas zu
ſetzen fuͤr ein Gluͤck ſchaͤtzte/ und wohin alle Voͤl-
cker ihre Seltzamkeiten/ als einen der Tugend
ſchuldigen Zinß zu lieffern verbunden waͤren.
Ja da er dem wenigen den Raum nicht erlaub-
te/ lieſſe ſeine Hoͤfligkeit es zwar fuͤr keine Ver-
achtung ausdeuten; allein es wuͤrde zu Athen
nebſt ſeiner Wolthat/ unſer Undanck ruchbar
werden. Niemand aber ſolte aus dem Ehre
ſuchen/ was zu eines andern Verkleinerung ge-
reichte. Mecenas zohe die Achſeln ein/ und
vermeldete: Es waͤre zwar einer Verwerffung
des Geſchenckes nicht unehnlich/ wenn ſelbtem
ein groͤſſeres auf der Ferſen zuruͤck folgte; allei-
ne er muͤſte nur der Ubermaſſe unſer Hoͤfligkeit
ſich unter werffen/ und bey ſeiner Schamroͤthe
troͤſten/ daß gute Gemuͤther zwar Wolthaten
nicht ver geſſen koͤnten/ wol aber zuweilen dar-
fuͤr muͤſten Schuldner bleiben. Die Erkaͤnt-
nuͤß der Schuld aber waͤre ſchon ein Theil der
Vergeltung/ vielmal auch einer Vergeltung
fuͤrzuziehen. Hiermit kam Mecenas zu ge-
nauer Betrachtung unſerer Geſchencke/ welche
er uͤber ihren Werth nicht genung zu ſchaͤtzen
wuſte. Als er aber in dem Agathenen Becken
den gruͤnlichten Froſch erblickte/ vermochte er
ſeine Gemuͤths-Regungen nicht mehr im
Schrancken zu halten/ brach dannenhero her-
aus: Jhr Goͤtter! haͤttet ihr unter irrdiſchen
Dingen mir ſelbſt wohl ein annehmlicher Ge-
ſcheneke zu liefern vermocht? Oder habt ihr
nichts minder den Pinſel der Natur/ als das
Gemuͤthe des Maſulipats gereget/ daß ſie die-
ſes beliebte Bild in die Adern dieſes edlen Stei-
nes eingepreget? Wie wir nun einander anſe-
hende uns bekuͤmmerten/ was den Mecenas ei-
gentlich zu dieſer Regung verurſacht/ wieſe er
uns an ſeiner Hand den Petſchir-Ring/ in wel-
chem auf einen vielfaͤrbichten groſſen Opal ein
Froſch gegraben war. Sehet/ fing er an/ hier
den Stein/ weſſentwegen Marcus Antonius
den Nonius von Rom verjaget/ und welchen zu
erhalten Nonius lieber ſein Vaterland verlaſ-
ſen wollen. Dieſen aber hat Nonius hernach
fuͤr groſſe Wolthaten dem Kaͤyſer freywillig/
der Kaͤyſer aber mir geſchencket/ und weil ich
mir zum ewigen Wapen meines Geſchlechtes
einen Froſch erwehlet/ ſolchen darein graben
laſſen. Wie hoch ich dieſen zeither geſchaͤtzet/
kan Maro zeugen; alſo laſſe ich ſie allerſeits ur-
theilen/ wie viel hoͤher ich dieſes mein von der
Natur ſelbſt gemahltes Wapen zu ſchaͤtzen habe.
Mit dieſen annehmlichen Abwechſelungen
brachten wir ſchier biß an Mittag zu/ als
Mecenas zum Kaͤyſer beruffen ward. Maro
erzehlte uns hierauf/ daß als Auguſtus den
Sphinx/ als ſein muͤtterliches Wapen/ mit dem
Bilde des groſſen Alexanders verwechſelt/ haͤtte
Agꝛippa/ wie fuͤr Zeiten Agamemnon/ einen Loͤ-
wen-Kopf/ Mecenas aber einen Froſch erkieſet.
Dieſer habe ſeine Erfindung von den Egy-
ptiern/ welche mit dem Froſche auf einer Waſ-
ſerblume die menſchliche Unvollkommenheit
fuͤrbilden/ entlehnet/ und zu ſeiner Erinne-
rung ihm dieſes veraͤchtliche Thier fuͤrgeſtellet/
daß/ wie ein Froſch mit ſeinem Vordertheile aus
dem todten Schlamme ſich zu reiſſen bemuͤhet/
wenn gleich ſein unbeſeelter Hinterleib noch Er-
de iſt; alſo die Seele des Menſchen nicht in dem
Kothe irrdiſcher Dinge/ oder unter der Buͤrde
ſeines beſchwerlichen Leibes verſtarren/ ſondern
ſich zu Gottempor zu ſchwingen bemuͤhen ſolte.
Maro weiſte uns hier auf in einem Luſthauſe al-
lerhand von Froͤſchen genommene Sinnenbil-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/756>, abgerufen am 22.07.2024. |