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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] che zur Feindschafft hätte/ solte man der Sache/
nicht der Person feind werden. Derenthal-
ben hätte er iederzeit dem Marcus Brutus in
dieser letzten Zeit den ersten Platz unter den
Römern ein geräumt/ weil er nicht als ein zu hi-
tziger Sohn sich auff die Seite des Julius/ son-
dern als ein treuer Bürger zu dem für die Frey-
heit streitenden Pompejus gesch lagen; ungeach-
tet dieser des Brutus Vater auffgerieben hät-
te; ja auch des Julius Wohlthaten sich hernach
nicht verblenden und abhalten ließ/ für die ge-
meine Freyheit seinem Wohlthäter den Dolch
ins Hertze zu stossen; Wodurch er sich zu einem
zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen
Wesens gemacht hätte. Derogestalt wäre
numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel-
ches er für wichtiger als schwerer hielte/ vor-
sichtig zu vollziehen wäre? Denn ein frommer
Fürst wäre zwar leicht anzugreiffen/ aber ge-
fährlicher zu erlegen; weil er todt am meisten
geliebt w[ü]rde. Hingegen wäre ein böser Herr-
scher zwar schwer anzutasten/ aber sonder Ge-
fahr zu stürtzen. Sintemahl ihn nach seinem
Tode auch seine eigene Schooß Kinder verdamm-
ten; womit sie nicht für so böse als ihr verlohr-
ner Rückenhalter möchten geachtet werden.
Solchem nach wäre seine Meinung: der glück-
liche Ausschlag hange von Fortsetzung eines ge-
schwinden Uberfalls/ und von Anführung ei-
nes erfahrnen Feldherrn. Langsamkeit sey
der Kern in zweiffelhafften Rathschlägen/ Ge-
schwindigkeit aber in der Bewerckstelligung
eines Schlusses. Uberdiß würden Auffleh-
nungen wider einen Unterdrücker gefährlicher
berathschlagt als ausgeübt. Wo es auch ums
gemeine Heyl zu thun wäre/ müste niemand
sich eigne Vermessenheit oder Ehrgeitz auff-
blehen lassen und zu Zwytracht Anlaß geben.
Denn seine Leibs-Stärcke/ seine Gemüths-
Kräfften und Erfahrung nur seinem eigenen
Ehrgeitze wiedmen/ wäre viehisch oder teuffe-
lisch; selbte zugleich dem gemeinen Wesen zum
[Spaltenumbruch] besten anwenden/ stünde Menschen zu; seinen
eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/
schiene so gar etwas göttliches zu seyn. Die
sem nach wolte er den gerne für den hertzhaffte
sten halten/ und die Oberstelle demselben ohn
Widerrede einräumen/ welcher am ersten durch
den Wall des Römischen Lägers einbrechen
würde. Jnzwischen erkläre er sich/ daß er un-
ter dem Cheruskischen Hertzoge/ welcher die
Römische Kriegs-Art von Grund aus gefasset/
als er unter ihnen selbst einen Heerführer abge-
geben/ seine Catten willigst in Schlacht-Ord-
nung stellen wolle. Das Glücke sey eine Buh-
lerin junger Helden. Sein Geschlechte/ sei-
ne Tugend/ sein Eyfer für das gemeine Wesen/
und daß er der Urheber dieses heiligen Bünd-
nißes sey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er-
kläre ihn zu ihrem obersten Feld-Herrn. Er a-
ber wolte durch sein Beyspiel lehren: daß ob
wohl viel fähig wären/ einem ein Oberhaupt
fürzusetzen/ gleichwohl es selbst nicht über sich
leiden könten; dennoch ihm und der deutschen
Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Beschirmer
des Landes zu folgen/ den man gleich selbst ans
Bret gehoben hätte.

Aller Anwesenden Angesichter schienen dem
Arpus Beyfall zu geben/ als Segesthes ihm
einfiel: Es wäre freylich wol zu wüntschen
Deutschland in völlige Freyheit/ das Volck in
Sicherheit/ sich in mehr Ansehen zu setzen; al-
lein es hätten die Deutschen die Römer wider
sich selbst/ durch unaufhörliche Einfälle in Gal-
lien/ gereitzet. Hätte Ariovist sich mit denen
gewonnenen Sequanern vergnügt/ die Heduer
und alle Gallier ihm nicht wollen unterthänig
machen/ dem Julius nicht spöttische Antwort
zugeboten/ so hätten die Römer so wenig/ als
vorher/ auf Deutschland ein Auge gehabt. Was
hätte Aembrich nicht den Römern für Hän-
del gemacht/ und für Schaden zugefügt? daß
August den Vinicius mit einem Kriegs-Heere
in Deutschland geschickt/ hätten die Catten erho-

let/
C 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] che zur Feindſchafft haͤtte/ ſolte man der Sache/
nicht der Perſon feind werden. Derenthal-
ben haͤtte er iederzeit dem Marcus Brutus in
dieſer letzten Zeit den erſten Platz unter den
Roͤmern ein geraͤumt/ weil er nicht als ein zu hi-
tziger Sohn ſich auff die Seite des Julius/ ſon-
dern als ein treuer Buͤrger zu dem fuͤr die Frey-
heit ſtreitenden Pompejus geſch lagen; ungeach-
tet dieſer des Brutus Vater auffgerieben haͤt-
te; ja auch des Julius Wohlthaten ſich hernach
nicht verblenden und abhalten ließ/ fuͤr die ge-
meine Freyheit ſeinem Wohlthaͤter den Dolch
ins Hertze zu ſtoſſen; Wodurch er ſich zu einem
zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen
Weſens gemacht haͤtte. Derogeſtalt waͤre
numehro allein die Frage/ wie diß Werck/ wel-
ches er fuͤr wichtiger als ſchwerer hielte/ vor-
ſichtig zu vollziehen waͤre? Denn ein frommer
Fuͤrſt waͤre zwar leicht anzugreiffen/ aber ge-
faͤhrlicher zu erlegen; weil er todt am meiſten
geliebt w[uͤ]rde. Hingegen waͤre ein boͤſer Herr-
ſcher zwar ſchwer anzutaſten/ aber ſonder Ge-
fahr zu ſtuͤrtzen. Sintemahl ihn nach ſeinem
Tode auch ſeine eigene Schooß Kinder verdam̃-
ten; womit ſie nicht fuͤr ſo boͤſe als ihr verlohr-
ner Ruͤckenhalter moͤchten geachtet werden.
Solchem nach waͤre ſeine Meinung: der gluͤck-
liche Ausſchlag hange von Fortſetzung eines ge-
ſchwinden Uberfalls/ und von Anfuͤhrung ei-
nes erfahrnen Feldherrn. Langſamkeit ſey
der Kern in zweiffelhafften Rathſchlaͤgen/ Ge-
ſchwindigkeit aber in der Bewerckſtelligung
eines Schluſſes. Uberdiß wuͤrden Auffleh-
nungen wider einen Unterdruͤcker gefaͤhrlicher
berathſchlagt als ausgeuͤbt. Wo es auch ums
gemeine Heyl zu thun waͤre/ muͤſte niemand
ſich eigne Vermeſſenheit oder Ehrgeitz auff-
blehen laſſen und zu Zwytracht Anlaß geben.
Denn ſeine Leibs-Staͤrcke/ ſeine Gemuͤths-
Kraͤfften und Erfahrung nur ſeinem eigenen
Ehrgeitze wiedmen/ waͤre viehiſch oder teuffe-
liſch; ſelbte zugleich dem gemeinen Weſen zum
[Spaltenumbruch] beſten anwenden/ ſtuͤnde Menſchen zu; ſeinen
eigenen Vortheil aber gar davon abziehen/
ſchiene ſo gar etwas goͤttliches zu ſeyn. Die
ſem nach wolte er den gerne fuͤr den hertzhaffte
ſten halten/ und die Oberſtelle demſelben ohn
Widerrede einraͤumen/ welcher am erſten durch
den Wall des Roͤmiſchen Laͤgers einbrechen
wuͤrde. Jnzwiſchen erklaͤre er ſich/ daß er un-
ter dem Cheruskiſchen Hertzoge/ welcher die
Roͤmiſche Kriegs-Art von Grund aus gefaſſet/
als er unter ihnen ſelbſt einen Heerfuͤhrer abge-
geben/ ſeine Catten willigſt in Schlacht-Ord-
nung ſtellen wolle. Das Gluͤcke ſey eine Buh-
lerin junger Helden. Sein Geſchlechte/ ſei-
ne Tugend/ ſein Eyfer fuͤr das gemeine Weſen/
und daß er der Urheber dieſes heiligen Buͤnd-
nißes ſey/ eigne ihm das Vorrecht zu/ und er-
klaͤre ihn zu ihrem oberſten Feld-Herrn. Er a-
ber wolte durch ſein Beyſpiel lehren: daß ob
wohl viel faͤhig waͤren/ einem ein Oberhaupt
fuͤrzuſetzen/ gleichwohl es ſelbſt nicht uͤber ſich
leiden koͤnten; dennoch ihm und der deutſchen
Freyheit nicht zu wider lieffe/ einem Beſchirmer
des Landes zu folgen/ den man gleich ſelbſt ans
Bret gehoben haͤtte.

Aller Anweſenden Angeſichter ſchienen dem
Arpus Beyfall zu geben/ als Segeſthes ihm
einfiel: Es waͤre freylich wol zu wuͤntſchen
Deutſchland in voͤllige Freyheit/ das Volck in
Sicherheit/ ſich in mehr Anſehen zu ſetzen; al-
lein es haͤtten die Deutſchen die Roͤmer wider
ſich ſelbſt/ durch unaufhoͤrliche Einfaͤlle in Gal-
lien/ gereitzet. Haͤtte Arioviſt ſich mit denen
gewonnenen Sequanern vergnuͤgt/ die Heduer
und alle Gallier ihm nicht wollen unterthaͤnig
machen/ dem Julius nicht ſpoͤttiſche Antwort
zugeboten/ ſo haͤtten die Roͤmer ſo wenig/ als
vorher/ auf Deutſchland ein Auge gehabt. Was
haͤtte Aembrich nicht den Roͤmern fuͤr Haͤn-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/69>, abgerufen am 24.11.2024.