Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
oder Zwangs gewärtig seyn wolte. Weil nundie verwegenen und vollbrachten Laster ins ge- mein glücklich ausschlagen/ hielt es Varus für eine Thorheit/ nur halb oder furchtsam boßhaft seyn. Diesemnach er denn mit obigen Wor- ten alsbald sie als ein Unsinniger anfiel; sie aber mit grosser Hertzhaftigkeit seinen geilen Beta- stungen Widerstand that. Jch/ sagte diese Frau/ weil mir die Aufsicht über diese Fürstin anvertrauet war/ hörte allein in einer von dem Gepüsche verdeckten Nähe dieses alles mit ste- tem Hertz-Klopfen an/ und weil ich besorgte: Walpurgis möchte übermannet werden/ rieff ich mit einem jämmerlichen Geschrey umb Hülffe. Hierüber entstand zwischen denen Si- cambern und Römern ein Auflauff und zu- gleich ein blutiges Gefechte; weil sie den Varus und die Fürstin noch in einander so unfreundlich verwickelt antraffen. Hertzog Melo sprang aus dem Lust-Hause selbst herbey; aber Varus hatte das Garten-Thor aufzubrechen und das Kriegs-Volck einzulassen befohlen; welches die wenigen Hof-Leute des Hertzogs leicht zurücke trieb oder erlegte. Wiewol Melo mit schäu- mendem Munde/ als ein Tieger-Thier/ dem man seine Jungen raubt/ fochte/ und sein Leben zulassen/ oder sein Kind zu erstreiten ihm vorsetz- te/ biß er von dreyen empfangenen Wunden sich so sehr verblutete: daß er in eine wiewol ihm die- nende Ohnmacht sanck; weil die Grausamkeit dieser Räuber ihm schwerlich das Leben gegön- net hätte; wenn es nicht schon für verloren wäre geachtet worden. Gleichwol aber wolte der Himmel der Boßheit des Varus nicht enträu- men: daß sie einer so reinen Keuschheit ein Haarbreit Abbruch zu thun vermocht hätte. Denn die Fürstin Walpurgis rieß einem Rö- mer ein Schwerdt aus/ und weil Varus sie zu verwunden bey Lebens-Straffe verbot/ war es ihr unschwer/ durch etliche Hauffen ihr einen Weg zu öfnen; biß sie an den die eine Seite des Gartens bestreichenden Siege-Fluß kam; in [Spaltenumbruch] welchen sie sich rückwerts stürtzete/ als sie sich aller Hülffe entblöst/ ihr Schwerdt zersprungen/ und sich allenthalben umbringet/ und dem unzüchti- gen Ehren-Schänder Varus anderer gestalt zu entrinnen keine Mögligkeit sahe. Die Rö- mer und insonderheit Varus wurden hierüber so beschämt und bestürtzt/ daß sie/ gleich als vom Blitz gerühret/ erstarreten/ und als wenn die Göttliche Rache schon ihnen über dem Na- cken schwebte/ oder etliche Kriegs-Heere ihnen in Eisen wären/ über Hals über Kopf sich aus dem Sicambrischen Gebiete flüchteten. Denn die Boßhafften erkiesen allererst die Grösse ih- res Lasters nach vollbrachter That. Hertzog Melo ward hierauf wieder erfrischet/ und ihm seine Wunden verbunden; welche GOtt so viel zeitlicher heil werden lassen/ daß er wider solche Grausamkeit ein strenger Rächer sey. Der eines bessern Glücks würdigen Walpurgis Leib ward in dem Wasser sorgfältig gesucht/ an selbi- gem Abende noch funden/ und endlich auf unsers Fürsten Befehl/ in Begleitung tausend streit- barer Sicambrer/ anher gebracht. Denn wie ihre reine Seele/ nach abgelegter Bürde ver- weßlicher Glieder/ in einem der reinesten Ge- stirne/ daraus sie entsprungen/ oder in einer ander-viel herrlichern Welt/ ietzt ihre Wohnung hat; also verdienet auch ihr heiliger Leib/ daß er in der heiligsten Erde Deutschlands sein Be- gräbnüs erlange. Hertzog Herrmann fieng nach ihrem Schlus- wor-
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
oder Zwangs gewaͤrtig ſeyn wolte. Weil nundie verwegenen und vollbrachten Laſter ins ge- mein gluͤcklich ausſchlagen/ hielt es Varus fuͤr eine Thorheit/ nur halb oder furchtſam boßhaft ſeyn. Dieſemnach er denn mit obigen Wor- ten alsbald ſie als ein Unſinniger anfiel; ſie aber mit groſſer Hertzhaftigkeit ſeinen geilen Beta- ſtungen Widerſtand that. Jch/ ſagte dieſe Frau/ weil mir die Aufſicht uͤber dieſe Fuͤrſtin anvertrauet war/ hoͤrte allein in einer von dem Gepuͤſche verdeckten Naͤhe dieſes alles mit ſte- tem Hertz-Klopfen an/ und weil ich beſorgte: Walpurgis moͤchte uͤbermannet werden/ rieff ich mit einem jaͤmmerlichen Geſchrey umb Huͤlffe. Hieruͤber entſtand zwiſchen denen Si- cambern und Roͤmern ein Auflauff und zu- gleich ein blutiges Gefechte; weil ſie den Varus und die Fuͤrſtin noch in einander ſo unfreundlich verwickelt antraffen. Hertzog Melo ſprang aus dem Luſt-Hauſe ſelbſt herbey; aber Varus hatte das Garten-Thor aufzubrechen und das Kriegs-Volck einzulaſſen befohlen; welches die wenigen Hof-Leute des Hertzogs leicht zuruͤcke trieb oder erlegte. Wiewol Melo mit ſchaͤu- mendem Munde/ als ein Tieger-Thier/ dem man ſeine Jungen raubt/ fochte/ und ſein Leben zulaſſen/ oder ſein Kind zu erſtreiten ihm vorſetz- te/ biß er von dreyen empfangenen Wunden ſich ſo ſehr verblutete: daß er in eine wiewol ihm die- nende Ohnmacht ſanck; weil die Grauſamkeit dieſer Raͤuber ihm ſchwerlich das Leben gegoͤn- net haͤtte; wenn es nicht ſchon fuͤr verloren waͤre geachtet worden. Gleichwol aber wolte der Himmel der Boßheit des Varus nicht entraͤu- men: daß ſie einer ſo reinen Keuſchheit ein Haarbreit Abbruch zu thun vermocht haͤtte. Denn die Fuͤrſtin Walpurgis rieß einem Roͤ- mer ein Schwerdt aus/ und weil Varus ſie zu verwunden bey Lebens-Straffe verbot/ war es ihr unſchwer/ durch etliche Hauffen ihr einen Weg zu oͤfnen; biß ſie an den die eine Seite des Gartens beſtreichenden Siege-Fluß kam; in [Spaltenumbruch] welchen ſie ſich ruͤckwerts ſtuͤrtzete/ als ſie ſich aller Huͤlffe entbloͤſt/ ihr Schwerdt zerſprungen/ und ſich allenthalben umbringet/ und dem unzuͤchti- gen Ehren-Schaͤnder Varus anderer geſtalt zu entrinnen keine Moͤgligkeit ſahe. Die Roͤ- mer und inſonderheit Varus wurden hieruͤber ſo beſchaͤmt und beſtuͤrtzt/ daß ſie/ gleich als vom Blitz geruͤhret/ erſtarreten/ und als wenn die Goͤttliche Rache ſchon ihnen uͤber dem Na- cken ſchwebte/ oder etliche Kriegs-Heere ihnen in Eiſen waͤren/ uͤber Hals uͤber Kopf ſich aus dem Sicambriſchen Gebiete fluͤchteten. Denn die Boßhafften erkieſen allererſt die Groͤſſe ih- res Laſters nach vollbrachter That. Hertzog Melo ward hierauf wieder erfriſchet/ und ihm ſeine Wunden verbunden; welche GOtt ſo viel zeitlicher heil werden laſſen/ daß er wider ſolche Grauſamkeit ein ſtrenger Raͤcher ſey. Der eines beſſern Gluͤcks wuͤrdigen Walpurgis Leib ward in dem Waſſer ſorgfaͤltig geſucht/ an ſelbi- gem Abende noch funden/ und endlich auf unſers Fuͤrſten Befehl/ in Begleitung tauſend ſtreit- barer Sicambrer/ anher gebracht. Denn wie ihre reine Seele/ nach abgelegter Buͤrde ver- weßlicher Glieder/ in einem der reineſten Ge- ſtirne/ daraus ſie entſprungen/ oder in einer ander-viel herrlichern Welt/ ietzt ihre Wohnung hat; alſo verdienet auch ihr heiliger Leib/ daß er in der heiligſten Erde Deutſchlands ſein Be- graͤbnuͤs erlange. Hertzog Herrmann fieng nach ihrem Schluſ- wor-
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Erſtes Buch
oder Zwangs gewaͤrtig ſeyn wolte. Weil nun
die verwegenen und vollbrachten Laſter ins ge-
mein gluͤcklich ausſchlagen/ hielt es Varus fuͤr
eine Thorheit/ nur halb oder furchtſam boßhaft
ſeyn. Dieſemnach er denn mit obigen Wor-
ten alsbald ſie als ein Unſinniger anfiel; ſie aber
mit groſſer Hertzhaftigkeit ſeinen geilen Beta-
ſtungen Widerſtand that. Jch/ ſagte dieſe
Frau/ weil mir die Aufſicht uͤber dieſe Fuͤrſtin
anvertrauet war/ hoͤrte allein in einer von dem
Gepuͤſche verdeckten Naͤhe dieſes alles mit ſte-
tem Hertz-Klopfen an/ und weil ich beſorgte:
Walpurgis moͤchte uͤbermannet werden/ rieff
ich mit einem jaͤmmerlichen Geſchrey umb
Huͤlffe. Hieruͤber entſtand zwiſchen denen Si-
cambern und Roͤmern ein Auflauff und zu-
gleich ein blutiges Gefechte; weil ſie den Varus
und die Fuͤrſtin noch in einander ſo unfreundlich
verwickelt antraffen. Hertzog Melo ſprang
aus dem Luſt-Hauſe ſelbſt herbey; aber Varus
hatte das Garten-Thor aufzubrechen und das
Kriegs-Volck einzulaſſen befohlen; welches die
wenigen Hof-Leute des Hertzogs leicht zuruͤcke
trieb oder erlegte. Wiewol Melo mit ſchaͤu-
mendem Munde/ als ein Tieger-Thier/ dem
man ſeine Jungen raubt/ fochte/ und ſein Leben
zulaſſen/ oder ſein Kind zu erſtreiten ihm vorſetz-
te/ biß er von dreyen empfangenen Wunden ſich
ſo ſehr verblutete: daß er in eine wiewol ihm die-
nende Ohnmacht ſanck; weil die Grauſamkeit
dieſer Raͤuber ihm ſchwerlich das Leben gegoͤn-
net haͤtte; wenn es nicht ſchon fuͤr verloren waͤre
geachtet worden. Gleichwol aber wolte der
Himmel der Boßheit des Varus nicht entraͤu-
men: daß ſie einer ſo reinen Keuſchheit ein
Haarbreit Abbruch zu thun vermocht haͤtte.
Denn die Fuͤrſtin Walpurgis rieß einem Roͤ-
mer ein Schwerdt aus/ und weil Varus ſie zu
verwunden bey Lebens-Straffe verbot/ war es
ihr unſchwer/ durch etliche Hauffen ihr einen
Weg zu oͤfnen; biß ſie an den die eine Seite des
Gartens beſtreichenden Siege-Fluß kam; in
welchen ſie ſich ruͤckwerts ſtuͤrtzete/ als ſie ſich aller
Huͤlffe entbloͤſt/ ihr Schwerdt zerſprungen/ und
ſich allenthalben umbringet/ und dem unzuͤchti-
gen Ehren-Schaͤnder Varus anderer geſtalt
zu entrinnen keine Moͤgligkeit ſahe. Die Roͤ-
mer und inſonderheit Varus wurden hieruͤber
ſo beſchaͤmt und beſtuͤrtzt/ daß ſie/ gleich als vom
Blitz geruͤhret/ erſtarreten/ und als wenn die
Goͤttliche Rache ſchon ihnen uͤber dem Na-
cken ſchwebte/ oder etliche Kriegs-Heere ihnen
in Eiſen waͤren/ uͤber Hals uͤber Kopf ſich aus
dem Sicambriſchen Gebiete fluͤchteten. Denn
die Boßhafften erkieſen allererſt die Groͤſſe ih-
res Laſters nach vollbrachter That. Hertzog
Melo ward hierauf wieder erfriſchet/ und ihm
ſeine Wunden verbunden; welche GOtt ſo viel
zeitlicher heil werden laſſen/ daß er wider ſolche
Grauſamkeit ein ſtrenger Raͤcher ſey. Der
eines beſſern Gluͤcks wuͤrdigen Walpurgis Leib
ward in dem Waſſer ſorgfaͤltig geſucht/ an ſelbi-
gem Abende noch funden/ und endlich auf unſers
Fuͤrſten Befehl/ in Begleitung tauſend ſtreit-
barer Sicambrer/ anher gebracht. Denn wie
ihre reine Seele/ nach abgelegter Buͤrde ver-
weßlicher Glieder/ in einem der reineſten Ge-
ſtirne/ daraus ſie entſprungen/ oder in einer
ander-viel herrlichern Welt/ ietzt ihre Wohnung
hat; alſo verdienet auch ihr heiliger Leib/ daß er
in der heiligſten Erde Deutſchlands ſein Be-
graͤbnuͤs erlange.
Hertzog Herrmann fieng nach ihrem Schluſ-
ſe zu denen andern Fuͤrſten an: Jſt dieſes nicht
eine Begebnuͤs/ welche einen Stein in der Er-
den erbarmen moͤchte? Jſt die Greuel-That
des Varus nicht ſo abſcheulich/ daß ſie der Goͤtt-
lichen Rache unmoͤglich entkommen kan? Dieſe
heilige und behertzte Todte aber iſt uns eine Lehr-
meiſterin: daß man ehe ſich ſelbſt toͤdten/ als ſich
ſeiner Freyheit und Tugend berauben laſſen/
und daß man laͤnger nicht leben ſoll/ als ſo lange
es ruͤhmlicher iſt zu leben als zu ſterben. Viel
Voͤlcker halten die Grabe-Staͤdte fuͤr Pforten/
wor-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/64>, abgerufen am 19.07.2024. |