Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
dern hieher zusammenlauffenden Flüssen von ei-ner überaus hohen Tieffe mit schröcklichem Ge- räusche verschlungen wurden. Es grausete ei- nem/ wenn man in diesen Strudel sahe; die sonst einfältigen Einwohner aber versicherten uns/ daß diese Tieffe ein Theil der unterirrdischen Höle wäre/ durch welche das Caspische und schwar- tze Meer unsichtbar sich mit einander vereinbar- ten. Wir hielten diß zwar für einen Traum der einfältigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehr befanden; und glaubte ich dieser zweyen Meere Verbindung so wenig als vorhin/ daß der Grie- chische Fluß Pyrrhus zu Syracusa in den Brun- nen Arethusa/ der Phrygische Fluß Meander in dem Peloponesischen Strome Asopus/ der sich verschlingende Phrat in dem Flusse Nilus seinen Ausgang haben solte; wie wir aber gleichwohl mehr aus Schertz als Ernst nach dem Grunde dieser Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß- grauer Mann/ daß man offtmahls in diesem Strudel eine gewisse Art Schilff/ welches nur im Caspischen Meere wüchse/ und eine gewisse Art Fische/ die nur im schwartzen Meere sonst zu finden wären/ finge. Uber diß hatte er in seiner Jugend auff seinen Reisen selbst angemercket/ daß das Caspische Meer bey wehenden West- winden sich hoch angeschwellet/ hingegen das schwartze bey dem Ostwinde überaus hefftig sich beweget und gebrauset hätte. Welches keine an- dere Ursache seyn könte/ als daß der ordentliche Ausfluß des Caspischen Meeres durch die West- winde gehindert/ durch die Ostwinde aber gewal- tig befördert würde. Uberdiß nehme das Caspi- sche rings um mit der Erde umfangenes Meer funffzehn Haupt-Flüsse ein/ gleichwol aber lief- fe es nicht über; also diese unbegreiffliche Menge Wasser sich ja irgends wohin verlieren müste. Endlich wäre ein unfehlbares Zeugniß dieser verborgenen Zusammen flüssung/ daß für etlichen Jahren ein Fisch im Caspischen Meere wäre ge- fangen worden/ an dessen Schwantze ein gülde- ner Ring gehangen hätte/ mit dieser Uberschrifft: Mithridates gab mir zu Sinope die [Spaltenumbruch] Freyheit und dieses Geschencke. Der Feldherr fiel dem Fürsten Zeno in die Rede/ mel- dende: Es wäre die Zusammenverbindung der Wasser eines von denen grösten Wundern der Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menschli- chen Leibe keines der kleinesten Aederlein wäre/ das nicht seinen richtigen Gang zum Hertzen hätte; also wäre auch in der Erdkugel kein Brund/ keine Bach/ keine See/ die nicht an dem grossen Welt-Meere hinge/ und daher müsten alle Flüs- se/ die nicht ins Meer sich ergiessen/ sondern un- ter die Erde sich verschlingen/ alle Meere und Seen/ welche keine eusserliche Einfarth ins Meer hätten/ durch unterirrdische Vereinba- rung an selbtes verknüpfft seyn. Ja ihn habe sein Lehrmeister aus wichtigen Gründen bere- det/ daß das Caspische Meer nicht nur mit dem Schwartzen/ sondern gar mit dem Persischen/ das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem Deutschlande die West-mit der Ost-See/ und viel andere mit einander verborgene Gemein- schafft hätten. Zu Alexandria habe ihm auch ein Priester erzehlet/ daß ein schöner Delphin/ wel- chem Ptolemäus eine güldene Taffel mit seinem Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer versetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einflusse des Nils im Mittel-Meere gefangen worden wäre. Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und sagte: die Natur wäre freylich wohlder rech- te Baumeister/ die Kunst nur ein Pfuscher/ oder ein Affe. Denn sie hätten unterweges noch die ohnmächtigsten Merckmahle derer von Selev- cus Nicaner geführter tieffen Graben gesehen/ in welchen er das Caspische und Euxinische Meer hätte zusammen leiten wollen. Nach dieser und der Einwohner Anleitung wären sie in Albani- en zu dem Flusse Cyrus kommen/ auff selbigem zu Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei- te die berühmte Stadt Cyropolis lassende/ biß wo dieser Fluß in den Arares fällt/ mit welchem er sich hernach durch einen Mund in das Caspi- sche Meer stürtzet. Weil mir aber bedencklich war/ allzu tieff in das Medische Gebiete uns zu
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
dern hieher zuſam̃enlauffenden Fluͤſſen von ei-ner uͤberaus hohen Tieffe mit ſchroͤcklichem Ge- raͤuſche verſchlungen wurden. Es grauſete ei- nem/ wenn man in dieſen Strudel ſahe; die ſonſt einfaͤltigen Einwohner aber verſicherten uns/ daß dieſe Tieffe ein Theil der unterirrdiſchen Hoͤle waͤre/ durch welche das Caſpiſche uñ ſchwaꝛ- tze Meer unſichtbar ſich mit einander vereinbar- ten. Wir hielten diß zwar fuͤr einen Traum der einfaͤltigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehꝛ befanden; und glaubte ich dieſer zweyen Meere Verbindung ſo wenig als vorhin/ daß der Grie- chiſche Fluß Pyrꝛhus zu Syracuſa in den Bꝛun- nen Arethuſa/ der Phrygiſche Fluß Meander in dem Peloponeſiſchen Strome Aſopus/ der ſich verſchlingende Phrat in dem Fluſſe Nilus ſeinen Ausgang haben ſolte; wie wir aber gleichwohl mehr aus Schertz als Ernſt nach dem Grunde dieſer Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß- grauer Mann/ daß man offtmahls in dieſem Strudel eine gewiſſe Art Schilff/ welches nur im Caſpiſchen Meere wuͤchſe/ und eine gewiſſe Art Fiſche/ die nur im ſchwartzen Meere ſonſt zu finden waͤren/ finge. Uber diß hatte er in ſeiner Jugend auff ſeinen Reiſen ſelbſt angemercket/ daß das Caſpiſche Meer bey wehenden Weſt- winden ſich hoch angeſchwellet/ hingegen das ſchwartze bey dem Oſtwinde uͤberaus hefftig ſich beweget und gebrauſet haͤtte. Welches keine an- dere Urſache ſeyn koͤnte/ als daß der ordentliche Ausfluß des Caſpiſchen Meeres durch die Weſt- winde gehindert/ durch die Oſtwinde aber gewal- tig befoͤrdert wuͤrde. Uberdiß nehme das Caſpi- ſche rings um mit der Erde umfangenes Meer funffzehn Haupt-Fluͤſſe ein/ gleichwol aber lief- fe es nicht uͤber; alſo dieſe unbegreiffliche Menge Waſſer ſich ja irgends wohin verlieren muͤſte. Endlich waͤre ein unfehlbares Zeugniß dieſer verborgenen Zuſam̃en fluͤſſung/ daß fuͤr etlichen Jahren ein Fiſch im Caſpiſchen Meere waͤre ge- fangen worden/ an deſſen Schwantze ein guͤlde- ner Ring gehangen haͤtte/ mit dieſer Uberſchrifft: Mithridates gab mir zu Sinope die [Spaltenumbruch] Freyheit und dieſes Geſchencke. Der Feldherr fiel dem Fuͤrſten Zeno in die Rede/ mel- dende: Es waͤre die Zuſammenverbindung der Waſſer eines von denen groͤſten Wundern der Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menſchli- chen Leibe keines der kleineſten Aederlein waͤre/ das nicht ſeinen richtigen Gang zum Hertzen haͤtte; alſo waͤre auch in der Erdkugel kein Bruñ/ keine Bach/ keine See/ die nicht an dem groſſen Welt-Meere hinge/ und daher muͤſten alle Fluͤſ- ſe/ die nicht ins Meer ſich ergieſſen/ ſondern un- ter die Erde ſich verſchlingen/ alle Meere und Seen/ welche keine euſſerliche Einfarth ins Meer haͤtten/ durch unterirrdiſche Vereinba- rung an ſelbtes verknuͤpfft ſeyn. Ja ihn habe ſein Lehrmeiſter aus wichtigen Gruͤnden bere- det/ daß das Caſpiſche Meer nicht nur mit dem Schwartzen/ ſondern gar mit dem Perſiſchen/ das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem Deutſchlande die Weſt-mit der Oſt-See/ und viel andere mit einander verborgene Gemein- ſchafft haͤtten. Zu Alexandria habe ihm auch ein Prieſter erzehlet/ daß ein ſchoͤner Delphin/ wel- chem Ptolemaͤus eine guͤldene Taffel mit ſeinem Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer verſetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einfluſſe des Nils im Mittel-Meere gefangen worden waͤre. Fuͤrſt Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und ſagte: die Natur waͤre freylich wohlder rech- te Baumeiſter/ die Kunſt nur ein Pfuſcher/ oder ein Affe. Denn ſie haͤtten unterweges noch die ohnmaͤchtigſten Merckmahle derer von Selev- cus Nicaner gefuͤhrter tieffen Graben geſehen/ in welchen er das Caſpiſche und Euxiniſche Meer haͤtte zuſammen leiten wollen. Nach dieſer und der Einwohner Anleitung waͤren ſie in Albani- en zu dem Fluſſe Cyrus kom̃en/ auff ſelbigem zu Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei- te die beruͤhmte Stadt Cyropolis laſſende/ biß wo dieſer Fluß in den Arares faͤllt/ mit welchem er ſich hernach durch einen Mund in das Caſpi- ſche Meer ſtuͤrtzet. Weil mir aber bedencklich war/ allzu tieff in das Mediſche Gebiete uns zu
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Fuͤnfftes Buch
dern hieher zuſam̃enlauffenden Fluͤſſen von ei-
ner uͤberaus hohen Tieffe mit ſchroͤcklichem Ge-
raͤuſche verſchlungen wurden. Es grauſete ei-
nem/ wenn man in dieſen Strudel ſahe; die ſonſt
einfaͤltigen Einwohner aber verſicherten uns/
daß dieſe Tieffe ein Theil der unterirrdiſchen
Hoͤle waͤre/ durch welche das Caſpiſche uñ ſchwaꝛ-
tze Meer unſichtbar ſich mit einander vereinbar-
ten. Wir hielten diß zwar fuͤr einen Traum der
einfaͤltigen Jberier/ bey denen wir uns nunmehꝛ
befanden; und glaubte ich dieſer zweyen Meere
Verbindung ſo wenig als vorhin/ daß der Grie-
chiſche Fluß Pyrꝛhus zu Syracuſa in den Bꝛun-
nen Arethuſa/ der Phrygiſche Fluß Meander in
dem Peloponeſiſchen Strome Aſopus/ der ſich
verſchlingende Phrat in dem Fluſſe Nilus ſeinen
Ausgang haben ſolte; wie wir aber gleichwohl
mehr aus Schertz als Ernſt nach dem Grunde
dieſer Meinung fragten/ berichtete uns ein Eiß-
grauer Mann/ daß man offtmahls in dieſem
Strudel eine gewiſſe Art Schilff/ welches nur
im Caſpiſchen Meere wuͤchſe/ und eine gewiſſe
Art Fiſche/ die nur im ſchwartzen Meere ſonſt zu
finden waͤren/ finge. Uber diß hatte er in ſeiner
Jugend auff ſeinen Reiſen ſelbſt angemercket/
daß das Caſpiſche Meer bey wehenden Weſt-
winden ſich hoch angeſchwellet/ hingegen das
ſchwartze bey dem Oſtwinde uͤberaus hefftig ſich
beweget und gebrauſet haͤtte. Welches keine an-
dere Urſache ſeyn koͤnte/ als daß der ordentliche
Ausfluß des Caſpiſchen Meeres durch die Weſt-
winde gehindert/ durch die Oſtwinde aber gewal-
tig befoͤrdert wuͤrde. Uberdiß nehme das Caſpi-
ſche rings um mit der Erde umfangenes Meer
funffzehn Haupt-Fluͤſſe ein/ gleichwol aber lief-
fe es nicht uͤber; alſo dieſe unbegreiffliche Menge
Waſſer ſich ja irgends wohin verlieren muͤſte.
Endlich waͤre ein unfehlbares Zeugniß dieſer
verborgenen Zuſam̃en fluͤſſung/ daß fuͤr etlichen
Jahren ein Fiſch im Caſpiſchen Meere waͤre ge-
fangen worden/ an deſſen Schwantze ein guͤlde-
ner Ring gehangen haͤtte/ mit dieſer Uberſchrifft:
Mithridates gab mir zu Sinope die
Freyheit und dieſes Geſchencke. Der
Feldherr fiel dem Fuͤrſten Zeno in die Rede/ mel-
dende: Es waͤre die Zuſammenverbindung der
Waſſer eines von denen groͤſten Wundern der
Welt/ und glaubte er: daß wie in dem menſchli-
chen Leibe keines der kleineſten Aederlein waͤre/
das nicht ſeinen richtigen Gang zum Hertzen
haͤtte; alſo waͤre auch in der Erdkugel kein Bruñ/
keine Bach/ keine See/ die nicht an dem groſſen
Welt-Meere hinge/ und daher muͤſten alle Fluͤſ-
ſe/ die nicht ins Meer ſich ergieſſen/ ſondern un-
ter die Erde ſich verſchlingen/ alle Meere und
Seen/ welche keine euſſerliche Einfarth ins
Meer haͤtten/ durch unterirrdiſche Vereinba-
rung an ſelbtes verknuͤpfft ſeyn. Ja ihn habe
ſein Lehrmeiſter aus wichtigen Gruͤnden bere-
det/ daß das Caſpiſche Meer nicht nur mit dem
Schwartzen/ ſondern gar mit dem Perſiſchen/
das rothe mit dem Mittel-Meere/ in ihrem
Deutſchlande die Weſt-mit der Oſt-See/ und
viel andere mit einander verborgene Gemein-
ſchafft haͤtten. Zu Alexandria habe ihm auch ein
Prieſter erzehlet/ daß ein ſchoͤner Delphin/ wel-
chem Ptolemaͤus eine guͤldene Taffel mit ſeinem
Namen angehenckt/ und wieder ins rothe Meer
verſetzt/ wenig Tage hernach bey dem Einfluſſe
des Nils im Mittel-Meere gefangen worden
waͤre. Fuͤrſt Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/
und ſagte: die Natur waͤre freylich wohlder rech-
te Baumeiſter/ die Kunſt nur ein Pfuſcher/ oder
ein Affe. Denn ſie haͤtten unterweges noch die
ohnmaͤchtigſten Merckmahle derer von Selev-
cus Nicaner gefuͤhrter tieffen Graben geſehen/
in welchen er das Caſpiſche und Euxiniſche Meer
haͤtte zuſammen leiten wollen. Nach dieſer und
der Einwohner Anleitung waͤren ſie in Albani-
en zu dem Fluſſe Cyrus kom̃en/ auff ſelbigem zu
Schiffe hinunter gefahren/ auf der lincken Sei-
te die beruͤhmte Stadt Cyropolis laſſende/ biß wo
dieſer Fluß in den Arares faͤllt/ mit welchem er
ſich hernach durch einen Mund in das Caſpi-
ſche Meer ſtuͤrtzet. Weil mir aber bedencklich
war/ allzu tieff in das Mediſche Gebiete uns
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/644>, abgerufen am 01.07.2024. |