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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] vorstehende Vergrösserung des Flusses urthei-
len kan. Welches Saltz im Frühlinge eben-
fals der jährenden Erde gleichsam ihre
Schweiß-Löcher öffnet; nach seiner Verflü-
gung aber sich den Schlamm wieder setzen läst/
also/ daß in viel tausend Jahren die Ufer sich
von selbtem nichts erhöhet/ und die Alten nur
geträumt haben/ wenn sie gegläubet/ daß das
untere Egypten aus dem herunter geschweif-
feten Lette zusammen gespielet/ für Zeiten a-
ber See gewest wäre. Die Tingung dieses
Nil-Wassers ist so gut und übermäßig/ daß die
Egyptier zu Dämpffung des übermäßigen
Salpeters/ und daher rührender Fettigkeit bey
Säung der Melonen und Gurcken die Aecker
zuweilen besänden/ und zu derer Vermagerung
so viel Müh als andere zur Tingung anwen-
den müssen. An dem Henckel des Alabaster-
nen Kruges/ den Moeris ausgoß/ war das
Bild Egyptens und folgendes zu lesen:

Hertz-Ader des Osir/ der Jsis hold Gemahl/
Des Paradißes Arm/ der Götter milde Zehren/
Jhr Saamen/ ihr Geschenck/ und ihr Genaden-Strahl/
Du reicher Himmels-Brunn/ du Vater fetter Achren/
Du Geist der Unter-Welt/ du fruchtbar-reicher Nil/
Gantz Africa kan dich nicht nach Verdienst verehren/
Kein Tempel ist zu groß/ kein Opffer dir zu viel/
Doch itzt scheint dir nur halb mein Weirauch zugehören.
Dem Moeris sireut die linck'./ und dir die rechte Hand;
Denn ein halb Jahr netzt er/ das andre du mein Land.

Auff dem Rückwege sahen wir an dem aus
diesem See gehenden Wassergraben das wun-
derwürdige Jrr-Gebäue/ welches König Moe-
ris zu seinem Begräbnisse angefangen/ andere
zehn Könige vollführet/ und Psammetich aus-
gebauet hat; dessen Wunder alle Kräffte mensch-
lichen Verstandes und Macht erschöpffen/ und
allen Glauben übertreffen; gegen welches das
Nachgemächte des Dedalus auff dem Eylande
Lemnos nicht sein hunderstes Theil ausmacht.
Als sich uns das Thor öffnete/ erbebte alles
von einem grausamen Donnerschlage. Es ist ge-
theilt nach den zwölff Egyptischen Landschafften
[Spaltenumbruch] in zwölff Höfe/ kein Egyptischer Gott ist/ der
darinnen nicht seinen Tempel habe/ welche von
eitel Marmelnen Seulen unterstützt sind/ und
in ihnen eine grosse Menge wohl vierzig Ellen
hoher Spitz-Thürme haben. Ausser diesem ist
eine grosse Menge Lustgänge/ und Gemächer/
wohl neunzig Staffeln hoch zu sehen/ welche von
Seulen aus Porphir getragen werden; zwischen
denen der Könige und Götter Bilder in viehischer
Gestalt/ aber aus köstlichem Ertzte und seltza-
men Steinen auffgerichtet sind. Dieser Ge-
mächer werden vierdtehalb tausend gezehlet/ de-
rer iegliche Seite so wol als die Bedachung von
einem gantzen Marmelsteine bestehet. Die un-
tersten sind Behältnisse der Königlichen Leichen/
und der heiligen Krokodile/ die nicht wie die ober-
sten Fremdankommenden gezeuget werden/ aus
derer irrsamen Umschweiffen sich Dedalus selbst
nicht auszuwickeln gewüst hat. Diß/ was ich
für das köstlichste hierinnen gehalten/ ist die neun
Ellenbogen hohe Seule des Serapis aus einem
einigen Smaragde/ welcher die gleichmäßige
Keule in dem Tempel des Hereules zu Tyrus
weit übertrifft/ und das Bild der Jsis aus de-
rogleichem Steine vier Ellen hoch/ welchen
Stein ein König von Babylon dahin verehret
hat. Jedes Bild hatte zwar seine Beyschrifft/
aber aus mir unleßlichen Ziffern/ darein al-
lerhand Thiere eingemischt waren. Uber dem
aus Ertzt gegossenem Thore stand ein Paradiß-
Vogel von allerhand Edelgesteinen recht leb-
hafft zusammen gesetzt/ welcher ihrem/ wiewol von
mir in Jndien irrig befundenen Glauben nach/
keine Füsse haben/ also niemahls ruhen/ nichts
essen/ keinmahl schlaffen/ und iederzeit in der Hö-
he herum schweben soll. Diesen brauchen die
Egyptier deßhalben zu einem Sinnbilde eines
Fürsten/ weil er niemahls ruhen/ seiner Unter-
thanen Güter nicht verzehren/ aber wohl stets
für sie sorgfältig wachen soll. Hier aber war
in gemeiner Egyptischer Sprache darunter zu
lesen:

Wie

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] vorſtehende Vergroͤſſerung des Fluſſes urthei-
len kan. Welches Saltz im Fruͤhlinge eben-
fals der jaͤhrenden Erde gleichſam ihre
Schweiß-Loͤcher oͤffnet; nach ſeiner Verfluͤ-
gung aber ſich den Schlamm wieder ſetzen laͤſt/
alſo/ daß in viel tauſend Jahren die Ufer ſich
von ſelbtem nichts erhoͤhet/ und die Alten nur
getraͤumt haben/ wenn ſie geglaͤubet/ daß das
untere Egypten aus dem herunter geſchweif-
feten Lette zuſammen geſpielet/ fuͤr Zeiten a-
ber See geweſt waͤre. Die Tingung dieſes
Nil-Waſſers iſt ſo gut und uͤbermaͤßig/ daß die
Egyptier zu Daͤmpffung des uͤbermaͤßigen
Salpeters/ und daher ruͤhrender Fettigkeit bey
Saͤung der Melonen und Gurcken die Aecker
zuweilen beſaͤnden/ und zu derer Vermagerung
ſo viel Muͤh als andere zur Tingung anwen-
den muͤſſen. An dem Henckel des Alabaſter-
nen Kruges/ den Moeris ausgoß/ war das
Bild Egyptens und folgendes zu leſen:

Hertz-Ader des Oſir/ der Jſis hold Gemahl/
Des Paradißes Arm/ der Goͤtter milde Zehren/
Jhr Saamen/ ihr Geſchenck/ und ihr Genaden-Strahl/
Du reicher Himmels-Brunn/ du Vater fetter Achren/
Du Geiſt der Unter-Welt/ du fruchtbar-reicher Nil/
Gantz Africa kan dich nicht nach Verdienſt verehren/
Kein Tempel iſt zu groß/ kein Opffer dir zu viel/
Doch itzt ſcheint dir nur halb mein Weirauch zugehoͤren.
Dem Moeris ſireut die linck’./ und dir die rechte Hand;
Denn ein halb Jahr netzt er/ das andre du mein Land.

Auff dem Ruͤckwege ſahen wir an dem aus
dieſem See gehenden Waſſergraben das wun-
derwuͤrdige Jrr-Gebaͤue/ welches Koͤnig Moe-
ris zu ſeinem Begraͤbniſſe angefangen/ andere
zehn Koͤnige vollfuͤhret/ und Pſammetich aus-
gebauet hat; deſſen Wunder alle Kraͤffte menſch-
lichen Verſtandes und Macht erſchoͤpffen/ und
allen Glauben uͤbertreffen; gegen welches das
Nachgemaͤchte des Dedalus auff dem Eylande
Lemnos nicht ſein hunderſtes Theil ausmacht.
Als ſich uns das Thor oͤffnete/ erbebte alles
von einem grauſamen Donnerſchlage. Es iſt ge-
theilt nach den zwoͤlff Egyptiſchen Landſchafften
[Spaltenumbruch] in zwoͤlff Hoͤfe/ kein Egyptiſcher Gott iſt/ der
darinnen nicht ſeinen Tempel habe/ welche von
eitel Marmelnen Seulen unterſtuͤtzt ſind/ und
in ihnen eine groſſe Menge wohl vierzig Ellen
hoher Spitz-Thuͤrme haben. Auſſer dieſem iſt
eine groſſe Menge Luſtgaͤnge/ und Gemaͤcher/
wohl neunzig Staffeln hoch zu ſehen/ welche von
Seulen aus Porphir getragen werden; zwiſchen
denen der Koͤnige uñ Goͤtter Bilder in viehiſcher
Geſtalt/ aber aus koͤſtlichem Ertzte und ſeltza-
men Steinen auffgerichtet ſind. Dieſer Ge-
maͤcher werden vierdtehalb tauſend gezehlet/ de-
rer iegliche Seite ſo wol als die Bedachung von
einem gantzen Marmelſteine beſtehet. Die un-
terſten ſind Behaͤltniſſe der Koͤniglichen Leichen/
und der heiligen Krokodile/ die nicht wie die ober-
ſten Fremdankommenden gezeuget werden/ aus
derer irrſamen Umſchweiffen ſich Dedalus ſelbſt
nicht auszuwickeln gewuͤſt hat. Diß/ was ich
fuͤr das koͤſtlichſte hierinnen gehalten/ iſt die neun
Ellenbogen hohe Seule des Serapis aus einem
einigen Smaragde/ welcher die gleichmaͤßige
Keule in dem Tempel des Hereules zu Tyrus
weit uͤbertrifft/ und das Bild der Jſis aus de-
rogleichem Steine vier Ellen hoch/ welchen
Stein ein Koͤnig von Babylon dahin verehret
hat. Jedes Bild hatte zwar ſeine Beyſchrifft/
aber aus mir unleßlichen Ziffern/ darein al-
lerhand Thiere eingemiſcht waren. Uber dem
aus Ertzt gegoſſenem Thore ſtand ein Paradiß-
Vogel von allerhand Edelgeſteinen recht leb-
hafft zuſam̃en geſetzt/ welcher ihrem/ wiewol von
mir in Jndien irrig befundenen Glauben nach/
keine Fuͤſſe haben/ alſo niemahls ruhen/ nichts
eſſen/ keinmahl ſchlaffen/ und iederzeit in der Hoͤ-
he herum ſchweben ſoll. Dieſen brauchen die
Egyptier deßhalben zu einem Sinnbilde eines
Fuͤrſten/ weil er niemahls ruhen/ ſeiner Unter-
thanen Guͤter nicht verzehren/ aber wohl ſtets
fuͤr ſie ſorgfaͤltig wachen ſoll. Hier aber war
in gemeiner Egyptiſcher Sprache darunter zu
leſen:

Wie
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[676/0732] Fuͤnfftes Buch vorſtehende Vergroͤſſerung des Fluſſes urthei- len kan. Welches Saltz im Fruͤhlinge eben- fals der jaͤhrenden Erde gleichſam ihre Schweiß-Loͤcher oͤffnet; nach ſeiner Verfluͤ- gung aber ſich den Schlamm wieder ſetzen laͤſt/ alſo/ daß in viel tauſend Jahren die Ufer ſich von ſelbtem nichts erhoͤhet/ und die Alten nur getraͤumt haben/ wenn ſie geglaͤubet/ daß das untere Egypten aus dem herunter geſchweif- feten Lette zuſammen geſpielet/ fuͤr Zeiten a- ber See geweſt waͤre. Die Tingung dieſes Nil-Waſſers iſt ſo gut und uͤbermaͤßig/ daß die Egyptier zu Daͤmpffung des uͤbermaͤßigen Salpeters/ und daher ruͤhrender Fettigkeit bey Saͤung der Melonen und Gurcken die Aecker zuweilen beſaͤnden/ und zu derer Vermagerung ſo viel Muͤh als andere zur Tingung anwen- den muͤſſen. An dem Henckel des Alabaſter- nen Kruges/ den Moeris ausgoß/ war das Bild Egyptens und folgendes zu leſen: Hertz-Ader des Oſir/ der Jſis hold Gemahl/ Des Paradißes Arm/ der Goͤtter milde Zehren/ Jhr Saamen/ ihr Geſchenck/ und ihr Genaden-Strahl/ Du reicher Himmels-Brunn/ du Vater fetter Achren/ Du Geiſt der Unter-Welt/ du fruchtbar-reicher Nil/ Gantz Africa kan dich nicht nach Verdienſt verehren/ Kein Tempel iſt zu groß/ kein Opffer dir zu viel/ Doch itzt ſcheint dir nur halb mein Weirauch zugehoͤren. Dem Moeris ſireut die linck’./ und dir die rechte Hand; Denn ein halb Jahr netzt er/ das andre du mein Land. Auff dem Ruͤckwege ſahen wir an dem aus dieſem See gehenden Waſſergraben das wun- derwuͤrdige Jrr-Gebaͤue/ welches Koͤnig Moe- ris zu ſeinem Begraͤbniſſe angefangen/ andere zehn Koͤnige vollfuͤhret/ und Pſammetich aus- gebauet hat; deſſen Wunder alle Kraͤffte menſch- lichen Verſtandes und Macht erſchoͤpffen/ und allen Glauben uͤbertreffen; gegen welches das Nachgemaͤchte des Dedalus auff dem Eylande Lemnos nicht ſein hunderſtes Theil ausmacht. Als ſich uns das Thor oͤffnete/ erbebte alles von einem grauſamen Donnerſchlage. Es iſt ge- theilt nach den zwoͤlff Egyptiſchen Landſchafften in zwoͤlff Hoͤfe/ kein Egyptiſcher Gott iſt/ der darinnen nicht ſeinen Tempel habe/ welche von eitel Marmelnen Seulen unterſtuͤtzt ſind/ und in ihnen eine groſſe Menge wohl vierzig Ellen hoher Spitz-Thuͤrme haben. Auſſer dieſem iſt eine groſſe Menge Luſtgaͤnge/ und Gemaͤcher/ wohl neunzig Staffeln hoch zu ſehen/ welche von Seulen aus Porphir getragen werden; zwiſchen denen der Koͤnige uñ Goͤtter Bilder in viehiſcher Geſtalt/ aber aus koͤſtlichem Ertzte und ſeltza- men Steinen auffgerichtet ſind. Dieſer Ge- maͤcher werden vierdtehalb tauſend gezehlet/ de- rer iegliche Seite ſo wol als die Bedachung von einem gantzen Marmelſteine beſtehet. Die un- terſten ſind Behaͤltniſſe der Koͤniglichen Leichen/ und der heiligen Krokodile/ die nicht wie die ober- ſten Fremdankommenden gezeuget werden/ aus derer irrſamen Umſchweiffen ſich Dedalus ſelbſt nicht auszuwickeln gewuͤſt hat. Diß/ was ich fuͤr das koͤſtlichſte hierinnen gehalten/ iſt die neun Ellenbogen hohe Seule des Serapis aus einem einigen Smaragde/ welcher die gleichmaͤßige Keule in dem Tempel des Hereules zu Tyrus weit uͤbertrifft/ und das Bild der Jſis aus de- rogleichem Steine vier Ellen hoch/ welchen Stein ein Koͤnig von Babylon dahin verehret hat. Jedes Bild hatte zwar ſeine Beyſchrifft/ aber aus mir unleßlichen Ziffern/ darein al- lerhand Thiere eingemiſcht waren. Uber dem aus Ertzt gegoſſenem Thore ſtand ein Paradiß- Vogel von allerhand Edelgeſteinen recht leb- hafft zuſam̃en geſetzt/ welcher ihrem/ wiewol von mir in Jndien irrig befundenen Glauben nach/ keine Fuͤſſe haben/ alſo niemahls ruhen/ nichts eſſen/ keinmahl ſchlaffen/ und iederzeit in der Hoͤ- he herum ſchweben ſoll. Dieſen brauchen die Egyptier deßhalben zu einem Sinnbilde eines Fuͤrſten/ weil er niemahls ruhen/ ſeiner Unter- thanen Guͤter nicht verzehren/ aber wohl ſtets fuͤr ſie ſorgfaͤltig wachen ſoll. Hier aber war in gemeiner Egyptiſcher Sprache darunter zu leſen: Wie

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/732>, abgerufen am 23.11.2024.