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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] an: Es hätte diß schöne Stücke wol verdienet/
daß sein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/
und von bekräntzten Schallmeyern wäre aufge-
tragen worden. Wie denn auch die Beotier
die Aale mit Kräntzen ziereten/ und sie ihren Göt-
tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus-
geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei-
ne Schüssel rothe Aale aufsatzte; Welches die
fremde Gäste noch mehr verwundernd machte.
Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden
Gaste eine Schale mit einem köstlichen am
Flusse Pathissus gewachsenem Weine zu ge-
ben/ und erinnerte sie solche zu genüssen; weil
nur die lebenden Fische im Wasser/ die todten
aber in etwas heisserem schwimmen. Daher
müsten sie des Fürsten Zeno seinem Wasser er-
theilten Ruhm für dißmal etwas miltern. Rhe-
metalces fing an: Er hätte gleichwol in Pan-
nonien bey Saline in brüh-heissem Wasser-Fi-
sche schwimmen sehen. Auch solte das Wasser
zur Verdäuung besser seyn/ als der Wein. Für-
nehmlich aber wäre der Hunger der beste Koch/
und der Durst der beste Kellermeister. Daher
dörfte man sich nicht wundern/ daß schlechtes
Wasser dem Fürsten Zeno nicht nur besser als
der so hoch beschriehne Nectar geschmecket hät-
te/ sondern auch wol bekommen wäre. Er hät-
te sich gleichfals offt darmit gelabet/ und er könte
dem Pindarus ohne grosses Bedencken enthen-
gen/ daß das Wasser unter den Elementen/ was
das Gold unter den Metallen wäre. Unter-
dessen aber wäre doch dem so grossen Geschencke
der Natur dem Saffte der edlen Reben sein
Vorzug für dem Wasser nicht zu entziehen/ son-
dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine
Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des
Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen-
net zu werden verdiente. Jn welchem Absehn
Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja sein Ge-
wächse selbst in Africa für einen Gott verehret
würde. Jederman müste den Wein für einen
Zunder der Hertzhafftigkeit/ und für ein heilsa-
[Spaltenumbruch] mes Mittel wider die Traurigkeit gelten lassen.
Dahingegen das Wasser betrübt/ und etliches
gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei-
bisch machte. Zeno versetzte: Er wäre kein
abgesagter Feind des Weines/ und hielte es für
Verleumdung/ daß einige ihn für ein im Holtze
der Reben verfaultes Wasser schielten. Er
hielte ihn auch für eine Hertzstärckung/ und eine
der köstlichsten Artzneyen; aber nicht für ein
dienliches Geträncke. Denn er grieffe die Le-
bens-Geister an/ erhitzte das Geblüte/ zerrütte-
te das Gehirne/ zerstörete die Fruchtbarkeit/
und schwächte die Kräfften der Vernunfft. Da-
her die Griechen die Schrifften des Demosthe-
nes dem/ was Eschines schrieb/ nicht wegen sei-
ner bessern Geburts-Art vorzohen/ sondern
weil dieser Wasser/ jener Wein tranck. Und ob
zwar hierinnen die Maßhaltung eine Gräntz-
scheidung zwischen dem Nutzen und Schaden
seyn solte; so bezeugte doch die Erfahrung/ daß
diesen Unterscheid zu beobachten schwerer als die
Aus-Eckung eines Zirckels wäre. Die uns
angebohrne Lüsternheit setzte dem Glase der Ge-
sundheit einen Becher der Freundschafft bey/
und das dritte schenckte man zu Erfreuung des
Gemüthes ein. Hiermit erschlieche uns ein
halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein
Mensch schon nicht mehr seiner mächtig wäre/
sondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien-
ge. Auf diese Art hätte die Trunckenheit sich
gantzer Völcker bemächtiget/ daß sie bey ihnen
den Nahmen der Sitten/ und das Vermögen
viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er-
langt. Da doch der Mensch dardurch sich gleich-
sam zu was ärgerm/ als einem Vieh machte;
sintemal/ kein Thier auser dem Menschen/ ohne
und über den Durst trincke. Daher die Römer
allen Weibern/ die Carthaginenser allen Krie-
gesleuten das Weintrincken so scharf verboten/
daß es bey ihnen dem Ehebruche/ bey diesen der
Verrätherey gleiche gestrafft ward. Pytha-
goras hätte die/ welche sich des Weines nicht

gäntz-
D d d d 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] an: Es haͤtte diß ſchoͤne Stuͤcke wol verdienet/
daß ſein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze/
und von bekraͤntzten Schallmeyern waͤre aufge-
tragen worden. Wie denn auch die Beotier
die Aale mit Kraͤntzen ziereten/ und ſie ihꝛen Goͤt-
tern opfferten. Rhemetalces hatte kaum aus-
geredet/ als man auf des Feldherrn Winck ei-
ne Schuͤſſel rothe Aale aufſatzte; Welches die
fremde Gaͤſte noch mehr verwundernd machte.
Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden
Gaſte eine Schale mit einem koͤſtlichen am
Fluſſe Pathiſſus gewachſenem Weine zu ge-
ben/ und erinnerte ſie ſolche zu genuͤſſen; weil
nur die lebenden Fiſche im Waſſer/ die todten
aber in etwas heiſſerem ſchwimmen. Daher
muͤſten ſie des Fuͤrſten Zeno ſeinem Waſſer er-
theilten Ruhm fuͤr dißmal etwas miltern. Rhe-
metalces fing an: Er haͤtte gleichwol in Pan-
nonien bey Saline in bruͤh-heiſſem Waſſer-Fi-
ſche ſchwimmen ſehen. Auch ſolte das Waſſer
zur Verdaͤuung beſſer ſeyn/ als der Wein. Fuͤr-
nehmlich aber waͤre der Hunger der beſte Koch/
und der Durſt der beſte Kellermeiſter. Daher
doͤrfte man ſich nicht wundern/ daß ſchlechtes
Waſſer dem Fuͤrſten Zeno nicht nur beſſer als
der ſo hoch beſchriehne Nectar geſchmecket haͤt-
te/ ſondern auch wol bekommen waͤre. Er haͤt-
te ſich gleichfals offt darmit gelabet/ und er koͤnte
dem Pindarus ohne groſſes Bedencken enthen-
gen/ daß das Waſſer unter den Elementen/ was
das Gold unter den Metallen waͤre. Unter-
deſſen aber waͤre doch dem ſo groſſen Geſchencke
der Natur dem Saffte der edlen Reben ſein
Vorzug fuͤr dem Waſſer nicht zu entziehen/ ſon-
dern vielmehr zu enthengen/ daß der Wein eine
Milch der Alten und der Liebe/ ja ein Oel des
Lebens/ und eine Artzeney der Krancken genen-
net zu werden verdiente. Jn welchem Abſehn
Vacchus zu Athen als ein Artzt; ja ſein Ge-
waͤchſe ſelbſt in Africa fuͤr einen Gott verehret
wuͤrde. Jederman muͤſte den Wein fuͤr einen
Zunder der Hertzhafftigkeit/ und fuͤr ein heilſa-
[Spaltenumbruch] mes Mittel wider die Traurigkeit gelten laſſen.
Dahingegen das Waſſer betruͤbt/ und etliches
gar/ wie das aus dem Brunnen Salmacis/ wei-
biſch machte. Zeno verſetzte: Er waͤre kein
abgeſagter Feind des Weines/ und hielte es fuͤr
Verleumdung/ daß einige ihn fuͤr ein im Holtze
der Reben verfaultes Waſſer ſchielten. Er
hielte ihn auch fuͤr eine Hertzſtaͤrckung/ und eine
der koͤſtlichſten Artzneyen; aber nicht fuͤr ein
dienliches Getraͤncke. Denn er grieffe die Le-
bens-Geiſter an/ erhitzte das Gebluͤte/ zerruͤtte-
te das Gehirne/ zerſtoͤrete die Fruchtbarkeit/
und ſchwaͤchte die Kraͤfften der Vernunfft. Da-
her die Griechen die Schrifften des Demoſthe-
nes dem/ was Eſchines ſchrieb/ nicht wegen ſei-
ner beſſern Geburts-Art vorzohen/ ſondern
weil dieſer Waſſer/ jener Wein tranck. Und ob
zwar hierinnen die Maßhaltung eine Graͤntz-
ſcheidung zwiſchen dem Nutzen und Schaden
ſeyn ſolte; ſo bezeugte doch die Erfahrung/ daß
dieſen Unterſcheid zu beobachten ſchwerer als die
Aus-Eckung eines Zirckels waͤre. Die uns
angebohrne Luͤſternheit ſetzte dem Glaſe der Ge-
ſundheit einen Becher der Freundſchafft bey/
und das dritte ſchenckte man zu Erfreuung des
Gemuͤthes ein. Hiermit erſchlieche uns ein
halber Satz zur Trunckenheit/ wordurch ein
Menſch ſchon nicht mehr ſeiner maͤchtig waͤre/
ſondern dem Schwelgen freyen Zaum verhien-
ge. Auf dieſe Art haͤtte die Trunckenheit ſich
gantzer Voͤlcker bemaͤchtiget/ daß ſie bey ihnen
den Nahmen der Sitten/ und das Vermoͤgen
viel zu trincken den Ruhm einer Tugend er-
langt. Da doch der Menſch dardurch ſich gleich-
ſam zu was aͤrgerm/ als einem Vieh machte;
ſintemal/ kein Thier auſer dem Menſchen/ ohne
und uͤber den Durſt trincke. Daher die Roͤmer
allen Weibern/ die Carthaginenſer allen Krie-
gesleuten das Weintrincken ſo ſcharf verboten/
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/635>, abgerufen am 23.11.2024.